§ 850d Abs. 1 ZPO überjährige Rückstände

  • Hallo miteinander,

    von mir wurde ein Pfüb erlassen wegen aufs Jobcenter übergegangener Unterhaltforderungen. Titel ist von 2016, Unterhaltsrückstände von 2014.
    Nun wendet S ein, er habe sich der Unterhaltspflicht nicht absichtlich entzogen. Meine Kollegin und ich sind nun uneinig: wann werden denn die Rückstände "fällig", 2014 oder mit Erlass des Titels 2016 ( d.h. Satz 4 käme gar nicht zum tragen). Wir sind echt ratlos :confused:

  • Unterhalt ist mtl. im voraus zu zahlen (§ 1612 Abs. 3 Satz 1 BGB). Demnach ist er spätestens am 1. eines Monats fällig, ab 2. tritt Verzug ein. Der § 850d Abs. 1 Satz 4 ZPO bezieht sich auf die Rückstände, die 1 Jahr vor Erlaß des PfÜB fällig geworden sind. Wenn z. B. am 15.05.2016 der PfÜB beantragt wird, bezieht sich das also auf die Rückstände bis einschließlich 05/2015. Für den fälligen Unterhalt ab 06/2016 spielt dann § 850d Abs. 1 Satz 4 ZPO keine Rolle.

    Bezüglich des Tatbestands des § 850d Abs. 1 Satz 4 ZPO "seiner Zahlungspflicht absichtlich entzogen" trägt der Schuldner die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß dies nicht der Fall war (vgl. BGH, Beschl. v. 21.12.2004 - IXa ZB 273/03 -, WM 2005, 290 = FamRZ 2005, 440 = Rpfleger 2005, 204 = JurBüro 2005, 272 = NJW-RR 2005, 718 = InVo 2005, 235 = MDR 2005, 649).

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  • Was trägt der Schuldner denn vor, warum er sich nicht der Unterhaltsverpflichtung entzogen haben soll?

    Er hätte ja auch durchaus vor Titulierung den Unterhalt zahlen können.
    Zum Übergang der Unterhaltsforderung dürfte eine Überleitungsanzeige ergangen sein, mit dem der Anspruch des Unterhaltsberechtigten auf das JobCenter übergegangen ist.
    Aber wie Bolleff schon schrieb - darlegungspflichtig ist der Schuldner.

  • Ok, danke, dann wären die Rückstände also mehr als ein Jahr fällig.

    Der Schuldner trägt nun vor, er habe alte Darlehen aus der Ehezeit getilgt, der Gl hat sich natürlich nicht dazu geäußert. Kann man es dann als zugestanden ansehen?

  • Ok, danke, dann wären die Rückstände also mehr als ein Jahr fällig.

    Der Schuldner trägt nun vor, er habe alte Darlehen aus der Ehezeit getilgt, der Gl hat sich natürlich nicht dazu geäußert. Kann man es dann als zugestanden ansehen?

    Na ja wenn man Schuldentilgung für wichtiger hält als Unterhalt zu zahlen.....

    Gibt es eine Vereinbarung über die Schuldentilgung?

    Ist es eigentlich Unterhalt für die Ex oder die Kinder?

  • Vielleicht schaust du mal hier:
    BGH vom 21.12.2004 – Az.: IXa ZB 273/03
    „Absichtlich entzogen” im Sinne dieser Vorschrift hat sich ein Schuldner seiner Zahlungsverpflichtung dann, wenn er durch ein zweckgerichtetes Verhalten (auch Unterlassen) die zeitnahe Realisierung der Unterhaltsschuld verhindert oder zumindest wesentlich erschwert hat (vgl. BGHZ 105, BGHZ Band 105 Seite 250 [BGHZ Band 105 Seite 257] = NJW 1989, NJW Jahr 1989 Seite 526). Dies setzt nicht stets ein aktives Hintertreiben der Unterhaltsschuld voraus (vgl. BGHZ 105, BGHZ Band 105 Seite 250 = NJW 1989, NJW Jahr 1989 Seite 526). Auch ist nicht erforderlich, dass der Schuldner in der Absicht gehandelt hat, durch Ausnutzung der Jahresfrist hinsichtlich der rückständigen Zahlungen das Pfändungsvorrecht auszuschließen (vgl. KG, Rpfleger 1986, RPFLEGER Jahr 1986 Seite 394 [RPFLEGER Jahr 1986 Seite 395]; Stöber, Rdnr. 1089). Ein solches zweckgerichtetes Verhalten liegt vielmehr schon dann vor, wenn der Schuldner trotz bestehender Zahlungsmöglichkeit die ihm zur Verfügung stehenden Mittel für andere Zwecke als Unterhaltsleistungen verwendet, und so die zeitnahe Realisierung der entstehenden Rückstände zumindest wesentlich erschwert. Gleiches gilt, wenn der Schuldner seiner - gegenüber minderjährigen Kindern gesteigerten - unterhaltsrechtlichen Verpflichtung, seine Arbeitskraft voll einzusetzen (vgl. BGH, NJW 1994, NJW Jahr 1994 Seite 1002 = FamRZ 1994, FAMRZ Jahr 1994 Seite 372 [FAMRZ Jahr 1994 Seite 373]; BGH, NJWE-FER 1998, NJWE-FER Jahr 1998 Seite 64 = FamRZ 1998, FAMRZ Jahr 1998 Seite 357 [FAMRZ Jahr 1998 Seite 359]), trotz bestehender Möglichkeiten, auf diese Weise Einkünfte zu erzielen, nicht nachkommt. Da es sich bei dem Tatbestandsmerkmal „absichtlich” um eine innere Tatsache handelt, lässt sich regelmäßig nur indirekt aus dem zu Tage getretenen Verhalten des Schuldners erschließen, ob er sich seiner Zahlungspflicht absichtlich entzogen hat (vgl. BGHZ 105, BGHZ Band 105 Seite 250 [BGHZ Band 105 Seite 257] = NJW 1989, NJW Jahr 1989 Seite 526). Der Schuldner, der überjährige Rückstände von der Privilegierung des § ZPO § 850d ZPO § 850D Absatz I ZPO ausschließen will, hat demgemäß Tatsachen vorzutragen, die die Annahme rechtfertigen, dass er sich seiner Zahlungspflicht nicht absichtlich entzogen hat. Dabei hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, in welchem Maße der Schuldner sein Vorbringen durch die Darlegung konkreter Einzeltatsachen substanziieren muss (vgl. BGH, NJW-RR 1998, NJW-RR Jahr 1998 Seite 712 [NJW-RR Jahr 1998 Seite 713] m.w. Nachw.).

    Demnach könnte man durchaus von einer absichtlichen Unterhaltsentziehung ausgehen. Immerhin hat der Schuldner das Einkommen lieber zur Tilgung des Kredits, als für den Unterhalt seiner Ex verwendet.
    Kann man zwar (manchmal) menschlich verstehen - geht aber nicht.
    Bei der Vollstreckung in Arbeitseinkommen hat die Ex immerhin Rang vor der Bank.

    Ich würde der Erinnerung nicht abhelfen und die Sache dem Abteilungsrichter vorlegen.

  • Der Schuldner trägt nun vor, er habe alte Darlehen aus der Ehezeit getilgt, der Gl hat sich natürlich nicht dazu geäußert. Kann man es dann als zugestanden ansehen?


    Würde ich meinen, daß man diese Tatsache als zugestanden ansehen kann, § 138 III ZPO. Frage ist aber, worauf Coverna bereits hinwies, ob das zur Begründung schon ausreicht. Der vorzitierte BGH hat auf Seite 8 f zu Ziff. 2 seiner Entscheidungsgründe ausgeführt:

    "Absichtlich entzogen" im Sinne dieser Vorschrift hat sich ein Schuldner seiner Zahlungsverpflichtung dann, wenn er durch ein zweckgerichtetes Verhalten (auch Unterlassen) die zeitnahe Realisierung der Unterhaltsschuld verhindert oder zumindest wesentlich erschwert hat (vgl. BGHZ 105, 250, 257). Dies setzt nicht stets ein aktives Hintertreiben der Unterhaltsschuld voraus (vgl. BGH aaO). Auch ist nicht erforderlich, daß der Schuldner in der Absicht gehandelt hat, durch Ausnutzung der Jahresfrist hinsichtlich der rückständigen Zahlungen das Pfändungsvorrecht auszuschließen (vgl. KG Rpfleger 1986, 394, 395; Stöber aaO Rn 1089). Ein solches zweckgerichtetes Verhalten liegt vielmehr schon dann vor, wenn der Schuldner trotz bestehender Zahlungsmöglichkeit die ihm zur Verfügung stehenden Mittel für andere Zwecke als Unterhaltsleistungen verwendet, und so die zeitnahe Realisierung der entstehenden Rückstände zumindest wesentlich erschwert. Gleiches gilt, wenn der Schuldner seiner - gegenüber minderjährigen Kindern gesteigerten - unterhaltsrechtlichen Verpflichtung, seine Arbeitskraft voll einzusetzen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 1993 - XII ZR 172/92, FamRZ 1994, 372, 373; BGH, Urteil vom 22. Oktober 1997 - XII ZR 278/95, FamRZ 1998, 357, 359), trotz bestehender Möglichkeiten, auf diese Weise Einkünfte zu erzielen, nicht nachkommt. Da es sich bei dem Tatbestandsmerkmal "absichtlich" um eine innere Tatsache handelt, läßt sich regelmäßig nur indirekt aus dem zutage getretenen Verhalten des Schuldners erschließen, ob er sich seiner Zahlungspflicht absichtlich entzogen hat (vgl. BGHZ 105, 250, 257). Der Schuldner, der überjährige Rückstände von der Privilegierung des § 850d Abs. 1 ZPO ausschließen will, hat demgemäß Tatsachen vorzutragen, die die Annahme rechtfertigen, daß er sich seiner Zahlungspflicht nicht absichtlich entzogen hat. Dabei hängt es von den Umständen des Einzelfalles ab, in welchem Maße der Schuldner sein Vorbringen durch die Darlegung konkreter Einzeltatsachen substantiieren muß (vgl. BGH Urteil vom 13. August 1997 - VIII ZR 246/96, NJW-RR 1998, 712, 713 m.w.N.)."


    Edit: Babs war fixer. ;):D

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    Demnach könnte man durchaus von einer absichtlichen Unterhaltsentziehung ausgehen. Immerhin hat der Schuldner das Einkommen lieber zur Tilgung des Kredits, als für den Unterhalt seiner Ex verwendet.
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    Die Forderung ist tituliert, wenn er dann sein Kapital für die Tilgung von Schulden (aus der Ehe?) verwendet, ist das allenfalls ne Ausrede. :daumenrun Wie das Darlehen berücksichtigt wird, ist doch im Scheidungsverfahren geregelt.

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    Demnach könnte man durchaus von einer absichtlichen Unterhaltsentziehung ausgehen. Immerhin hat der Schuldner das Einkommen lieber zur Tilgung des Kredits, als für den Unterhalt seiner Ex verwendet.
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    Die Forderung ist tituliert, wenn er dann sein Kapital für die Tilgung von Schulden (aus der Ehe?) verwendet, ist das allenfalls ne Ausrede. :daumenrun Wie das Darlehen berücksichtigt wird, ist doch im Scheidungsverfahren geregelt.

    Das scheint ja das Problem zu sein, dass es um Rückstände geht, die vor der Titulierung entstanden sind.

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    Demnach könnte man durchaus von einer absichtlichen Unterhaltsentziehung ausgehen. Immerhin hat der Schuldner das Einkommen lieber zur Tilgung des Kredits, als für den Unterhalt seiner Ex verwendet.
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    Wie das Darlehen berücksichtigt wird, ist doch im Scheidungsverfahren geregelt.

    Das scheint ja das Problem zu sein, dass es um Rückstände geht, die vor der Titulierung entstanden sind.


    Das Problem ist hier, daß es hier um auf das Jobcenter übergegangene Unterhaltsansprüche geht. Das Jobcenter mußte nur auf Einwand des Unterhaltspflichtigen prüfen, ob diese Belastung unterhaltsmindern zu berücksichtigen ist, ob der dann titulierte Unterhaltsanspruch überhaupt noch zum Teil oder vollständig besteht oder evtl. den Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen unterschreitet. Dieser Einwand des Schuldners vor der Titulierung ist entweder nicht erfolgt oder wurde insoweit abgelehnt. Im letzteren Fall kann der Einwand m. E. dann hier nicht berücksichtigt werden. Im ersteren Fall wäre zu überlegen, ob er trotz Bestandskraft des Titels des Jobcenters zumindest im Rahmen der Vollstreckung noch Berücksichtigung finden kann.

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