Wohnungsreallast / Wohnungsgewährungsreallast

  • Hallo,

    hat hier zufällig jemand Erfahrung mit Wohnungsreallasten? Bei uns hat sowas noch niemand gehabt.

    In meinem Fall sind Eheleute A und B zu je 1/4 als Eigentümer eingetragen (der andere 1/2-Anteil hat andere Eigentümer - deshalb geht natürlich kein Wohnungsrecht). Jetzt überträgt A sein 1/4 auf B, dafür soll zugunsten von A eine Wohnungsreallast eingetragen werden (der Erwerber verpflichtet sich zur Gewährung eines Mitbenutzungsrechts).

    Es sind konkrete Räume benannt, die von A mitbenutzt werden dürfen. Ich habe jetzt schon gefunden, dass eine Konkretisierung auf bestimmte Räume oder Gebäude(teile) nach hM nicht möglich sein soll (kritisch dazu aber Staudinger/Reymann 2017, Einleitung zu §§ 1105-1112, RNr. 68), weil der Ort, an dem Reallastleistungen zu erbringen sind, auch bei anderen Reallasten problemlos in den Inhalt aufgenommen werden kann.

    Außerdem enthält meine Urkunde den Passus, dass "das Mitbenutzungsrecht" unter bestimmten Bedingungen auch dinglich erlischt. Die Reallast ist aber nicht als auflösend bedingt bewilligt. Ich frage mich nun, ob dies so gewollt ist, immerhin ist von einem dinglichen Erlöschen die Rede?

  • Mit der Reallast ist -anders als beim Wohnungsrecht, s. § 1093 Abs. 1, 1036 Abs. 1 BGB- kein Besitzrecht am Grundstück verbunden, s. das Gutachten des DNotI vom 31.12.1998, geändert am 15.01.2008, Abrufnummer: 11043

    http://www.dnoti.de/gutachten/inde…09b?mode=detail

    Daher kann auch kein Mitbenutzungsrecht an bestimmten Räumen dieses Grundstücks Gegenstand einer Reallast sein. Die von Dir zitierte Kommentierung von Reymann im Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2017, Einleitung zu §§ 1105–1112, RN 67 führt dazu aus (Hervorhebung durch mich):

    „Ist dagegen der jeweilige Eigentümer ohne Festlegung der Räume allgemein verpflichtet, dem Berechtigten eine Wohnung bestimmter Größe und Qualität zur Verfügung zu stellen, so handelt es um eine sog Wohnungsreallast (BGHZ 58, 58 = DNotZ 1972, 498; OLG Hamm DNotZ 1976, 230; BayObLG Rpfleger 1981, 353; Böhringer BWNotZ 1987, 131; NK-BGB/Reetz § 1105 Rn 20; vgl auch die obigen Erl zu § 1018u § 1093). Der Standard der zu gewährenden Wohnung muss als Inhalt der Wohnungsreallast so festgelegt sein, dass Art und Umfang der Wohnungsgewährungspflicht bestimmbar und in einen Geldbetrag umwandelbar sind (dazu § 1105 Rn 28 ff; Krauss, Vermögensnachfolge Rn 1344). Die Wohnungsreallast wird typischerweise dort eingesetzt, wo nur ein Miteigentumsanteil übergeben ist, an welchem keine beschränkte persönliche Dienstbarkeit eingetragen werden kann (Bamberger/Roth/Wegmann Rn 10; NK-BGB/Reetz § 1105 Rn 20; Schöner/Stöber Rn 1241; vgl § 1093 Rn 17), wohl aber eine Reallast (§ 1106).“

    Ich sehe daher in der Kommentierung keinen Widerspruch zu der allgemeinen Ansicht.

    Dazu führt das DNotI-Gutachten aus: „Nach allgemeiner Ansicht darf die Gebrauchsgewährung aber auch nicht auf ein konkretes bestehendes Gebäude beschränkt werden. Inhalt der Reallast kann lediglich der allgemeine Anspruch gegen den Grundstückseigentümer auf zur Verfügungstellung von Wohnraum sein. Eine Beschränkung auf bestimmte Gebäude und Gebäudeteile hält die h. M. für unzulässig (Haegele/Schöner/Stöber, aaO, Rn. 1236; BGHZ 58, 57; Hartung, Rpfleger 1978, 48; BayObLG Rpfleger 1981, 353; OLG Hamm DNotZ 1976, 229; Reichert, BWNotZ 1962, 124; Palandt/Bassenge, a. a. O., vor § 1105 BGB Rn. 3). Haegele/Schöner/Stöber schreiben beispielsweise im Anschluß an BayObLGZ 1959, 301: ,,Wobei dies [d. h. die positive Gewährung von Wohnraum] aber nur allgemein * nicht an bestimmten Gebäuden oder Gebäudeteilen * und nicht unter Ausschluss des Eigentümers geschehen darf.“
    An dieser Ansicht hat sich auch in der 15. Auflage des Schöner/Stöber von 2012 (RN 1236 mwN in der Fußn. 3) nichts geändert.

    Die Reallast gewährt dem Berechtigten allein die Befugnis, das Grundstück im Wege der Zwangsvollstreckung zu verwerten und sich aus dem Erlös in Geld zu befriedigen. (s. Mohr im Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 1105 RN 9).

    Da ein örtlicher Zusammenhang zwischen belastetem Grundstück und zur Verfügungstellung des Wohnraums nicht bestehen muss, kann eine Reallast zur Absicherung eines Anspruchs auf Wohnraumgewährung, selbst dann bestellt werden, wenn die Wohnraumgewährung auf einem anderen Grundstück stattfinden soll (s. DNotI-Gutachten unter Zitat MünchKomm/Joost, aaO, § 1105 Rn. 8; Staudinger/Amann, aaO, § 1105 BGB Rn. 16).“

    Diese Absicherung kann auch auf einem bloßen Miteigentumsanteil erfolgen (MüKo/Mohr § 1106 RNern. 1, 2).

    Vorliegend kann damit

    a) weder die Befugnis, konkrete Räume mitzubenutzen, noch
    b) der Umstand, dass das „Mitbenutzungsrecht“ auflösend bedingt sein soll

    Inhalt der Reallast sein.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Auch hier danke für die ausführliche Antwort :), und für den Hinweis auf das Gutachten des DNotI, das hatte ich noch gar nicht gefunden.

    Der Widerspruch zur hM folgt im Staudinger weiter unten:

    Die hM (BGHZ 58, 58 = DNotZ 1972, 498; OLG Hamm DNotZ 1976, 230; BayObLG Rpfleger 1981, 353; Lange-Parpart RNotZ 2008, 377, 390) macht davon ihre Zulässigkeit abhängig und verneint daher die Reallastfähigkeit einer Vereinbarung, wonach die Wohnungsgewährungspflicht nur durch das Zurverfügungstellen einer bestimmten Wohnung möglich ist. Sie übersieht hierbei, dass der Ort, an dem die Reallastleistungen zu erbringen sind, auch bei anderen Reallasten problemlos in den Inhalt einer Reallast aufgenommen werden kann (vgl Böhringer BWNotZ 1987, 131; NK-BGB/Reetz Rn 20; aM aufgrund einer wertenden Betrachtung Lange-Parpart RNotZ 2008, 377, 390). Wenn dies bei einer Wohnungsreallast geschieht, so unterscheidet diese sich immer noch genügend von einem Wohnungsrecht iSd § 1093, insbesondere darin, dass die Wohnungsreallast - anders als das Wohnungsrecht gemäß §§ 1093 Abs 1 S 2, 1036 Abs 1, 1027 - kein Recht zum Besitz und keine Unterlassungsansprüche gegen Dritte bei Störungen begründet.
    (Staudinger/Reymann (2017) Einleitung zu §§ 1105–1112, Rn. 67)


    Das DNotI Gutachten lässt ebenfalls offen, "ob dieser in Rechtsprechung und Literatur wohl allgemeinen Auffassung tatsächlich zu folgen ist". Im Weiteren wird zumindest für die Möglichkeit einer Konkretisierung dahingehend argumentiert, dass die Wohung auf einem bestimmten Grundstück (ohne Festlegung auf bestimmte Räume) zu gewähren ist. Beim Lesen fragt man sich, ob diese Argumentation nicht aber auch auf den Fall der Konkretisierung auf bestimmte Räume passen würde. Es heißt dort, dass bei anderen Reallasten die Festlegung eines bestimmten Leistungsortes unbestritten möglich ist (beispielsweise Verköstigung am Tisch des Übernehmers im Rahmen von Hofübergabeverträgen).
    Bezüglich der Festlegung auf ein bestimmtes Grundstück hätte der Eigentümer dann eben nicht irgendwo eine Wohnung zu gewähren, sondern auf diesem Grundstück. Dies würde einfach Teil der erforderlichen Konkretisierung des Leistungsinhaltes sein. "Das kann so präzise erfolgen, dass die Verpflichtung praktisch nur mit einer bestimmten Wohnung erfüllt werden kann."

    ... Warum sollte das dann nicht auch für meinen Fall zutreffen? Allerdings scheint die allgemeine Ansicht ja eben eine andere zu sein...


    Bezüglich der auflösenden Bedingung verstehe ich die Aussage in der Urkunde nicht so ganz ... es wird ja gar kein dingliches Mitbenutzungsrecht bestellt, das dinglich erlöschen könnte .. überhaupt finde ich die Bezeichnung Mitbenutzungsrecht etwas unglücklich, dies klingt ja nach einer Dienstbarkeit. Aber gut, der Eigentümer verpflichtet sich halt ein Mitbenutzngsrecht zu gewähren ...

  • Nun ja. Reymann geht im Staudinger ja selbst davon aus, dass seine Ansicht nicht der herrschenden Meinung entspricht. Und die hM ist z. B. bei Alpmann im jurisPK-BGB, 7. Auflage 2014, Stand 01.10.2014, § 1093 unter RN 7 in Fußnote 6 dargestellt. Der dort (und von Reymann) zitierte Beschluss des BayObLG vom 09.04.1981, BReg 2 Z 21/81, verweist dazu in Rz. 29 auf die Entscheidungen des BGH, OLG Hamm, OLG Oldenburg und die Abhandlungen von Haegele, Hartung, Reichert und Staudinger (Vorb. vor § 1105 RdNr.29).

    Und ob die Konkretisierung, wo die geschuldete Leistung zu erbringen ist, dinglicher Inhalt der Wohnungsreallast sein kann, wie dies das DNotI-Gutachten unter Bezug auf die Abhandlung von Böhringer in der BWNotZ 1987, 129, 131 u. a. meint, erscheint mir fraglich.

    Eckert führt dazu im Beck'schen Online-Kommentar BGB, Stand 01.11.2016, § 481 RN 19 aus (Hervorhebung durch mich): „Ein Recht auf Nutzung einer bestimmten Wohnung ist also nicht als Reallast dinglich absicherbar. Nach Ansicht des BGH (BGHZ 58, 57 [58]; zust. Staudinger/Amann Vor § 1105 Rn. 29; Palandt/Bassenge Vor § 1105 Rn. 3) würde es sich dabei nicht mehr um die Erbringung wiederkehrender Leistungen und damit nicht mehr um eine Reallast, sondern um eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit handeln. Will der Erwerber alljährlich dieselbe Wohnung nutzen, so muss eine zusätzliche schuldrechtliche Vereinbarung getroffen werden, was bei Wohnungsreallasten rechtlich zulässig ist (Palandt/Bassenge Vor § 1105 Rn. 3).“

    An schuldrechtliche Vereinbarungen ist der Einzelrechtsnachfolger jedoch nur dann gebunden, wenn er in sie eintritt. Und zwischen dinglich gewollten und rein schuldrechtlichen Regelungen hat die Urkunde zu differenzieren.

    Vorliegend soll der Ort der Leistungserbringung jedoch ebenso verdinglicht werden, wie der Umstand, dass das „Mitbenutzungsrecht“ unter bestimmten Bedingungen dinglich erlischt. Letzteres zeigt ja gerade, dass der Notar die Reallast anstelle des an sich gewollten Mitbenutzungsrechts verwenden will, weil das Mitbenutzungsrecht am Miteigentumsanteil nicht eintragbar ist.

    Das BayObLG, aaO, führt dazu in RN 25 aus: „Zwischen beiden Rechtsinstituten ist eine klare Unterscheidung erforderlich. Denn die Beschränkungen der Duldungs- und Unterlassungspflicht, die sich aus § 1018 BGB (vgl. hierzu BayObLGZ 1980, 232/234 ff. m. Nachw.) oder z.B. aus § 1019 BGB ergeben, wären gegenstandslos, wenn die gleichen Pflichten uneingeschränkt in jedem gewünschten Umfang durch eine Reallast gesichert werden könnten (BGB-RGRK aaO; Reichert BWNotZ 1962, 117/124). Es gibt kein dingliches Recht, das den Doppelcharakter einer Dienstbarkeit und einer Reallast hat (OLG Hamm Rpfleger 1975, 357/358; Reichert aaO).“

    Die Entscheidung bezog sich zwar auf eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit nach § 1093 BGB, also unter Ausschluss des Eigentümers, sie ist jedoch bei einer solchen nach § 1090 BGB (Wohnrecht mit Mitbenutzungsrecht des Eigentümers) in gleicher Weise anwendbar.

    Nutzungsrechte am belasteten Grundstück sind jedoch allein durch Dienstbarkeiten (§§ 1018, 1090, 1093 BGB) zu gewähren, der Besitz am Belastungsgegenstand selbst ist keine Leistung aus diesem (s. Otto im jurisPK-BGB, 7. Auflage 2014, Stand 01.10.2014, § 1105 RN 42 mwN in Fußn. 77)

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

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