Rückgriff: Ist Erbschaft Einkommen oder Vermögen?

  • Hallo liebe Kollegen,

    ich wäre für eure Einschätzung in folgendem Fall dankbar:

    Ein Betreuter steht im laufenden Bezug von Eingliederungshilfe gem. SGB XII.
    Nun erbt er ca. 15.000,- EUR.

    Da bislang die Betreuervergütung aus der Staatskasse gezahlt wurde, habe ich einen Rückgriff der Vergütung angeordnet. In meinem Beschluss habe ich die Erbschaft als Vermögen gewertet.

    Nunmehr wenden der Betreuer und der Kostenträger ein, bei der Erbschaft handele es sich nicht um Vermögen sondern um eine einmalige Einnahme (Einkommen) im Sinne des § 82 Abs. 4 SGB XII, die nach Maßgabe dieser Bestimmung auf 6 Monate aufzuteilen ist.
    Entsprechend den sozialhilferechtlichen Bestimmungen ist ein Bescheid ergangen, wonach der Betreute die Erbschaft für die nächsten 6 Monate für seine Kosten der Unterkunft, Verpflegung und pädagogischen Betreuung einzusetzen hat.

    Wenn es sich bei der Erbschaft auch vergütungstechnisch um Einkommen handeln sollte, wäre ein Rückgriff nach § 1836c Ziff. 1 Satz 2 BGB ausgeschlossen.
    Ich bin mir jedoch nicht sicher, ob § 82 Abs. 4 SGB für die Vergütung überhaupt gilt, da §1836c BGB unter Ziff. 1 nur indirekt auf § 82 SGB XII Bezug nimmt und meiner Meinung nach nur für die Ermittlung der Einkommensgrenze gilt.

    Nach meinem Rechtsempfinden handelt es sich bei der Erbschaft um Vermögen, das nach§ 1836c Ziff. 2 BGB einzusetzen ist.

    Rechtsprechung habe ich zu dem Thema nicht wirklich finden können. Kann mir von euch jemand weiter helfen?

  • Habe jetzt leider keine Rechtsprechung parat. Habe aber Entscheidungen gelesen, die sämtlich SGB-Leistungen betrafen, also keine konkrete Rechtsprechung zu §§ 1836 ff. BGB.
    Bei diesen Entscheidungen wurde die Erbschaft als Einkommen angesehen!
    Vielleicht kann man das Ding ja praktisch lösen. Ist der Rückforderungsbescheid des Kostenträgers bereits rechtskräftig? Hat der Betreuer bereits darauf gezahlt? Wann war der Erbfall?

  • Ja, der Bescheid ist bereits rechtskräftig. Allerdings handelt es sich nicht um eine Rückforderung in einer Summe sondern der Betreute muss sich monatlich selbst an seinen Lebenshaltungs- und Unterbringungskosten beteiligen. Das heißt, die Erbschaft wird über diesen Bescheid erst im Laufe der nächsten 6 Monate verbraucht. Noch wäre genügend Geld für meinen Rückgriff vorhanden (falls ich die Erbschaft als Vermögen werten darf).

  • Dann erlass einen Regressbeschluss. Eine Erbschaft ist nach Betreuungsrecht einzusetzendes Vermögen. Möge der Betreuer, wenn er es anders sieht, einen Rechtsbehelf einlegen.

    Sozialhilferechtlich dürfte kein Problem bestehen. Denn dort gibt es offensichtlich keinen Regesssbeschluss, sondern nur einen Bescheid betr. das Aussetzen der Sozialleistungen wegen vorhandenen Vermögens. Ist das Vermögen weg (z.B. Durch Verbrauch oder aber auch Regress), muss der Sozialleistungsträger wieder leisten.

    Im Übrigen gilt das Windhundprinzip.

  • Bei der Prüfung, ob der Betreute über ausreichendes Vermögenverfügt, ist nur auf das Aktivvermögen abzustellen. Verbindlichkeiten bleibenselbst dann außer Betracht, wenn sie bereits tituliert sind. Dies giltunabhängig davon, ob die jeweilige Verbindlichkeit durch öffentlich-rechtlichenLeistungsbescheid oder durch einen zivilrechtlichen Titel festgelegt und damitdurchsetzbar ist. Solange also ein dem Betroffenen zustehender Gegenstand nichtaus seinem Vermögen abgeflossen ist, muss er dem Aktivvermögen hinzugerechnet werden (OLG Stuttgart, B. v. 29.06.07, 8 W 245/07; s.a. BayObLG, FGPrax 2004, 25).

    Den Ansprüchen der Staatskasseund des Sozialhilfeträgers kommt allenfalls der gleiche Rang zu, denn eshandelt sich in beiden Fällen um eine Fürsorgeleistung des Staates, diegegenüber der Leistungsfähigkeit des Betroffenen subsidiär ist (vgl. insoweitBayObLG NJW-RR 2005, 1315). Der Betreute hat aktuell ausreichendes Vermögen, also ist die Wiedereinziehung vorzunehmen.

  • Für die sechs Monate ab Bescheidsdatum vermutlich, sonst wär's ja ein Rückforderungsbescheid geworden.

    Ist aber egal, der Betreute hat 15.000,--€ auf dem Konto und muss die nun eben einsetzen.
    Wir machen nur den Beschluss und stellen zu Soll, alles andere ist Sache des Betreuers bzw. der Beschwerdeinstanz.
    Der Bescheid des Sozialhilfeträgers ist uns egal und für diese Maßnahme unbeachtlich.

  • Dann erlass einen Regressbeschluss. Eine Erbschaft ist nach Betreuungsrecht einzusetzendes Vermögen. Möge der Betreuer, wenn er es anders sieht, einen Rechtsbehelf einlegen.

    Sozialhilferechtlich dürfte kein Problem bestehen. Denn dort gibt es offensichtlich keinen Regesssbeschluss, sondern nur einen Bescheid betr. das Aussetzen der Sozialleistungen wegen vorhandenen Vermögens. Ist das Vermögen weg (z.B. Durch Verbrauch oder aber auch Regress), muss der Sozialleistungsträger wieder leisten.

    Im Übrigen gilt das Windhundprinzip.


    :daumenrau ganz genau


    Ist ja schon die Höhe und unzutreffend, dass der Kostenträger dem Gericht vorgeben möchte, das die Erbschaft Einkommen sein soll.

    (Im Übrigen würde es für den Regress letzlich keine große Rolle spielen, zumindest nicht zu Lasten des Justizfiskus. Wenn man die Erbschaft als Einkommen ansehen mag, hat der Betreute im Monat des Kontoeingangs ein exorbitantes Einkommen, das abzüglich des Freibetrages (804,- €) und der Miete bis zur Höhe der verauslagten Vergütung die von ihm (einmalig) zu leistende Rate ergeben würde.)

  • Alles schön und gut und wahrscheinlich rechtlich ok.
    Ich halte aber folgendes für befremdlich:
    Der Leistungsträger hat einen Bescheid erlassen, der wohl rechtlich nicht zu beanstanden ist.
    Seitens des Betreuungsgerichtes wird ein Bescheid erlassen, der rechtlich nicht zu beanstanden ist.
    Folglich muss ein guter Betreuer Beschwerde gegen den Rückforderungsbeschluss einlegen (der andere Beschluss ist ja bereits rechtskräftig). Diese Beschwerde wird entsprochen werden, da ein guter Betreuer innerhalb des Beschwerdeverfahrens die Ansprüche des Leistungsträgers bedienen wird.

  • Das "Basta-Argument" halte ich für ein wenig dünn. Die Unterscheidung ist schon relevant. § 1836 c BGB "...Wird im Einzelfall der Einsatz eines Teils des Einkommens zur Deckung eines bestimmten Bedarfs im Rahmen der Hilfe nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch zugemutet oder verlangt, darf dieser Teil des Einkommens bei der Prüfung, inwieweit der Einsatz des Einkommens zur Deckung der Kosten der Vormundschaft einzusetzen ist, nicht mehr berücksichtigt werden."

    Die Subsumierung der Erbschaft als Einkommen ist auch im Sozialhilferecht nicht per se immer gleich. Entscheidend ist dort darauf abzustellen, ob im Zeitpunkt des Zuflusses, d.h. nicht der Erbanfall als solcher, sondern eine etwaige Zahlung hieraus bzw. Verfügbarkeit, laufende Sozialleistungen erfolgen, zumindest der Antrag gestellt ist. Ist in diesem Monat gerade keine Leistung, wird es als Vermögen im nächsten Monat, wenn ein Antrag gestellt wird, gewertet.

    Ich denke, dass es bei Betreuung keine laufenden Leistungen gibt und die Regressprüfung ausschließlich die Leistungsfähigkeit für erbrachte Tätigkeiten zu Grunde legt. Daher sind beim Regress erfolgte einmalige Leistungen, z.B. Erbschaft regelmäßig Vermögen, wenn diese nicht wiederkehrend sind (anders z.B. Weihnachtsgeld).

    (@ Eddie Macken: Welche Ansprüche sollen bedient werden?)

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • Ich antworte mal ergänzend auf die aufgeworfenen Fragen:

    Wann genau der Erbfall war, kann ich gerade nicht sagen. Geld gezahlt wurde irgendwann im Juni, glaube ich. Der Bescheid der Kreisverwaltung datiert vom 16.06. und legt fest, dass die 15.000,- EUR auf 6 Monate aufzuteilen sind. Von Juli bis Dezember 2016 hat der Betreute sich somit mit monatlich 2.500,- EUR an seinen Unterbringungskosten usw. zu beteiligen. Mein Rückgriffsbetrag beläuft sich auf ca. 5000,- EUR.

    Wobder hat das Ganze schön auf den Punkt gebracht. Wenn die Erbschaft Einkommen ist, bin ich nach § 1836c Ziff. 1 BGB aus dem Rennen, da der Einsatz der Erbschaft vom Sozialleistungsträger bereits verlangt wurde. Bei der Einstufung als Vermögen bin ich aktuell noch fein raus, da die 2.600,- EUR allemal überschritten sind.

    Wir befinden uns aktuell übrigens schon im Stadium der Beschwerde gegen meinen Beschluss. Vor meiner Nichtabhilfeentscheidung wollte ich jedoch mal hier nachhören, ob ich mich auf dem Holzweg befinde.

  • Das wäre schade, weil es dann keine Entscheidung zum Prob. gibt und die Begründung würde mich schon interessieren. Daher zügig hoch mit "Eilt".

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • Etwas Off-Topic:

    Ich glaube, wir brauchen dringend eine Gesetzesänderung dahingehend, dass staatliche Kassen untereinander kein Windhundrennen veranstalten (dürfen), sobald er erste (von mehreren möglichen konkurrierenden Bescheiden) da ist. Ein gesamtstaatlicher Vorteil existiert nicht und durch die Veranstaltung selbst wird nur Arbeitszeit gebunden.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

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