Genehmigung der Ausschlagung bei Nachlassinsolvenz

  • Hallo liebe Kollegen,

    ich habe derzeit eine - wie ich finde - interessante Konstellation in einem meiner Betreuungsverfahren und wollte mal hören, was es noch für Meinungen hierzu gibt.

    Die Betroffene ist von Kindheit an geistig behindert. Gesetzlicher Vertreter ist der Bruder. Nun ist der Vater verstorben.
    Von den fünf Kindern haben vier ausgeschlagen, der Betreuer auch als Vertreter für seine Schwester.
    Ein anderer Bruder hat die Erbschaft jedoch ausdrücklich angenommen. Hintergrund ist, dass seit 25 Jahren kein Kontakt mehr zwischen Vater und Kindern bestand, besagter Bruder jedoch zumindest Erinnerungsstücke erhalten und so der verlorenen Zeit ein bisschen "nachspüren" möchte.
    Der Nachlass ist nachgewiesenermaßen überschuldet. Daher hat der Bruder, der die Erbschaft angenommen hat, Nachlassinsolvenz beantragt. Nun stehe ich vor folgender Frage:

    Grundsätzlich würde ich genehmigen, weil der Nachlass überschuldet ist. Sinn und Zweck ist für gewöhnlich, um den Betroffenen vor Verbindlichkeiten des Erblassers schützen.
    Nur: durch Anordnung einer Nachlassinsolvenz oder auch durch die Abweisung mangels Masse ist das Eigenvermögen der Betroffenen geschützt und die Haftung auf den Nachlass beschränkt. Insofern die Ausschlagung genehmigt werden würde, fallen auch ihre Ansprüche auf ideelle Werte aus dem Nachlass weg.
    Hierauf angesprochen teilt mir der Betreuer mit, dass der Vater sich hinsichtlich meiner Betroffenen nicht nur die letzten 25 Jahre nicht gekümmert, sondern dass er sie seit sie 11 Jahre alt und im Heim ist nicht mehr beachtet und sich nicht mehr für sie interessiert hat (die Betroffene ist 61). Die Nachricht von seinem Tod habe sie nicht beeindruckt, sie könnte mit ihm einfach nichts anfangen. Ich könne sie zwar persönlich anhören, aber er glaube nicht, dass dabei etwas anderes rauskommen würde.

    Insofern die Betroffene keinen Bezug zum Erblasser hatte und auch jetzt nicht an ihm interessiert ist, wäre die Genehmigung der Ausschlagung die sauberste Sache. Andererseits nehme ich der Betroffenen damit auch Mitbestimmung über Nachlassgegenstände, die vielleicht keinen materiellen, aber einen Erinnerungswert haben.
    Und ich überlege mir, ob ich ausnahmsweise von einer persönlichen Anhörung absehe.

    Wäre erfreut, wenn ihr mir eure Meinungen kund tun würdet :)

    Oder, um aus Goethes "Faust", Teil I, Zeile 2667 zu zitieren: "Nein!"

  • Wenn du deine Gründe für die Versagung der Ausschlagung an ideellen statt wirtschaftlichen Überlegungen festmachst, würde ich nicht von einer persönlichen Anhörung absehen. Und wenn die Betroffene nur den Eindruck des Betreuers bestätigt.

    Dazu kommt, dass die Verwaltung über den Nachlass nach Eröffnung nicht mehr bei den Erben liegt. Ob die Betreute irgendwelche Gegenstände aus dem Nachlass erhält, ist damit nicht sicher.

  • Es sollte einem vernünftigen Insolvenzverwalter (oder Nachlasspfleger) keine Probleme bereiten, einem ausschlagenden Erbprätendenten objektiv wertlose Nachlassgegenstände als Erinnerungsstücke zu überlassen. Unabhängig von dieser Erwägung hat der gesetzliche Vertreter seine Entscheidung im Sinne der erklärten Erbausschlagung aus Anlass der vorliegenden Überschuldung des Nachlasses getroffen. Wozu sollte man diese Entscheidung hinterfragen, wenn der Nachlass eindeutig überschuldet ist?

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!