Nachlasspfleger 175 € 120 Stunden

  • In einem Erbprätendentenstreit wurde auf meinen Antrag ein Nachlasspfleger (Rechtsanwalt) bestellt. Es gibt Geld, ein Hausgrundstück und eine laufende Klage, die von einem anderen Rechtsanwalt geführt wird. Zudem war der Nachlasspfleger in der Wohnung und hat nach Schriftproben gesucht.

    Jetzt kam die Abrechnung: 120 Stunden a 175 € netto. Das AG Schöneberg hat einen anderen Rechtsanwalt zum Ergänzungspfleger bestellt. Der hat keine Einwendungen erhoben. Die Vergütung wurde genehmigt. Die Stundenaufstellung ging nicht an die Erbprätendenten.

    Ich hätte jetzt gerne eine Einschätzung, ob die Vergütung plausibel sein kann.

  • Es gibt bislang kein OLG, das jemals einen höheren Nettostundensatz als 130 € bewilligt hätte:

    ● OLG Brandenburg Rpfleger 2011, 328 LS = FamRZ 2011, 926 = ZEV 2010, 637: Nettostundensatz von 130,00 € für anwaltlichen Nachlasspfleger bei besonderer Schwierigkeit der Pflegergeschäfte.

    ● OLG Köln FamRZ 2013, 1837 = openJur 2013, 27758: Nettostundensatz von 130,00 € für anwaltlichen Nachlasspfleger bei besonderer Schwierigkeit der Pflegergeschäfte.

    ● OLG Düsseldorf, Beschl. v. 02.07.2013, Az. I-25 Wx 29/13: Nettostundensatz von 130,00 € bei besonderer Schwierigkeit der Geschäfte für anwaltlichen Nachlassverwalter.

    ● OLG München, Beschl. v. 16.03.2015, Az. 31 Wx 81/14: Nettostundensatz von 130 € für einen anwaltlichen Nachlasspfleger bei besonderer Schwierigkeit der Pflegergeschäfte.



    Also: Keine ausreichende Anhörung der Erben, Ergänzungspfleger statt Verfahrenspfleger und eine utopisch hohe Vergütung außerhalb jeder rechtlichen Akzeptanz.

    Zudem erscheint zweifelhaft, ob selbst der Nettostundensatz von 130 € angemessen wäre oder ob hier nicht eine durchschnittliche Abwicklung vorliegt (110 €).

    Hier bleibt also nur die Beschwerde, deren Begründung sich auch mit dem geltend gemachten Zeitaufwand auseinandersetzen sollte, wozu man natürlich erst einmal die Stundenliste des Pflegers braucht. Aber die Beschwerdefrist ist natürlich gleichwohl einzuhalten. Die Begründung (oder deren Ergänzung) kann man dann auch nachreichen.

  • War es nicht so, dass die Gerichte entschieden hatten, dass € 130,00 nicht zuviel ist.
    Hatten die Nachlasspfleger mehr beantragt als € 130,00? Wurden Sie durch die Gerichte auf € 130,00 "zurückgepfiffen".
    Oder hatten nicht vielmehr die Nachlasspfleger € 130,00 beantragt und die Erben/Teilnachlasspfleger/Ergänzungspfleger/Verfahrenspfleger waren der Meinung, dass € 130,00 Zuviel sei und hatten deshalb Beschwerde eingelegt?

    Die Verfahrensfehler (Nichtvorlage der Stundenaufstellung als Grundlage für die Vergütungsberechnung und Nichtanhörung der bekannten Erben) wiegen natürlich schwer, ändern aber an der Höhe des zur Festsetzung beantragten Stundensatzes nichts.

    Wäre gut, wenn man gegen den Beschluss in die Beschwerde ginge und sich die Obergerichte endlich einmal mit einem so hohen Stundensatz beschäftigen müssten.
    Ich bin mir nicht sicher, ob sie den Stundensatz an sich bei einem besonders schweren Fall -im Hinblick auf das mögliche Anwaltshonorar bei Stundenvereinbarung- beanstanden würden.

  • So und wenn man den von Cromwell zitierten Fall des OLG München sich anschaut, muss man hinlängst schon anhand der hier vorhandenen Informationen über den Nachlassfall bezweifeln, ob nicht 110,- EUR netto pro Stunde sogar zu viel ist. Also plausibel kann die Abrechnung - zumindest anhand, was bisher geschildert wurde - im besten Fall nicht sein.

  • da kann ich noch Kammergericht mit € 140,00 netto anbieten: Beschluss vom 10.07.2015, 6 W 65/15
    mit ziemlich lapidarer Begründung

  • Dagegen biete ich mein eigenes Rechtsempfinden an, dass es doch wohl nicht sein kann, dass jmd. eine Vergütung für etwas verlangt, die in der Weise völlig überzogen ist. Wenn's geht bietet der Nachlasspfleger anschließend in der Gegendarstellung an, dass doch alles so rechtlich schwierig war...

  • da kann ich noch Kammergericht mit € 140,00 netto anbieten: Beschluss vom 10.07.2015, 6 W 65/15
    mit ziemlich lapidarer Begründung

    Ist offenbar nicht veröffentlicht.

    Kann die Entscheidung mit vollem Wortlaut hier eingestellt werden?


    das lohnt sich nicht: wird abgestellt auf den Einzelfall ohne weiter Begründung und darauf hingewiesen, dass der Pfleger mehrere Grundstücke in der Verwaltung hatte (allerdings durch Dritte verwaltet) und sich daraus ein höheres Haftungsrisiko ergäbe. Das kannste praktisch auf alles oder nichts anwenden.

  • Ich habe die Stundenaufstellung jetzt gesehen. Da gibt es einen Teil mit Angaben zu Daten, bei denen unter den Kürzeln "aS" = ausgehendes Schreiben immer 5 oder 15 Minuten stehen. Dann gibt es noch "eS" = eingehendes Schreiben mit 5, 10 oder 15 Minuten. Das sieht mir alles nach einer großzügigen Aufrundung aus. Ich arbeite hier mit tatsächlichen Zeiten und da kann es auch mal sein, dass ich nur 1-3 Minuten für ein Schreiben brauche.

    Und dann gibt es Positionen ohne Datumsangabe, z.B. 70 Kontoauszüge sichten a 8 Minuten = 560 Minuten (ähnlich mit weiteren Auszügen). Schön ist auch das folgende alles unter einem Datum: 1. Bericht (16-seitig) 1.200 Minuten, Vermögensverzeichnis 600 Minuten, 6. Kontoabrechnungen 1.620 Minuten. In dem Bericht steht übrigens ein Haufen Zeug zu den verschiedenen Testamenten, was den Nachlasspfleger m.E. nichts angeht, sondern Sache des Richters und der Beteiligten im Erbprätendentenstreit ist.

  • Unfassbar!

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Also waren meine anfänglichen Zweifel an der Richtigkeit der Rechnungsaufstellung anhand der knappen Informationen bereits berechtigt. Mal wieder ein Beispiel für ein offensichtlich "schwarzes Schaf" unter den vielen guten Kolleginnen und Kollegen an den sich bis dato wohl keiner der Beteiligten - vor allem wohl das Gericht - die Finger verbrennen oder gar Arbeit damit haben wollte...Macht ja auch nix, ist schließlich nur Geld Anderer...

    Eine Beschwerdebegründung dürfte demnach wohl nicht mehr schwer fallen, ich bin gespannt, was das Beschwerdegericht daraus macht...

  • wäre hier wahrscheinlich - je nach Beurteilung der ganzen Akte- als normaler Fall mit deutlich unter dem angegebenen Stundensatz bezahlt worden.

    Denn:
    Rechtsstreit wird von einem anderen Anwalt geführt.
    Haus ist bei einer Nachlasspflegschaft -hier- ohne weitere Vorgänge nichts Besonderes, sofern dies keine Probleme mit sich bringt.
    Nach Schriftproben suchen- gehört zur Sichtung des Nachlasses, dabei sollte so was eh in die Hände fallen und erhöht den Stundensatz selbst dann nicht wenn extra gesucht wird- für eine Stunde suchen nach dem normalen Stundensatz ist dieser Bezahlung genug.

  • Es ist nicht nur der Stundensatz. Auch 1200 Minuten (=20 Std.) für das Verfassen eines Berichts und 10 Std. für ein Vermögensverzeichnis lassen staunen. Einem erfahrenen NP (der deshalb auch mehr als 33,50 verlangen darf) sollte das schneller von der Hand gehen.

  • Lt. #12 wurden also an einem Tag (20+10+27=) 57 Stunden Arbeitsleistung erbracht...:eek:

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • carlson:

    Richtig! Wer so einen Stundensatz hat, der muss eben etwas schneller arbeiten. Klar ist jedenfalls, dass ich noch nie volle 20 Stunden (= ca. 2,5 Arbeitstage am Stück) an einem Erstbericht und weitere 10 Stunden (!!) an dem Nachlassverzeichnis gesessen bin...das muss schon ein wirklich außergewöhnlicher Fall sein.

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    Einmal editiert, zuletzt von TL (4. Dezember 2017 um 19:21)

  • Lt. #12 wurden also an einem Tag (20+10+27=) 57 Stunden Arbeitsleistung erbracht...:eek:



    Kann Nachlasspfleger nicht auch die Zeiten seiner Hilfspersonen abrechnen? Wurde hier schon mehrfach diskutiert?

  • Dann muss er dies aber deklarieren, weil das Gericht die umstrittene Frage zu entscheiden hat, mit welchem Stundensatz die Tätigkeit der Hilfskraft vergütet werden kann. Wer nichts deklariert, erklärt somit inzident, dass es sich um von ihm selbst erbrachte Tätigkeiten handelt und das ist im vorliegenden zeitlichen Kontext ein Ding der Unmöglichkeit.

    Ich möchte nicht in der Haut des Kollegen stecken. Eine ganz offensichtlich überhöhte Vergütung trotz der geschilderten schwerwiegenden Mängel der Zeitaufstellung gleichwohl festzusetzen, kann den Tatbestand der Untreue erfüllen.

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