Hälftige Nichtberücksichtigung d. Kinder (§ 850 c IV) wg. Betreuungsunterhalt

  • Liebe Gemeinde,
    habe hier einen seltenen Fall des § 850 c IV ZPO. Gläubigerseite (RA) begehrt im Rahmen einer Lohnpfändung gegen den Schuldner eine hälftige Nichtberücksichtigung der Kinder, da die (einkommenslose) Ehefrau Betreuungsleistungen gegenüber den Kindern erbringt und diese somit über eigene Einkünfte verfügen. Dies deshalb, weil es sich insofern um Naturalunterhalt handelt und zu berücksichtigen wäre. Hierbei bezieht sich die Gl.-Seite auf den Beschluss des BGH vom 16.04.2015 (IX ZB 41/14) ; Rpfleger 2015, 656 ff).

    Leitsatz: "Zu den eigenen Einkünften des Unterhaltsberechtigten, die dessen Berücksichtigung bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeisteinkommens des Schuldners einschränken oder ausschließen können, gehört auch der von anderen Unterhaltsverpflichteten gewährte Naturalunterhalt"

    Zuvor habe ich bereits in einer Zwischenverfügung kundgetan, dass ich die Entscheidung des BGH nicht für anwendbar halte, da eben die Ehegattin ohne Einkommen ist und somit nicht zum Barunterhalt herangezogen werden kann. Der Schuldner leistet bereits den vollen Barunterhalt und der Betreuungsunterhalt der Ehegattin kann nicht in Geldwert gegen den Barunterhalt aufgerechnet werden. Zudem leistet der Schuldner zum Barunterhalt ebenfalls einen Betreuungsunterhalt.
    Würde man dem Ansinnen der Gläubigerseite folgen, so hätte diese m. E. eine Privilegierung des gewöhnlichen Gläubigers gegenüber den unterberechtigten Kindern zur Folge.

    Die Gläubigerseite beharrt jedoch auf eine Entscheidung in ihrem Sinne. Es spiele dabei keine Rolle, ob die Ehegattin über eigene Einkünfte verfüge. Plausibilitätsüberlegungen im Hinblick auf eine evtl. Privilegierung zu den bevorrechtigten Kinder wären im Ergebnis falsch.

    Halleluja! Eine rechtsmittelfähige Entscheidung wird verlangt!

    Was meint Ihr dazu? Hattet Ihr schon einmal so eine Konstellation?

    Grüßle
    Don Camillo

  • EF und Sch. betreuen beide ihre Kinder.
    EF erbringt keinen Naturalunterhalt, woher auch, wenn sie kein eigenes Einkommen hat.
    Der volle Barbedarf der Kinder wird damit allein aus dem Einkommen des Sch. bestritten.
    Ergo sind die Kinder weiter - wie normal üblich - voll als Unterhaltsberechtigte bei den c-Beträgen zu berücksichtigen.

    c4 geht hier daher nicht, imo.

  • Das ergibt sich doch schon aus dem BGH-Urteil. Es gibt den Betreuungsunterhalt und den Naturalunterhalt. Im Falle des BGH hatte die Ehefrau eigenes Einkommen, deshalb konnte sie neben dem Betreuungsunterhalt auch Naturalunterhalt (Kost und Logis) gewähren. In deinem Fall hat sie ja gar kein eigenes Einkommen, also kann sie überhaupt kein Naturalunterhalt leisten. Ich würde das zurückweisen und guten Gewissens auf die Beschwerde warten und dann nicht abhelfen. Die Landgerichtliche Entscheidung möchte ich dann bitte veröffentlicht haben, wo das LG dich dann aufhebt. Denn die würde ja das ganze Zwangsvollstreckungsrecht aus den Angeln heben. dann brauchst ja keine Tabelle in § 850c mehr...

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    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • :daumenrau (5 x nein)

    (lies dir mal Beck'scher Online-Kommentar ZPO, Vorwerk/Wolf 24. Edition Stand: 01.03.2017, § 850 c ZPO Randnummer 27.2 durch ;). Den kannst du dann auch gut zitieren)

    Schließe mich ebenfalls an, weil Betreuungsunterhalt kein Naturalunterhalt ist und nicht zur finanziellen Entlastung des Schuldners beitragen kann.

  • Hallo ihr Lieben,

    wie würdet ihr denn in folgenden Fall verfahren?

    Schuldner hat 3000 € Nettoeinkommen.
    Ehefrau verdient 800 €.
    1 Kind (3 Jahre alt)

    Kind soll zu 50% nicht berücksichtigt werden.

    Der Selbstbehalt der Ehefrau beträgt 561 € (374 € Selbstbehalt + 50 % Zuschlag).

    Ich habe schon arges Bauchweh, da tatsächlich eine teilweise Nichtberücksichtigung zu beschließen. In 850d Verfahren liegt der sozialrechtliche Bedarf im Bezirk bei 984,55 €.

    Wenn ich nun aber von den 561,00 € ausgehe, hätte sie noch 239,00 € für den Unterhalt zur Verfügung. Dieses "Einkommen" liegt unterhalb des Eckregelsatzes des Kindes, sodass ich am liebsten den Antrag zurückweisen möchte.

    Wie seht ihr das?

  • Wenn du Bauchweh hast- gut begründen, zurückweisen.

    Ich würde es hier tun, da die Einkünfte der Ehefrau gering sind und kaum für diese reichen dürften ( Grundlage: mit einer Pfändung wäre ja bei ihr fürs Kind auch nix zu holen, da der Selbstbehalt für einen ledigen bereits höher ist). Nach allgemeiner Lebenserfahrung und dem festgestellten sozialrechtlichen Bedarf im Bezirk reichen die Einkünfte evtl. aus, um diese selbst zu versorgen und ihren Teil an den Wohnungskosten zu decken, jedoch nicht um noch Leistungen an das Kind zu erbringen. Daher ist eine -auch nur teilweise- Nichtberücksichtigung
    des Kindes abzulehnen, da hier nicht von einem Unterhaltsberechtigten mit eigenen Einkünften auszugehen ist.

    Sollte das LG anderer Meinung sein, sei es ihm gegönnt.

  • Zumindest eine anteilige Nichtberücksichtigung des Kindes wegen der Leistung von Naturalunterhalt durch die Ehefrau des Schuldners scheint mir möglich, vgl. BGH, Beschluss vom 16. April
    2015 – IX ZB 41/14.

    "Möglich" vielleicht schon. 50 % aber keinesfalls. Im Ergebnis würde ich den Anteil hier aber auch so gering sehen, dass ich im Wege des Ermessens wohl auf praktisch 0 = ablehnen kommen würde.

  • Liebe Kolleginnen und Kollegen,
    ich schließe mich der grundsätzlichen Fragestellung mit folgendem konkreten Fall einmal an:
    in meinem Fall ist Schuldnerin die Mutter, die monatlich 1050EUR verdient und lt VAK Naturalunterhalt für das Kind leistet. Ehemann verdient monatlich 1800 EUR netto. Kind ist 12 Jahre alt, Gl beantragt eine vollständige Nichtberücksichtigung des Ehemanns (bin ich einverstanden) und des Kindes zu 50 %. Wie würdet ihr in einem solchen Falle berücksichtigen?

    Viele Grüße

  • nur, wenn du davon ausgehst dass es sich um einen ständigen Festlohn handelt und es keine Steigerungen (durch evtl. Aufstockung von Teil- auf Vollzeit (da nicht angegeben), Gehaltserhöhung, Prämien, Überstunden, Zulagen, Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld etc.) gibt.

    Fände es schwer das Rechtsschutzbedürfnis abzusprechen- denn ein PfÜB läuft mitunter eben wegen längerer Fruchtlosigkeit ewig, da kann sich viel ändern.

  • da stimme ich Inuslaner zu - nur weil aktuell nix pfändbar ist, mangelt es nicht an Rechtsschutzbedürfnis (dann müsste ich konsequenterweise ja auch den Antrag bzgl. Nichtberücksichtigung Ehemann zurückweisen)

  • Stimmt schon, im Moment besteht kein Handlungsbedarf. Aber in der Regel sind das ja Dauerpfändungen. Ich würde schon eine Entscheidung treffen, also in der Sache.

    Und zur Sache. Mann ist klar. Kind. Der Insolvenzsenat des BGH hat dazu zwei Entscheidungen getroffen. Die sagen, dass auch Naturalunterhalt als Einkommen des Kindes zu werten ist. Der Senat stellt darauf ab, dass es auf die Art des geleisteten Unterhalts nicht ankommt. 850c IV unterscheidet da nicht. Was nicht zum Einkommen zählt sind Betreuungsleistungen. Also Kuscheln gehört nicht zum Einkommen. ;) Damit ist das Kind dann zur Hälfte nicht zu berücksichtigen, wenn das Einkommen der Mutter in die Familienkasse mit einfließt und entsprechende Leistungen, die zur Versorgung des Kindes erbracht werden müssen, davon mit bestritten werden.

    BGH vom 16.04.2015, IX ZB 41/14 und vom 19.12.2019, IX ZB 83/18 (lasse dich da nicht vom Leitsatz verwirren, ist etwas irritierend).

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
    Maxim Gorki



  • Annett: In diesem Fall wäre es das Einkommen des Vaters :), welches aufgrund des nach Abzugs seines Selbstbehalts der Höhe nach schon geeignet wäre eine teilweise Nichtberücksichtigung der Kinder zu begründen.

    Bevor ich mir Gedanken über die Begründetheit mache, bin ich aber zunächst grundsätzlich bei Queen.
    Aus dem Antrag an sich lässt sich das Rechtsschutzbedürfniss für irgeneine Nichtberücksichtigung nicht erkennen.
    Das Rechtsschutzbedürfnis ist Teil der Zulässigkeitsveoraussetzung des Antrags.

    Die Tatsachen, welche ein Rechtsschutzbedürfnis begründen würden, wäre vom Gl. vorzutragen und nicht vom Gericht aus einer Kristallkugel zu erahnen/vermuten.

  • Ich sehe das schon. Aber ich entscheide auch schon darüber, wenn der Antrag bereits mit dem PfüB kommt. Dann hat der Gläubiger evtl. auch keine Angaben über die Höhe des Einkommens des Schuldners. Ehrlich. Da lasse ich mir das auch nicht genauer vortragen, wenn ich die Eckdaten der unterhaltsberechtigten Personen kenne. Vielleicht sehe ich das zu locker, aber bei diesen Dauerpfändungen kann es eben auch mal zu Sonderzahlungen, Gehaltserhöhungen u.ä. kommen. Im Übrigen höre ich den Schuldner ja auch an.

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