Erbschein erforderlich? Gem. Testament: Schlusserbe weggefallen

  • Habe folgenden Fall:

    Die verstorbene A ist im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen. 1970 haben die Eheleute A und B (bereits vorverstorben) ein gemeinschaftliches Testament errichtet und sich gegenseitig als Erben eingesetzt und die gemeinsame Tochter T vertragsmäßig als Schlusserbin eingesetzt. Ausdrückliche Ersatzerben fehlen. T ist dann nach dem Tod des B verstorben. 2010 errichtete A dann ein neues Testament und setzte den Bekannten X als Alleinerben ein.

    Es stellt sich nun die Frage, ob hier ein Erbschein anzufordern wäre. Problematisch ist insbesondere, ob nicht mögliche Ersatzerben (nicht bekannt, ob es welche gibt) mittels Anwendung des § 2069 BGB Erben sein könnten. Es könnte sich auch diesbezüglich um eine wechselbezügliche Einsetzung handeln.

    Habe hierzu eine Entscheidung des BGH (NJW 2002, 1126) gefunden: Fällt der in einem Ehegattentestament eingesetzte Schlusserbe weg, ist § 2270 II BGB auf Ersatzerben nur anwendbar, wenn sich Anhaltspunkte für einen auf deren Einsetzung gerichteten Willen der testierenden Eheleute feststellen lassen, die Ersatzerbeinsetzung also nicht allein auf § 2069 BGB beruht.

    Grundsätzlich wäre somit nach dem BGH wohl davon auszugehen, dass mögliche Ersatzerben nach § 2069 BGB nicht vertragsmäßig eingesetzt wären. Es stellt sich allerdings die Frage, ob hier nicht weitere Ermittlungen zu tätigen wären, zu denen das Grundbuchamt nicht berechtigt und verpflichtet wäre, sodass ein Erbschein zwingend anzufordern wäre.


    Viele Grüße

  • Vertragsmäßig oder wechselbezüglich?
    Bei vertragsgemäßigen Verfügungen wäre es ja ein Erbvertrag.

    Vor dem Eingreifen einer Auslegungsregel (hier: § 2069 BGB) steht immer zunächst die individuelle (auch ergänzende) Testamentsauslegung. Und wenn diese ergibt, dass etwaige Abkömmlinge der Tochter als Ersatzerben zum Zuge kommen, beruht die Ersatzerbenberufung nicht auf § 2069 BGB und damit haben wir auch keine kumulative Anwendung zweiter Auslegungsregeln (2069/2270) im Sinne des BGH.

    Ich würde mir hier erst einmal die Nachlassakte nach der vorverstorbenen Schlusserbin (und natürlich auch nach dem zuletztversterbenden Ehegatten) anfordern und eruieren, ob diese Abkömmlinge hinterlassen hat.

    Grundsätzlich halte ich aus den o.g. Gründen aber einen Erbschein für erforderlich, weil das Grundbuchamt Fragen der individuellen Testamentsauslegung nicht klären kann. Bliebe zu überlegen, ob man zu einem anderen Ergebnis kommt, wenn die Schlusserbin ohne Hinterlassung von Abkömmlingen vorverstorben ist.


  • Ich würde mir hier erst einmal die Nachlassakte nach der vorverstorbenen Schlusserbin (und natürlich auch nach dem zuletztversterbenden Ehegatten) anfordern und eruieren, ob diese Abkömmlinge hinterlassen hat.

    So wäre ich vorgegangen: Wenn sich aus den NA ergibt, dass keine Abkömmlinge vorhanden sind, dann ist das neue notarielle Testament in jedem Fall wirksam, wenn Abkömmlinge vorhanden sind, dann würde ich einen Erbschein verlangen.

  • Wie immer: Zunächst einen herzlichen Dank für deine Antwort! :)

    Tatsächlich habe ich mich verschrieben und meinte "wechselbezüglich" und nicht "vertragsmäßig".


    Aus der Nachlassakte ergeben sich keine weiteren Abkömmlinge der Schlusserbin, was aber auch nichts heißen muss. Das Problem ist hierbei aber auch die Frage, ob das nicht auch schon Ermittlungen sind, die ja eigentlich nicht in meinen Aufgabenbereich als Grundbuchamt fallen. In anderen Fällen würde man hier wohl evtl. eine eidesstattliche Versicherung in Betracht ziehen. Aber dies erscheint mir vorliegend etwas weltfremd, da der zuletzt eingesetzte Erbe unter Umständen gar nicht die Schlusserbin kannte.

    Stimme dir auch voll und ganz zu, dass das Grundbuchamt Fragen der individuellen Testamentsauslegung nicht klären kann. Die Obergerichte scheinen dies leider anders zu sehen, da diese auch die Anwendung von Auslegungsregeln (wie die des § 2069 BGB) von den Grundbuchämtern fordern. Diese Auslegungsregeln können ja immer nur dann Anwendung finden, wenn die Individualauslegung, die auch mit Anhörungen etc. verbunden sein kann, zu keinem zweifelsfreien Ergebnis geführt hat. Wie soll aber das Grundbuchamt eine abschließende Individualauslegung vornehmen, ohne weitere Ermittlungen zum Erblasserwillen vorzunehmen? Irgendwie erscheint mir diese Rechtsprechung das alleinige Ziel zu haben, den Beteiligten ein Erbscheinsverfahren zu ersparen.

  • Aus der Nachlassakte ergeben sich keine weiteren Abkömmlinge der Schlusserbin, was aber auch nichts heißen muss. Das Problem ist hierbei aber auch die Frage, ob das nicht auch schon Ermittlungen sind, die ja eigentlich nicht in meinen Aufgabenbereich als Grundbuchamt fallen.

    Ein Blick in die Akte des Nachlassgerichts zu werfen, ist für mich noch keine wirkliche Ermittlung. Ich guck ja nur. :unschuldi
    Nein Spaß beiseite, ich denke sogar, dass du in gewisser Weise verpflichtet bist reinzuschauen, weil du sonst ja gar nicht prüfen kannst, ob das weitere Testament zum Zuge kommt.

    :cup: Man sollte - wenigstens versuchen - stets bemüht zu sein. :schreiben

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