Quotenloser Erbschein - wer muss verzichten?

  • Nach § 352a Absatz 2 1 FamFG müssen für einen quotenlosen Erbschein alle Antragsteller auf die Aufnahme der Erbteile in den Erbschein verzichten. Scheinbar wir dies in der Kommentarliteratur und Aufsätzen dahingehend verstanden, dass alle Miterben einen entsprechenden Verzicht gegenüber dem Nachlassgericht erklären müssen. Ich verstehe nicht, wieso dort nicht nur der Antragsteller verzichten muss, wie es im Gesetz steht. Der Gesetzgeber hat in § 352a Absatz 1 FamFG gezeigt, dass er den Unterschied zwischen einem Erben und einem Antragsteller kennt. Die Kommentare und Aufsätze enthalten auch keine Begründung für eine abweichende Lesart. Wie handhabt Ihr das?

  • Wer einigermaßen vernünftig ist, wird keinen quotenlosen Erbschein beantragen.

    Ich habe dazu in Rpfleger 2016, 694, 711 folgendes ausgeführt:

    Ob für die Erteilung eines seit Jahrzehnten in praxi bedeutungslosen und nunmehr nach § 352a Abs. 2 FamFG gleichwohl zulässigen quotenlosen gemeinschaftlichen Erbscheins tatsächlich ein Bedürfnis besteht, wird sich erst noch erweisen müssen. Den Beteiligten ist von der Beantragung eines solchen Erbscheins jedenfalls dringend abzuraten, weil sich aus seiner Erteilung bislang nicht erörterte Folgeprobleme ergeben.[268] Denn wie soll man sich die Pfändung eines (jeweiligen?) Erbteils mit allen vollstreckungsrechtlichen Verwertungskonsequenzen vorstellen, wenn die Höhe des Erbteils nicht beziffert werden kann und wie soll eine (im Übrigen auch quotal mögliche) Erbteilsübertragung erfolgen und im Grundbuch verlautbart werden können, wenn gar nicht feststeht, worauf sich der Übertragungsakt im Hinblick auf die quotale Höhe des Erbteils materiell erstreckt?[269] Zudem kann ein quotenloser Erbschein ohnehin nicht erteilt werden, wenn nach Sachlage aufgrund unklarer Testierung des Erblassers und wegen unterschiedlicher Auslegungsmöglichkeiten nicht sicher ist, ob der betreffende Beteiligte überhaupt zum Miterben oder lediglich zum Vermächtnisnehmer berufen ist.[270] Angesichts dieser kaum überwindbaren Schwierigkeiten ist zu konstatieren, dass die Zulässigkeit eines quotenlosen Erbscheins voreilig bejaht und dabei versäumt wurde, über den Tellerrand des nachlassgerichtlichen Erbscheinsverfahrens hinauszublicken.


    [268] Nicht erörtert von Zimmermann ZEV 2015, 520.
    [269] Bislang hat sich aus den der Eintragung der Erbfolge oder der Erbteilsübertragung zugrunde liegenden Berichtigungsunterlagen (Erbschein oder notarielle Erbteilsübertragungsurkunde) stets die Höhe der Erbteile der einzelnen Miterben ergeben.
    [270] Zutreffend Otte ZEV 2015, 535, 536.

  • Für spezielle Konstellationen halte ich den quotenlosen ES für eine tolle Sache. Ihn generell zu verteufeln ist nicht ok. Fakt ist, dass er gesetzlich normiert ist und wir deswegen entsprechende Anträge zu bearbeiten haben. Ob mit Wohlwollen oder Abneigung ggü. dem Antrag ist natürlich eine andere Frage :)

    Ein Verzicht aller Erben kommt m.E. deswegen indirekt zustande, weil der ESA (und der Feststellungsbeschluss) allen Erben zur Kenntnisnahme zugeschickt wird. Wer nicht einverstanden ist, legt Rechtsmittel ein.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de


  • Wer nicht einverstanden ist, legt Rechtsmittel ein.

    Sollte der eine oder andere Erbe auch tun.
    Ich habe es aus einer beigezogenen Nachlassakte mal erlebt, dass ein Nachlassrichter ( nicht Rechtspfleger ) einen quotenlosen Erbschein erteilt hat , weil er sich nicht zu einer Testamentsauslegung durchringen konnte.:eek:
    Das ist sicher nicht der Spezialfall , den Du gemeint hast.

  • Na ja, der Spezialfall ist z.B. schon so, dass es Uneinigkeit über die Auslegung eines Testaments gibt und man im Rahmen des Erbscheinsverfahrens diesen Streit (wer welche Quote bekommt) noch nicht führen möchte, weil es zunächst vordringlich darum geht, dass der Erbschein alle Erben legitimiert, damit Verfügungen zur Nachlasssicherung möglich sind etc.

    Oder es gibt Uneinigkeit bei der Anwendung des Güterstandsrechts, aber die Beteiligten haben sich intern schon auf eine "Aufteilung" geeignet...auch da wäre der quotenlose Erbschein denkbar.

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  • Wie ich schon sagte:

    Der quotenlose Erbschein "versagt" dort, wo die Auslegung unklarer Testamente - wie fast immer - auch ergeben kann, dass einzelne Bedachte nicht Miterben, sondern lediglich Vermächtnisnehmer sind. Steht also schon der Kreis der Erben nicht fest, hilft auch der quotenlose Erbschein nichts, weil seine Erteilung voraussetzt, dass alle in ihm Genannten auch Erben sind.

  • Oder es ist, wie hier neulich vorgekommen, ein Gläubigererbscheinsantrag.

    Dem Gläubiger war vorliegend m. E. zu recht völlig egal, mit welcher Quote die beiden Erben jeweils Erben geworden sind.

    Auch für die spätere Vollstreckung des Gläubigers gegenüber der Erbengemeinschaft dürfte die fehlende Quote m. E. nicht von Belang sein, oder habe ich etwas nicht bedacht?


    Sinnvoll kann ein quotenloser Erbschein ggf. auch sein, wenn die Erben überhaupt erstmal einen Nachweis benötigen, um schnell (!) an Informationen zum Nachlass zu kommen, also sogar noch vor der von TL angedachten Verfügung über den Nachlass.

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

  • Sinnvoll kann ein quotenloser Erbschein ggf. auch sein, wenn die Erben überhaupt erstmal einen Nachweis benötigen, um schnell (!) an Informationen zum Nachlass zu kommen, also sogar noch vor der von TL angedachten Verfügung über den Nachlass.

    Oder bei Teilungsanordnung wo es müssig wäre sich darüber Gedanken zu machen was genau welchen Bruchteil ausmacht, so lange klar ist, dass es sich um Erbeinsetzungen handelt.

  • Man hat den quotenlosen Erbschein länger als ein Jahrhundert nicht gebraucht und ich sehe nicht, weshalb er heutzutage notwendig sein sollte. Er ist lediglich ein Vehikel, um den Leuten das Nachdenken über die zutreffende Erbfolge und die damit verbundenen Problemlösungen zu ersparen. Aber es war ja zu erwarten, dass den Leuten bereits bei einem Hauch von Auslegungsbedürftigkeit zum quotenlosen Erbschein geraten wird. Der Jammer kommt dann hinterher, wenn das Erbschaftsteuerfinanzamt die Quoten selbst festlegt.

  • Gebraucht hat es die gesetzliche Änderung sicher nicht (auch vor dieser war ein quotenloser Erbschein ja (theoretisch) bereits möglich).

    Und natürlich, ist ein Erbschein mit Quoten grds. sinnvoller. Wenn ich hier überhaupt "berate", dann immer zu einem Erbschein mit Quoten.

    Ich wollte nur aufzeigen, dass es Situationen gibt, in denen ein Erbschein ohne Quoten (im Ausnahmefall) auch seine Berechtigung haben kann.

    Und dass die Möglichkeit zur Quotenfreiheit jetzt gesetztlich normiert wurde, und somit die vorherige Rechtsprechung, Kommentierung und Literatur umgesetzt wurde, finde ich nicht so schlimm, wie manch anderes was sich unsere lieber Herr Gesetzgeber leistet. Man kann ja schon froh über jeder Gesetzänderung sein, die den Status Quo nicht verschlimmert... Leider ist es auch ein Armutszeugnis für den Gesetzgeber, dass man mit Gesetzesänderungen, die nichts verschimmern schon fast zufrieden sein muss... :roll:

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  • Sinnvoll kann ein quotenloser Erbschein ggf. auch sein, wenn die Erben überhaupt erstmal einen Nachweis benötigen, um schnell (!) an Informationen zum Nachlass zu kommen, also sogar noch vor der von TL angedachten Verfügung über den Nachlass.

    Oder bei Teilungsanordnung wo es müssig wäre sich darüber Gedanken zu machen was genau welchen Bruchteil ausmacht, so lange klar ist, dass es sich um Erbeinsetzungen handelt.


    So ist es. Hab ich gestern auch beurkundet. Zwei Erben. Testament mit Teilungsanordnung. Sie wollten sich partout nicht auf je 1/2 einigen und wollten dann gar keine Quote. Sie müssen ohnehin zum Notar, weil der Nachlass aus mehreren Grundstücken besteht, die den jeweiligen Erben laut Teilungsanordnung zugedacht sind.
    Und das fand ich dann sehr vernünftig! -im Gegensatz zu Cromwell- Warum soll man sich da über die Quote streiten, wenn sowieso eine Erbauseinandersetzung beim Notar erfolgen muss? Hier waren es nur zwei Erben. Ich hatte auch schon Testamente mit mehreren Erben (nicht Vermächtnisnehmer) und einer genauen Teilungsanordnung. Keiner konnte es so richtig beziffern, wer wieviel erbt und welche Quote dabei "herauskommt". Darüber braucht man sich dann beim quotenlosen Erbschein keinen Kopf zerbrechen. Ich finde das prima.

    Esra 7, Vers 25
    Du aber, Esra, setze nach der Weisheit deines Gottes, die in deiner Hand ist, Richter und Rechtspfleger ein, die allem Volk jenseits des Euphrat Recht sprechen, nämlich allen, die das Gesetz deines Gottes kennen; und wer es nicht kennt, den sollt ihr es lehren.

    Einmal editiert, zuletzt von PuCo (10. November 2017 um 10:47)

  • So ist es. Hab ich gestern auch beurkundet. Zwei Erben. Testament mit Teilungsanordnung. Sie wollten sich partout nicht auf je 1/2 einigen und wollten dann gar keine Quote. Sie müssen ohnehin zum Notar, weil der Nachlass aus mehreren Grundstücken besteht, die den jeweiligen Erben laut Teilungsanordnung zugedacht sind.
    Und das fand ich dann sehr vernünftig! -im Gegensatz zu Cromwell- Warum soll man sich da über die Quote streiten, wenn sowieso eine Erbauseinandersetzung beim Notar erfolgen muss? Hier waren es nur zwei Erben. Ich hatte auch schon Testamente mit mehreren Erben (nicht Vermächtnisnehmer) und einer genauen Teilungsanordnung. Keiner konnte es so richtig beziffern, wer wieviel erbt und welche Quote dabei "herauskommt". Darüber braucht man sich dann beim quotenlosen Erbschein keinen Kopf zerbrechen. Ich finde das prima.


    Und was ist mit dem Rest des Nachlasses, der nicht zugewiesen ist? Darüber hinaus muß man sich irgendwann auch eine Meinung dazu bilden, ob - wenn die zugewiesenen Grundstücke nicht genau gleich viel Wert sind - es sich insoweit für den, der mehr bekommt, insoweit um Vorausvermächtnisse handelt oder ob ausgegleichen werden muss. Für beides muß ich wissen, zu welchem Anteil die Betroffenen Erben geworden sind, denn sonst weiß ich nicht, ob die ungleiche Verteilung aus der Teilungsanordnung den Erbquoten entspricht oder nicht. Man schiebt das Problem also nur vor sich her.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • In meinem Fall ist der Erbschein sinnvoll, weil sich die Beteiligten über die Verteilung einig sind, das OLG aber in der ersten Runde sinngemäß gesagt hat: So gibt es den Erbschein nicht, wie es richtig wäre, muss ich nicht entscheiden...

    PS: Ich wurde dann stutzig, als der Notar Zustimmungen aller Miterben wollte, die alle sonstwo wohnen.

  • So ist es. Hab ich gestern auch beurkundet. Zwei Erben. Testament mit Teilungsanordnung. Sie wollten sich partout nicht auf je 1/2 einigen und wollten dann gar keine Quote. Sie müssen ohnehin zum Notar, weil der Nachlass aus mehreren Grundstücken besteht, die den jeweiligen Erben laut Teilungsanordnung zugedacht sind.
    Und das fand ich dann sehr vernünftig! -im Gegensatz zu Cromwell- Warum soll man sich da über die Quote streiten, wenn sowieso eine Erbauseinandersetzung beim Notar erfolgen muss? Hier waren es nur zwei Erben. Ich hatte auch schon Testamente mit mehreren Erben (nicht Vermächtnisnehmer) und einer genauen Teilungsanordnung. Keiner konnte es so richtig beziffern, wer wieviel erbt und welche Quote dabei "herauskommt". Darüber braucht man sich dann beim quotenlosen Erbschein keinen Kopf zerbrechen. Ich finde das prima.


    Und was ist mit dem Rest des Nachlasses, der nicht zugewiesen ist? Darüber hinaus muß man sich irgendwann auch eine Meinung dazu bilden, ob - wenn die zugewiesenen Grundstücke nicht genau gleich viel Wert sind - es sich insoweit für den, der mehr bekommt, insoweit um Vorausvermächtnisse handelt oder ob ausgegleichen werden muss. Für beides muß ich wissen, zu welchem Anteil die Betroffenen Erben geworden sind, denn sonst weiß ich nicht, ob die ungleiche Verteilung aus der Teilungsanordnung den Erbquoten entspricht oder nicht. Man schiebt das Problem also nur vor sich her.

    Die Erben sind sich einig und machen beim Notar einen Auseinandersetzungsvertrag. Es geht um Konten, Geschäftsanteile und Grundstücke. Der Erblasser/Testator hat es genau aufgelistet, wer was bekommt. Ein Vertragsentwurf lag mir vor. Sie wollten sich partout nicht auf Quoten einigen.
    Ich habe das auch erst zwei Mal gemacht. Sonst wirke ich darauf hin, dass sie sich festlegen. Es ist also nicht die Regel, sondern die absolute Ausnahme. Und das nicht, weil zu faul bin oder keine Lust habe, sondern weil sie sich nicht einigen konnten. Mir soll es im Ergebnis auch egal sein, weil ich über den Antrag nicht entscheide. Mir macht dieser Antrag sogar viel mehr Arbeit, weil ich es begründen muss bzw. von mir aus mache. Es geht schneller und einfache je zu 1/2 hinzuschreiben. Soviel dazu, was keine Arbeit macht.
    Sagt sich so leicht, wenn man fernab der Praxis ist...

    Esra 7, Vers 25
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  • Sagt sich so leicht, wenn man fernab der Praxis ist...


    Bin ich eigentlich nicht. :gruebel:

    Hab ich auch nicht gemeint. Du hast ja auch nicht geschrieben, dass man es so macht, wie es keine Arbeit bereitet.

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    Du aber, Esra, setze nach der Weisheit deines Gottes, die in deiner Hand ist, Richter und Rechtspfleger ein, die allem Volk jenseits des Euphrat Recht sprechen, nämlich allen, die das Gesetz deines Gottes kennen; und wer es nicht kennt, den sollt ihr es lehren.

    2 Mal editiert, zuletzt von PuCo (10. November 2017 um 12:42)

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