internationale Zuständigkeit Erbschein- Vorlagebeschluss Kammergericht Berlin 10.01.2


  • Und jetzt fällt eine Bastion nach der anderen ...

    Bastionen fallen nur dort, wo sie gebaut werden.
    Wenn man das vereinbarte akzeptiert und umsetzt, entstehen sie überhaupt nicht.
    Las uns schauen, was uns die kommende Woche bringt ;)

    Aus meiner Sicht ist das, was wir derzeit in Kubicka, Oberle usw. durchmachen pure Zeitverschwendung. Ich würde wirklich gern mein Potenzial woanders anwenden wollen.
    Wir wären alle 10 Schritte weiter und könnten uns den wirklich entstehenden Problemen und Unzulänglichkeiten der Verordnung widmen, wenn man sie nicht von Anfang an mala fide in Frage stellen würde.

  • Zunächst ist einmal zu klären, was überhaupt inhaltlich vereinbart wurde. Denn erst wenn man dies weiß, weiß man auch, welche zu klärenden Streitfragen dann noch übrig bleiben. Einfach zu unterstellen, bestimmte grundsätzliche Streitfragen über den Inhalt des Vereinbarten seien so und nicht anders zu lösen, hilft dabei nicht weiter.

    Im Übrigen: Zunächst Fiasko anrichten und sich dann in den Ruhestand verabschieden, ist eine nicht selten anzutreffende Methode. Gilt auch für einige Richter des V. Zivilsenats des BGH (vgl. GbR).

  • Schlussantraege des GA Szpunar in der Rs. Oberle
    http://curia.europa.eu/juris/document…rt=1&cid=804915

    Art. 4 ErbRVO ist dahin auszulegen, dass er die Zuständigkeit auch in Bezug auf Verfahren vor den Gerichten (im eigentlichen Sinne) eines Mitgliedstaats bestimmt, die die Ausstellung nationaler Nachlasszeugnisse betreffen.

    Bedeutet im Ergebnis was? Kein deutscher Erbschein bei ausländischem letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers mehr?

  • Schlussantraege des GA Szpunar in der Rs. Oberle
    http://curia.europa.eu/juris/document…rt=1&cid=804915

    Art. 4 ErbRVO ist dahin auszulegen, dass er die Zuständigkeit auch in Bezug auf Verfahren vor den Gerichten (im eigentlichen Sinne) eines Mitgliedstaats bestimmt, die die Ausstellung nationaler Nachlasszeugnisse betreffen.

    Bedeutet im Ergebnis was? Kein deutscher Erbschein bei ausländischem letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers mehr?


    Ja, so lese ich das. Was natürlich hanebüchen ist und dem Ziel der Verordnung widerspricht, denn jetzt muss sich der Erbe alle sechs Monate ein neues Nachlasszeugnis holen, bis der Nachlass abgewickelt ist. Jedenfalls eine Änderung der Verordnung dahin, dass nationale "Nachlasszeugnisse" (mal als Oberbegriff für die verschiedenen Instrumente in den einzelnen Mitgliedsstaaten verwendet) dann zulässig sind, wenn das Gericht des letzten Aufenthalts einen Erbnachweis erteilt hat und das spätere Zeugnis mit diesem übereinstimmt, wäre denkbar.

    Das Problem ist aber erneut die fehlende Kooperation der Justizbehörden. Von einer späteren Einziehung eines deutschen Erbscheins als unrichtig weiß z.B. ein französischer Notar erst mal nichts. Wenn der jetzt für den in Frankreich belegenen Nachlass ein Notorietätszertifikat ausstellt, können damit die ursprünglich genannten Erben in Frankreich weiter als Erben auftreten, obwohl sie es vielleicht in Wahrheit gar nicht sind. Da ist es schon sicherer zu verlangen, dass ein deutscher Nachweis vorgelegt werden muss, der dann regelmäßig erneuert wird. Läuft dann halt umgekehrt genauso...

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub


  • Bedeutet im Ergebnis was? Kein deutscher Erbschein bei ausländischem letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers mehr?

    Es sei denn, es liegen die Voraussetzungen des Art. 7 ErbRVO.


    tom:
    Ziel der Verordnung war u.a. ein Nachlassverfahren, grundsätzlich am letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers. Parallelverfahren in einzelnen Mitgliedstaaten hatten wir schon vor der Verordnung. Im Fall Oberle hatten uebrigens die Franzosen einen Erbschein - weil es sich in Elsass-Lothringen abspielte - erteilt. Es gibt kein Platz für die Erteilung eines deutschen Erbscheins, weil Deutschland nach Art. 4 ErbRVO nicht zustaendig ist. Art. 4 ff. ErbRVO gelten in allen Nachlassverfahren (inklusive Testamentseröffnung, was diesmal nicht thematisiert wurde, was aber früher oder später noch kommen wird).

    Einmal editiert, zuletzt von silesianman (23. Februar 2018 um 10:40)

  • Es wird damit gerechnet werden müssen, dass der EuGH der vorliegenden Empfehlung des zuständigen (polnischen) Generalanwalts folgt.
    In der Sache Kubicka (zum Vindikationslegat) konnte man sich nicht des Eindrucks erwehren, dass es sich dabei seitens des besagten polnischen Bezirksgerichts um eine mit Bedacht "geplante" Vorlage an den EuGH gehandelt hat, da der beurkundungsverweigernde Notarvertreter gleichzeitig im Schrifttum die Anerkennung des Vindikationslegats propagiert (vgl. Ziffer 25 der Ausführungen in den Schlussanträgen des Generalanwalts vom 17.05.2017 sowie Margonski GPR 2013, 106). Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass es mit Vorabentscheidungsersuchen vom 10.10.2017 seitens des gleichen Bezirksgerichts bereits zu einer beim EuGH am 24.11.2017 eingegangenen erneuten Vorlage an den EuGH gekommen ist, die wiederum - jedenfalls vordergründig - eine Notarangelegenheit zum Gegenstand hat, bei welcher es aber eigentlich um die Anerkennung mitgliedstaatlicher Erbnachweise in den anderen Mitgliedstaaten geht (EuGH-Rechtssache Musial-Karg, Az. C-658/17; hierzu vgl. die Mitteilung der FamRZ-Redaktion auf einen entsprechenden "Hinweis" von Margonski: https://www.famrz.de/redaktionsmeld…-in-der-eu.html).
    Zur Sache Kubicka vgl. in diesem Zusammenhang bereits:

    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…l=1#post1127841

    Mir ist diese Art und Weise der "Rechtsfindung" äußerst suspekt und mit solchen Dingen möchte ich eigentlich auch nichts zu schaffen haben.

    Wie heißt es so schön:
    In den Abgründen des Unrechts findest Du immer die größte Sorgfalt für den Schein des Rechts (Pestalozzi).


  • Ja, so lese ich das. Was natürlich hanebüchen ist und dem Ziel der Verordnung widerspricht, denn jetzt muss sich der Erbe alle sechs Monate ein neues Nachlasszeugnis holen, bis der Nachlass abgewickelt ist. Jedenfalls eine Änderung der Verordnung dahin, dass nationale "Nachlasszeugnisse" (mal als Oberbegriff für die verschiedenen Instrumente in den einzelnen Mitgliedsstaaten verwendet) dann zulässig sind, wenn das Gericht des letzten Aufenthalts einen Erbnachweis erteilt hat und das spätere Zeugnis mit diesem übereinstimmt, wäre denkbar.


    Bedeutet im Ergebnis was ?
    Kein deutscher Erbschein mehr , aber weiterhin "deutsches" ENZ möglich ?


  • Ja, so lese ich das. Was natürlich hanebüchen ist und dem Ziel der Verordnung widerspricht, denn jetzt muss sich der Erbe alle sechs Monate ein neues Nachlasszeugnis holen, bis der Nachlass abgewickelt ist. Jedenfalls eine Änderung der Verordnung dahin, dass nationale "Nachlasszeugnisse" (mal als Oberbegriff für die verschiedenen Instrumente in den einzelnen Mitgliedsstaaten verwendet) dann zulässig sind, wenn das Gericht des letzten Aufenthalts einen Erbnachweis erteilt hat und das spätere Zeugnis mit diesem übereinstimmt, wäre denkbar.


    Bedeutet im Ergebnis was ?
    Kein deutscher Erbschein mehr , aber weiterhin "deutsches" ENZ möglich ?

    Nein, bedeutet im Ergebnis alle 6 Monate holt sich der Erbe ein neues ENZ vom zuständigen Gericht/Behörde (hier: Frankreich).

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub


  • Bedeutet im Ergebnis was ?
    Kein deutscher Erbschein mehr , aber weiterhin "deutsches" ENZ möglich ?

    Im Vorlagefall war der Erblasser mit letztem gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland verstorben.
    Also ausländisches Gericht zuständig. Der Erbe wollte sich einen inländischen Erbschein holen, da er -wohl- keine Lust hatte, sich im Ausland ein ENZ zu holen und das jeweils nach 6 Monaten auch im Ausland neu ausstellen zu lassen.

    Die -wohl ergehende- Entscheidung dürfte zur Folge haben, dass der gegenständlich beschränkte Erbschein im Inland gestorben ist und sich der Erbe im Ausland das ENZ holen und jede 6 Monate neu ausstellen lassen muss.

    Ist dann halt die Folge, wenn der Erblasser sich -egal aus welchen Gründen- sich einen ausländischen Aufenthaltsort gesucht hat.

    Frage:
    Kann der Erblasser bzw. die Erben einen Gerichtsstand wählen?


  • Die -wohl ergehende- Entscheidung dürfte zur Folge haben, dass der gegenständlich beschränkte Erbschein im Inland gestorben ist und sich der Erbe im Ausland das ENZ holen und jede 6 Monate neu ausstellen lassen muss.

    Der Erbe kann – es ist seine Entscheidung – sich durch ein ENZ oder aber durch einen in dem nach Art. 4 ErbRVO zuständigen Mitgliedstaat erteilten nationalen Erbnachweis legitimieren. Die letzteren sind in anderen Mitgliedstaaten entweder als Entscheidungen nach Art. 39 ErbRVO anzuerkennen oder als öffentliche Urkunden nach Art. 59 ErRVO anzunehmen.



    Frage:
    Kann der Erblasser bzw. die Erben einen Gerichtsstand wählen?

    Der Erblasser kann die Zuständigkeit nicht bestimmen. Eine Ausgangsvoraussetzung für einer Gerichtsstandsvereinbarung der Erben (Art 5 ErbRVO) ist jedoch eine Rechtswahl des Erblassers zugunsten des Heimatrechts.


    Cromwell
    Wir sind im Thread zu der Rs. Oberle. Was hast Du Cromwell in der Sache zu sagen? Du hast ja zu dem Thema veröffentlicht und Thesen vertreten, die sich jetzt als unrichtig erweisen.
    Die "Rechtsfindung", die Du suspekt findest, ist die normale Herangehensweise der polnischen Notare bei allen Änderungen der Rechtslage, welche unsere berufliche Tätigkeit stark betreffen. Strukturelle Zweifel hinsichtlich der neuen Rechtlage lassen polnische Notare durch Ablehnung von Beurkundungen präventiv gerichtlich klären (ansonsten werden jede Zweifeln zulasten des Notars in einem Haftungsverfahren gewertet).
    Vorlagen an den EuGH macht übrigens nicht der Notar, sondern 3 Richter der Berufungskammer des Bezirksgerichts, die über die Beschwerde des Beteiligten entscheiden.
    Dass mein Name in Zusammenhang mit der Erbrechtsverordnung vorkommt (auch im Fall Oberle, in dem meine polnische Anmerkung die Stellungnahme der polnischen Regierung geprägt hatte) ist nicht besonders erstaunlich. Im Bereich der ErbRVO habe ich in den letzten Jahren hunderte von Notaren und Richtern in Polen fortgebildet. Ich bin der Autor eines von zwei polnischen Kommentaren zu der Verordnung. Wenn Notare in Polen mit Fällen konfrontiert werden, mit denen sie selbst wenig anfangen können, schicken sie ihre Mandanten bzw. die Probleme zu mir. Einige Mandaten kommen zu mir aus dem gesamten Bundesgebiet bzw. ganz Polen eben weil ich als IPR Spezialist gelte bzw. als der einzige zu bestimmten Themen veröffentlicht habe.
    Aus der Menge von Problemfällen, die durch meine Hände seit dem Inkrafttreten der Verordnung durchgegangen sind, ergeben sich bis heute zwei EuGH-Vorlageverfahren. Eigentlich nicht viel für ein Mitgliedstaat von 38 Millionen Menschen.

  • Meine "Thesen" haben sich nicht als unrichtig erwiesen, sondern der EuGH hat insoweit eine andere Auffassung vertreten. Das ist ein feiner Unterschied, denn was richtig und was falsch ist, hat damit gar nichts zu tun. Der EuGH hat sich einer von zwei denkbaren Ansichten angeschlossen und wenn der EuGH - wovon nicht nur ich ausgehe - falsch entschieden hat, dann bleibt die andere Ansicht gleichwohl richtig, auch wenn ihr der EuGH nicht gefolgt ist.

    Es ist ja auch nicht das erste Mal, dass durch eine richterliche Entscheidung eine ständige Rechtsanwendung contra legem herbeigeführt wird. So war es bei der Entscheidung des BGH im Hinblick auf die Frage, wie eine GbR als Eigentümer ins Grundbuch kommt und seitdem werden bedenkenlos an GbR's erfolgte Auflassungen eingetragen, obwohl mangels GbR-Register niemand weiß, ob es diese GbR überhaupt gibt und von wem sie ggf. vertreten wird, weil mangels GbR-Register natürlich auch niemand weiß, wer die Gesellschafter einer solchen angeblichen GbR sind. Der BGH hat das diesbezügliche Geschwätz der Beteiligten zur tauglichen Eintragungsgrundlage erhoben, so dass sowohl Notar als auch Grundbuchamt bedenkenlos beurkunden bzw. eintragen können. Dass solche "wertlosen" (da ohne jede Prüfung vorgenommene) Eintragungen dann auch noch Grundlage für einen gutgläubigen Erwerb sein können, setzt dem Ganzen nur noch die Krone auf.

    Ähnlich verhält es sich nunmehr im Errebnis beim Vindikationslegat. Solche Legate werden im Grundbuch vollzogen werden, obwohl es sie materiell mit Wirkung im Inland nicht gibt, falls man die Entscheidung des EuGH - was wiederum nicht nur ich tue - für falsch hält. Aber natürlich ist man Realist und jetzt besteht - ausgehend von einem unzutreffenden Ausgangspunkt - eben die nächste Aufgabe darin, zumindest den größten Unsinn zu verhüten, den manche Autoren propagieren, weil sie die Problematik nicht ganzheitlich aus erbrechtlicher, immobiliarsachenrechtlicher und grundbuchverfahrensrechtlicher Sicht zu beurteilen vermögen und daher bestenfalls in einigen wenigen Teilbereichen zu einigermaßen zutreffenden Ergebnissen gelangen.

    Vgl. etwa hier:

    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…l=1#post1134827

    Mit der nunmehrigen Entscheidung verbaut der EuGH den Beteiligten (contra legem) den Weg, sich bei letztem gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers in einem anderen Mitgliedstaat im Inland einen deutschen Erbschein für die Regelung des Nachlasses im Inland zu beschaffen. Sie werden vielmehr auf ein ENZ des Mitgliedsstaates des letzten gewöhnlichen Aufenthalts (oder sogar einen anderweitigen nationalen Erbnachweis der betreffenden Mitgliedstaates) verwiesen, das dann jeweils nach 6 Monaten schon wieder seine Gültigkeit verliert. Das ist natürlich alles unheimlich praktisch und es wird noch "praktischer", wenn der anstelle eines ENZ besorgte jeweilige anderweitige ausländische nationale Erbnachweis keine Gutglaubenswirkungen wie ein Erbschein hat. Wer meint, mit einem solchen "wertlosen" Erbnachweis ohne weiteres ins deutsche Grundbuch kommen zu können, wird sich vielleicht noch wundern, ganz abgesehen davon, dass das geltende Recht (§ 35 GBO) eine solche Nachweismöglichkeit gar nicht vorsieht.

    Im Übrigen: Wer selbst nie in die Verlegenheit kam, seine Unterschrift unter eine Grundbucheintragung setzen (oder auf die entsprechende Taste drücken) zu müssen, kann leicht Ratschläge an diejenigen verteilen, die das letztlich tun müssen und zu verantworten haben!

    Aber es ist eben wie so oft: Man bewegt sich in seiner Materie und vertritt dort gewisse Rechtsauffassungen. Und wenn sich diese Auffassungen dann durchgesetzt haben, beginnen auf einmal gefährliche Wissenslücken durchzuschimmern, wenn sodann versucht wird, die betreffenden "Erkenntnisse" in andere Rechtsbereiche zu transportieren und man dabei verblüfft feststellt, dass dort aufgrund dieser Auffassungen nichts mehr funktioniert. Muss man sich halt vorher überlegen! Aber wenn man das nicht getan hat (und leider tun es viele nicht), ist es natürlich völlig unzumutbar (Achtung: Ironie), der etwaigen Überlegung näherzutreten, dass an der eigenen Ansicht vielleicht etwas falsch sein könnte. Anstatt dessen wird dann begonnen, wild in rechtlicher Hinsicht herumzurudern und man überschlägt sich mit vorgeblichen Gesetzeslücken und angeblich erforderlichen Analogien, nur damit das selbst errichtete morsche Gebäude nicht mit einem lauten Knall in sich zusammenfällt. Mein Mitleid angesichts solcher bedauernswerter untauglicher Versuche hält sich durchaus in Grenzen. Denn nichts ist aufschlussreicher und peinlicher als ungewollte Selbstentzauberung.

    Was ich als suspekt bezeichnet habe, gilt nichts anderem als jenem Unbehagen, das auch von diversen Autoren sowohl in Abhandlungen als auch in Vorträgen zum Ausdruck gebracht wird. Ich habe insoweit weder publiziert noch referiert, sondern mich (jedenfalls bislang) auf meine Stellungnahmen im Forum beschränkt. Und dieses besagte Unbehagen wird man ja wohl noch äußern dürfen, auch wenn es natürlich jedem freisteht, zu meinen, dass es für dieses Unbehagen überhaupt keinen Grund gebe.

    Richtig ist allerdings, dass in der Sache nichts von dem besagten Unbehagen abhängt. Rechtssicherheit bedeutet eben auch, dass sie selbst dann einkehrt, wenn alle etwas übereinstimmend falsch machen, sofern dieses Falsche von höchster zuständiger Stelle als vorgeblich zutreffend abgesegnet ist. Und im Hinblick auf diese Erkenntnis sind wir uns dann vielleicht sogar wieder einig.

  • § 35 GBO wird man, wie entsprechende Vorschriften in anderen Mitgliedstaaten auch, unionsrechtskonform und unter Berücksichtigung des Art. 39 ErbRVO bzw. 59 ErbRVO auslegen müssen. Wahrscheinlich wird auch dies der EuGH feststellen müssen.

    Rechtssicherheit und ihre Sicherung ist mein Berufsgebiet und da sind wir uns in der Tat wieder einig.
    An Deiner Stelle würde ich nur mit den Informationen zu den Hintergründen, die derzeit verbreitet werden kritisch umgehen. Denn die wahren Hintergründe sind für diejenigen, die heute am lautesten schreien nicht besonders ehrenhaft und werden daher eher nicht geteilt.

  • Ich gehe damit schon kritisch um und deshalb kann ich die Dinge auch nur in den Raum stellen, aber verschweigen braucht man die "Informationen" zu den Hintergründen auch nicht, wenngleich mann sie natürlich nicht überprüfen kann.

    Wie hat man sich eine unionsrechtskonforme Auslegung des § 35 GBO im Einzelnen vorzustellen? Es gibt ja verschiedene Möglichkeiten der Abhilfe und der EuGH kann dem Gesetzgeber kaum vorschreiben, welche dieser Möglichkeiten er zu wählen hat.

    Beim Vindikationslegat ist die Sache nach der aktuellen Entscheidung des EuGH zu § 105 FamFG relativ einfach. Ein deutscher Erbschein kommt nur noch in Betracht, wenn ein Staatsangehöriger eines Staates, dessen Erbrecht ein Vindikationslegat kennt, mit letztem gewöhnlichem Aufenthalt im Inland verstirbt, aber eine Rechtswahl zugunsten seines Heimatrechts trifft. Aber auch dieser Fall ist im Ergebnis nicht problematisch, weil das deutsche Nachlassgericht in diesem Fall auch für die Erteilung des ENZ zuständig ist, in welchem das Vindikationslegat in jedem Fall ausgewiesen werden kann. Es kommt also erst gar nicht zu einer Beweisnot und damit ist es auch unproblematisch, dass das Legat im Erbschein nicht ausgewiesen wird.

    Ist ein anderer Mitgliedstaat zuständig, ist für den Grundbuchverkehr im Inland ebenfalls ein von diesem Mitgliedstaat ausgestelltes ENZ ausreichend, allerdings nicht nach § 35 GBO (weil es nicht um die Erbfolge geht), sondern nach § 22 GBO. Auch insofern kann es also nicht zu einer Beweisnot kommen.

  • Unionsrechtskonforme Auslegung ist die freundliche Ausdrucksweise. GBO-Vorschriften beeinflussen Art. 69 Abs. 5 ErbRVO, Art. 39 ErbRVO bzw. 59 ErbRVO ebenso wenig, wie § 105 FamFG das Zuständigkeitssystem der Art. 4 ff. ErbRVO verändert. Die Pflicht zur Anerkennung eines ENZ oder eines nationalen Erbfolgezeugnisses aus einem anderen Mitgliedstaat ergibt sich unmittelbar aus dem Unionsrecht. Die Versuche der Mitgliedstaaten, dies im Grundbuchverfahrensrecht einzuschränken sind unwirksam. Es kann Jahre dauern aber man wird sie Schritt für Schritt durch EuGH-Entscheidungen beseitigen und die Anerkennung auch im Grundbuchrecht durchsetzen.
    Denn Rest können wir bilateral fortsetzen.

  • Für die Anerkennung der nationalen Erbnachweis als solche dürfte das gelten, für den Grundbuchbereich dürfte aber wohl Art. 1 Abs. 2 lit. l der VO greifen (gesetzliche Voraussetzungen der Eintragungen in einem Register).

    Im Übrigen sehe ich auch nicht, dass versucht wird, im Grundbuchbereich etwas "einzuschränken". Die Grundbuchsysteme in den einzelnen Ländern sind - auch im Hinblick auf den Schutz des guten Glaubens - derart unterschiedlich, dass die Nachweisschwellen naturgemäß niedriger oder höher liegen. Es besteht kein Anlass, diese Unterschiede bei erbrechtlichen Nachweisen einzuebnen.

  • So konnte man es vor der Kubicka-Entscheidung sehen. Der EuGH stellte aber klar, dass der erbrechtliche Erwerb durch das Registerrecht nicht in Frage gestellt werden darf (Rn. 54). Dem Registerrecht bleiben andere Aspekte der Grundbucheintragungsgrundlagen überlassen. Das Registerrecht kann aber weder die materiellrechtlichen Konstruktionen des Erbstatuts (z.B. Vindikationslegate) noch die nachlassverfahrensrechtliche Aspekte der Bestätigung der sich dem Erbstatut ergebenen Rechtslage (ENZ, nationale Erbscheine) in Frage stellen. Anders ausgedrückt: es ist nicht Sache des Grundbuchverfahrensrechts i.S.d. Art. 1 Abs. 2 lit. l ErbRVO, sondern des Nachlassverfahrensrechts, wie man die erbrechtliche Nachfolge feststellt. Die Ergebnisse des Nachlassverfahrens hat das Grundbuchgericht als Eintragungsgrundlage grundsätzlich zu akzeptieren.

  • Wenn dem so wäre, müsste man auch formlose Erbenfeststellungen akzeptieren, soweit sie der betreffende Mitgliedstaat vorsieht. Und umgekehrt wäre auch ein Nachweis nach Maßgabe des § 35 Abs. 1 S. 2 GBO nicht mehr möglich, wenn das betreffende Mitgliedsland einen solchen Erbnachweis nicht kennt, zumal das GBA im Anwendungsbereich der genannten Norm nachlassgerichtliche Aufgaben wahrnimmt und dies von vorneherein ausgeschlossen ist, wenn deutsche Nachlassgerichte international überhaupt nicht zuständig sind. Das deutsche Nachlassverfahrensrecht kennt überhaupt keinen Erbnachweis aufgrund notarieller letztwilliger Verfügung nebst Eröffnungsprotokoll.

    Im Falle Kubicka ging es zudem lediglich um den unmittelbaren materiellen Rechtserwerb vom Erblasser. Mit der Frage, wie der erforderliche verfahrensrechtliche Nachweis dieses Rechtserwerbs zu führen ist, hat sich der EuGH demzufolge überhaupt nicht befasst. Was materiellrechtlich nach dem anwendbaren Erbstatut möglich ist und wie dieses Mögliche in einem konkreten Verfahren nachzuweisen ist, sind zwei völlig verschiedene Dinge.

  • Mit der verfahrensrechtlichen Umsetzung bei Vindikationslegaten hat sich der EuGH in Kubicka in der Tat nicht befasst. Daher spreche ich derzeit in Fortbildungsveranstaltungen für poln. Notare die Empfehlung aus, dass man Vindikationslegate nach poln. Erbrecht hinsichtlich Nachlassgegenständen in Deutschland nur dann verwenden soll, wenn der gewöhnliche Aufenthalt des Testators in Polen liegt, sodass die polnischen Nachlassgerichte nach Art. 4 ErbRVO zuständig sind, bzw. wenn alle Erben einig sind, sodass man mit einem ENZ in Deutschland oder mit einer Gerichtsstandsvereinbarung der Erben nach Art 5 ErbRVO zugunsten der polnischen Zuständigkeit rechnen kann. In solchen Fällen stellt sich das Problem der Lücke im deutschen Erbscheinverfahren nicht.

    Wir schauen weiter, ob der deutsche Gesetzgeber irgendwelche Schritte vornimmt.


    In der Rs. Kubicka haben sich der Gerichtshof und der GA mit der Auslegung der beiden Bereichsausnahmen befasst. Die Bereichsausnahmen, die eng und unter Berücksichtigung der Ziele der Verordnung ausgelegt worden sind, betreffen alle Regelungsbereiche der Verordnung - sowohl das Kollisionsrecht, als auch das Nachlassverfahrensrecht.
    Ich habe aber (leider) keine Zweifel daran, dass die Frage der Anerkennungspflicht im Grundbuchverfahren, sowohl beim ENZ als auch umso mehr bei nationalen Erbscheinen bis zum EuGH kommen muss. Das Ergebnis ist (zumindest in Grundsätzen, mit wirklich problematischen Fallkonstellationen und Ausnahmen werden wir uns danach befassen) vorhersehbar und von Anfang an klar.

  • Man hat es schon oft erlebt, dass man dem "Bollwerk" Grundbuch aus ausländischer Sicht mit einigem Unverständnis gegenüber stand. Das hat diverse Gründe und dass einige ausländische Grundbuchsysteme nicht die Rechtssicherheit gewährleisten, wie das hierzulande üblich ist (und man die Dinge daher laxer handhabt), ist von diesen Gründen sicher nicht der geringste. Aber wie es halt so ist: Manche wären froh, wenn sie ein funktionierendes Grundbuchsystem hätten. Nicht umsonst braucht Griechenland so lange, bis es sich von der Wirtschaftskrise wieder erholt. Wenn nirgends verlässlich verzeichnet ist, wem Grundbesitz gehört, ist es mit Investitionen halt etwas schwierig (und das ist noch milde ausgedrückt).

    Will heißen: Man muss auch die in den einzelnen Mitgliedstaaten bestehenden - und teils himmelweiten - Unterschiede im Immobiliarsachenrecht und - hieraus folgend - im Grundbuchrecht berücksichtigen, wenn sich die Frage erhebt, ob man eine laxere Rechtsordnung der verlässlicheren überstülpt.

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