Teilbestandskraft Sozialrecht: § 63 SGB X oder § 193 SGG?

  • Nach Widerspruch gegen einen auf Rückzahlung von Geld gerichteten sozialrechtlichen Verwaltungsakt erfolgte mit Widerspruchsbescheid eine Teilstattgabe zugunsten des Widerspruchsführers in Höhe von 60 %, d. h. die Behörde wollte jetzt nicht mehr 10.000,00 € zurück, sondern 4.000,00 €. Gem. § 63 SGB X enthielt der Widerspruchsbescheid eine damit korrespondierende Kostengrundentscheidung, wonach die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu 60 % erstattet werden.

    Wegen der noch zurückzuzahlenden 4.000,00 € erhob der Widerspruchsführer und nachmalige Kläger Klage vor dem Sozialgericht.

    Nunmehr erhebt sich wegen Vergleichsgesprächen die Frage, ob das Sozialgericht gem. § 193 SGG über die Kosten des Widerspruchsverfahren nur insoweit entscheiden darf, als das Verfahren bei ihm überhaupt anhängig ist, also in Ansehung der 4.000,00 € (so die Auffassung des Klägers), oder ob gem. § 193 SGG die Kostengrundentscheidung im Widerspruchsbescheid insgesamt auf den Prüfstand des Sozialgerichts kommt, und zwar auch insoweit, als der Widerspruchsbescheid bestandskräftig und gar nicht Gegenstand des Sozialgerichtsverfahrens wurde (so die Behörde).

    Ich habe komischerweise in den Kommentaren nichts dazu gefunden. Das Problem muss doch schon öfter vorgekommen sein. Leider finde ich immer nur LSG- und BSG-Urteile, bei denen die hier nicht interessierende Konstellation vorliegt, dass die Kostenentscheidung des § 63 SGB X als solche vor Gericht angegriffen wird. Dagegen finde ich nichts, wo es um eine Teilstattgabe und damit Teilbestandskraft geht.

    DESIRE IS THE HURDLE TO SALVATION AND TIES ONE TO SAMSARA

  • § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X gilt jedoch nur für isolierte Vorverfahren, also für solche, an die sich in der Hauptsache kein gerichtliches Verfahren anschließt und die daher von Vorverfahren, an die sich ein gerichtliches Verfahren in der Hauptsache anschließt, zu unterscheiden sind Für Kostengrundentscheidungen in Widerspruchsbescheiden gegen die - sei es auch nur wegen eines Teils ihres Verfahrensgegenstandes - Klage erhoben wird, gilt § 63 SGB X nicht (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2016 – B 14 AS 50/15 R).

    Ich denke, da müsste das SG insgesamt zuständig sein und für die gesamten Kosten die dortige Kostengrundentscheidung gelten.

  • Eben. Eine "Teilbestandskraft" in Bezug auf die zu treffende Kostenentscheidung nach § 193 SGG gibt es m.E. in der Sozialgerichtsbarkeit nicht. Entweder "ganz oder gar nicht" und gleichwohl sollte dem Kläger es darauf ankommen, dass das Gericht darüber auch entscheiden möge, weil wenn die Sache ohne Urteil auf sonstige Weise beendet wird, erfolgt nun mal nicht von Amts wegen eine Kostenentscheidung.

    Im Zweifel würde ich wohl immer die Kostenentscheidung aus dem Vorverfahren zum weiteren Streitgegenstand des Klageverfahrens machen, als die Beschwer des Klägers in jedem Fall gegeben ist.

  • § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X gilt jedoch nur für isolierte Vorverfahren, also für solche, an die sich in der Hauptsache kein gerichtliches Verfahren anschließt und die daher von Vorverfahren, an die sich ein gerichtliches Verfahren in der Hauptsache anschließt, zu unterscheiden sind Für Kostengrundentscheidungen in Widerspruchsbescheiden gegen die - sei es auch nur wegen eines Teils ihres Verfahrensgegenstandes - Klage erhoben wird, gilt § 63 SGB X nicht (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2016 – B 14 AS 50/15 R).

    Ich denke, da müsste das SG insgesamt zuständig sein und für die gesamten Kosten die dortige Kostengrundentscheidung gelten.

    Super! Vielen herzlichen Dank. Diese Entscheidung des BSG vom 19. Oktober 2016 trifft es genau auf den Punkt. Man sieht übrigens (zu meiner Ehrenrettung muss ich das jetzt doch loswerden), dass beide Vorinstanzen (SG und LSG) mit der Teilbestandskraft argumentierten und aus den bisherigen BSG-Urteilen dasselbe ableiteten wie ich, nämlich, dass das SG im Rechtsstreit nur noch insoweit über die Kosten entscheiden könne, als gem. § 63 SGB X noch nicht darüber entschieden war. Und in den mir zur Verfügung stehenden Kommentaren kam das Problem einfach nicht vor. Offenbar hatte das LSG 2015 auch keine bessere Literatur ...

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