Europäisches Erbrecht

  • Ich bin mit EU-ErbVO total hilflos, obwohl diese nun schon seit dem 17.08.2015 gilt.


    Nun habe ich ein notarielles gemeinschaftliches Testament was ich nach dem 2. Sterbefall eröffnen muss.
    Deutscher Erblasser hatte seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Spanien.

    Was mache ich mit dem eröffneten Testament? Zuständig dürfte ja das Nachlassgericht in Spanien sein.
    Schicke ich nur beglaubigte Ablichtungen an den einzigen Sohn und mache die Akte dann zu ?

  • Guten Morgen,
    in meinen Schulungsunterlagen habe ich gefunden, dass es in Ermangelung von Vorschriften nicht zu einer Abgabe an das ausländische Gericht kommt.
    Also einfach das Testament eröffnen und an alle Beteiligten bekannt geben :)

    ~ Montag ist auch nur ein Tag ~

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  • So sehe ich das auch.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Ich sehe es anders.
    Die Eroeffnung eines Testaments setzt die internationale Zustaendigkeit in der Nachlasssache voraus. Sie kann auch weitgehende Folgen nach dem anwendbaren Erbrecht haben.
    Derzeit haben die Spanier die ausschliessliche internationale Zustaendigkeit fuer das gesamte Nachlassverfahren. Das kann sich aendern, wenn sich aus dem Testament eine Rechtswahl zugunsten des deutsche Rechts ergibt (nach Art. 22 ErbRVO bzw. 84 Abs. 4 ErbRVO) und die Voraussetzungen des Art. 7 ErbRVO erfuellt sind. Solange dies nicht geschehen ist, darf man in Deutschland keinen Finger rühren.
    Wir haben darueber schon hier diskutiert
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…ighlight=Oberle

  • Mit Verlaub - das ist völlig unsinnig!

    Ein Testament, welches bei einem deutschen Gericht in Verwahrung ist, nach Kenntnis des Erbfalls nicht zu eröffnen ist doch völliger Unsinn! Das NLG in Deutschland kann doch nicht einfach nicht eröffnen - also wie Silesianman sagt "keinen Finger rühren", nur weil ggf. für das Erbscheinsverfahren ein ausländisches Gericht zuständig ist.

    Es gilt auch hier zunächst § 344 V FamFG.

    Woher sollen denn die Beteiligten und/oder das ggf. zuständige ausländische Gericht erfahren, dass es ein Testament bei einem deutschen NLG gibt? Das ist doch völlig an der Realität vorbei, hier als NLG nichts zu tun. Es muss das Testament durch das Verwahrgericht eröffnet und den Beteiligten bekanntgemacht werden. Punkt. Wer dann und wo welche Rechtswirkungen von/aus dem Testament ableiten will oder wo ggf. ein Nachlassverfahren durchgeführt wird, ist doch eine ganz andere Frage.

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  • Vielen Dank für die Antworten.

    Ich werde auf alle Fälle das Testament eröffnen, es an die Beteiligten verschicken und hoffen, dass wegen der Wohnung in Spanien keiner zu Protokoll des hiesigen Nachlassgerichts ein Europäisches Nachlasszeugnis beantragen will.

  • @ TL: Das auslaendische Gericht ist nicht fuer das Erbscheinsverfahren, sondern fuer das gesamte Nachlassverfahren zustaendig (siehe Art. 15 ErbRVO). Zunächst gilt die ErbRVO, die als Unionsrecht Vorrang hat, und nich das FamFG, das das Zustaendigkeitssystem der Verordnung nicht aendern kann.
    Wie gesagt: die Testamentseroeffnung kann sehr weitgehende Folgen haben. Es ist keine technische Modalitaet, die man durchfuehrt, weil man es immer so gemacht hat und um irgendwie einen Aktenvorgang abschliessen zu koennen. Wenn man Testamente ausserhalb des Zustaendigkeitsystems eroffnet, ist es nur eine Zeitfrage bis es zu einem Schaden eines Beteiligten fuehrt. Dann stellt sich die unangenehme Frage der Staatshaftung fuer die Verletzung des Unionsrechts.

  • Staatshaftung wegen der Eröffnung eines Testaments beim Verwahrgericht nachdem dieses vom Tode des Erblassers erfahren hat?:wechlach:

    Und wie sollen nun die Beteiligten deines Erachtens erfahren, dass es beim deutschen Gericht ein Testament gibt?

    Wie will denn z.B. ein Gericht in Frankreich ein hier hinterlegtes Testament eröffnen?

    Ich denke, dass es eher zu einer Haftung kommt, wenn man nicht eröffnet.

    Und: Die Testamentseröffnung ist streng genommen keine "Entscheidung" in einem Nachlassverfahren (vgl. Art. 4 EU-ErbVO bitte lesen!!!), welche auf einen Antrag hin durchzuführen ist, sondern ein Akt der von Amts wegen vorgenommen wird.

    Und: § 344 VI FamFG gilt ja gerade dann, wenn kein (anderes deutsches) Nachlassgericht zuständig ist!

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    5 Mal editiert, zuletzt von TL (11. Juli 2017 um 17:06)

  • TL: Du magst was ich schreibe „unsinnig“, lustig bzw. lächerlich finden, als guter Jurist muss Du aber berücksichtigen, dass wenn das letzte Wort zur Auslegung der ErbRVO in einem deutschen Fall fällt, am Richtertisch in Luxemburg kein Deutscher dabei sein wird. Auch der Generalanwalt, der dem Gerichtshof eine Lösung vorschlagen wird, wird in einem aus Deutschland kommenden Verfahren ebenfalls aus einem anderen EU-Staat stammen (müssen). Derzeit kommt der Generalanwalt in Fällen aus dem Bereich Kollisionsrecht bzw. int. Verfahrensrecht zu 90% aus einem Mitgliedstaat, in dessen Rechtstradition gerade die internationale Zuständigkeit sehr ernst genommen wird (weil ihre Verletzung zur Nichtigkeit des Gerichtsverfahrens und zur Aufhebbarkeit der ergangen Entscheidungen führt, was die Denkweise eines Juristen stark prägt). Der Mann wird das faktisch entscheidende Wort u.a. in der Rechtssache Oberle haben.

    Was man folglich in Deutschland für selbstverständlich und allein richtig hält und wie der deutsche Gesetzgeber den Rechtsstand sieht, wird nicht unbedingt ausschlaggebend sein...

    Als Kommentator der ErbRVO kenne ich den Wortlaut des Art. 4 sehr gut. Ich habe mich allerdings nicht nur auf die deutsche Fassung, welche inhaltlich von den anderen abweicht, begrenzt und lese die Bestimmung ferner in erster Linie systematisch. Ich würde Dir die Lektüre der Anmerkung von Prof. Mankowski in der FamRZ 2017, 566 vorchlagen. Er vorbereitet den deutschen Leser langsam und sehr sanft (wozu ich leider keine Geduld mehr habe) darauf, was zur Auslegung des Art. 4 ErbRVO aus Luxemburg kommen wird.

  • @Silesianman:

    Richtig. Ich schätze dein hohes Fachwissen und die wissenschaftliche Denkweise. Da bin ich ein kleines Licht...und ich denke viel zu praktisch.

    Sagen wir mal so: Bis es eine irgendwie geartete Entscheidung dazu gibt, ist das in Deutschland hinterlegte Testament zu eröffnen, weil sonst nirgendwo im Geltungsbereich der tollen ErbVO auch nur irgendwer von dem Testament erfährt. Das ist aktuell Fakt und was dann welcher Richter vielleicht dazu mal sagen wird, ist eine andere Sache.

    Und: Ich möchte mich zugleich entschuldigen, dass ich deine Ansicht als "Unsinn" bezeichnet habe. Du bist ein guter Jurist und ich kann dir nicht das Wasser reichen...also gehört es sich nicht, so flapsig dir gegenüber zu sein. Das tut mir leid.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Die Frage wird sein, ob die reine Eröffnung (schon) zum Nachlaßverfahren im Sinne der EUErbRVO gehört, oder ob sie (noch) Teil der Verwahrung der Verfügung von Todes wegen ist. Dafür gilt die EuErbVO nämlich nicht (schon deshalb nicht, weil man bei Verwahrungsbeginn nicht feststellen kann, welches Recht später mal anwendbar sein wird).

    Ansonsten hat silesiaman vermutlich nicht ganz unrecht.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Zu dem Thema:

    Habe einen Antrag auf europäisches Nachlasszeugnis und stehe gerade an der Zuständigkeit:
    Wir sind nicht nach Artikel 4 zuständig, da der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt und einzigen Wohnsitz in Österreich hatte.

    Es liegt ein öffentliches Testament nach deutschem Recht vor, zur Zeit der Errichtung war der Erblasser in Deutschland wohnhaft und das Testament entspricht auch sowohl formell als auch inhaltlich dem deutschen Recht.

    Ist allein diese Errichtung eines Testaments schon eine Rechtswahl nach Art. 22 Abs. 2 2. Alt. EU-ErbVO?

    Eine ausdrückliche Erklärung liegt nicht vor. Aussagen zu Staatsangehörigkeit etc. liegen nicht vor.


  • Es liegt ein öffentliches Testament nach deutschem Recht vor, zur Zeit der Errichtung war der Erblasser in Deutschland wohnhaft und das Testament entspricht auch sowohl formell als auch inhaltlich dem deutschen Recht.

    Ist allein diese Errichtung eines Testaments schon eine Rechtswahl nach Art. 22 Abs. 2 2. Alt. EU-ErbVO?

    Eine ausdrückliche Erklärung liegt nicht vor. Aussagen zu Staatsangehörigkeit etc. liegen nicht vor.

    Datum des Testaments? Wie wurde die Identität des Testators bei der Beurkundung festgestellt?

  • Zu dem Thema:

    Habe einen Antrag auf europäisches Nachlasszeugnis und stehe gerade an der Zuständigkeit:
    Wir sind nicht nach Artikel 4 zuständig, da der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt und einzigen Wohnsitz in Österreich hatte.

    Es liegt ein öffentliches Testament nach deutschem Recht vor, zur Zeit der Errichtung war der Erblasser in Deutschland wohnhaft und das Testament entspricht auch sowohl formell als auch inhaltlich dem deutschen Recht.

    Ist allein diese Errichtung eines Testaments schon eine Rechtswahl nach Art. 22 Abs. 2 2. Alt. EU-ErbVO?

    Eine ausdrückliche Erklärung liegt nicht vor. Aussagen zu Staatsangehörigkeit etc. liegen nicht vor.

    Wie kommt der Antrag auf Erteilung des ENZ zu Dir als deutsches Nachlassgericht, wenn der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hat?

    Zuständig für das Nachlassverfahren dürfte somit doch das österreichische Verlassenschaftsgericht sein.
    Und dieses Gericht muss auch das ENZ erteilen.

    Ob österreichisches oder deutsches Erbrecht zur Anwendung kommt, hat auch das österreichische Verlassenschaftsgericht zu prüfen.

    Ich sehe -zumindest aufgrund des dargestellten Sachverhalts- keine Anhaltspunkte für eine deutsche Zuständigkeit.

  • :daumenrau So sehe ich es auch.

  • Die deutsche Zuständigkeit kommt nach Art. 5 ErbRVO in Betracht, wenn eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts vorliegt (deswegen auch meine Fragen) und die Beteiligten eine Gerichtsstandsvereinbarung treffen. Beides ist zu prüfen.

  • §§ 105, 343 FamFG (ggf. i.V.m. § 352c FamFG).

    Die Zuständigkeitsnormen des FamFG und die diesbezüglichen Vorstellungen des deutschen Gesetzgebers im Hinblick auf die Anwendbarkeit der EuErbVO sind also völlig klar.

    Solange nicht geklärt ist, wie es sich diesbezüglich mit der internationalen Zuständigkeit verhält, halte ich es nicht für angebracht, einfach von der Nichtzuständigkeit auszugehen und damit zu unterstellen, was es erst zu prüfen gilt.

  • Danke für eure Antworten soweit.

    Das Testament ist von 2009, die Identitäten wurden nicht festgestellt ("von Person bekannt").
    Wie bereits beschrieben, finden Österreich oder Europa keine Erwähnung.

    Die Witwe wohnt nunmehr wieder hier im Bezirk und war bei einem hiesigen Notar zur Beurkundung des Zeugnis-Antrags. Es geht um ein in Ö belegenes Grundstück (Wohnhaus des Erblassers), weshalb ein europ. NL-Zeugnis und kein Erbschein beantragt wird.

    Die einzige Möglichkeit meiner Zuständigkeit sehe ich aus einer Rechtswahl nach 5 und 22, aber wie gesagt weiß ich nicht, ob man davon nach dem Testament ausgehen kann.
    Sollte jemand (auch allgemeine prä-EU-ErbVO) Kommentierung oder Rechtsprechung zur nicht ausdrücklichen Rechtswahl in Testamenten haben, wäre ich dankbar.

    Um eine gründliche Zuständigkeitsprüfung kommt man beim NL-Zeugnis nicht herum, da der Grund für die Zuständigkeit ja in das Zeugnis ausgenommen werden muss.

  • Meine Lösung soweit:
    Ich habe mal beim Notar nachgefragt, aus welchem Grund seiner Ansicht nach unsere Zuständigkeit besteht, und dabei die Möglichkeiten Art. 4, 7a-c, 10, 11 sowie den Fall von Art. 5 i.V.m. 22 EU ErbVO mal verneinend aufgelistet.
    Eventuell kommt da ja was, womit man arbeiten kann, oder sogar eine Rücknahme.

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