Jura Studium nach Vollendung des Rechtspflegerstudiums

  • Hallo liebe Kollegen!
    Ich habe einmal gehört, dass es die Möglichkeit gibt, sich nach der Vollendung des Studiums zum Rechtspfleger zum Volljuristen weiterbilden zu können und dass einem dann sogar einige Semester des Jurastudiums durch die vorangegangene Ausbildung angerechnet würden, sprich man müsste kein komplettes Jurastudium absolvieren.
    Stimmt das? Und wenn ja, kann mir vielleicht einer von euch Genaueres dazu erzählen?
    Weil dann könnte man sich ja rein theoretisch nach Abschluss des Studiums vom Beamtendienst freistellen lassen (oder wie auch immer sich das nennen mag), um dann für einige Jahre weiter zum Volljuristen zu studieren. Dann könnte man ja beispielsweise wenn man das Staatsexamen nicht schafft oder einem die finanziellen Mittel im Studium ausgehen, seine Tätigkeit als Rechtspfleger einfach weiter fortführen, oder?

    Wäre cool, wenn mir einer von euch helfen könnte! :)

  • Da hast Du einiges grundlegend missverstanden.

    Der ganz aktuelle Stand ist mir nicht bekannt, aber meines Wissens ermöglicht eine abgeschlossene Rechtspflegerausbildung nur die Anrechnung weniger Scheine im Jurastudium.

    Du kannst vielleicht irgendwann nach dem Rechtspflegerstudium Teilzeit beantragen, die Dir vielleicht bewilligt wird. Freigestellt wirst Du sicher nicht, es wurden ja erhebliche Ausgaben für Deine Ausbildung zum Rechtspfleger getätigt. Bei einem Jurastudium musst Du spätestens zum Referendariat die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis als Rechtspfleger beantragen.

    Das Jurastudium ist keine Fortbildung, die man einfach so an das Rechtspflegerstudium anhängen kann.

  • Ob freigestellt wird oder nicht, dürfte jedes Bundesland individuell entscheiden. Zum einen auf Grundlage der allgemeinen Personalpolitik, was geht und was nicht sowie der aktuellen Stellen- und Bedarfslage. Und zum anderen eventuell auch, ob du danach wieder in den Staatsdienst willst (Richter, Staatsanwalt) oder nicht. Ich könnte mir vorstellen, dass hier Vereinbarungen getroffen werden könnten. Zur Not musst du "kündigen" und mit möglichen Rückforderungen leben.
    Erkundige dich bei der Uni/Studienberater, was und wie angerechnet wird. Die Frage ist auch, wie sinnvoll das ist. Denn selbst die Grundlagen des BGB werden dir an der Uni anders vermittelt.

    Nutze doch einfach mal einen Urlaub und gehe, idealerweise mit Freunden/Bekannten, mal einen oder ein paar Tage in die Uni und besuche Vorlesungen. Dann wird die Entscheidung einfacher.

    Ich kenne Leute, die haben komplett aufgehört und haben studiert und ich kenne Leute, die haben Teilzeit weiter als Rpfl gearbeitet. Auch das würde ich mit der Uni klären. Mir haben sie damals nämlich telefonisch erklärt, dass arbeiten neben dem Studium so nicht ginge. Ein Kollege hat dagegen halb beim LG KFBs gemacht...andere Uni, wusste ich erst später.

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Ob sich Studium und Beruf vereinbaren lassen, würde ich nicht mit der Uni klären.

    Die Universität geht natürlich davon aus, dass der Student alle Vorlesungen besucht und danach noch mindestens 5 Stunden Selbststudium betreibt :ironie:. Zumindest zu meiner Zeit bestand aber keine Anwesenheitspflicht und diese hätte bei 400 Studenten / Semester auch nicht kontrolliert werden können. Man muss deshalb wohl selbst ausprobieren, was geht .... Wenn Du es nicht weiter erzählst, ich war keinesfalls bei jeder Vorlesung anwesend (was nutzt es, wenn man den Professor in der fünften Reihe nicht mehr versteht). Meine Examen waren letztendlich trotzdem annehmbar. Es gibt lediglich Vorgaben, bis wann man die Zwischenprüfungen abgelegt haben muss. Wie ehrgeizig man die Sache angeht, dass bestimmt jeder Student für sich selbst.

    Mittlerweile werden Rechtsreferendare in den meisten Bundesländern nicht mehr verbeamtet, sondern lediglich in ein öffentliches Ausbildungsverhältnis übernommen. Keine Ahnung, ob man in diesem Fall seinen Beamtenstatus nicht aufrecht erhalten kann.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Ich bin folgenden Weg gegangen: Rechtspflegerprüfung beendet, drei Jahre als Rechtspfleger voll gearbeitet, dann Reduktion auf 60% und nebenher das Jurastudium, vor der Examensvorbereitung Entlassung aus dem Dienst (da waren auch die fünf Jahre um; Beurlaubung wurde vom OLG abgelehnt). Momentan befinde ich mich im Referendariat.

    Die Möglichkeit der Scheinanrechnung war bei mir denkbar gering, ich glaube man konnte sich nur die Zwischenprüfungsklausuren im Zivilrecht anrechnen lassen (habe ich aus Übungszwecken nicht einmal gemacht). Der größere Vorteil war da schon, dass man sich alle drei Pflichtpraktika anrechnen lassen konnte.

    Ansonsten geht das halb Arbeiten / halb Studieren die ersten Semester schon ganz gut, vor allem wenn man VAZ hat. Man muss halt schauen, dass man sich während der Zeit der Pflicht-AG's frei nehmen kann, ansonsten besteht - wie Gegs ja schon schrieb - keine Pflicht zur Teilnahme an den Vorlesungen (ich habe trotzdem versucht, zumindest diejenigen mitzunmehmen, bei denen der Prof auch was vermitteln konnte). Vor der Examensvorbereitung habe ich mich dann wie gesagt entlassen lassen, um mich voll darauf konzentrieren zu können. Eine Bekannte von mir hat es aber geschafft, bis kurz vor den Klausuren 20 Stunden pro Woche zu arbeiten und hat trotzdem im Examen 11,xx Punkte erreicht - geht also alles. ;)

    -Vanitas vanitatum et omnia vanitas -



  • Danke schonmal für eure Antworten!
    Wie der Arbeitgeber mit einem Studium neben der Arbeit bzw. mit unterbrochener Arbeit umgeht, ist denke ich auch individuell, bzw. Ländersache.
    Ich habe lange überlegt, ob ich Jura oder eben wie jetzt Rechtspflege studieren soll und mich dann unter anderem deswegen für Rechtspflege entschieden, weil es zwar auch recht anspruchsvoll ist, aber eben nicht ganz so extrem wie ein Jurastudium.
    Können die, die erst den Dipl. Rechtspfleger und dann noch ein Jurastudium gemacht haben denn sagen, ob die Erfahrung, die man gesammelt hat einem Vorteile bringt, bzw. man es etwas leichter im Studium hat?
    Würde mich sowieso mal interessieren, inwiefern sich das Jurastudium von dem des Rechtspflegers abgrenzt. Wird noch intensiver in die bestimmten Rechtsgebiete eingegangen?

  • Zitat

    Können die, die erst den Dipl. Rechtspfleger und dann noch ein Jurastudium gemacht haben denn sagen, ob die Erfahrung, die man gesammelt hat einem Vorteile bringt, bzw. man es etwas leichter im Studium hat?

    Ich denke, um einen wirklichen Nutzen aus dem Rechtspflegerstudium für das Jurastudium ziehen zu können, sollte man dann auch eine Zeitlang als Rechtspfleger gearbeitet haben. Dann hat man insoweit einen Vorteil, als man die im Studium vermittelte Theorie mit der Praxis verbinden kann, d.h. einen Blick für das Wesentliche hat und praxistaugliche Ergebnisse abliefern kann. Einen wirklichen "Wissensvorsprung" hat man als Rechtspfleger jedoch nicht, außer natürlich in den Rechtspflegergebieten (Immobiliarsachenrecht, Gesellschaftsrecht). Gerade im öffentlichen Recht fängt man quasi bei Null an. Allerdings hat man in den ersten Semestern natürlich schon den Vorteil, dass den anderen Studienanfängern die meisten rechtlichen Begriffe und auch das juristische Denken noch völlig fremd sind.

    Zitat

    Würde mich sowieso mal interessieren, inwiefern sich das Jurastudium von dem des Rechtspflegers abgrenzt. Wird noch intensiver in die bestimmten Rechtsgebiete eingegangen?

    Es ist einfach eine andere Herangehensweise an die Materie "Recht". Das Rechtspflegerstudium ist eher eine handwerkliche Ausbildung im Recht, bei der im Wesentlichen ein - ich nenne es einmal "Prüfungsschemadenken" vermittelt wird - während es im Jurastudium eher um das Verständnis der hinter den Gesetz stehenden Rechtsgrundsätzen und Wertungen geht, die man dann gerne in Fällen mit unbekannten Problemen abprüft. Das Analysieren, welche Konsequenzen es hat, wenn man ein Problem auf eine gewisse Weise löst, steht beim Jurastudium viel eher im Vordergrund. Gerade hier im Beratungshilfeunterforum sieht man m.E. häufig schön, wie die zwei Welten von Rechtspflegern und Volljuristen aufeinanderprallen. Das liegt m.E. schon an einer grundsätzlich anderen rechtlichen Sozialisation.
    Zusätzlich geht es im Jurastudium dann im materiellen Recht auch weiter in die Tiefe - ist ja auch klar, wenn man bedenkt, dass man im Jurastudium in der Regel fünf Jahre mit der Theorie konfrontiert wird, beim Rechtspflegerstudium dagegen nur zwei. Mit so Zeug wie GoA, EBV oder Bereicherungsrecht im Dreieck wurde ich erstmals im Jurastudium richtig konfrontiert. ;)

    -Vanitas vanitatum et omnia vanitas -




  • Können die, die erst den Dipl. Rechtspfleger und dann noch ein Jurastudium gemacht haben denn sagen, ob die Erfahrung, die man gesammelt hat einem Vorteile bringt, bzw. man es etwas leichter im Studium hat?
    Würde mich sowieso mal interessieren, inwiefern sich das Jurastudium von dem des Rechtspflegers abgrenzt. Wird noch intensiver in die bestimmten Rechtsgebiete eingegangen?

    Ich habe nur den einen Weg des Jurastudiums beschritten, habe dafür aber lange bei uns in der Kanzlei (bis ich zur Bank wechselte) mit zwei Rechtspflegern intensiv zusammengearbeitet. Wie schon Delirium geschrieben hat, als Rechtspfleger hast Du ein unglaubliches Fachwissen angesammelt, das hatte ich als Volljurist nie und werde es auch nie haben. Allerdings muss man auch sagen, die Rechtsgebiete auf denen Rechtspfleger in aller Regel glänzen können sind nicht unbedingt die examensrelevantesten Gebiete. Am ehesten noch das Sachenrecht mit der Grundschuld, Gesellschaftsrecht kann theoretisch drankommen, muss aber nicht. In meinem Examen gab es dreimal Schuldrecht, wobei da einmal eine Abtretung und einmal etwas Handelsrecht mit drin war, und nur einmal wurde im Ansatz Pfandrecht und EBV gestreift. Wenn Du allerdings hinterher Deinen Schwerpunkt ins Insolvenzrecht legst, dann hast Du sicherlich Vorteile. Auch wenn der BGH manchmal aus meiner Sicht das Recht schon etwas verbiegt, aber lies Dir die Urteile des BGH durch, dann gewinnt man m.E. schon einen ersten Eindruck.

    Intensiver wird m.E. nach nicht in die Rechtsgebiete eingegangen, im Gegenteil, man erwartet von Dir, dass Du Dir selbständig das Wissen aneignest. Aber, Du kannst nicht alles und jedes Gesetz auswendig lernen, Du musst schlicht auslegen können (Wortlaut, Historie, usw.), daneben dann aber auch Analogie, teleologische Reduktion, argumentum a fortiori, etc beherrschen. Es kann Dir in einer Klausur passieren, dass Du einen Sachverhalt mit Gesetzen bekommst, von denen Du noch nie gehört hast. Da erwartet dann niemand, dass Du das Gesetz kennst (im Örecht passiert das öfter). Aber man wird hier erwarten, dass Du diese Grundsätze anwendest. Umgekehrt gibt es auch gefühlt Klausuren wo man stupide auswendig gelernte Sätze nur abklappern muss und mit 11 Punkten raus geht (willkommen im dödeligen Strafrecht). Das Jurastudium ist viel weiter meiner Meinung nach. Jedes der drei großen Teilgebiete hat seine eigene Logik. Ob es Dir liegt wirst Du so oder so nur nach dem Studium wissen.

    Ganz grob kann man wohl sagen, Rechtspfleger ist mehr auswendig lernen (wobei ich das keineswegs schlecht meine), Jurastudium mehr das abstrakte Denken dahinter.

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