Löschung Testamentsvollstreckervermerk

  • Liebe Kolleginnen und Kollegen,

    ich habe folgenden Sachverhalt:
    am 01.04.2016 wurde ein notarieller Kaufvertrag geschlossen.Die Veräußerin wurde aufgrund notarieller transmortaler Vollmacht vertreten.
    Am 07.04.2017 ist die Eigentümerin/Veräußerin verstorben.
    Zwischenzeitlich sind die Erben als Eigentümer in Abt. I am 01.06.2017 eingetragen. In Abt. II Nr. 1 ist eine Auflassungsvormerkung für die Käufer bereits am 03.05.2016 eingetragen worden. In Abt. II Nr. wurdegleichzeitig mit der Eintragung der Erben am 01.06.2017 ein Testamentsvollstreckervermerk eingetragen.
    Nun liegt mir der Antrag auf Eigentumsumschreibung auf die Käufer sowie Löschung des TV-Vermerks vor.
    Der Notar trägt vor, dass es der Löschungsbewilligung des TV nicht bedarf, da aufgrund transmortaler Vollmacht von der Bevollmächtigten der Erblasserin der Grundbesitz veräußert wurde und diese Vollmacht selbständig neben der TV bestehe, weshalb die Handlungen der Bevollmächtigten für und gegen die Erben wirken. Die Bevollmächtigte konnte somit ohne Mitwirkung des TV wirksam über den Grundbesitz verfügen. Mit dem Vollzug der Veräußerung gehört der Grundbesitz nicht mehr zum Nachlass und damit auch nicht mehr der Verfügungsbefugnis des TV, so dass der TV-Vermerk nach § 22 GBO zu löschen sei.

    Eigentlich denke ich, dass der Notar mit seinen Ausführungen Recht hat, aber ich würde trotzdem gerne hierzu noch Eure Einschätzung hören(Löschung gem. § 22 GBO oder Vorlage einer Freigabeerklärung / Löschungsbewilligung des TV).

  • Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses lebte die Eigentümerin noch. Wenn die von ihr erteilte Vollmacht alle abgegebenen Erklärungen deckt, war sie mithin ordnungsgemäß vertreten. Ich vermute, dass auch die Auflassung (und Eintragungsbewilligung) bereits erklärt wurde. Auf die Folgen für diesen Fall habe ich hier hingewiesen:
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…l=1#post1084604

    Das DNotI führt im Gutachten vom 31.12.1996, geändert am 15.01.2008, Nr. 1120 aus (Hervorhebung durch mich):

    „Die durch eine Auflassungserklärung des Rechtsvorgängers geschaffene Rechtslage bleibt deshalb zu Lasten des Gesamtrechtsnachfolgers unverändert bestehen. Eine wirksam erklärte Eintragungsbewilligung bleibt über den Tod des Verfügenden hinaus auch formell grundbuchrechtlich gültig. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Eintragungsantrag erst nach dem Tod des Verfügenden gestellt wird. Die Eintragungsbewilligung eines Erblassers zur Umschreibung auf den Erwerber eines Grundstücks genügt auch dann, wenn inzwischen der Erbe als Berechtigter im Grundbuch eingetragen worden ist (BGH, Beschl. v. 25.10.1967, BGHZ 48, 351; BayObLG, Beschl. v. 24.05.1973, BayObLGZ 1973, 139 = DNotZ 1973, 609; BayObLG, Beschl. v. 30.10.1990, BayObLGZ 1990, 306, 312; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 19.07.1974, MittBayNot 1975, 177, 178; Demharter, GBO, 21. Aufl. 1995, § 20 GBO Rn. 44; KEHE/Ertl, Grundbuchrecht, 4. Aufl. 1991, § 20 GBO Rn. 49). c) Einer Zustimmung oder sonst irgendwie gearteten Mitwirkung der Erben bedarf es damit gar nicht…“

    Auf die Verfügungsbeschränkung durch die Anordnung der TV kommt es daher nicht an. Der TV-vermerk ist vielmehr im Zuge der Eigentumsumschreibung zu löschen.

    Ansonsten siehe zum Verhältnis transmortale Vollmacht und TV die Ausführungen von Weidlich in der Abhandlung „Das Verhältnis von Testamentsvollstreckung und Vollmacht über den Tod hinaus und seine Behandlung im Grundbuchverfahren“ MittBayNot 3/2013, 196 ff
    http://www.notare.bayern.de/fileadmin/file…yNot_2013_3.pdf

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Wenn von der Vollmacht erst nach dem Ableben des Vollmachtgebers Gebrauch gemacht worden wäre, ist das Ergebnis nach meiner Ansicht ein anderes. Insbesondere halte ich die Ansicht Weidlichs dogmatisch nicht für überzeugend, sondern ich halte es mit Reimann (zitiert bei Weidlich), der zutreffend darauf hinweist, dass der Bevollmächtigte nicht mehr den Erblasser, sondern die Erben vertritt und dass der Bevollmächtigte daher genauso der sich durch die Testamentsvollstreckung ergebenden Verfügungsbeschränkung unterliegt wie der Erbe selbst.

  • ...sondern ich halte es mit Reimann (zitiert bei Weidlich), der zutreffend darauf hinweist, dass der Bevollmächtigte nicht mehr den Erblasser, sondern die Erben vertritt und dass der Bevollmächtigte daher genauso der sich durch die Testamentsvollstreckung ergebenden Verfügungsbeschränkung unterliegt wie der Erbe selbst.

    Reimann verweist aber in seiner Anmerkung zum Beschluss des OLG München. v. 31.8.2016, 34 Wx 273/16, in der ZEV 2016, 659/661 auf dessen Beschluss vom 26.07.2012, 34 Wx 248/12, und die Abhandlungen von Amann, MittBayNot 2013, 367 [370] und Weidlich MittBayNot 2013, 196 [199]; ders. ZEV 2016, 57 [63]).
    Amann führt
    http://www.notare.bayern.de/fileadmin/file…yNot_2013_5.pdf
    unter I 2 aus (Hervorhebung durch mich):
    „Entbehrlichkeit der Mitwirkung eines Testamentsvollstreckers
    Hat der Erblasser Testamentsvollstreckung angeordnet, so wirken die Handlungen des Bevollmächtigten gegenüber Geschäftspartnern und gegenüber dem Grundbuchamt ohne Zustimmung des Testamentsvollstreckers für und gegen die Erben,7 soweit sich nicht unmittelbar aus der Vollmacht etwas anderes ergibt. Die Vollmacht besteht selbständig neben der Testamentsvollstreckung. Sie verleiht dem Bevollmächtigten eigenständige, vom Erblasser und nicht vom Testamentsvollstrecker abgeleitete Befugnisse.8 Im Außenverhältnis gilt dies unabhängig davon, ob der Bevollmächtigte vom Bestehen der Testamentsvollstreckung Kenntnis hat oder nicht.:
    7 Entsprechendes gilt für Nachlassverwalter und Nachlasspfleger.
    8 Ganz h. M., vgl. BGH, WM 1962, 840; OLG München, a. a. O. (Fn. 2) m. w. N.; einschränkend nur Staudinger/Reimann, Vorbem. zu §§ 2197-2228 Rdnr. 68.“

    und unter I 3 führt Amann aus:
    „Diese Wirkung der Vollmacht im Außenverhältnis erstreckt sich zum einen auf die Bindung der Erben (vorstehend 1.), zum anderen auf die Entbehrlichkeit einer Mitwirkung des Testamentsvollstreckers12 (vorstehend 2.).“
    12 Vgl. Weidlich, MittBayNot 2013, 196, 197“

    Auch das OLG München geht im Beschluss vom 26.07.2012 lediglich davon aus, dass es Fälle geben mag, (Zitat) „in denen die Wirkung durch die Rechte des Testamentsvollstreckers eingeschränkt wird, sobald dieser das Amt angenommen hat (vgl. Staudinger/Reimann, Neubearb. 2012, § 2197 Rdnr. 68). Das Verhältnis ist jedoch anders zu beurteilen, wenn anzunehmen ist, dass nach dem Willen des Erblassers die Rechte des Testamentsvollstreckers durch die des Bevollmächtigten eingeschränkt sein sollen…“

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  • Ist mir alles bekannt, überzeugt mich aber in keiner Weise und gehört nach meiner Ansicht zu den herrschenden Meinungen, die dadurch entstehen, dass einer vom anderen abschreibt und sich auf diese Weise eine endlose Zitatenkette ergibt.

    Was soll das Ganze damit zu tun haben, dass der Bevollmächtigte seine Vertretungsmacht vom Erblasser ableitet und nicht vom Testamentsvollstrecker? Auch der Testamentsvollstrecker leitet seine Verfügungsmacht vom Erblasser ab. Also stellt sich die Frage, in welcher Eigenschaft der Vertreter handelt und wie die Kollision mit der Verfügungsmacht des Testamentsvollstreckers zu lösen ist.

    Klar ist, dass der Bevollmächtigte nicht mehr den Erblasser (das ist ja aus naheliegenden Gründen schlecht möglich), sondern nunmehr dessen Erben vertritt. Damit ist aber klar, dass dem Bevollmächtigten der Erben nicht mehr Rechte zukommen können als den Erben selbst. Letzteren ist aber die Verfügungsbefugnis entzogen (§ 2211 Abs. 1 BGB) und deshalb kann ein vom Erblasser Bevollmächtiger (der Erben!) genauso wenig wirksam handeln, wie dies ein unmittelbar von den Erben Bevollmächtigter tun könnte.

    Die Regel ist demnach das Nicht-Handeln-Können und nicht das Handeln-Können des Bevollmächtigten. Damit muss die Ausnahme (das Handeln-Können) aus der Vollmacht des Erblassers hervorgehen und nicht die Regel (das Nicht-Handeln-Können). Zudem könnte insoweit auch die zeitliche Reihenfolge im Verhältnis Testament/Vollmacht eine Rolle spielen.

    Aber: Es wurde noch nirgends erörtert, ob der Erblasser ein Handeln des Bevollmächtigten ohne erforderliche Mitwirkung des Testamentsvollstreckers überhaupt anordnen könnte oder ob eine solche Anordnung nicht gegen zwingendes Recht, nämlich § 2211 Abs. 1 BGB, verstößt.

    Es wird Zeit, die Dinge neu zu durchdenken. Dabei tut man sich aber offenbar genauso schwer wie bei der post- und transmortalen Vollmacht und ebenfalls genauso schwer wie bei der Frage, ob das nicht von einer Testamentsvollstreckung beeinträchtigte Handeln des Bevollmächtigten den gesetzlichen Genehmigungstatbeständen unterliegt, falls der Erbe (oder einer von ihnen) minderjährige ist oder für ihn eine Betreuung angeordnet wurde. Ein Bevollmächtigter soll ohne gerichtliche Genehmigung wirksam handeln können, obwohl dies weder der Minderjährige/Betreute selbst noch dessen jeweiliger gesetzlicher Vertreter könnte?

  • Nun, die Thematik „trans- oder postmortale Vollmacht und Fortbestehen auch bei Mit- oder Alleinerbschaft des Bevollmächtigten“ wurde hier
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…ll=1#post956301
    bzw nachfolgend wie auch hier
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…ll=1#post956442
    und an anderen Stellen bereits ausgiebig abgehandelt.

    Wenn ich mir die hier
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…l=1#post1080704
    genannten Beiträge anschaue, dann kann ich auch nicht erkennen, dass die diversen Autoren voneinander abgeschrieben hätten.

    Es sind auch nicht lediglich Literaturstimmen, die davon ausgehen, dass der Bevollmächtigte nicht der Mitwirkung des Testamentsvollstreckers bedarf.

    Reimann verweist im Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2016, § 2197 RN 80 ja selbst auf das Urteil des BGH, 2. Zivilsenat, vom 18.06.1962, II ZR 99/61, das seiner Ansicht „da der Bevollmächtigte nunmehr als Bevollmächtigter der Erben anzusehen ist, kann er nur im Rahmen der Rechtsmacht der Erben handeln; diese ist aber durch die Rechte des Testamentsvollstreckers beschränkt“ widerspricht.

    Dazu führt der BGH aus: ..„Der Generalbevollmächtigte unterliegt nicht den Beschränkungen, die für den Testamentsvollstrecker gelten. Seine Stellung ist auch durch die Anordnung der Testamentsvollstreckerschaft nicht beeinträchtigt; er kann, solange die Vollmacht nicht widerrufen ist, Verfügungen über Nachlassgegenstände vornehmen (KGJ 37, A 231; Kipp-Coing, Erbrecht, 11. Bearb., S. 305 Anm. 1) und Verpflichtungen mit Wirkung gegen den Nachlass eingehen. …“

    In die gleiche Richtung geht das Urteil des BGH vom 18.04.1969, V ZR 179/65, wonach der transmortal Bevollmächtigte grundsätzlich zu Rechtsgeschäften, die er nach dem Erbfall vornimmt, solange keiner Zustimmung des Erben benötigt, als dieser nicht Vollmacht oder Auftrag widerruft und er sich auch nicht jeweils erst zu vergewissern braucht, ob der Erbe mit dem beabsichtigten Geschäft einverstanden ist.

    Das Urteil des BGH, vom 25. Oktober 1994, XI ZR 239/93, führt in Rz. 23 aus: „Dass das auf den Erben übergegangene Widerrufsrecht häufig keinen Schutz gewährt, weil sein Widerruf zu spät erklärt wird, ist im Hinblick auf den Zweck der postmortalen Vollmacht hinzunehmen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 12. April 1978 - IV ZR 68/77 - NJW 1978, 2027): Sie soll es dem Bevollmächtigten gerade ermöglichen, unabhängig vom Willen der Erben und auch vor ihrer Ermittlung tätig werden zu können (BGH, Urteil vom 18. April 1969 - V ZR 179/65 - NJW 1969, 1245, 1247). Der Bevollmächtigte handelt nämlich, obgleich er nun die Erben vertritt, aufgrund einer Vollmacht des Erblassers. Dieser hat Zeitdauer und Umfang der Vollmacht bestimmt. Er will mit einer bewusst auf den Todesfall erteilten Vollmacht gerade für die Zeit nach seinem Tod die Verfügungsmacht des Bevollmächtigten außer Frage stellen. Sein Wille bleibt bis zum Widerruf durch den Erben maßgeblich, so dass es auf die Zustimmung des Erben zu dem Handeln des Bevollmächtigten nicht ankommt…“

    In die gleiche Richtung gehen die Beschlüsse des OLG München vom 15. November 2011, 34 Wx 388/11:
    „Mit der überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur ist davon auszugehen, dass die transmortale, also schon vor dem Ableben und über den Tod hinaus geltende Generalvollmacht (§ 167 BGB) selbstständig neben der Testamentsvollstreckung stehen und dem Vollmachtnehmer eigenständige, vom Erblasser und nicht vom Testamentsvollstrecker abgeleitete Befugnisse verleihen kann (OLG Köln NJW-RR 1992, 1357; RGZ 88, 345; KGJ 37, A 231/237; KG JFG 12, 274/276; Heckschen in Burandt/Rojahn Erbrecht vor § 2197-2128 Rn. 16; Palandt/Weidlich Einf v § 2197 Rn. 12; Soergel/Damrau BGB 13. Aufl. § 2205 Rn. 62“

    und des SchlHolst OLG vom 15.07.2014, 2 W 48/14:
    „Im Grundbuchverfahren muss in dieser Konstellation grds. kein Erbnachweis in der Form des § 35 GBO geführt werden, weil der bzw. die Erben durch eine trans- oder postmortale Vollmacht des Erblassers gebunden sind, solange die Vollmacht nicht widerrufen wird (OLG Hamm v. 10.1.2013 – 15 W 79/12, ZEV 2013, 341; OLG Frankfurt, DNotZ 2012, 140; OLG München v. 15.11.2011 – 34 Wx 388/11, ZEV 2012, 376 – zur Auslegung bei gleichzeitiger Testamentsvollstreckung; Demharter, GBO, 29. Aufl., § 19 Rn. 81.1)“.

    Jedenfalls bestehen nach hM in der Rechtsprechung (s. Steiner in: Groll, Praxis-Handbuch Erbrechtsberatung, IX. Die Testamentsvollstreckung, RN 23 unter Zitat RG v. 28.6.1916 - V B 1/16, RGZ 88, 345; BGH v. 18.6.1962 - II ZR 99/61, WM 1962, 840; OLG München v. 15.11.2011 - 34 Wx 388/11, FamRZ 2012, 1004 = ZEV 2012, 376; OLG Hamburg v. 27.5.1966 - Z W 14/66, DNotZ 1967, 319) Testamentsvollstreckung und Vollmacht unabhängig voneinander, ohne Rücksicht auf die Reihenfolge von Anordnung der Testamentsvollstreckung und Vollmachtserteilung.

    Und diese hM resultiert eben nicht daraus, dass (Zitat) „die dadurch entstehen, dass einer vom anderen abschreibt und sich auf diese Weise eine endlose Zitatenkette ergibt“.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

    Einmal editiert, zuletzt von Prinz (16. September 2017 um 19:55) aus folgendem Grund: 2. Link korrigiert

  • Dann zitiert eben jeder die gleichen Dinge, dass läuft auf das Dasselbe hinaus.

    Im Grunde ist die Sache ganz einfach:
    Die Erklärung des Bevollmächtigten ist eine Erklärung des Erben. Der Erbe ist nicht verfügungsbefugt. Ende.
    Alles andere liegt neben der Sache.

    Wie sinnfrei das Ganze ist, sieht man, wenn man einen Bogen zu einer anderen mittlerweile hM spannt (wobei allerdings niemand erkennt, dass beides miteinander zu tun hat). Der für den Vorerben ernannte Testamentsvollstrecker soll den gleichen Verfügungsbeschränkungen unterliegen wie der Vorerbe selbst. Unabhängig davon, dass dies nicht zutreffend sein kann, kommt man beim Vergleich beider Fallgestaltungen zu dem Ergebnis, dass ein Bevollmächtigter (für den die Verfügungsbeschränkung der TV nicht gelten soll) mehr Rechtsmacht hat als ein Testamentsvollstrecker (für den die Verfügungsbeschränkungen des Vorerben gelten sollen). Beides kann nicht gleichermaßen zutreffend sein, so dass sich eine der beiden hM schon überlegen müsste, sie aufzugeben.

    Alles nicht miteinander kompatibel und alles nicht durchdacht.

  • Da mag in Literatur und Rechtsprechung eine andere Auffassung vertreten werden, nachvollziehbar und logisch ist wieder einmal nur die von Cromwell gepostete Ansicht. Es ist auch für mich nicht einsichtig, dass der Vertreter Rechte ausuüben kann, deren Ausübung dem Vertretenen nicht möglich ist.
    Es muss auch "Querdenker" und nicht nur "Nachdenker" geben

  • Da mag in Literatur und Rechtsprechung eine andere Auffassung vertreten werden, nachvollziehbar und logisch ist wieder einmal nur die von Cromwell gepostete Ansicht. Es ist auch für mich nicht einsichtig, dass der Vertreter Rechte ausuüben kann, deren Ausübung dem Vertretenen nicht möglich ist.
    Es muss auch "Querdenker" und nicht nur "Nachdenker" geben

    Der Umstand, dass dem Vertreter mehr Rechte als dem Vertretenen zukommen können, beruht darauf, dass der Vertreter seine Rechtsmacht originär vom Erblasser und nicht erst vom Erben ableitet. Und die vom Erblasser erteilte transmortale Vollmacht steht eben nicht einer vom Erben erteilten Vollmacht gleich.

    Jedenfalls halte ich Cromwells Aussage: „Insbesondere halte ich die Ansicht Weidlichs dogmatisch nicht für überzeugend, sondern ich halte…“ ohne einen Hinweis darauf, dass Weidlich die hM wiedergibt, für irreführend. ME ist auch eine „Basta“-Formulierung („Die Erklärung des Bevollmächtigten ist eine Erklärung des Erben. Der Erbe ist nicht verfügungsbefugt. Ende“) genauso fehl am Platze, wie der Umstand, dass andere Meinungen dadurch abqualifiziert werden, dass man die Behauptung aufstellt, es habe einer von dem anderen abgeschrieben.

    Die Frage der Auslegung hat im Übrigen bereits das DNotI im Gutachten vom 30.12.1998, DNotI-Report 1998, 171-173, aufgeworfen.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Der Umstand, dass dem Vertreter mehr Rechte als dem Vertretenen zukommen können, beruht darauf, dass der Vertreter seine Rechtsmacht originär vom Erblasser und nicht erst vom Erben ableitet.

    Ein bisschen wie bei Henne und Ei. :) Der Bevollmächtigte leitet sein Recht vom Erblasser her, der Erbe überhaupt alle Rechte. Trotzdem kann der Bevollmächtigte als Vertreter des Erben handeln, der Erbe selbst dagegen nicht. Selten von der Erwiderung eines Notars so überrascht worden, wie damals, als er mir auf meine Beanstandung hin die Entscheidung des OLG München entgegengehalten hat.

  • Und von wem leitet der Testamentsvollstrecker seine Rechtsmacht ab? Natürlich nicht vom Heiligen Geist, sondern ebenfalls vom Erblasser.

    Die These, dass ein Bevollmächtigter mehr Rechte habe, wenn er zwar für die Erben handelt (für wen sonst, für den Toten kann er ja nicht mehr handeln!), aber er ursprünglich vom Erblasser bevollmächtigt wurde, ist nichts anderes als eine dogmatisch nicht haltbare Erfindung der Rechtsprechung.

    Also schlägt die Testamentsvollstreckung die Vollmacht tot.

    Der Einwand, dass der Erblasser es vielleicht anders wollte, verkennt, dass der Erblasser sich nicht über zwingendes Recht hinwegsetzen kann. Wenn er möchte, dass der von ihm Bevollmächtigte weiterhin handeln kann, muss er den TV verpflichten, die Vollmacht zu bestätigen oder selbst eine entsprechende Vollmacht zu erteilen. Das wäre der rechtlich saubere Weg und der Suche nach Schlupflöchern, nur weil der zutreffende Weg nicht gegangen wurde, ist im Ergebnis nichts anderes als der Versuch einer Aufweichung des Rechtsinstituts der Testamentsvollstreckung und die Rechtfertigung eines herbeigewünschten Ergebnisses mit dogmatischen Beliebigkeiten.

    Aber selbst, wenn es entsprechend der hM möglich wäre: Wer beurteilt denn, was der Erblasser mit der Anordnung der Testamentsvollstreckung bezweckte. Wenn das Testament zeitlich nach der Vollmacht datiert, spricht jedenfalls Einiges dafür, dass der Bevollmächtigte nach dem Erbfall nicht mehr ohne Mitwirkung des TV handeln kann, denn dann ansonsten würde die Anordnung der TV sinnlos.

    Solange herrschende Meinungen kritiklos nachgebetet werden, wird sich nichts zum Besseren wenden. Nur weil man etwas schon immer falsch gemacht hat, muss es deswegen künftig nicht weiterhin falsch gemacht werden.

  • Da hast du sicher recht. Zwischenzeitlich leitet der Bevollmächtigte seine Vertretungsmacht aufgrund der Gesamtrechtsnachfolge eben doch vom Erben und nicht mehr vom Erblasser her -> „Die Vollmacht wirkt wie eine von den Erben erteilte Vertretungsmacht fort“ (MüKo/Leipold BGB § 1922 Rn 67). Womit eigentlich alles gesagt sein sollte -> bei fehlender Verfügungsmacht des Erben kann der Bevollmächtigte nicht handeln, so wie er bei fehlender Verfügungsmacht des Schuldners nicht handeln kann. Auch ohne einen § 117 InsO. Zur anderen Ansicht (in Bezug auf den Erben) noch: MüKo/Schubert BGB § 168 Rn. 40 ff m.w.N. Kann nicht behaupten, dass ich sie verstehe. Hab`s seinerzeit eingetragen, weil ich nicht noch mehr Ärger brauche.

  • .. „Die Vollmacht wirkt wie eine von den Erben erteilte Vertretungsmacht fort“ (MüKo/Leipold BGB § 1922 Rn 67). Womit eigentlich alles gesagt sein sollte...

    Der Umstand, dass die transmortale Vollmacht wie eine von den Erben erteilte Vertretungsmacht fortwirkt, bedeutet nicht, dass sie mit einer erst vom Erben erteilten Vollmacht gleichzusetzen ist. Glenk führt dazu in seiner Abhandlung „Unterschätzt, aber effizient – Trans- und postmortale Vollmachten", NJW 2017, 452 ff. aus: „Der BGH ist der Auffassung entgegengetreten, der Bevollmächtigte habe in der Person des Erben einen „neuen Herrn“ erhalten habe, dessen Willen er respektieren müsse. Der Bevollmächtigte habe sich nämlich nicht zu vergewissern, was der Erbe als neuer Auftraggeber wünsche. Die „Bejahung eines solchen Zustimmungszwangs liefe vor allem dem ersichtlichen Zweck derartiger Vollmachten zuwider, den Auftrag und seine Verwirklichung gerade von dem Willen des späteren Erben unabhängig zu machen. Zeitdauer und Umfang der Vollmacht werden grundsätzlich vom Erblasser bestimmt“ (BGH, NJW 1969, 1245).“

    Der transmortal Bevollmächtigte ist vielmehr auch ohne Zustimmung der Erben zu einer Verfügung über Gegenstände des Nachlasses berechtigt (s. Rz. 55 des Beschlusses des OLG München v. 15.06.2015, 34 Wx 513/13
    http://www.gesetze-bayern.de/Content/Docume…N-12630?hl=true
    unter Zitat: Senat vom 21.7.2014, 34 Wx 259/14 = RNotZ 2015, 20/21; Schöner/Stöber Grundbuchrecht 15. Aufl. Rn. 3571). Daher wird auch ein Erbschein nicht benötigt (OLG München, aaO).

    Eines Erbscheins bedarf er schon deshalb nicht, weil der über den Tod hinaus Bevollmächtigte den oder die Erben, für den oder die er handelt, nicht zu benennen braucht (OLG Hamburg, DNotZ 1967, 31; LG Stuttgart, Beschl. v. 20.07.2007 -1 T 37/2007- BWNot 2007, 119
    http://www.notare-wuerttemberg.de/downloads/bwnotz-5-6-2007.pdf
    OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 9.3.2015, 20 W 49/15,
    http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/lexsoft/defaul…l#docid:7386814
    Amann, MittBayNot 5/2013, 367/371
    http://www.notare.bayern.de/fileadmin/file…yNot_2013_5.pdf
    Wilsch im Beck'schen Online-Kommentar GBO, Hrsg. Hügel, Stand 01.05.2017, § 35 GBO RN 78, 80).

    Das OLG Ffm führt aus: „Auf die Zustimmung des Erben zum Handeln des Bevollmächtigten kommt es danach gerade nicht an, denn abgesehen von Unzuträglichkeiten in solchen Fällen, in denen die Person des Erben noch nicht feststeht bzw. dieser nicht reagiert, liefe die Bejahung eines allgemeinen Zustimmungszwangs dem Zweck von über den Tod des Vollmachtgebers hinaus wirkenden Vollmachten zuwider, den Auftrag und seine Verwirklichung gerade von dem Willen späterer Erben unabhängig zu machen (BGH v. 18.4.1969 – V ZR 179/65, NJW 1969, 1245; v. 25.10.1994 – XI ZR 239/93, ZEV 1995, 187)…“

    Und wenn es auf die Zustimmung des -ohnehin nicht zu benennenden- Erben nicht ankommt, dann kann es auch nicht auf die Zustimmung des TV ankommen (s. BeckOK/Wilsch, aaO. RN 78 mwN). Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn die Auslegung ergibt, dass der transmortal Bevollmächtigte in seiner Verfügungsmacht durch die TV beschränkt sein soll (s. Gutachten des DNotI vom 30.12.1998, DNotI-Report 1998, 171-173 oder OLG München, Beschluss vom 26.07.2012, 34 Wx 248/12 (iu.a.).

    Cromwell will das Regel-Ausnahmeverhältnis umdrehen. Dazu führt Lange im BeckOK BGB, Stand: 15.06.2017, § 2197 RN 40:aus:

    “Vereinzelt wird allerdings ein anderes Regel-Ausnahme-Verhältnis vertreten: Mit Eintritt des Erbfalls sei der Bevollmächtigte nunmehr als Bevollmächtigter der Erben anzusehen und könne daher nur noch im Rahmen der Verfügungsmacht der Erben handeln, die aber durch die Testamentsvollstreckung (§§ 2211, 2212) beschränkt sei. Anderes gelte nur, wenn der Erblasser ausdrücklich die Rechte des Testamentsvollstreckers durch die des Bevollmächtigten einschränken will (§ 2208 Abs. 1 S. 1) (Staudinger/Reimann, 2016, Vor § 2197 Rn. 81, Staudinger/Reimann, 2016, § 2211 Rn. 12). Dem kann jedoch nicht gefolgt werden, denn der Vertreter leitet seine Rechtsmacht gerade originär vom Erblasser und eben nicht erst vom Erben ab (zutr. Amann MittBayNot 2013, 367 mwN; s. auch Lehmann/Hahn ZEV 2013, 579 f.). Wird die Vollmacht im Interesse des Bevollmächtigten erteilt, etwa zur Löschung einer an seinem Grundbesitz für den Erblasser eingetragenen Rückauflassungsvormerkung, so spricht dies für ihren selbstständigen Fortbestand unabhängig von der Testamentsvollstreckung (OLG München FamRZ 2013, 402 Rn. 10). Allerdings können sich Einschränkungen der jeweiligen Handlungsbefugnisse aus dem Innenverhältnis zwischen Bevollmächtigtem und Testamentsvollstrecker ergeben (dazu Amann MittBayNot 2013, 367 [368]; Weidlich MittBayNot 2013, 196 [197 f.])…“

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

    2 Mal editiert, zuletzt von Prinz (21. September 2017 um 11:36) aus folgendem Grund: Schreibversehen korrigiert

  • Damit stellt die hM die Dinge nach dem Gesagten auf den Kopf.

    Man müsste sich ja nicht unbedingt groß darüber ärgern. Aber wenn man Vertretungsmacht und Verfügungsbefugnis nicht auseinander halten kann, wird die Sache schon bedenklich!

  • Damit stellt die hM die Dinge nach dem Gesagten auf den Kopf.

    :dafuer: Darum oben der Exkurs zur Insolvenz. Wegen des § 117 InsO wird dem Bevollmächtigten die Vertretungsmacht genommen. Aber auch ohne den § 117 InsO könnte er nicht wirksam handeln: „Die Vollmacht bewirkt, dass rechtsgeschäftliche Erklärungen, die der Vertreter namens des Vertretenen abgibt, diesem wie eigene Erklärungen zugerechnet werden (§ 164 Abs. 1 Satz 1 BGB). Soweit der Vertretene die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen verloren hat, kann auch die ihm zugerechnete Erklärung seines Vertreters keine wirksame Verpflichtung oder Verfügung begründen.“ (MüKo/Ott/Vuia InsO § 117 Rn. 5) -> Außer der Testamentsvollstrecker genehmigt; §§ 185, 2205 BGB

  • Schön, dass Cromwell jetzt auch der Ansicht ist, dass der transmortal Bevollmächtigte den Erben nicht zu benennen braucht. Schließlich hat er hier
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…ll=1#post838820
    ausgeführt, dass ihn das OLG Frankfurt/Main im Beschluss vom 29.06.2011, 20 W 168/11 zu Unrecht für diese Rechtsauffassung in Anspruch nimmt.

    Was die Sache anbelangt: Auch wenn sich die Ebene vom Vertretungsrecht auf die Verfügungsbefugnis verschiebt, bedeutet das nicht, dass der Bevollmächtigte nur in der Weise verfügen kann, wie es der Erbe kann. Es ist ja gerade Sinn der VM über den Tod hinaus, dass sie dem Bevollmächtigten die Rechtsmacht verschafft, unabhängig von der Verfügungsbefugnis des Erben, Verfügungen zu treffen, weil sich die Rechte des Bevollmächtigten vom Erblasser und nicht vom Erben ableiten

    Das Gutachten des DNotI vom 14.02.2012, geändert am 28.02.2012, Abrufnummer: 112215, führt dazu aus (Hervorhebung durch mich):

    „Das Reichsgericht (RGZ 88, 345, 350; vgl. auch RGZ 106, 185) hat den Standpunkt eingenommen, eine mit Wirkung gegenüber den Erben erteilte Vollmacht ermächtige den Bevollmächtigten, namens der Erben alle Verfügungen vorzunehmen, zu denen der Erblasser selbst in der Lage gewesen wäre, und dass deshalb bei grundbuchmäßigen Verfügungen i. S. v. § 40 Abs. 1 GBO die Vorlage eines Erbscheines entbehrlich sei. Dieser Rechtsprechung ist nach ursprünglich anderer Meinung (KG OLGZ 24, 88) auch das KG ausdrücklich gefolgt (JFG 12, 275, 277): ,,Bei Zugrundelegung dieser Auffassung ermächtigt eine mit Geltung über den Tod des Erblassers hinaus erteilte Vollmacht (...) den Bevollmächtigten mit Wirkung für und gegen die Erben über Nachlassgrundstücke und Grundstücksrechte (...) zu verfügen. Zum Nachweis des alleinigen Verfügungsrechtes des Bevollmächtigten kann also die Vorlage eines Erbscheines oder öffentlichen Testamentes nicht verlangt werden." Dem folgt auch die Literatur (Roth, in: Meikel, GBO, 10. Aufl. 2009, § 35 Rn. 26; Demharter, § 35 Rn. 8; Lukowsky, MittRhNotK 1963, 115, 121; Haegele, Rpfleger 1968, 345, 346)….

    Das OLG München geht daher mE im Beschluss vom 04.08.2016, 34 Wx 110/16
    http://www.gesetze-bayern.de/Content...-14500?hl=true
    zurecht davon aus, dass (Zitat): Die von der Vollmachtsurkunde ausgehende Legitimationswirkung gemäß § 172 BGB verschafft in deren Rahmen die Rechtsmacht, Verfügungen zu treffen, etwa Grundstücksübertragungen vorzunehmen.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

    Einmal editiert, zuletzt von Prinz (22. September 2017 um 11:30) aus folgendem Grund: verschwundenen Satzteil ergänzt

  • Was die Sache anbelangt: Auch wenn sich die Ebene vom Vertretungsrecht auf die Verfügungsbefugnis verschiebt, bedeutet das nicht, dass der Bevollmächtigte nur in der Weise verfügen kann, wie es der Erbe kann.

    Und damit sind wir beim mir unverständlichen Teil -> Entweder liegt die Verfügungsmacht beim Testamentsvollstrecker oder beim Erben. Es kann nicht beides sein. Ist auch andernorts erkannt worden (DNotI a.a.O.):

    "Diese Auffassung tendiert also wie Reimann (a. a. O.) dazu, grundsätzlich eine Einschränkung der Vollmacht durch die wirksam gewordene Testamentsvollstreckung anzunehmen, außer es kann der Vollmacht der Wille des Erblassers entnommen werden, gem. § 2208 Abs. 1 BGB die Verfügungsmacht des Testamentsvollstreckers einzuschränken (MünchKomm-Brandner, a. a. O., § 2211 Rn. 13)."

  • Ich hatte im besagten verlinkten Posting nur gesagt, dass mich das OLG Frankfurt zu Unrecht für seine Rechtsauffassung in Anspruch nimmt. Meine diesbezüglichen Bedenken liegen bekanntlich auf der materiellen Ebene und diese ist ihrer rechtlichen Beurteilung unverändert, mag der Bevollmächtigte die Erben benennen oder auch nicht.

    Im Übrigen hatte ich bereits in notar 2013, 147, 162 dargelegt, dass die Rechtsauffassung des Reichsgerichts überholt ist:

    Da die Vertretung eines Verstorbenen aus naheliegenden Gründen nicht möglich ist,[152] kam auch das Reichsgericht nicht umhin, das Handeln eines post- oder transmortal Bevollmächtigten im Rechtssinne als eine alleine in Betracht kommende Vertretung der Erben des Vollmachtgebers zu qualifizieren.[153] Damit ergab sich bei vorhandenen minderjährigen Erben zwangsläufig die Frage nach dem Eingreifen der familiengerichtlichen (damals noch: vormundschaftsgerichtlichen) Genehmigungstatbestände, so dass es einer Begründung bedurfte, aufgrund welcher diese Genehmigungen für entbehrlich gehalten werden konnten. Diese Begründung fand sich nach Ansicht des Reichsgerichts in der Überlegung, dass das für den minderjährigen Erben des Erblassers erfolgende Handeln des post- oder transmortal Bevollmächtigten in rechtlicher Hinsicht kein anderes sei, als wenn er von vornherein vom gesetzlichen Vertreter des Minderjährigen bevollmächtigt und diese Vollmachtserteilung vom Vormundschaftsgericht genehmigt worden wäre, dass das Handeln des Bevollmächtigten in jenem Fall aber ebenfalls keiner gerichtlichen Genehmigung bedarf, wenn bereits die vom gesetzlichen Vertreter erteilte Vollmacht vormundschaftsgerichtlich genehmigt wurde.[154]

    Auf den vorgenannten und seitdem nicht mehr hinterfragten Ausführungen des Reichsgerichts beruht die absolut herrschende Ansicht bis heute. Das Problem ist nur, dass sich die Rechtsauffassung zur Genehmigungsbedürftigkeit des Handelns des Bevollmächtigten im Fall einer vom gesetzlichen Vertreter mit gerichtlicher Genehmigung erteilten Vollmacht mittlerweile völlig gewandelt hat und dass man daher heute zutreffend und praktisch einhellig davon ausgeht, dass das Vertreterhandeln des Bevollmächtigten auch in diesem Fall der gesonderten gerichtlichen Genehmigung bedarf.[155] Damit ist die aus den Jahren 1916 und 1923 stammende Rechtsprechung des Reichsgerichts aber in ihrem zentralen und entscheidungserheblichen Punkt überholt und die bislang herrschende Ansicht stellt sich demzufolge lediglich als das Ergebnis einer unreflektierten und sich seit Jahrzehnten beständig vermehrenden Zitatenkette dar, deren sachliche und rechtliche Grundlage in Wahrheit schon längst „unbemerkt“ entfallen ist.[156]


    [152] Oertmann, Bankarchiv Bd. 13 (1913/1914), S. 5: Unhaltbare Absonderlichkeit.
    [153] RG, Beschl. v. 28.6.1916 – V.B. 1/16, RGZ 88, 345; RG, Urt. v. 10.1.1923 – V 385/22RGZ 106, 185,
    [154] RG, Beschl. v. 28.6.1916 – V.B. 1/16, RGZ 88, 345, 350; RG, Urt. v. 10.1.1923 – V 385/22RGZ 106, 185, 186. Der vom Reichsgericht erwähnte Sonderfall der nach § 1822 Nr. 12 BGB genehmigten Prokura, der mangels Verweisung in § 1643 Abs. 1 BGB für Eltern ohnehin nicht einschlägig ist, vermag insoweit schon deshalb nicht als Begründung herzuhalten, weil diese Fallgestaltung explizit gesetzlich geregelt ist und sich hieraus im Umkehrschluss ergibt, dass es bei allen anderen vom gesetzlichen Vertreter erteilten Vollmachten bei der Genehmigungsbedürftigkeit der vom Bevollmächtigten vorgenommenen Rechtsgeschäfte verbleibt (statt vieler vgl. BGB-RGRK/Dickescheid, 12. Aufl., § 1822 Rn 53 m. w. N.).
    [155] BayObLG, Beschl. v. 17.5.1976 – 1 Z 37/76, Rpfleger 1976, 304; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 22.12.2004, 3 W 130/04, Rpfleger 2005, 193 = FGPrax 2005, 59 = DNotZ 2005, 634; LG Berlin, Beschl. v. 12.4.1994 – 85 T 78/94, Rpfleger 1994, 355; Palandt/Götz, BGB, 72. Aufl., § 1821 Rn 10; MünchKomm/Wagenitz, BGB, 6. Aufl., § 1821 Rn 12; Klüsener, Rpfleger 1981, 461; Maurer, Rpfleger 1982, 26; Schreiber, NotBZ 2002, 128, 132; Braun, DNotZ 2005, 730; Schöner/Stöber, GBR, 15. Aufl., Rn 3688; Gutachten DNotI-Report 2003, 129 und DNotI-Report 1997, 171; a. A. nur LG Schwerin, Beschl. v. 29.2.1996 – 5 T 350/95, MittBayNot 1997, 297.
    [156] Dies erkennen im Ansatz auch Schöner/Stöber, GBR, 15. Aufl., Rn 3571 Fn 13.

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