Auflösung der Wohnung gegen den Willen des Betroffenen?

  • Hallo,
    Berufsbetreuerin beantragt die Wohnungskündigung für den Betroffenen betreuungsgerichtlich zu genehmigen. Dieser weigert sich strikt dieses selbst zu tun. Es besteht kein EV und er ist noch nicht geschäftsunfähig. Mir wurde ein Attest vom Arzt vorgelegt, dass eine Heimeinweisung unumgänglich ist. Wie ist zu verfahren? Meine Anhörung kam zum selben Ergebnis. Er versteht sehr wohl was passieren soll. Kann man das unter den Hinweis auf das ärztliche Zeugnis genehmigen oder würdet ihr unter Hinweis auf die sehr hoch gehängten Wünsche und den Willen des Betroffenen zurückweisen??

  • Heimaufenthalt und Halten bzw. Kündigen der Wohnung sind zwei verschiedene Sachen. Wenn er sich neben dem Heim die Butze noch leisten kann, mag er sie behalten, wenn er das will.

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • Danke für die Antwort! Er kann sich die Wohnung neben dem teuren Heimplatz sicherlich nicht leisten. Ich habe aber auch nicht den Eindruck, dass die Berufsbetreuerin es sich nun einfach machen will und ihn ins Heim abschieben. Er ist halt gestürzt und hat halt schon halb bewusstlos in der Wohnung gelegen. Selbst mit Hilfe der Nachbarn und Pflegediensten ist das nach glaubhaftem Vortrag nicht hinzubekommen. Demgegenüber steht aber der feste Wille des Betroffenen die Wohnung zu behalten. Er ist 76 Jahr alt.

  • Maßgeblich sein muss immer das Wohl des Betreuten. Dieses muss m.E. nicht unbedingt identisch sein mit seinem Willen! Ich verstehe den Sachverhalt dahingehend, dass der Betreute auch nach deiner Überzeugung nicht mehr in der Lage ist, allein in seiner Wohnung zu leben und zwar auch bei Nutzung von Hilfen (Pflegedienst, Essen auf Rädern pp.) nicht. Wenn das der Fall ist, gibt es m.E. keine Alternative zum Heim und die Wohnungskündigung ist notwendig und zu genehmigen!

  • Das sehe ich ebenso. Zudem gibt es noch das Rechtsmittel, dann wäre die Sache geklärt. Deinen Beschluß mußt Du natürlich sorgfältiger als in manchem anderen Verfahren begründen. Zwei Standardfloskeln aus fS reichen da sicher nicht.

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • Den wir hinter uns haben und der uns im konkreten Fall kein Stück weiter brachte...

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview


        1. Ich würde erst mal neurologisches Sachverständigen-Gutachten in Auftrag geben, welches zu folgenden Fragen Auskunft geben soll:

          Ist aus medizinischer Sicht unter Berücksichtigung des Krankheitsbildes und des Verlaufs der Krankheit des Betr. ein Verbleib in der eigenen Häuslichkeit möglich? Kann die Versorgung d. Betr. in der eigenen Häuslichkeit auch durch anderweitige Hilfen (Pflegedienst) abgesichert werden oder ist aufgrund des Krankheitsbildes für die Zukunft zwingend die Versorgung in einer Pflegeeinrichtung erforderlich? Welche Auswirkungen hat die Kündigung des eigenen Wohnraums auf den Betr.?


  • Maßgeblich sein muss immer das Wohl des Betreuten. Dieses muss m.E. nicht unbedingt identisch sein mit seinem Willen! Ich verstehe den Sachverhalt dahingehend, dass der Betreute auch nach deiner Überzeugung nicht mehr in der Lage ist, allein in seiner Wohnung zu leben und zwar auch bei Nutzung von Hilfen (Pflegedienst, Essen auf Rädern pp.) nicht. Wenn das der Fall ist, gibt es m.E. keine Alternative zum Heim und die Wohnungskündigung ist notwendig und zu genehmigen!


    Das ist allerdings nur die halbe Miete. Zwangsweise wird man den Betroffenen ohne Unterbringungsbeschluss nicht in ein Heim verbringen können.

    Letztlich könnte das durchaus dazu führen, dass der Heimplatz (derzeit) umsonst gezahlt wird und der Vermieter eine Räumungsklage und Zwangsräumung anstrengen muss.

  • Wenn der Mensch die Wohnung nicht Richtung Heim verlassen hat bzw. wird, brauchen wir über die Wohnungskündigung doch nicht wirklich zu reden, oder?

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • Irgendwie habe ich nicht ganz verstanden ob der zu Betreuende bereits in einem Heim ist oder dort hin soll.

    In der Beschreibung des Falles steht, dass er gestürzt sei. Befindet er sich noch im KH, in einer Kurzzeitpflege oder noch in der Wohnung?

    Eine Unterbringung nach 1906 BGB sehe ich als schwierig an, da im Abs. 1 keine körperliche Behinderung / Erkrankung aufgeführt ist und in Abs. 2 von einer Heilbehandlung die Rede ist und nicht von einer Beherbergung / Wohnform.

    Evtl. ließe sich etwas über ein PsychKg machen (Eigengefährdung). Da bin ich aber ehrlich gesagt nicht firm genug da es dort, soweit ich weiss, diverse Vorschriften in den Bundesländern gibt.

    Wenn der zu Betreuende nicht ins Heim will und noch einen freuen Willen hat, dann müssen der Betreuer und alle anderen eben damit leben und ihn in der Wohnung sterben lassen. Der Betreuer hat dafür Sorge zu tragen, dass das Maximum an häuslichen Hilfen beantragt wird und fertig. Wenn der zu Betreuende diese nicht annehmen will, kann man das auch nicht ändern. Sollte dann eine Situation, die dem §1906 Abs. 2 betrifft eintreten, kann ja ein entsprechender Antrag gestellt werden. Bei täglichen Besuchen des Pflegedienstes müssten diese sowas ja erkennen.

    Einen Krebskranken kann man ja auch nicht zur OP zwingen.

  • Ich habe gestern auch eine Anhörung im Pflegeheim gemacht. Die Betreute ist dort seit September 2018, weigert sich aber strikt, die Wohnung aufzugeben. Sie hat ein sehr hohes Aggressionspotential und wenn der Betreuer nicht dabei gewesen wäre, hätte ich es mit der Angst zu tun bekommen.
    Sie kann sich zu haus nicht selbst versorgen, nimmt auch -ihre zwingend notwendigen Medikamente/Psychopharmaka nicht ein, wenn sie allein ist.
    Sie kann sich aber auch nicht Miete und Heim leisten. Sie schrie mich gestern an wie eine Furie und das Heimpersonal berichtete auch von der hohen Aggressivität. Sie knallte dann auch mit voller Wucht die Türen (das macht sie wohl auch oft nachts, wenn sie nicht pausenlos rauchen darf.
    Sie schrie ganz oft, dass sie sich umbringt, wenn sie im Heim bleiben muss.
    Sie erfasst die Realität überhaupt nicht. Würdet Ihr zusätzlich noch einen Verfahrenspfleger bestellen?

    Esra 7, Vers 25
    Du aber, Esra, setze nach der Weisheit deines Gottes, die in deiner Hand ist, Richter und Rechtspfleger ein, die allem Volk jenseits des Euphrat Recht sprechen, nämlich allen, die das Gesetz deines Gottes kennen; und wer es nicht kennt, den sollt ihr es lehren.

  • Zur Wahrnehmung der Interessen der Betroffenen ist es hier erforderlich, ihr einen Pfleger für das Verfahren zu bestellen (§ 276 FamFG), weil die Betroffene nach dem Grad ihrer offensichtlichen Behinderung und der Bedeutung bzw. Schwierigkeit des Verfahrensgegenstandes ihre Rechte nicht ausreichend wahrnehmen kann.

  • Echt? Also ich halte die Antwort (auf die Frage der Aufgabe der Wohnung trotz Kosten) Nein! für durchaus möglich, im Rahmen der freien Willensbildung.
    Wenn Sie sonst klar scheint und auch eher aus psychologischer Sicht die Betreuung braucht, wüsste ich nicht, was zwingend für einen Verfahrenspfleger spricht. Oder gibt es da mittlerweile Rechtsprechung für?

    Ansonsten kann das Gericht auch ohne die Meinung des Verfahrenspflegers die Kündigung aus den genannten Gründen genehmigen. Geht der Fall halt ins Rechtsmittel (und ja, hatte ich in einer ähnlichen Konstellation, dass das LG entscheiden durfte).

    Im Vorfeld sollten dann aber auch die Fragen erörtert werden, warum eine intensive Betreuung/Pflege daheim ausscheidet.

    "Ändere die Welt, sie braucht es." Brecht

    K. Schiller: "Genossen, lasst die Tassen im Schrank"


    "Zu sagen, man müsste was sagen, ist gut. Abwägen ist gut, es wagen ist besser." Lothar Zenetti

  • Dankeschön für Eure Antworten.

    Esra 7, Vers 25
    Du aber, Esra, setze nach der Weisheit deines Gottes, die in deiner Hand ist, Richter und Rechtspfleger ein, die allem Volk jenseits des Euphrat Recht sprechen, nämlich allen, die das Gesetz deines Gottes kennen; und wer es nicht kennt, den sollt ihr es lehren.

  • Ich halte hier die Bestellung eines Verfahrenspflegers für zwingend erforderlich. Nach der SV-Schilderung bestehen für mich erhebliche Zweifel, dass die Betroffene dazu in der Lage ist, Ihre Rechte ausreichend wahrzunehmen (z. B. ein Rechtsmittel einzulegen). Nur weil man den Willen der Betroffenen in einer Anhörung in Erfahrung bringen konnte, heißt das nicht, dass kein Verfahrenspfleger bestellt werden muss.

  • Ich bin auch zu dem Ergebnis gekommen, dass ich einen Verfahrenspfleger bestelle.

    Esra 7, Vers 25
    Du aber, Esra, setze nach der Weisheit deines Gottes, die in deiner Hand ist, Richter und Rechtspfleger ein, die allem Volk jenseits des Euphrat Recht sprechen, nämlich allen, die das Gesetz deines Gottes kennen; und wer es nicht kennt, den sollt ihr es lehren.

  • Echt? Also ich halte die Antwort (auf die Frage der Aufgabe der Wohnung trotz Kosten) Nein! für durchaus möglich, im Rahmen der freien Willensbildung.
    Wenn Sie sonst klar scheint und auch eher aus psychologischer Sicht die Betreuung braucht, wüsste ich nicht, was zwingend für einen Verfahrenspfleger spricht. Oder gibt es da mittlerweile Rechtsprechung für?

    Ansonsten kann das Gericht auch ohne die Meinung des Verfahrenspflegers die Kündigung aus den genannten Gründen genehmigen. Geht der Fall halt ins Rechtsmittel (und ja, hatte ich in einer ähnlichen Konstellation, dass das LG entscheiden durfte).

    Im Vorfeld sollten dann aber auch die Fragen erörtert werden, warum eine intensive Betreuung/Pflege daheim ausscheidet.

    Sie ist nicht in der Lage allein zu leben aufgrund ihres Krankheitsbildes. Es wurde versucht, nachdem der Lebensgefährte ins Heim musste.

    Esra 7, Vers 25
    Du aber, Esra, setze nach der Weisheit deines Gottes, die in deiner Hand ist, Richter und Rechtspfleger ein, die allem Volk jenseits des Euphrat Recht sprechen, nämlich allen, die das Gesetz deines Gottes kennen; und wer es nicht kennt, den sollt ihr es lehren.

  • Ich würde hier ein Sachverständigengutachten erstellen lassen, ob der Betreute überhaupt noch in der Lage ist, sich selbst zu versorgen und ob sein Wille, die Wohnung nicht zu kündigen überhaupt noch rechtlich beachtlich ist. Sollte dies nicht mehr der Fall sein, ist die Wohnung zu kündigen und für das betreuungsgerichtliche Genehmigungsverfahren ein Verfahrenspfleger zu bestellen.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!