Insolvenzanfechtung für Dummies

  • Weil alle Themen, die sich ursprünglich mit den Basics der Insolvenzanfechtung beschäftigt haben, mittlerweile in völlig andere Richtungen gelaufen sind, mache ich hier nochmals einen neuen "Sammelthread" auf.

    Ich finde bei meiner Suche kein Urteil zu einem Sachverhalt, in welchem die Forderung gegenüber einen Verbraucher trotz mehrjähriger Ratenzahlung immer weiter steigt.
    Sagt die Rechtsprechung nicht, dass in diesem Fall ohne weitere Indizien von einer Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit auszugehen ist :gruebel:.

    :habenw

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Hier kann man wohl zwanglos auf das "Vorsichherschieben eines Forderungsrückstandes" abstellen (BGH, Urt. v. 30.06.2011 - IX ZR 134/10, Rn. 16).

    Im Übrigen würde ich die Rechtsprechung heranziehen, wonach aus der Länge eines vom Schuldner vorgeschlagenen Ratenzahlungszeitraumes auf die Zahlungsunfähigkeit geschlossen werden kann (OLG Hamburg, Urteil vom 10.12.2010 - 1 U 19/07). Hier ist die Länge ja quasi unendlich.

    In jedem Fall liegt ungeachtet der Ratenzahlungsvereinbarung jedenfalls drohende Zahlungsunfähigkeit vor. Diese wird in § 18 Abs. 2 InsO legal definiert als eine Situation, in der der Schuldner "voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen". Ansprüche auf Darlehensrückzahlung sind dabei auch dann bei der Prüfung der drohenden Zahlungsunfähigkeit zu berücksichtigen, wenn sie noch gar nicht fällig sind (so BGH, Urt. v. 05.12.2013 - IX ZR 93/11, Rn. 10). Denn entscheidend für die Feststellung der drohenden Zahlungsunfähigkeit ist, dass der Schuldner diese Ansprüche – sobald sie fällig sind – nicht erfüllen kann. Und wenn der Berg wie hier ständig weiter ansteigt, scheidet eine Erfüllung im Falle der Fälligkeit aus.

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Eine BGH-Entscheidung, aus der das unmittelbar hervorginge, fällt mir dazu spontan ebenfalls nicht ein.

    Bei einem OLG sind wir in einem ähnlichen Fall aber auch mit dem von Silberkotelett bereits angesprochenen vor sich her geschobenen Forderungsrückstand durchgekommen.

  • Auf Verbraucher ist die hier genannte BGH-Rechtsprechung m.E. nicht anwendbar. Ein Gläubiger muss nur mit weiteren Gläubigern des Schuldners rechnen, wenn dieser gewerblich tätig ist. Ich muss als Gläubiger bei einem Verbraucher, der mir Geld schuldet, nicht davon ausgehen, dass dieser weitere Gläubiger hat, weil er im Unterschied zum Unternehmer nicht zwingend in größerem Umfang an Geschäftsverkehr teilnimmt. Z.B. BGH, Urt. v. 25.02.2016 – IX ZR 109/15:
    "Da die Beklagte mit weiteren Gläubigern der gewerblich tätigen Schuldnerin rechnen musste, war sie über deren Zahlungseinstellung unterrichtet (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 - IX ZR 117/11, WM 2012, 2251 Rn. 30)."

    Und immer daran denken: Es kommt auf den Einzelfall an: Sämtliche Beweisanzeichen für und gegen eine Kenntnis sind - auch nach Maßgabe der BGH-Rechtsprechung - zu würdigen. Alle aktuellen Urteile und weitere Entwicklung auch auf unser Internetseite: http://www.insolvenzanfechtung-buchalik.de unter http://insolvenzanfechtung-buchalik.de/insolvenzanfec…rechtsprechung/

    Beste Grüße

    RA Dr. Olaf Hiebert

  • Oh. Den Link finde ich wirklich interessant. Vielen Dank dafür! :2danke Wenn ich die Seite jetzt nur vernünftig ausdrucken könnte...

    Habt Ihr das auch als pdf?

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Oh. Den Link finde ich wirklich interessant. Vielen Dank dafür! :2danke Wenn ich die Seite jetzt nur vernünftig ausdrucken könnte...

    Habt Ihr das auch als pdf?

    Was konkret wird als PDF benötigt? Für Finanzbeamte könnten meine hier angehängten Beiträge in Form von PDF interessant sein. :)

    Spezifische Fragen gerne per Mail: Olaf.Hiebert@buchalik-broemmekamp.de

  • Nochmal Danke!

    Ich meinte einfach die verlinkte Internetseite selbst. Ich kann den Text hier weder markieren und kopieren noch vernünftig ausdrucken. Ist aber auch nicht so schlimm. Kann ich mir ja die 11 Seiten am Monitor durchlesen.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Vielleicht noch einmal zur Klarstellung. Mein Punkt bezog sich auf die besonders gefährliche Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO. Da greift gemäß Satz 2 die Vermutung zu Lasten des Gläubigers nur, wenn dieser weiß, dass Handlung die Gläubiger benachteiligte. Und dies ist nur der Fall, wenn ich als Gläubiger weiß, dass es noch weitere Gläubiger gibt. Was beim Unternehmer nahe liegt, beim Verbraucher eben nicht.

    Für die Anfechtung nach § 130 InsO und die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit ist mir noch keine Entscheidung für Verbraucher bekannt. Ich fürchte aber, dass die Mehrheit der Juristen auch hier davon ausgehen wird, dass wenn der Schuldner nicht zahlt, der Gläubiger dies als Zahlungseinstellung werten muss. Ich halte das in dieser Pauschalität bei Verbrauchern für noch unzutreffender als bei Unternehmern.

    Wenn Ihr das Aktenzeichen eines Urteils kennt, könnt ihr sämtliche BGH Entscheidungen auch auf der Seite des BGH für private Zwecke kostenlos abrufen und als PDF speichern bzw. drucken. http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechts…uell&Sort=12288

  • Na ich nehm mal LG Erfurt v. 07.03.2013, 10 O 204/12

    Gerade die Energieversorger haben es doch mit Anfechtungen bei Insolvenzverfahren von Verbrauchern zu tun.
    Immer wenn da Ratenzahlungen vereinbart werden, ist man ganz schnell dabei mit der Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Sie sind noch neu im Forum, Herr Dr. Hiebert, und Ihre Ausführungen sind sicherlich für manche Teilnehmer von Interesse. Ich möchte allerdings darauf hinweisen, dass die von Ihnen praktizierte Eigenwerbung hier weder üblich noch (nach den Forenregeln) erwünscht ist.

    Die oben angehängten Aufsätze habe ich aus urheberrechtlichen Gründen vorsorglich entfernt.

    Nix für ungut.

    Kai Siegfried
    (Admin)

  • Na ich nehm mal LG Erfurt v. 07.03.2013, 10 O 204/12

    Gerade die Energieversorger haben es doch mit Anfechtungen bei Insolvenzverfahren von Verbrauchern zu tun.
    Immer wenn da Ratenzahlungen vereinbart werden, ist man ganz schnell dabei mit der Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung.

    Die einen so, die anderen so. Ich halte es mit Huber: dem Schuldner ist die Benachteiligungsabsicht in die Wiege gelegt worden.

    Unter Berücksichtigung der Lebenserfahrung muss man wohl davon ausgehen, dass der Schuldner nicht in der Kälte sitzen will und alles vermeidet, damit der Saft abgedreht wird. Kann er diese Kosten schon nur ratierlich stemmen, sieht es ansonsten sicher auch nicht rosig aus.

    Jetzt kann man natürlich einwenden, diese Sichtweise ist zu pauschal.

    Andererseits haben wir die gängige Rechtsprechung bei den Unternehmensinsolvenzen und den rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen als Indiz für eine ZU.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Na ich nehm mal LG Erfurt v. 07.03.2013, 10 O 204/12

    Gerade die Energieversorger haben es doch mit Anfechtungen bei Insolvenzverfahren von Verbrauchern zu tun.
    Immer wenn da Ratenzahlungen vereinbart werden, ist man ganz schnell dabei mit der Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung.

    Bei der Entscheidung dürfte es sich um einen Unternehmer (Selbständigen gehandelt haben). Hierauf deuten zumindest die Rückstände bei Finanzamt, Stadt und Krankenkasse. 4Ende 2007 sah sich der Schuldner zahlreichen Vollstreckungsversuchen anderer Gläubiger gegenüber, Der Schuldner schloss zudem mehrere Ratenzahlungsvereinbarungen mit Krankenkassen, der Stadt XXXX und dem Finanzamt XXXX

    Das Urteil des Landgerichts halte ich insoweit auch für unvollständig. Es hätte schon einmal ausführen müssen, weshalb der Gläubiger annehmen musste, dass es noch weitere gab.

  • Sie sind noch neu im Forum, Herr Dr. Hiebert, und Ihre Ausführungen sind sicherlich für manche Teilnehmer von Interesse. Ich möchte allerdings darauf hinweisen, dass die von Ihnen praktizierte Eigenwerbung hier weder üblich noch (nach den Forenregeln) erwünscht ist.

    Die oben angehängten Aufsätze habe ich aus urheberrechtlichen Gründen vorsorglich entfernt.

    Nix für ungut.

    Kai Siegfried
    (Admin)

    Vielen Dank für den freundlichen Hinweis:daumenrau

  • Es hätte schon einmal ausführen müssen, weshalb der Gläubiger annehmen musste, dass es noch weitere gab.

    Allgemeine Lebenserfahrung.

    Der Verbraucher nimmt sicherlich nicht in der gleichen Weise wie ein Selbständiger am Geschäftsleben teil. Aber nach allgemeiner Lebenserfahrung, von der bei den Selbständigen durch die Blume wohl auch ausgegangen wird, haben auch die Verbraucher nicht nur einen Gläubiger. Diese kommen nur aus anderen Sparten (Banken mit Hausfinanzierungen, Telekommunikationsunternehmen, Versandunternehmen etc.).

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • LFdC:

    Geb ich dir recht. Der Schuldner muss ja im Zeitpunkt der gläubigerbenachteiligenden Handlung nicht mal weitere Gläubiger haben. Wenn er zahlungsunfähig ist und ich das weiß, weiß ich auch, dass er durch die Ratenzahlung mit mir höchstwahrscheinlich andere Rechnungen künftig nicht bezahlen kann. Es reicht lt. BGH ja eine mittelbare, erst künftig eintretende Gläubigerbenachteiligung, BGH v. 13.08.2009, IX ZR 159/06.

    DrOH:
    Zum LG Erfurt: Stimmt. Ist mir durchgegangen.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Es hätte schon einmal ausführen müssen, weshalb der Gläubiger annehmen musste, dass es noch weitere gab.

    Allgemeine Lebenserfahrung.

    Der Verbraucher nimmt sicherlich nicht in der gleichen Weise wie ein Selbständiger am Geschäftsleben teil. Aber nach allgemeiner Lebenserfahrung, von der bei den Selbständigen durch die Blume wohl auch ausgegangen wird, haben auch die Verbraucher nicht nur einen Gläubiger. Diese kommen nur aus anderen Sparten (Banken mit Hausfinanzierungen, Telekommunikationsunternehmen, Versandunternehmen etc.).

    Nicht jeder Verbraucher hat ein Haus; die meisten Deutschen leben "zur Miete". Die Handyrechnung wird zuerst bezahlt, weil das Gerät sonst schnell gesperrt ist und die Handyspiele nicht mehr genutzt werden können. Versandunternehmen? Quelle und Neckermann sind Geschichte. Und Amazon ist sehr strickt, wenn einmal nicht gezahlt wird. Aber der gutmütige Enerergieversorger mahnt erst mehrfach und Rückstände können in Raten abgestottert werden. Wenn der Kunde die Raten dann zahlt, sehe ich nicht, weshalb es einen Erfahrungssatz dahingehend geben sollte, dass der Kunde noch weitere Gläubiger hat, die ausfallen, wenn gerade meine Rate oder Rechnung als Energieversorger gezahlt wird :)

  • Da kann man trefflich drüber streiten. Die Entscheidung wird im Zweifel davon abhängen, welche Erfahrungen der erkennende Richter in seinem Leben gemacht hat und welches Weltbild er vertritt.

    In der Regel haben meine Insolvenzschuldner gleich mehrere Handyverträge. Macht ein Anbieter von seinem Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch, dann wird eben ein neuer Vertrag abgeschlossen. Darüber hinaus gibt es genügend Unternehmen (im Handel gehört dies doch schon zum guten Ton), bei denen man im Internet Waren ohne Vorkasse bestellen kann. Dies waren auch nur Beispiele, die man beliebig abwandeln und erweitern kann.

    Auch beim Verbraucher bin ich der Meinung, dass der Stromanbieter mit seiner Möglichkeit der Leistungseinstellung durchaus ein gewisses Potential besitzt, bevorrechtigte Zahlungen vor allen anderen Gläubigern zu erlangen. Denn vernünftiges Wohnen gehört zu den Grundbedürfnissen des Menschen.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Nicht jeder Verbraucher hat ein Haus; die meisten Deutschen leben "zur Miete".

    Dann käme ja theoretisch noch der Vermieter als weiterer pot. Gläubiger hinzu [OK, der Hauseigentümer kann, muss aber nicht, noch offene Finanzierungsraten haben].

    Wenn ich Strom zahlen muss, muss ich auch Gas zahlen, bzw. die Nebenkosten bei einer gemieteten Wohnung. Und dann haben wir auch noch einen Zwangsgläubiger, der nur äußert ungern bedient wird, nein EXEC, nicht das Finanzamt, das ist einmal (vorläufig) außen vor, sondern die GEZ.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • @LFdC

    Du redest doch wohl nicht abfällig von den Kollegen vom ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice, oder?

    :box:

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

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