Herrenloses Grundstück, Eintragung von Zwangssicherungshypotheken

  • Hallo zusammen,

    bin neu hier -wenn Vorstellung gewünscht ist, hole ich das gerne kurzfristig nach-

    Hier erstmal meine Frage:

    Hätte gerne Einschätzungen zu dem folgenden Sachverhalt:

    Es sind zwei Zwangssicherungshypotheken unter den lfd. Nr. 1 und 2 im Grundbuch, eingetragen 2016.

    Das Flurstück war herrenlos. Es gibt nun einen neuen Eigentümer durch Erklärung der Aneignung, eingetragen Ende 2016 nach Eintragung der Zwangssicherungshypotheken im Frühjahr. Der letzte Eigentümer hat das Eigentum durch Verzicht aufgegeben 2014.

    Der neue Eigentümer teilt mit, dass die ZwaSi zu löschen seien, da das Grundbuch unrichtig sei. Er beantragt die Löschung der beiden Eintragungen mit der folgenden Begründung:

    Die Zwasi hätten nicht eingetragen werden dürfen, da das Grundstück zum Zeitpunkt der Eintragung (2016) herrenlos war und der Schuldner gem. Titeln (hier: Bescheide der Gemeindeverwaltung) derjenige ist, der bereits 2014 auf das Eigentum verzichtet hat. Der Titelschuldner müsse mit dem Eigentümer identisch sein. Da dies nicht der Fall ist, müssten die Eintragungen gelöscht werden.

    Die Gemeindeverwaltung hat jedoch den Antrag auf Eintragung einer Sicherungshypothek gestellt und dort als Eigentümer vermerkt: “herrenloses Grundstück, vormaliger Eigentümer XY”. In den mitgelieferten Titel ist als Schuldner vermerkt: “XY”. Daraufhin wurden die ZwaSi in das Grundbuch eingetragen.

    Was das zulässig? Konnte aufgrund des Antrags auf Eintragung einer Sicherungshypothek die Sicherungshypothek eingetragen werden oder liegt der neue Eigentümer richtig? Hätte der Antrag abgelehnt werden müssen, da Eigentümer und Schuldner nicht identisch sind? Muss das überhaupt geprüft werden, wenn die Gemeinde die Vollstreckbarkeit der Gesamtforderung bescheinigt? Soll das Grundbuch korrigiert werden?

  • Das Ersuchen erging also gegen den früheren Eigentümer X. War dieser zum Zeitpunkt der Eintragung Eigentümer? Nein. Also hätten die beiden ZwaHyps natürlich nicht eingetragen werden dürfen! Die eingetragenen Rechte dürften m.E. unwirksam und damit zu löschen sein. Voraussetzung für ihre Entstehung ist nämlich, dass der Schuldner tatsächlich Eigentümer des belasteten Grundstücks ist, vgl. Udo Becker in: Schreiber, Handbuch Immobilienrecht, Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen – Immobiliarvollstreckung, Rdnr. 129 m.w.N. (juris).

    :toot:FC Bayern - forever No. 1!:toot:

    Einmal editiert, zuletzt von thorsten (10. Februar 2017 um 13:05) aus folgendem Grund: Ergänzung

  • Inhaltlich unzulässig sind die Eintragungen nicht, weshalb ich eine Löschung gemäß § 71 Abs. II GBO nicht vornehmen würde. Entstanden sind die Hypotheken mit der Eintragung. Möglich wäre ein Widerspruch gegen die Eintragung zu Gunsten des neuen Eigentümers, wenn das GBA einen Fehler gemacht hat.

    Was war denn überhaupt die Grundlage der Eintragung? Es sollen Titel gegen den alten Eigentümer vorgelegen haben. Sind diese denn als Grundlage eingetragen oder war Grundlage ein Ersuchen der Gemeinde nach der Abgabenordnung? Im letzteren Fall werden die Titel durch das Ersuchen ersetzt, mit der Folge dass die darin enthaltenen Schuldnerangaben irrelevant sind.
    Wenn sich das Ersuchen gar nicht gegen den alten Eigentümer richtet, sondern gegen einen damals unbekannten Eigentümer, muss die Zwangsvollstreckung nicht unbedingt unzulässig gewesen sein.

    Möglicherweise hätte nach der Abgabenordnung analog §§ 787 oder 58 ZPO ein "Vertreter" für den unbekannten Eigentümer bestellt werden müssen, der die Interessen des Eigentümers im Vollstreckungsverfahren wahren kann. Ob die Einhaltung einer solchen Pflicht vom Grundbuchamt im Eintragungsverfahren zu beachten ist, wage ich zu bezweifeln, zumal vor der Eintragung eine Anhörung oder Beteiligung des Schuldners nicht erfolgt. Im Ersuchen wird auch bescheinigt, dass die Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen.

    Wenn man zu dem Ergebnis kommt, dass die Eintragungen im Verwaltungsvollstreckungsverfahren erfolgt sind, tendiere ich dazu, dass eine Beschwerde gemäß § 71 GBO nicht möglich ist, sondern der jeweilige Rechtsbehelf im Verwaltungsverfahren gewählt werden muss.

  • danke für die schnellen Rückmeldungen! :daumenrau

    Hier noch einige Erläuterungen:

    Grundlage der Eintragung:

    Zwangssicherungshypothek … Gem. Ersuchen der <Gemeindeverwaltung> vom… im Wege des Verwaltungszwangsverfahrens…

    Es liegen vor:

    Anträge, jeweils von 2016, auf Eintragung einer Sicherungshypothek von der Vollstreckungsbehörde (das ist die o.g. Gemeindeverwaltung) an das Amtsgericht:

    (Grundstückseigentümer) herrenloses Grundstück, vormaliger Eigentümer XY schuldet (Gläubiger) Gemeinde folgende Abgaben deren Betreibung zur Zeit nicht möglich ist.

    -Unterstreichungen handschriftlich-

    Als Anlage sind jeweils Bescheide beigefügt, die sich gegen den Eigentümer richten, der bis 2014 als Eigentümer eingetragen war. Die Bescheide datieren aus der Zeit, als XY noch als Eigentümer im Grundbuch stand.

  • Öffentlich-rechtliche Verpflichtungen können nach der Dereliktion weiterbestehen. Dies beurteilt sich nach der jeweiligen Norm, aus der die Pflicht folgt. Soweit die öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen bereits vor der Dereliktion begründet worden sind, gelten sie fort. Rückständige Grundsteuern und Kommunalabgaben erlöschen daher nicht (s. das Gutachten im DNotI-Report 21/2014, 163/164 unter Zitat Grziwotz, KommJur 2009, 175). Grundsteuern ruhen allerdings als öffentliche Last auf dem Grundstück (§ 12 GrStG) und fallen daher grundsätzlich unter die Bestimmung des § 54 GBO, d.h. die Sicherung durch Zwangssicherungshypothek ist nur unter der aufschiebenden Bedingung des Wegfalls des Vorrechts nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG zulässig.

    Wie hier ausgeführt,
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…ll=1#post793597
    hätte es zur Vollstreckung in das herrenlose Grundstück nach § 81 Absatz 1 Nr. 5 AO, 787 ZPO zwar der Bestellung eines besonderen Vertreters bedurft, den das zuständige Gericht nur auf Ersuchen hin bestellen darf (Wünsch in Koenig, AO, 3. Auflage 2014, § 81 RN 16). Möglicherweise hatte die Vollstreckung aber bereits vor der Dereliktion begonnen. Dann konnte sie fortgesetzt werden. Schmidt/Brinkmann führen dazu im Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 787 RN 4 aus: „Die Bestellung eines Vertreters ist stets erforderlich, wenn die Vollstreckung vor Aufgabe des Eigentums noch nicht begonnen hatte. Erfolgt die Aufgabe nach diesem Zeitpunkt, so wird die Vollstreckung fortgeführt,3 eine Bestellung erfolgt erst und nur, wenn und soweit die Mitwirkung des Schuldners im Vollstreckungsverfahren erforderlich wird.4“
    3 Wieczorek/Schütze/Paulus Rn. 6 (mit unklarer Fn. 6); vgl. auch KGJ 38, A 262 (266 f.).
    4 Stein/Jonas/Münzberg Rn. 3; Wieczorek/Schütze/Paulus Rn. 6. zurück zum Text

    War die Vertreterbestellung erforderlich, wurde aber nicht vorgenommen, hätten die Voraussetzungen für den Beginn der Zwangsvollstreckung nicht vorgelegen.

    Wenn die Eintragung auf einem Ersuchen nach § 322 AO beruhte, hatte dies allerdings das GBA nicht zu prüfen (§ 322 Absatz 3 Satz 3 AO; s. hier:
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…ll=1#post942684

    Nur wenn einem Ersuchen jede Rechtsgrundlage fehlen würde und das Grundbuchamt davon sichere Kenntnis hätte, darf es das Ersuchen zurückweisen (OLG München 34. Zivilsenat, Beschluss vom 25.01.2017, 34 Wx 345/16, Rz. 20 unter Zitat: vgl. KG FGPrax 2003, 56).

    Fehlt diese Kenntnis, scheidet die Eintragung eines Amtwiderspruchs ebenso aus, wie die amtswegige Löschung der inhaltlich zulässigen Hypotheken (s. dazu die Randziffern 9 bis 11 des Beschlusses des OLG München, 34. Zivilsenat, vom 08.09.2015, 34 Wx 237/15
    http://www.gesetze-bayern.de/Content/Docume…N-16225?hl=true

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

    Einmal editiert, zuletzt von Prinz (10. Februar 2017 um 17:56) aus folgendem Grund: Shreibversehen korr. (GrStG statt GrEStG)

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