Pfändbarkeit der Urlaubsabgeltung

  • Mich würde mal Eure Meinung zur Pfändbarkeit der Urlaubsabgeltung interessieren.

    Nach § 7 Abs. 4 des Bundesurlaubsgesetzes ist der Urlaubsanspruch abzugelten, wenn der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann.

    Nach dem Beschluss des BAG vom 28.08.2001 - 9 AZR 611/99 - stellt der Urlaubsabgeltungsanspruch keine einfache Geldforderung dar. Er ist Ersatz für die wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr mögliche Befreiung von der Arbeitspflicht.

    Das BAG hat den Abgeltungsanspruch für pfändbar angesehen. Nach dem Beispiel des BAG wurde der Abgeltungsanspruch der Zeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses als pfändbares Arbeitseinkommen zugerechnet.

    Mit Urteil vom 19.06.2012 - 9 AZR 652/10 - hat das BAG die Surrogatstheorie aufgegeben und den Abgeltungsanspruch als reinen Geldanspruch angesehen. Somit soll verhindert werden, dass der Abgeltungsanspruch wie der Urlaubsanspruch selbst am Ende des Jahres oder dem Ende des Übertragungszeitraums verfällt.

    Dies ist auf eine Entscheidung des EUGH vom 20.01.2009 zurückzuführen. Allerdings hat der EUGH darauf hingewiesen, dass die finanzielle Vergütung in der Weise zu berechnen ist, dass der Arbeitnehmer so gestellt wird, als hätte er diesen Anspruch währen der Dauer des Arbeitsverhältnisses ausgeübt. Folglich ist das gewöhnliche Arbeitsentgelt, das dem Arbeitnehmer während des bezahlten Urlaubs weiterzuzahlen ist auch für die Berechnung der finanziellen Vergütung für bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen Jahresurlaubs maßgebend.

    Aufgrund der Aufgabe der Surrogatstheorie wird nun überwiegend die Meinung vertreten, dass der Abgeltungsanspruch ein einmaliger Geldanspruch ist, dem Pfändungsschutz nur auf Antrag nach § 850i ZPO zu gewähren ist. Der Abgeltungsanspruch ist zwar nun ein einmaliger Geldanspruch. Anders als eine Abfindung nach dem KSchG ist dieser Geldanspruch jedoch einer gewissen Zeitspanne (nämlich der Dauer des nicht genommenen Urlaubs) zuzuordnen.

    Stöber sagt in Rdn. 1234, dass unter § 850i ZPO alle Arbeitseinkommen fallen, die nicht für einen fest umrissenen Zeitraum gezahlt werden. Weil der Abgeltungsanspruch aber vom Zeitraum her bestimmt werden kann, habe ich Zweifel, ob für den Abgeltungsanspruch tatsächlich § 850i ZPO anzuwenden ist.

    Ich habe auch Bedenken, die pfändungsrechtliche Betrachtung des Abgeltungsanspruchs anders zu sehen nur weil das BAG von der Surrogatstheorie abweichen muss, damit der Abgeltungsanspruch des Schicksal des Urlaubsanspruchs hinsichtlich des Verfalls nicht teilen muss.

    Sorry, dass es so lang geworden ist, aber ich wollte es auch so verständlich machen wie es mir nur möglich ist.

    Mich würde nun interessieren, welcher Meinung Ihr seid. Handelt es sich um Arbeitseinkommen für die Zeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (s. BAG von 2001) oder um einmaliges Einkommen, für das Pfändungsschutz nur nach § 850i ZPO gewährt werden kann?

  • Weil der Abgeltungsanspruch aber vom Zeitraum her bestimmt werden kann,

    Ich seh das eigentlich nicht so dass der Abgeltungsanspruch vom "Zeitraum" her bestimmt werden kann.
    Der Anspruch kann zwar einer bestimmten Zeitspanne (z.B. 13 Tage) zugeordnet werden, aber eben keinem konkreten Zeitraum (= Datum Von-Bis), und ohne diesen konkreten Zeitraum würde ich mich auch eher an den § 850i ZPO halten.
    Ist jetzt erstmal meine spontane Meinung, müsste mir bei erstmal die genannten Urteile näher durchlesen ;)

  • Weil der Abgeltungsanspruch aber vom Zeitraum her bestimmt werden kann,

    Ich seh das eigentlich nicht so dass der Abgeltungsanspruch vom "Zeitraum" her bestimmt werden kann.
    Der Anspruch kann zwar einer bestimmten Zeitspanne (z.B. 13 Tage) zugeordnet werden, aber eben keinem konkreten Zeitraum (= Datum Von-Bis), und ohne diesen konkreten Zeitraum würde ich mich auch eher an den § 850i ZPO halten.
    Ist jetzt erstmal meine spontane Meinung, müsste mir bei erstmal die genannten Urteile näher durchlesen ;)

    Vielen Dank für Deine Einschätzung.

    Ich habe ein Problem damit, die Pfändbarkeit des Abgeltungsanspruch nur deswegen anders zu beurteilen, weil das BAG von der Surrogatstheorie abweichen musste.

    Einem konkreten Zeitraum konnte das eigentlich auch bisher nicht zugeordnet werden, bis das BAG 2001 gesagt hat, dass der Abgeltungsanspruch wie Arbeitslohn für die Zeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu behandeln ist.

  • Weil der Abgeltungsanspruch aber vom Zeitraum her bestimmt werden kann,

    Ich seh das eigentlich nicht so dass der Abgeltungsanspruch vom "Zeitraum" her bestimmt werden kann.
    Der Anspruch kann zwar einer bestimmten Zeitspanne (z.B. 13 Tage) zugeordnet werden, aber eben keinem konkreten Zeitraum (= Datum Von-Bis), und ohne diesen konkreten Zeitraum würde ich mich auch eher an den § 850i ZPO halten.


    Sehe ich auch so.

  • Weil der Abgeltungsanspruch aber vom Zeitraum her bestimmt werden kann,

    Ich seh das eigentlich nicht so dass der Abgeltungsanspruch vom "Zeitraum" her bestimmt werden kann.
    Der Anspruch kann zwar einer bestimmten Zeitspanne (z.B. 13 Tage) zugeordnet werden, aber eben keinem konkreten Zeitraum (= Datum Von-Bis), und ohne diesen konkreten Zeitraum würde ich mich auch eher an den § 850i ZPO halten.


    Sehe ich auch so.

    Danke auch für Deine Einschätzung, aber mir fehlen immer noch Argumente, warum ich von der Berechnung des BAG abweichen sollte.

  • Ohne jetzt in die Diskussion in der Sache selbst einzusteigen, kann ich Dir zumindest noch weitere Meinungen und Stimmen aus der Literatur und Rechtsprechung zur Frage der Pfändbarkeit des Urlaubsabgeltungsanspuches bieten:

    Kessal-Wulf/Lorenz in Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 6. Aufl. [2016], § 850a Rn. 3 führen aus, daß eine Urlaubsvergütung (Fortzahlung der Bezüge während des Urlaubs) im Gegensatz zum Urlaubsgeld (Zuschuß zu den Mehrkosten, die ein Urlaub verursachen kann) wie gewöhnlicher Arbeitslohn pfändbar ist und verweist auf die allg. Meinung (BAG, BB 2001, 2378; BAG, AP Nr. 5 zu § 850 m. zust. Anm. Pohle; BGH, NJW 1972, 1703; Stöber, Forderungspfändung, Rn. 987).

    Der Urlaubsabgeltungsanspruch werde nach einer weitverbreiteten Ansicht allerdings wie der Anspruch auf Urlaubsgewährung als höchstpersönlicher Anspruch eingeordnet, weshalb er weder abtretbar noch gem. § 851 Abs. 1 ZPO pfändbar sei (BAG, BB 1988, 1533; BAG, AP Nr. 42 zu § 6611 BGB (Urlaubsrecht); ArbG Hannover, BB 1961, 253; Stöber, Forderungspfändung, Rn. 988; Lüke in Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl. [1999], § 850a Rn. 17). Wegen seiner besonderen Zweckbestimmung, dem Arbeitnehmer später doch noch einen Erholungsurlaub zu ermöglichen, sei er auch nicht als Mehrarbeitsvergütung nach § 850a Nr. 1 ZPO einzuordnen (so aber Faecks, NJW 1972, 1448) und deshalb dem Zugriff der Unterhaltsgläubiger entzogen.

    Kessal-Wulf/Lorenz sind aber der Meinung, daß nach richtiger Auffassung die Urlaubsabgeltung anläßlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Urlaubsvergütung vergleichbar und deshalb wie diese pfändbar sei (unter Hinweis auf BAG, JurBüro 2003, 214; BB 2001, 2378 f.; Hessisches LAG, Urt. v. 07.09.2007 - 10 Sa 149/07 -; LG Leipzig, JurBüro 2003, 215; LG Münster, Rpfleger 1999, 500; LAG Berlin, NZA 1992, 122; LAG Köln, ARSt. 1990, 156; D. Gaul, NZA 1987, 473, 475; Leinemann/Linck, Urlaubsrecht, § 7 BUrlG Rn. 201; Brehm in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 850a Rn. 15; Depré/Bachmann, Das 1x1 der Lohnpfändung, 9. Aufl. [2015], § 3 Rn. 71, mit Verweis auf die von Dir eingangs erwähnte Entscheidung des BAG).

    » Die meisten Probleme entstehen bei ihrer Lösung. «
    L E O N A R D O | D A | V I N C I

  • Ohne jetzt in die Diskussion in der Sache selbst einzusteigen, kann ich Dir zumindest noch weitere Meinungen und Stimmen aus der Literatur und Rechtsprechung zur Frage der Pfändbarkeit des Urlaubsabgeltungsanspuches bieten:

    Kessal-Wulf/Lorenz in Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 6. Aufl. [2016], § 850a Rn. 3 führen aus, daß eine Urlaubsvergütung (Fortzahlung der Bezüge während des Urlaubs) im Gegensatz zum Urlaubsgeld (Zuschuß zu den Mehrkosten, die ein Urlaub verursachen kann) wie gewöhnlicher Arbeitslohn pfändbar ist und verweist auf die allg. Meinung (BAG, BB 2001, 2378; BAG, AP Nr. 5 zu § 850 m. zust. Anm. Pohle; BGH, NJW 1972, 1703; Stöber, Forderungspfändung, Rn. 987).

    Der Urlaubsabgeltungsanspruch werde nach einer weitverbreiteten Ansicht allerdings wie der Anspruch auf Urlaubsgewährung als höchstpersönlicher Anspruch eingeordnet, weshalb er weder abtretbar noch gem. § 851 Abs. 1 ZPO pfändbar sei (BAG, BB 1988, 1533; BAG, AP Nr. 42 zu § 6611 BGB (Urlaubsrecht); ArbG Hannover, BB 1961, 253; Stöber, Forderungspfändung, Rn. 988; Lüke in Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl. [1999], § 850a Rn. 17). Wegen seiner besonderen Zweckbestimmung, dem Arbeitnehmer später doch noch einen Erholungsurlaub zu ermöglichen, sei er auch nicht als Mehrarbeitsvergütung nach § 850a Nr. 1 ZPO einzuordnen (so aber Faecks, NJW 1972, 1448) und deshalb dem Zugriff der Unterhaltsgläubiger entzogen.

    Kessal-Wulf/Lorenz sind aber der Meinung, daß nach richtiger Auffassung die Urlaubsabgeltung anläßlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Urlaubsvergütung vergleichbar und deshalb wie diese pfändbar sei (unter Hinweis auf BAG, JurBüro 2003, 214; BB 2001, 2378 f.; Hessisches LAG, Urt. v. 07.09.2007 - 10 Sa 149/07 -; LG Leipzig, JurBüro 2003, 215; LG Münster, Rpfleger 1999, 500; LAG Berlin, NZA 1992, 122; LAG Köln, ARSt. 1990, 156; D. Gaul, NZA 1987, 473, 475; Leinemann/Linck, Urlaubsrecht, § 7 BUrlG Rn. 201; Brehm in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 850a Rn. 15; Depré/Bachmann, Das 1x1 der Lohnpfändung, 9. Aufl. [2015], § 3 Rn. 71, mit Verweis auf die von Dir eingangs erwähnte Entscheidung des BAG).

    Schade, dass Du nicht in die Diskussion einsteigen willst :(

    Klar, früher wurde angenommen, dass der Abgeltungsanspruch ebenso wie der Urlaubsanspruch selbst, als höchstpersönlicher Anspruch werden pfändbar noch abtretbar sein sollte.

    Das aber nur bis zu dem von mir genannten Beschluss des BAG vom 28.08.2001 - 9 AZR 611/99 -. In diesem Beschluss wurde zwar die Unpfändbarkeit verneint, aber das BAG hat den Abgeltungsanspruch in pfändungsrechtlicher Sicht als Arbeitseinkommen für die Zeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses angesehen. Allerdings war das BAG auch der Meinung, dass es eine Ersatzleistung für den nicht genommenen Urlaub sei und somit der Abgeltungsanspruch wie der Erholungsurlaub selbst verfalle.

    Das hat dem EUGH wohl nicht gefallen und so hat das BAG sie Surrogatstheorie aufgegeben und den Anspruch als reinen Geldanspruch angesehen, bzw. ansehen müssen. Der Abgeltungsanspruch verfällt also nicht mehr wie der Urlaubsanspruch selbst. Um mehr ging es in der Entscheidung des BAG vom 19.06.2012 - 9 AZR 652/10 - nicht.

    Über die Pfändbarkeit, also ob und in welcher Weise der Abgeltungsanspruch der Pfändung unterliegt, bzw. unpfändbar ist, hat das BAG hier nicht entschieden.

    Weil es nun (nur noch) ein reiner Geldanspruch ist, gehen die Meinungen heute dahin, dass durch die Aufgabe der Surrogatstheorie der Abgeltungsanspruch ein einfacher einmaliger Anspruch ist, für den Pfändungsschutz nur nach § 850i ZPO gewährt werden kann.

    Diesen Wandel - nur durch die Aufgabe der Surrogatstheorie um dem Arbeitnehmer den Abgeltungsanspruch zu erhalten - auch die Frage der Pfändbarkeit anders zu betrachten, kann ich nicht so recht nachvollziehen. (aber jetzt wiederhole ich mich mal wieder ;))

  • Schade, dass Du nicht in die Diskussion einsteigen willst :(


    Nein, da hast Du mich falsch verstanden oder ich mich falsch ausgedrückt. Sehr gerne diskutiere ich. :konferenz :D Nur gestern Abend wollte ich da nicht gleich einsteigen, zumal mich das Thema des Beitrags und Deine Frage irritiert hatten (s. nachfolgend) und ich deshalb evtl. "an der Sache vorbeigeredet" hätte (oder evtl. auch schon gab? :D).

    Weil es nun (nur noch) ein reiner Geldanspruch ist, gehen die Meinungen heute dahin, dass durch die Aufgabe der Surrogatstheorie der Abgeltungsanspruch ein einfacher einmaliger Anspruch ist, für den Pfändungsschutz nur nach § 850i ZPO gewährt werden kann.


    Welche Meinungen sind das? Hast Du da Fundstellen? Vertreten diese Meinungen dann die Auffassung, daß der Pfändungsschutz nach § 850c Abs. 1 ZPO für diese also nicht (mehr) in Betracht kommt, der Anspruch auf Urlaubsabgeltung also vollständig weggepfändet werden kann und nur durch einen Antrag nach § 850i ZPO Schutz genießen könnte? Geht es also im Kern gar nicht um die Frage der grds. Pfändbarkeit dieses Anspruches, sondern nur darum, in welchem Rahmen er jetzt nur noch Pfändungsschutz genießt?

    » Die meisten Probleme entstehen bei ihrer Lösung. «
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  • Schade, dass Du nicht in die Diskussion einsteigen willst :(


    Nein, da hast Du mich falsch verstanden oder ich mich falsch ausgedrückt. Sehr gerne diskutiere ich. :konferenz :D Nur gestern Abend wollte ich da nicht gleich einsteigen, zumal mich das Thema des Beitrags und Deine Frage irritiert hatten (s. nachfolgend) und ich deshalb evtl. "an der Sache vorbeigeredet" hätte (oder evtl. auch schon gab? :D).

    Weil es nun (nur noch) ein reiner Geldanspruch ist, gehen die Meinungen heute dahin, dass durch die Aufgabe der Surrogatstheorie der Abgeltungsanspruch ein einfacher einmaliger Anspruch ist, für den Pfändungsschutz nur nach § 850i ZPO gewährt werden kann.


    Welche Meinungen sind das? Hast Du da Fundstellen? Vertreten diese Meinungen dann die Auffassung, daß der Pfändungsschutz nach § 850c Abs. 1 ZPO für diese also nicht (mehr) in Betracht kommt, der Anspruch auf Urlaubsabgeltung also vollständig weggepfändet werden kann und nur durch einen Antrag nach § 850i ZPO Schutz genießen könnte? Geht es also im Kern gar nicht um die Frage der grds. Pfändbarkeit dieses Anspruches, sondern nur darum, in welchem Rahmen er jetzt nur noch Pfändungsschutz genießt?

    genau!

    Also los :konferenz

    Z.B. bei Haufe und auch Boewer, Rdn. 518.

    Aber wie ich schon geschrieben habe, sehe ich das anders. Das Urlaubsentgelt, also das Gehalt, das während der Dauer des Urlaubs weiter zu zahlen ist, ist im Rahmen von § 850c ZPO pfändbar . Wenn der Urlaub nicht genommen werden kann, dann handelt es sich um ein Entgelt für die Anzahl von Tagen, die als Urlaubstage abzugelten sind. Deswegen sehe ich es auch als Arbeitseinkommen im Sinne des § 850c ZPO.

  • Z.B. bei Haufe und auch Boewer, Rdn. 518.

    Aber wie ich schon geschrieben habe, sehe ich das anders. Das Urlaubsentgelt, also das Gehalt, das während der Dauer des Urlaubs weiter zu zahlen ist, ist im Rahmen von § 850c ZPO pfändbar . Wenn der Urlaub nicht genommen werden kann, dann handelt es sich um ein Entgelt für die Anzahl von Tagen, die als Urlaubstage abzugelten sind. Deswegen sehe ich es auch als Arbeitseinkommen im Sinne des § 850c ZPO.


    Mal als kurzen Einwurf dazu: Ich finde es bemerkenswert, daß in der mir vorliegenden Kommentierung zu § 850i ZPO dieser "Wechsel" von dem Pfändungsschutz nach § 850c ZPO zu (allein jetzt) § 850i ZPO bislang nicht thematisiert wurde. Ich meine, wir reden hier immerhin von rd. 6 Jahren, in denen die (wohl weitbeachtete) Aufgabe der Surrogatstheorie des BAG schon in der Welt ist. Das muß jetzt nichts heißen, weil zum einen die Pfändung der Urlaubsabgeltung evtl. nicht so häufig überhaupt ein Streitthema bei den Gerichten ist. Zum anderen dauert es manchmal ja auch seine Zeit, daß "ein kluger Kopf" insoweit einen Wandel in "den übrigen Köpfen" zu vollziehen schafft. Aber bemerkenswert finde ich das doch.

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  • Z.B. bei Haufe und auch Boewer, Rdn. 518.

    Aber wie ich schon geschrieben habe, sehe ich das anders. Das Urlaubsentgelt, also das Gehalt, das während der Dauer des Urlaubs weiter zu zahlen ist, ist im Rahmen von § 850c ZPO pfändbar . Wenn der Urlaub nicht genommen werden kann, dann handelt es sich um ein Entgelt für die Anzahl von Tagen, die als Urlaubstage abzugelten sind. Deswegen sehe ich es auch als Arbeitseinkommen im Sinne des § 850c ZPO.


    Mal als kurzen Einwurf dazu: Ich finde es bemerkenswert, daß in der mir vorliegenden Kommentierung zu § 850i ZPO dieser "Wechsel" von dem Pfändungsschutz nach § 850c ZPO zu (allein jetzt) § 850i ZPO bislang nicht thematisiert wurde. Ich meine, wir reden hier immerhin von rd. 6 Jahren, in denen die (wohl weitbeachtete) Aufgabe der Surrogatstheorie des BAG schon in der Welt ist. Das muß jetzt nichts heißen, weil zum einen die Pfändung der Urlaubsabgeltung evtl. nicht so häufig überhaupt ein Streitthema bei den Gerichten ist. Zum anderen dauert es manchmal ja auch seine Zeit, daß "ein kluger Kopf" insoweit einen Wandel in "den übrigen Köpfen" zu vollziehen schafft. Aber bemerkenswert finde ich das doch.

    ... weswegen ich auch der Meinung bin, dass die Aufgabe der Surrogatstheorie nicht zwangsläufig zu einer anderen Betrachtung des Pfändungsschutzes für den Abgeltungsanspruch führen muss.

    Einige hängen bedingungslos an Boewer und wenn der seine Meinung ändert, dann findet das auch schnell Nachahmer und so kommt es dann zu einer Verbreitung und demzufolge zu einer Mehrheit für diese Theorie.

    Ob das BAG nach der Aufgabe der Surrogatstheorie auch seine pfändungsrechtliche Betrachtung aufgeben wird, bleibt abzuwarten.

  • Über die Urlaubsentgeldgeschichte hat man als Zwangsvollstreckungsgericht fast nie zu entscheiden, da die meisten Pfändungen in der Regel auch das Arbeitseinkommen pfänden. Daher muss sich der Arbeitgeber einen Kopf machen. Mich als Vollstreckungsgericht erwischt es daher nicht.

    In den letzten 2 Monaten hatte ich aber mal Anrufe von Drittschuldnern und habe da auf Stöber verwiesen, wonach das wie Arbeitseinkommen pfändbar sei. Damit waren bisher meine Problemkreise erledigt.

    Immer wieder interessant, in welcher Tiefe manche Kollegen hier eintauchen. :daumenrau

  • Über die Urlaubsentgeldgeschichte hat man als Zwangsvollstreckungsgericht fast nie zu entscheiden, da die meisten Pfändungen in der Regel auch das Arbeitseinkommen pfänden. Daher muss sich der Arbeitgeber einen Kopf machen. Mich als Vollstreckungsgericht erwischt es daher nicht.

    In den letzten 2 Monaten hatte ich aber mal Anrufe von Drittschuldnern und habe da auf Stöber verwiesen, wonach das wie Arbeitseinkommen pfändbar sei. Damit waren bisher meine Problemkreise erledigt.

    Immer wieder interessant, in welcher Tiefe manche Kollegen hier eintauchen. :daumenrau

    ... und wenn ein Schuldner einen Antrag nach § 8501i ZPO stellt, müsstest Du darüber entscheiden oder den Antrag ablehnen weil der Arbeitgeber das wie AE (s. Stöber) berechnen muss.

    Was machst Du?

  • Ich möchte das Thema nochmal - aus praktischer Perspektive - aufgreifen:

    Ein unsicherer Arbeitgeber/Drittschuldner rief mich an und fragte, wie er sich hinsichtlich der an einen ausgeschiedenen Arbeitnehmer zu zahlenden Urlaubsabgeltung (ca. 3200 EUR) verhalten soll, wenn das Arbeitseinkommen gepfändet ist. Ergebnis war, dass heute der Schuldner da war und Antrag auf Freigabe gestellt hat. Im heutigen Gespräch stellte sich heraus, dass der Schuldner im April und Mai kein ALG 1 erhält, da durch die Urlaubsabgeltung (entspricht der Zeit von ca. 2 Monaten) der entsprechende Leistungsanspruch für diese Zeit wegfällt (§ 157 SGB III). Er hat somit seit Anfang April keinerlei Einkommen und bereits einen Vorschuss erhalten. Belege liegen vor.

    Dass ich (zumindest teilweise) freigebe, steht für mich fest. Wegen der Eilbedürftigkeit frage ich mich nur wie? Normalerweise muss ja vor Entscheidung angehört werden und es würden mind. noch 2 Wochen ins Land gehen. Dem Schuldner geht es aber (verständlicherweise) darum, dass Geld so schnell wie möglich zu erhalten.

    Ich würde den Antrag daher als einen solchen nach § 850i ZPO auslegen und per Beschluss sofort 2360,00 EUR (2 x 1180 laut Tabelle) freigeben und den Beschluss an den Drittschuldner zustellen. Das wäre der Betrag, der auf jeden Fall freizugeben wäre und der Drittschuldner hätte dann eine gewisse Rechtssicherheit. Gleichzeitig würde ich den Gläubiger zum Sachverhalt anhören und im Anschluss entscheiden, was mit dem Restbetrag passiert (wahrscheinlich auch freigeben).

    Ist das eine gangbare Lösung?

    Auch wenn ein Beamter schnell und unbürokratisch handelt, kann eine amtliche Tätigkeit vorliegen.
    (LG Bielefeld, Urteil vom 28. Januar 2003 – 2 O 634/02 –, juris)

    Ein Narr ist viel bemüht; des Weisen ganzes Tun,
    Das zehnmal edeler, ist Lieben, Schauen, Ruhn.
    Angelus Silesius (1624 - 1677)

  • Ich möchte das Thema nochmal - aus praktischer Perspektive - aufgreifen:

    Ein unsicherer Arbeitgeber/Drittschuldner rief mich an und fragte, wie er sich hinsichtlich der an einen ausgeschiedenen Arbeitnehmer zu zahlenden Urlaubsabgeltung (ca. 3200 EUR) verhalten soll, wenn das Arbeitseinkommen gepfändet ist. Ergebnis war, dass heute der Schuldner da war und Antrag auf Freigabe gestellt hat. Im heutigen Gespräch stellte sich heraus, dass der Schuldner im April und Mai kein ALG 1 erhält, da durch die Urlaubsabgeltung (entspricht der Zeit von ca. 2 Monaten) der entsprechende Leistungsanspruch für diese Zeit wegfällt (§ 157 SGB III). Er hat somit seit Anfang April keinerlei Einkommen und bereits einen Vorschuss erhalten. Belege liegen vor.

    Dass ich (zumindest teilweise) freigebe, steht für mich fest. Wegen der Eilbedürftigkeit frage ich mich nur wie? Normalerweise muss ja vor Entscheidung angehört werden und es würden mind. noch 2 Wochen ins Land gehen. Dem Schuldner geht es aber (verständlicherweise) darum, dass Geld so schnell wie möglich zu erhalten.

    Ich würde den Antrag daher als einen solchen nach § 850i ZPO auslegen und per Beschluss sofort 2360,00 EUR (2 x 1180 laut Tabelle) freigeben und den Beschluss an den Drittschuldner zustellen. Das wäre der Betrag, der auf jeden Fall freizugeben wäre und der Drittschuldner hätte dann eine gewisse Rechtssicherheit. Gleichzeitig würde ich den Gläubiger zum Sachverhalt anhören und im Anschluss entscheiden, was mit dem Restbetrag passiert (wahrscheinlich auch freigeben).

    Ist das eine gangbare Lösung?

    Sicher ist das eine gangbare Lösung. Wenn der Gläubiger sich äußert kann man weiter sehen.

  • Ich möchte das Thema nochmal - aus praktischer Perspektive - aufgreifen:

    Ein unsicherer Arbeitgeber/Drittschuldner rief mich an und fragte, wie er sich hinsichtlich der an einen ausgeschiedenen Arbeitnehmer zu zahlenden Urlaubsabgeltung (ca. 3200 EUR) verhalten soll, wenn das Arbeitseinkommen gepfändet ist. Ergebnis war, dass heute der Schuldner da war und Antrag auf Freigabe gestellt hat. Im heutigen Gespräch stellte sich heraus, dass der Schuldner im April und Mai kein ALG 1 erhält, da durch die Urlaubsabgeltung (entspricht der Zeit von ca. 2 Monaten) der entsprechende Leistungsanspruch für diese Zeit wegfällt (§ 157 SGB III). Er hat somit seit Anfang April keinerlei Einkommen und bereits einen Vorschuss erhalten. Belege liegen vor.

    Dass ich (zumindest teilweise) freigebe, steht für mich fest. Wegen der Eilbedürftigkeit frage ich mich nur wie? Normalerweise muss ja vor Entscheidung angehört werden und es würden mind. noch 2 Wochen ins Land gehen. Dem Schuldner geht es aber (verständlicherweise) darum, dass Geld so schnell wie möglich zu erhalten.

    Ich würde den Antrag daher als einen solchen nach § 850i ZPO auslegen und per Beschluss sofort 2360,00 EUR (2 x 1180 laut Tabelle) freigeben und den Beschluss an den Drittschuldner zustellen. Das wäre der Betrag, der auf jeden Fall freizugeben wäre und der Drittschuldner hätte dann eine gewisse Rechtssicherheit. Gleichzeitig würde ich den Gläubiger zum Sachverhalt anhören und im Anschluss entscheiden, was mit dem Restbetrag passiert (wahrscheinlich auch freigeben).

    Ist das eine gangbare Lösung?

    Willst du etwa anordnen, dass der drittschuldner vor rechtskraft auszahlen soll?
    Dann nimmst Du dem Gläubiger das Rechtsmittel und begibst dich direkt in die Haftung

  • Die Gefahr droht. Ich würde den Gläubiger zudem mit kurzer Frist ( 3 Tage) vor der Entscheidung anhören.

  • Willst du etwa anordnen, dass der drittschuldner vor rechtskraft auszahlen soll?
    Dann nimmst Du dem Gläubiger das Rechtsmittel und begibst dich direkt in die Haftung

    Ja, das Problem sehe ich auch. Deswegen ja mein Gedanke, nur einen Teil sofort freizugeben (den, der auf jeden Fall freizugeben ist) und über den Rest später zu entscheiden. Die Haftung also quasi in Kauf zu nehmen :gruebel:

    Auch wenn ein Beamter schnell und unbürokratisch handelt, kann eine amtliche Tätigkeit vorliegen.
    (LG Bielefeld, Urteil vom 28. Januar 2003 – 2 O 634/02 –, juris)

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  • Danke erst nochmal für die Antworten.

    Habe den Gläubiger jetzt mit kurzer Frist angehört (keine Reaktion) und nunmehr die Urlaubsabgeltung beinahe vollständig freigegeben. Die Wirksamkeit des Beschlusses habe ich jedoch hinsichtlich eines Teilbetrages (der der streitig werden könnte) bis zur Rechtskraft hinausgeschoben. Ich denke, damit können alle leben und der Drittschuldner kann schon mal einen Teilbetrag auszahlen.

    Auch wenn ein Beamter schnell und unbürokratisch handelt, kann eine amtliche Tätigkeit vorliegen.
    (LG Bielefeld, Urteil vom 28. Januar 2003 – 2 O 634/02 –, juris)

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