Verfahrensweise bei Vorhandensein eines Behindertentestamentes

  • Die Betroffene wird durch Ihre Mutter betreut. Vater ist gestorben. Eltern haben ein Testament verfasst, in dem sie sich gegenseitig zu Erben einsetzen und die Tochter mit Handicap (es existieren noch zwei weitere nicht behinderte Geschwister) auf den Pflichtteil gesetzt. Sie erhält dafür ein Vorvermächtnis nach dem Erst- und Zweitversterbenden. Zu Erben des Letztversterbenden werden nur die nicht behinderten Kinder eingesetzt. Ist wohl ein klassisches "Behindertentestament" wurde mir gesagt.
    Was muss ich jetzt als Betreuungsgericht veranlassen? Habe so etwas noch nicht gehabt.

  • Das ist kein klassisches Behindertentestament, weil

    • die Betroffene sofort bei Versterben eines jeden Elternteils Ansprüche erhält (Pflichtteil aufgrund Enterbung, Vermächtnis)
    • die so erhaltenen Mittel - jedenfalls nach dem mitgeteilten Sachverhalt - nicht geschützt sind und verbraucht werden können.

    "Klassisch" ist die Einsetzung des Behinderten zum Erben (!), aber beschwert mit Vor- und Nacherbschaft und Testamentsvollstreckung nebst Verwaltungsanordnungen.

    Ansonsten wie frog.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Das ist kein klassisches Behindertentestament, weil

    • die Betroffene sofort bei Versterben eines jeden Elternteils Ansprüche erhält (Pflichtteil aufgrund Enterbung, Vermächtnis)
    • die so erhaltenen Mittel - jedenfalls nach dem mitgeteilten Sachverhalt - nicht geschützt sind und verbraucht werden können.

    "Klassisch" ist die Einsetzung des Behinderten zum Erben (!), aber beschwert mit Vor- und Nacherbschaft und Testamentsvollstreckung nebst Verwaltungsanordnungen.

    Ansonsten wie frog.

    Also, ich muss sagen, dass beide von Dir genannten Punkte hier zutreffen. Die Bestimmungen sind sehr ausgefeilt und ich habe wohl nicht genug abgetippt. Punkt 1 trifft in jedem Fall zu und ist auch so wiedergegeben. Zu Punkt zwei ist ein riesen Passus im Vertrag, wie die Mittel einzusetzen und auszugeben sind. Testamentsvollstreckung ist ebenfalls angeordnet und dieser hat die Vergabe der Mittel an die Betroffene zu steuern.

  • :confused: wird des jetzt wieder sowas wie bei dem "gegenständlich beschränkten Pflichtteilsverzicht" ;) ?

    Was soll das heißen? Ne - habe im Moment nur für mich schwer zu durchschauende Sachen mit Erbangelegenheiten auf dem Tisch. Die kommen
    momentan echt gehäuft und bei Nachlasssachen habe ich nur noch rudimentäres Wissen.

    Aber noch einmal zum Hinweis von frog
    Verhinderungsbetreuer ist eine gute Idee, wird aber vom Betreuungsrichter nicht eingesetzt. Der steht auf dem Standpunkt, dass das nur Geld kostet und letztendlich der Familienfrieden leiden könnte, wenn ein Dritter Ansprüche durchsetzen würde. Hatten wir gerade in anderer Sache. Da hat er mir dann den guten Rat gegeben selbst erst einmal umfänglich hinsichtlich der möglichen bereits schon selbst vorgenommenen Zuwendung in der Familie aufzuklären und auf den ggf. bestehenden Überleitungsanspruch des Landkreises hinzuweisen. War eine elende Debatte.


  • Also, ich muss sagen, dass beide von Dir genannten Punkte hier zutreffen. Die Bestimmungen sind sehr ausgefeilt und ich habe wohl nicht genug abgetippt. Punkt 1 trifft in jedem Fall zu und ist auch so wiedergegeben. Zu Punkt zwei ist ein riesen Passus im Vertrag, wie die Mittel einzusetzen und auszugeben sind. Testamentsvollstreckung ist ebenfalls angeordnet und dieser hat die Vergabe der Mittel an die Betroffene zu steuern.


    Ich denke, dann wäre es doch hilfreich, wenn du genauere Angaben zu dem Inhalt des Testaments machst. Denn wenn hier schon jemand bestimmt wurde, der sich um den Anteil des Betroffenen (ist der jetzt Erbe oder Vermächtnisnehmer?:confused:) am Nachlass kümmern und verwalten muss, dann besteht möglicherweise ohnehin kein Erfordernis für einen Verhinderungsbetreuer. Wer ist denn TV?

    Oder, um aus Goethes "Faust", Teil I, Zeile 2667 zu zitieren: "Nein!"

  • Also:
    Die Testierenden setzen sich zu gegenseitigen alleinigen Erben ein.

    Nach dem Letztversterbenden erben die nicht behinderten Kinder jeweils zu gleichen Teilen.

    Die Betroffene ist raus.

    Im Wege der Teilungsanordnung erhält des eine Kind ein relativ großes Gewerbegrundstück.

    Als Vermächtnis erhält das andere (gesunde Kind) einen großen Geldbetrag.

    Hinsichtlich der Betroffenen setzen die Testierenden jeweils unter Anrechnung auf ihre Pflichtteilsansprüche
    jeweils nach dem Ableben eines jeden von ihnen ein Vermächtnis in Höhe eins Geldbetrages aus, der der Höhe nach 10 %
    über dem etwaigen Pflichtteilsanspruchs liegt. Diese Vermächtnisse sind nur Vorvermächtnisse.
    Für die ausgesetzten Vermächtnisse ist TV auf Dauer angeordnet. Das soll für beide Erbfälle gelten.
    Es folgen die schon geschilderten diversen Auflagen...

    Der Überlebende ist der erste Testamentsvollstrecker. Die weiteren sollen vom Nachlassgericht bestimmt werden.

  • Hallo, ich hoffe, hier kann mir jemand weiterhelfen:

    Hier liegt ein Behindertentestamen vor.
    Der Erblasser ist der Vater des Betreuten. Der Betreute wird als nicht befreiter Vorerbe eingesetzt und mit Testamentsvollstreckung beschwert.
    Die Betreuerin (= Mutter des Betreuten) beantragt die Ausschlagung der Erbschaft.

    Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus einer Immobilie, welche der Erblasser bewohnt hatte. Außerdem ist der Nachlass durch Vermächtnisse zugunsten der Lebensgefährtin des Erblassers beschwert - dieser Lebensgefährtin soll die Immobilie übertragen werden.

    Beabsichtigt wird nun von der Betreuerin die Ausschlagung der Erbschaft und die Geltendmachung des Pflichtteilergänzungsanspruches. Dies ist für den Betreuten nach Ansicht der Betreuerin (und des von dieser beauftragten RA) günstiger, da der Betreute bei Annahme der Erbschaft mit der Testamentsvollstreckung beschwert wäre und außerdem Vermächtnisse zu erfüllen hätte. Bei Ausschlagung würde der Betreute über seinen Pflichtteil frei verfügen können - ohne die Testamentsvollstreckung.

    Ich habe von der Betreuerin bereits eine Aufstellung angefordert, aus welcher ersichtlich ist, dass der Betreute durch Geltendmachung des PT-Ergänzungsanspruches tatsächlich mehr erhält. Eine Aufstellung kann jedoch nicht vorgelegt werden, da die Betreuerin keine Kenntnis vom konkreten Nachlass hat. Ein Nachlassverzeichnis kann nicht vorgelegt werden. Aus den Nachlassakten war nur ersichtlich, dass Vermögen und eine Immobilie vorhanden sind.

    Ein Verfahrenspfleger ist wegen § 276 Abs. 4 FamFG nicht zu bestellen, da die Betreuerin einen Rechtsanwalt beauftragt hat.
    Der Rechtanwalt führt noch aus, dass das Vermögen bei Annahme der Erbschaft nur dann höher wäre als der PT-Anspruch, wenn die vermächtnisweise übertragene Immobilie weniger als die Hälfte des gesamten Nachlasses ausmacht, wovon hier jedoch nicht ausgegangen wird.

    Hatte so einen Fall schon jemand?
    Wie würdet ihr entscheiden bzw. weiter vorgehen??

  • Der Grund für die Erstellung eines Behindertentestaments ist doch üblicherweise, dass man den Zugriff des Sozialhilfeträgers auf das Erbe verhindern will. Deshalb sollte man doch wohl als erstes Mal klären, ob in diesem Fall Sozialleistungen gezahlt werden und ob der Pflichtteil samt Pflichtteilergänzungsanspruch von diesem eingezogen werden könnte. Falls dies zutrifft, dann ist der Betreute vielleicht doch besser dran, wenn nicht ausgeschlagen wird, auch wenn er dann die Vermächtnisse bezahlen muss.

  • Der Grund für die Erstellung eines Behindertentestaments ist doch üblicherweise, dass man den Zugriff des Sozialhilfeträgers auf das Erbe verhindern will. Deshalb sollte man doch wohl als erstes Mal klären, ob in diesem Fall Sozialleistungen gezahlt werden und ob der Pflichtteil samt Pflichtteilergänzungsanspruch von diesem eingezogen werden könnte. Falls dies zutrifft, dann ist der Betreute vielleicht doch besser dran, wenn nicht ausgeschlagen wird, auch wenn er dann die Vermächtnisse bezahlen muss.

    Danke für die Antwort.

    Der Betreute erhält keine Sozialhilfeleistungen, er ist vermögend.

    Nachweise zur genauen Nachlasshöhe können mir immer noch nicht vorgelegt werden, weil die Ex-Frau (= die Betreuerin) keine Kenntnis darüber hat.
    Die Begründung des Rechtsanwalts für die Genehmigung ist nun, dass der Betreue durch die Ausschlagung und Geltendmachung des PT in jedem Fall 1/2 des Nachlasses bekommen würde. Durch die Annahme hätte er die Immobilie und die Beschwerungen durch die Vermächtnisse und die Testamentsvollstreckung.
    Durch Vermächtniserfüllung (Übertragung Grundbesitz an die Lebensgefährtin des Erblassers) wäre nur noch ein geringer Nachlass vorhanden (weniger als 1/2, da der Grundbesitz den wesentlichen Anteil ausmacht).

    Ich tendiere dazu, die Genehmigung zu erteilen.

  • Im Sachverhalt ist wiederholt von einem Pflichtteilsergänzungsanspruch die Rede. Wo soll der herkommen?

    Es geht doch nur um die Erbausschlagung nach Maßgabe des § 2306 BGB und um die hieraus folgende Geltendmachung des ordentlichen Pflichtteilsanspruchs!

    Im Endeffekt ist es eine Rechnerei, bei der man ggf. auch § 2318 Abs. 3 BGB nicht aus dem Auge verlieren sollte (§ 2338 BGB dagegen wohl nicht).

  • Im Sachverhalt ist wiederholt von einem Pflichtteilsergänzungsanspruch die Rede. Wo soll der herkommen?

    Es geht doch nur um die Erbausschlagung nach Maßgabe des § 2306 BGB und um die hieraus folgende Geltendmachung des ordentlichen Pflichtteilsanspruchs!

    Im Endeffekt ist es eine Rechnerei, bei der man ggf. auch § 2318 Abs. 3 BGB nicht aus dem Auge verlieren sollte (§ 2338 BGB dagegen wohl nicht).


    Eben.

    Es liegt gar kein Behindertentestament im üblichen Sinne vor, in dem der Betreffende zu einem geringen Erbteil eingesetzt wurde. Dies ist aber Voraussetzung, damit auf den § 2305 BGB zurückgegriffen werden kann (ohne Ausschlagung des Erbteils!).

    Wenn der Behinderte über entsprechend hohes Vermögen verfügt, bestand wohl auch gar kein Bedarf eines Behindertentestaments. Schließlich droht kein Zugriff des Sozialhilfeträgers auf sein Vermögen.

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