Todeserklärung - Kriegsverschollenheit ?

  • Guten Morgen,
    kaum mache ich die UR Sachen, habe ich die erste Todeserklärungssache auf dem Tisch und keinen den ich fragen kann.
    Die verschollene Person (Jahrgang 1929) ist in Nordbuden/Ischdaggen (Ostpreußen) geboren .
    Der Antragsteller (der in meinem Gerichtsbezirk wohnt) trägt vor, dass er einen Erbschein nach der Schwester des Verschollenen beantragt habe. (Verstorben 2014)
    Ein letzter Aufenthaltsort ist nicht bekannt, er soll mit 14 Jahren zu Kriegsdiensten herangezogen worden sein und nach Aussage seiner bereits verstorbenen Schwester an einer Darmverschlingung verstorben sein. Beigefügt ist ein Foto eines Grabsteins , auf dem der Verschollene mit Sterbedatum 23.08.1944 verzeichnet ist. (neben den verstorbenen Eltern )
    Weitere Angaben habe ich nicht. Mir stellt sich direkt die Frage, ob es eine Kriegsverschollenheit ist. Reicht es aus, wenn der Antragsteller vorträgt, dass er zu Kriegsdiensten herangezogen worden sein soll ? Dagegen spricht aber doch das genaue Sterbedatum auf dem Grabstein.
    Er hat die "Deutsche Dienststelle für die Benachrichtigung von Gefallenen" angeschrieben, da liegen keine Informationen über den Verschollenen vor. Das Standesamt in Berlin hat ebenfalls keine Vorgänge. Beigefügt ist noch eine EMail des Standesamts Oschersleben (Bode) mit dem Bemerken, dass dort kein Hinweis auf den Tod des Verschollenen vorhanden ist.
    Vielen Dank im Voraus für Eure Hilfe.

  • Zunächst: Sind Sterbedatum und Name bekannt, dürfte man doch sicher an eine Sterbeurkunde kommen. Vielleicht kommt noch ein anderes Standesamt in Betracht.

    Verschollen ist man doch, wenn gar nichts bekannt ist - § 1 VerschG. Aber wenn man schon ein Bild eines Grabsteins hat? :gruebel:

  • Der 14-Jährige war mit Sicherheit bei der HJ und hat dort vormilitärische Übungen gemacht, aber zum Kriegsdienst herangezogen hat man ihn eher nicht.

    Im August 1944 war die Front noch weit von Ostpreußen entfernt. Offensichtlich war zum Sterbezeitpunkt das Leben dort noch so normal, dass man sogar noch Grabsteine auf die Friedhöfe gesetzt hat.

    Es gab in Ostpreußen mehrere Orte namens Ischdaggen, die aber alle im russischen Teil (Oblast Kaliningrad) liegen. Speziell dort ist die Annahme

    "Sind Sterbedatum und Name bekannt, dürfte man doch sicher an eine Sterbeurkunde kommen"

    völlig daneben.

    Ich würde eher in Betracht ziehen, das Foto des Grabsteins als "anderes Beweismittel" nach § 352 FamFG anzuerkennen.

  • Ich halte den Sachverhalt für durchaus glaubwürdig.

    Im Sommer 1944 war die Front keineswegs mehr weit von Ostpreußen entfernt. Vielmehr kam es zu diesem Zeitpunkt schon zum Verlust des Memellandes, d.h. des nordöstlichen Teils Ostpreußen. Wenn der Verstorbene im heutigen "Oblast Kaliningrad" (= östliches Ostpreußen) wohnte, ist es nicht allzu abwegig, dass er zu umfangreichen Schanzarbeiten (die durchaus als Kriegsdienst im weiten Sinn gelten können) herangezogen wurde. Der zuständige Gauleiter Koch hatte befohlen, "Panzergräben" anzulegen, um das weitere Vordringen der Roten Armee zu verhindern. Aus diesem Grund grub die halbe ostpreußische Bevölkerung, insbesondere aber die Hitlerjugend, in der ostpreußischen Erde herum.

    Hinsichtlich des Grabsteines bin ich nicht völlig überzeugt. Ich kenne viele (Familien-)Gräber, bei denen im Krieg gefallene / verschollene Familienmitglieder, welche weit weg ihr Gab gefunden haben, verzeichnet sind. Damit die Familie einen Erinnerungsort hatte.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Dass die HJ in Ostpreußen zu Schanzarbeiten (Panzergräben) - und damit letztlich zum Kriegsdienst - herangezogen wurde, das stimmt wohl.

    Die Hitlerjungen waren aber keine Wehrmachtsangehörigen, über die bei der Deutschen Dienststelle (Wast) etwas zu erfahren wäre.

    Bezüglich des Grabsteins wäre natürlich zu fragen, wo der steht und wann der Tote darauf eingeschrieben wurde. Ich war voreilig davon ausgegangen, dass das Foto noch aus Ostpreußen ist. Ist wohl eher der Grabstein der nach dem Krieg in Oschersleben verstorbenen Eltern. Aber auch dann kann die Inschrift auf dem Grabstein als anderes Beweismittel dafür herhalten, dass damals jemand aus der Familie das genaue Sterbedatum kannte und der Junge wirklich ohne Abkömmlinge verstorben ist.

  • Guten Morgen,
    ist finde die Idee mit § 352 FamFG und den Grabstein zusammen mit dem Sachvortrag des Antragstellers als anderes Beweismittel zuzulassen hilfreich. Dann könnte man das langwierige Todeserklärungsverfahren umgehen.
    Wenn das Nachlassgericht sich nicht darauf einlässt werde ich das Verfahren mit den Sondervorschriften aus Anlass des Krieges 1939 bis 1945 durchführen.
    Vielen Dank für Eure Hilfe

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!