Erb- und Pflichteilsverzicht

  • Ich habe einen Erbscheinsantrag nach gesetzlicher Erbfolge vorliegen;
    Vater ist verstorben und soll nach dem Antrag der Witwe von der Ehefrau zu Anteil 1/2 und den drei Kindern je zu Anteil 1/6 beerbt werden.
    Die Kinder werden angehört und es meldet sich ein Kind und trägt vor, dass sein Bruder A. im Zuge eines Grundstücksübertragungsvertrages auf seinen Bruder B. gegen Einräumung eines Wohnrechts auf sein Erb- und Pflichtteilsrecht hinsichtlich dieser Immobilie verzichtet hat.
    Dieser Vertrag existiert und wurde von mir in der Grundakte gefunden.

    Wie sieht jetzt die Erbfolge aus ?
    Ich finde einfach nichts.

    Danke für eure Hilfe

  • Einen gegenständlich beschränkten Erbverzicht gibt es nicht. Es kann auf den (gesetzlichen) Erbteil insgesamt oder auf einen Anteil daran (Bruchteil, oder prozentualer Anteil) verzichtet werden, aber nicht auf "das Erbrecht an einzelnen Gegenständen".

    Ein bloßer Pflichtteilsverzicht läßt die Erbfolge unberührt.

    Ergo: Es ändert sich nichts.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • ... und trägt vor, dass sein Bruder A. im Zuge eines Grundstücksübertragungsvertrages auf seinen Bruder B. gegen Einräumung eines Wohnrechts auf sein Erb- und Pflichtteilsrecht hinsichtlich dieser Immobilie verzichtet hat.

    Wenn die Immobilie auf B übertragen wurde, ist sie ohnehin nicht mehr im Nachlass des Vaters. Wenn es eine Schenkung an B war, kann es um Pflichtteilsergänzungsansprüche nach § 2325 BGB gehen, auf die A evtl. gegen Einräumung eines Wohnrechts verzichtet hat.

  • Man kann auch auf einen Bruchteil seines Erbrechts verzichten.
    Muss ich evtl. in diese Richtung hinsichtlich des Nachlasswertes Ermittlungen anstellen ?


    Kann man, aber nicht indem man "auf sein Erb- und Pflichtteilsrecht hinsichtlich dieser Immobilie verzichtet". Von daher: was cromwell sagte...

    Ich bitte darum, den Wortlaut des besagten Verzichts mitzuteilen.

    Wenn ich nach dem Wochenende im Dienst bin, teile ich den Text des Erb- und Pflichtteilsverzichts mit.
    Ein schönes Wochenende


    Ich dachte, das hättest Du in deinem ersten Post getan?


    Wenn die Immobilie auf B übertragen wurde, ist sie ohnehin nicht mehr im Nachlass des Vaters. Wenn es eine Schenkung an B war, kann es um Pflichtteilsergänzungsansprüche nach § 2325 BGB gehen, auf die A evtl. gegen Einräumung eines Wohnrechts verzichtet hat.


    Das mag alles sein, ist aber im Erbscheinsverfahren vollkommen egal. Es wird vielmehr vorgetragen, A sei nicht, oder jedenfalls nicht zu 1/6 Anteil, Erbe geworden.

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  • Leider komme ich erst jetzt dazu, den genauen Text betr. Erb- und Pflichtteilsverzicht aus dem Übertragungsvertrag des Erbbaurechts mitzuteilen:

    § 9 Weitere Gegenleistung der Käufer
    Zif. 1 Die Käufer gewähren den Verkäufern.......ein Wohnungsrecht
    Zif. 2 Die Käufer gewähren dem Erschienenen zu 3) (= Sohn B) ein lebenslängliches entgeltliches Wohnungsrecht.
    Der Erschienene zu 3) (= Sohn B) erklärt, dass er mit der Einräumung des Wohnrechts auf seine Erb- und
    Pflichtteilsansprüche bezüglich des übertragenen Erbbaurechts verzichtet.

    Viele Grüße aus dem sonnigen Norden

  • Der Erschienene zu 3) (= Sohn B) erklärt, dass er mit der Einräumung des Wohnrechts auf seine Erb- und Pflichtteilsansprüche bezüglich des übertragenen Erbbaurechts verzichtet.


    Das ist ein unwirksamer gegenständlich beschränkter Erbverzicht. Allenfalls als Verzicht auf Ausgleichsansprüche (§ 2050 BGB) auslegbar, wenn man überhaupt zum Bestehen derartiger Ansprüche kommen sollte.
    Es ist auch ein (vermutlich - § 139 BGB) wirksamer gegenstädnlich beschränkter Verzicht auf Pflichtteils- bzw. Pflichteilsergänzungsansprüche, der aber die gesetzlichen Erbquoten unberührt läßt.

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  • Ich frage mich, wie ein Notar eine solche rechtliche Idiotie beurkunden kann.

    Auch nach meiner Ansicht ist das im Ergebnis ein gegenständlich beschränkter Pflichtteilsverzicht und kein umfassender (und auch kein quotaler) Erbverzicht.

  • Ich frage mich, wie ein Notar eine solche rechtliche Idiotie beurkunden kann.

    Auch nach meiner Ansicht ist das im Ergebnis ein gegenständlich beschränkter Pflichtteilsverzicht und kein umfassender (und auch kein quotaler) Erbverzicht.

    Auch Notare sind nur Menschen. Und Menschen machen Fehler. Nobody is perfect.

  • Und irgendwann machen dann alle Fehler und derjenige, der am wenigsten Fehler macht, ist dann der Einäugige unter Blinden?

    Tut mir leid, aber spätestens beim Vorlesen muss dem Notar bei dem Passus mit dem gegenständlich beschränkten Erbverzicht die Urkunde aus der Hand springen!

    Wer nicht weiß, dass es keinen gegenständlich beschränkten Erbverzicht gibt, hat seinen Beruf verfehlt, sei es als Notar, Rechtspfleger oder Richter.

  • Mir liegt folgender Erbverzichtsvertrag aus dem Jahre 1997 vor:

    Die Ersch. zu 1. (jetzige Erblasserin) verpflichtet sich an den Ersch. zu 2. (Sohn der Ersch. zu 1.) einen Betrag in Höhe von 70.000,00 DM zu zahlen.
    Der Esch. zu 2. verzichtet gegen Zahlung des Betrages für sich und seine Abkömmlinge auf sein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht nach der Ersch. zu 1. mit einer Erbquote, die dem Wert des im Eigentum der Ersch. zu 1. stehenden Grundbesitzes (es folgt genauere Bezeichnung) einschließlich aufstehenden Baulichkeiten entspricht. Die Ersch. zu 1. nimmt den Verzicht an.
    Die Beteiligten sind darüber einig, dass der Erb- und Pflichtteilsverzicht unter der auflösenden Bedingung vollständiger Zahlung des vorgenannten Betrages steht.

    Zum Zeitpunkt des Todes der Ersch. zu 1. (2017) lebt der Ersch. zu 2. nicht mehr. Er, der Ersc. zu 2., hat zwei Kinder hinterlassen. Das einzige weitere Kind der Ersch. zu 1. hat einen Alleinerbschein beantragt mit dem Bemerken, dass der Ersch. zu 2. für sich und seine Abkömmlinge auf sein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht verzichtet hat.

    Sofern der Ersch. zu 2. wirksam auf einen Bruchteil seiner Erbquote verzichtet hat, stellt sich die Frage, wer für die Erteilung des Erbscheins zuständig ist (Richter oder Rechtspfleger). § 2346 BGB verweist hinsichtlich der Auslegung auf § 2087 BGB. Hierbei handelt es sich eine Auslegungsregel für Testamente, sodass einiges für die Zuständigkeit des Richters spricht.
    Es stellt sich zudem die Frage, wie der Bruchteil ermittelt werden kann.
    Die Zahlung des Betrages ist bisher noch nicht nachgewiesen.

  • Auf jeden Fall kann das nicht am Vertragsschluss beteiligte Kind nicht Alleinerbe geworden sein, denn entweder ist der Erbverzicht insgesamt unwirksam (etwa, weil er bezüglich der Berechnung der Verzichtserbteilsquote zu unbestimmt ist) oder er ist jedenfalls im Hinblick auf die betreffende Quote wirksam.

    Zuständig ist der Rechtspfleger. Es liegt kein Testament vor, das einen Richtervorbehalt auslösen könnte.

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