Genehmigung Erteilung 2. vollstreckbare Ausfertigung

  • Hallo zusammen,

    auch ich habe mal eine Frage.

    Folgender SV:
    Kindesvater verpflichtet sich in Urkunde der Stadt zur Zahlung von Unterhalt. Nach mehreren Jahren zieht das Kind zum Vater; der RA des KV verlangt den Titel heraus; die KM folgt dem auch. Der KV vernichtet daraufhin die Urkunde. Ende 2015 zieht das Kind wieder zur Mutter. Diese möchte natürlich wieder den Unterhalt aufgrund der ursprünglichen Urkunde ab Januar 2016 beziehen; die Stadt stellt entsprechend Antrag und möchte gerne die Genehmigung zur Erteilung einer weiteren (zweiten) vollstreckbaren Ausfertigung. Der Kindesvater wendet ein, dass er die erste Ausfertigung nicht mehr habe; es gab auch keine rückständigen Beträge. Dem widerspricht die KM.
    Ich bin jetzt mit mir am hadern: Kann ich bedenkenlos eine zweite Ausf. erteilen oder hat die KM durch Herausgabe des Titels ihren Anspruch "verwirkt" (sie hat ihn ja nicht "versehentlich herausgegeben)? Kommt es drauf an, ob tatsächlich Rückstände vorhanden sind? Oder muss sie tatsächlich einen neuen Titel für die Zeit ab 2016 erwirken?

    Bin gespannt auf Eure Meinungen...
    Besten Gruß

  • Das wäre was für den Fachbereich "Familie", würd ich sagen ;)

    Ich hätte Bedenken, die Erteilung der weiteren vollstreckbaren Ausfertigung zu genehmigen. Die Herausgabe des Ursprungstitels erfolgte freiwillig aufgrund einer temporär nicht bestehenden Unterhaltsverpflichtung. Ganz böse auslegend könnte man sogar einen Verzicht auf mögliche zukünftige Unterhaltsansprüche ausdeuten (so weit würde ich allerdings nicht gehen).

    M.E. müsste - aus materiell-rechtlicher Betrachtung - eine neue Titulierung erfolgen - denn in dem Zeitraum, in dem das Kind beim Vater wohnte, wurde Naturalunterhalt geleistet. Die Jugendamtsurkunde umfasst jedoch keine zeitliche Unterbrechung der Unterhaltspflicht. Diesen Einwand könnte der Vater jedoch im Falle der Erteilung und Vollstreckung im Wege der Vollstreckungsabwehrklage (erfolgreich) geltend machen.

    Formell betrachtet ist es allerdings ebenfalls fraglich, ob die Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung in Betracht kommt. Meines Erachtens hindert die freiwillige Titelherausgabe der Mutter die Erteilung. Denn sie hat damit zum Ausdruck gebracht "Ich möchte aus dem Titel nicht mehr vollstrecken".
    Auch formell müsste daher m.E. ein neuer Titel geschaffen werden.

    Wer "A" sagt, muss nicht auch "B" sagen. Er kann auch feststellen, dass "A" falsch war oder es auch noch "C" gibt.

    Wir Zauberer wissen über sowas Bescheid!

  • Erst muss man schauen, wer hatte wann, welches Sorgerecht (gemeinsam/ allein, 1629 Abs.3 ...), dann kann man die Handlungen bewerten, also die Herausgabe des Titels an den KV und insb. die Vernichtung durch ihn. (Konnte er z.B. bei der Vernichtung allein handeln, erscheint es gut vertretbar, dies als Verzicht auf die Rechte aus dem Titel auszulegen, dann wäre keine 2. Ausf. mgl.)

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • Der Verzicht auf künftigen Kindesunterhalt für Mj ist nach § 1614 BGB nichtig.
    Deshalb ist es gleichgültig, wie im Nachhinein die Handlung der KM interpretiert wird. Die Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung entsprach der damaligen unterhaltsrechtlichen Situation und diente der Vermeidung eines Rechtsstreits.
    Die Verpflichtungsurkunde selber wird ja vom KV nicht angegriffen. Wieso soll heute keine 2. VA erteilt werden dürfen?

  • @ Moosi: Was macht ihr als JA (Beistand) , wenn der Barunterhaltsschuldner (ohne dass ihm ein Vorwurf gemacht werden kann) leistungsunfähig wird?

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • Im Ausgangsfall sind weder Leistungsfähigkeit noch Zahlungsbereitschaft bestritten. Und um Abänderung eines Titels geht es nicht. Insofern hat Deine Frage nichts mit der Genehmigungsfrage zu tun.

    Aber um Deine Frage trotzdem zu beantworten: Wir verzichten im Einvernehmen mit Schuldner und anderem Elternteil auf die Vollstreckung der Rückstände aus dem Titel. (Und wenn uns ein RP ärgert, beantragen wir die Genehmigung dafür, wie früher zu Amtspflegschaftszeiten.)

  • Es geht mir um den mgl. Wegfall des Titels, also was passiert mit dem Titel für die Zukunft, verzichtet ihr (widerrufl.) oder?

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • Der Verzicht auf künftigen Kindesunterhalt für Mj ist nach § 1614 BGB nichtig.
    Deshalb ist es gleichgültig, wie im Nachhinein die Handlung der KM interpretiert wird. Die Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung entsprach der damaligen unterhaltsrechtlichen Situation und diente der Vermeidung eines Rechtsstreits.
    Die Verpflichtungsurkunde selber wird ja vom KV nicht angegriffen. Wieso soll heute keine 2. VA erteilt werden dürfen?

    Sehe ich eigentlich auch so. Auf zukünftigen Unterhalt kann man gar nicht verzichten, also spielt es auch keine Rolle, ob die Urkunde absichtlich oder nicht vernichtet wurde. Es existiert keine vollstreckbare Ausfertigung mehr, es existieren aber (wieder) Unterhaltsforderungen, mehr habe ich in diesem Verfahren, in dem es nicht um materiell-rechtliche Fragen geht, gar nicht zu prüfen. Es kann doch nicht sein, in einem solchen Fall ggf. in einem Gerichtsverfahren einen neuen Unterhaltstitel erstreiten zu müssen. Vielmehr steht dem Unterhaltsschuldner das Instrument des Vollstreckungsgegenantrages zu, sollte zu Unrecht von dem Titel Gebrauch gemacht werden.

    Auch der Einwand der Verwirkung ist materiell-rechtlicher Natur und nicht vom Vollstreckungsorgan zu prüfen - insoweit dann auch nicht bei der Erteilung der Vollstreckungsklausel.

  • Grstl. steht die freiwillige Herausgabe eines Titels der nochmaligen Erteilung der vollstr. Ausfert. entgegen. Dies ist hier auch nicht versehentlich geschehen.

    Es kann doch nicht sein, in einem solchen Fall ggf. in einem Gerichtsverfahren einen neuen Unterhaltstitel erstreiten zu müssen. ...

    Doch, warum nicht.

    ".. Der Unterhaltsschuldner kann vielmehr verlangen, daß der Unterhaltstitel gänzlich beseitigt wird und den Unterhaltsgläubiger darauf verweisen, bei Vorliegen der sachlichen Voraussetzungen für den Unterhaltsanspruch ihn erneut in Anspruch zu nehmen und gegebenenfalls einen erneuten Unterhaltstitel zu erstreiten....", vgl. OLG Karlsruhe, 16 WF 131/99.

    Hierfür ist allein entscheidend, dass, wie auch hier keine Barunterhaltspflicht (mehr) besteht, sei es weil leistungsunfähig oder er Naturalunterhalt erbringt.


    Nach der Herausgabe entfällt auch erst das RSB auf Abänderung, vgl. OLG Köln, 4 WF 104/05. Dem würde es zuwider laufen, wenn sich der Unterhaltsgläubiger nach Herausgabe einfach eine 2. v.A. erteilen lassen könnte. Der Unterhaltstitel soll gerade nicht bei einer Veränderung der Tatsachengrundlage automatisch weiter verwendet werden können, vgl. OLG Köln, a.a.O..

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • Ich weise auch mal auf folgende Ansichten hin:

    OLG Karlsruhe, B.v. 1.3.2004, 16 WF 221/03

    "Das Verfahren auf Erteilung einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung nach § 733 ZPO duldet keine Einwendungen, die sich gegen den vollstreckbaren Anspruch selbst richten. Hierfür ist nur das Verfahren der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO vorgesehen. Soweit in der Literatur verteten wird, dass - insbesondere nach Aushändigung des Titels - ein Rechtsschutzinteresse des Gl. an einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung verneint werden könnte (so Zöller/Stöber, ZPO, 24. Aufl., § 733 Rz. 12; andersMünchKomm/Wolfsteiner, ZPO, 2. Aufl., § 733 Rz. 19) folgt dem der Senat nicht."

    Weiterhin verweise ich auf Zöller, ZPO, 30. Aufl., Rn 12 zu § 733:
    "...Stuttgart Rpfleger 76, 144: nach Aushändigung des Titels ist nachzuweisen, dass ein Anspruch noch besteht, auch LG Hechingen DGVZ ...., LG Nürnberg-Fürth ....."

    Was war denn die Grundlage für die Aushändigung des Titels durch die KM: Sie war der Auffassung, dass sie ihn nicht mehr braucht, weil das Kind ab sofort und auf Dauer wohl beim Kindesvater sein wird. Diese Annahme beruhte aber auf einem Irrtum. Sie hatte doch nicht die Absicht, auch dann zu verzichten, wenn das Kind doch wieder bei ihr ist. Insoweit erfolgte die Aushändigung zur Sicherheit des Kindesvaters, dass sie während der Betreuung des Kindes durch den Vater keine Unterhaltsansprüche geltend machen kann - und insoweit auch zur Vermeidung rechtlicher Schritte gegen sie. Ein objektiver Betrachter schätzt das aber doch so ein, dass die Herausgabe nur für diesen Fall bzw. unter dieser Bedingung erfolgte. Hätte der Kindesvater die vb Ausfertigung nicht vernichtet, würde sie doch erneut einen Vollstreckungstitel gegen ihn erwirken, sondern würde vielmehr einen Anspruch auf Herausgabe verfolgen, da die Grundlage für ihre Herausgabe entfallen ist. Wenn dies aber so der Fall ist, so muss ihr aber auch der Weg einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung offen stehen, wenn die erste abhanden gekommen oder vernichtet worden ist. Mich überzeugt insoweit Wobders Vorbringen noch nicht so richtig, weil die von ihm zitierten Entscheidungen vor allem im Zusammenhang mit einem möglichen Abänderungsverlangen zu sehen sind.
    Wie will man denn sonst für den Fall, dass ein Kind längere Zeit, aber nicht für immer, von dem zuächst barunterhaltspflichtigen Elternteil betreut wird, realisieren, dass eine Vollstreckung während dieser Zeit ausgeschlossen ist? Um sicher zu gehen, muss man auch für diesen Zeitraum die vb. Ausfertigung aushändigen, allerdings mit dem - nun offen ausgesprochenen oder aber nur unterstellten - Anspruch, diese zurückzuerlangen, sollte sich an den Verhältnissen wieder etwas ändern. Sonst müsste man ja in den Fällen, in denen das Kind regelmäßig wechselt, ständig neue Verfahren zur Schaffung eines Unterhaltstitels einleiten.

    Ansonsten eben: Den Beschluss beiden Parteien zustellen, abwarten und ggf. den Richter im Erinnerungsverfahren entscheiden lassen, dann besteht Rechtssicherheit zumindest für das betreffende Gericht.

  • Ansonsten eben: Den Beschluss beiden Parteien zustellen, abwarten und ggf. den Richter im Erinnerungsverfahren entscheiden lassen, dann besteht Rechtssicherheit zumindest für das betreffende Gericht.

    Wieso an beide Parteien? Der Schuldner wird mangels unmittelbarer Wirkung ihm gegenüber nicht einmal durch die Genehmigung beschwert.

    Im übrigen kann man meines Erachtens eine Entscheidung über den Fortbestand materiellrechtlicher Ansprüche nicht auf diese Ebene vorverlagern.

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