Nachlasspflegschaft anordnen?

  • @Yarra: Einwand zur Kenntnis genommen. Bei deinem Beispielsfall, sind wir jedoch nicht mehr bei meinem Ausgangsfall.

    Abschließende Frage:

    Ordnet ihr auf Antrag des Vermieters eine Teil-Nachlasspflegschaft an, wenn von zwei potentiellen Erben nur einer die Erbschaftsannahme erklärt, der zweite in keinster Weise reagiert?

    Einmal editiert, zuletzt von XXX (22. November 2017 um 17:22)

  • Ich würde als Nachlassgläubiger gegen einen ablehnenden Beschluss des Nachlassgerichts ins Rechtsmittel gehen und mir die Anordnung der Nachlasspflegschaft über das OLG holen. Die Vorraussetzungen der Anordnung einer Nachlasspflegschaft auf Gläubigerantrag ergeben sich so eindeutig aus dem Gesetzeswortlaut und können in jedem Handbuch zur Nachlasspflegschaft nachgelesen werden.

    Eindeutiger Tenor in allen Handbüchern: keinerlei Ermessen des Nachlassgerichts! Und kein Sicerungsbedürfnis. Ungewissheit des Gläubigers über die Erbschaftsannahme reicht.


    Gut, dann bitte ich noch einmal um klarstellende Bestätigung:

    In einem Nachlassverfahren habe ich nur einen inländischen Erben bzw. ggf. mehrere. Ausschlagungen liegen bislang nicht vor. Es meldet sich zwei Wochen nach dem Tod ein Gläubiger, der eine Forderung gegen den Verstorbenen hatte.

    Hier darf ich also nicht die Namen und Anschrift der potentiellen Erben mitteilen (wie eigentlich üblich), sondern muss wegen des Gläubigerantrages sofort eine Nachlasspflegschaft anordnen? :gruebel:

  • Was heißt denn "in keinster Weise reagiert"?


    :gruebel:
    Soll heißen: Der zweite potentielle Miterbe wird vom Nachlassgericht und dem Vermieter angeschrieben, sich zur Erbschaftsannahme zu äußern und reagiert nicht.

    Die Kündigung der Wohnung kann nur durch alle Erben erklärt werden, somit müßte ein Teil-Nachlasspfleger bestellt werden, der bei der Kündigung mitwirkt, korrekt?

  • Die Erben sind nicht unbekannt, also keine NLP.

    Kenntnis vom Anfall der Erbschaft und dem Grund der Berufung dürfte der zweite Erbe erlangt haben, die Frist zur Erbausschlagung also auch in Gang gesetzt worden sein. Zur Annahme der Erbschaft reicht das Verstreichenlassen der Erbausschlagungsfrist aus (ob das hier der Fall ist, gibt der SV nicht her). Einer ausdrücklichen Annahmeerklärung bedarf es jedenfalls nicht. Gegenüber dem NLG müsste er sich nur dann erklären, wenn er die Erbschaft ausschlagen oder eine Anfechtungserklärung abgeben will.

  • Da muss man je nach Einzelfall entscheiden.

    Im Ausgangsfall lebt der Erbe im Ausland und ist "nur" ein Erbe der 2. Ordnung.

    Wenn Erben die im Inland lebenden Kinder sind, die über den Erbfall informiert sind, kann man grundsätzlich erwarten, dass diese sich auch kümmern, und man nur Maßnahmen ergreifen muss, wenn diese ausschlagen.

    Wenn die Erben im Ausland leben, kann es viel länger dauern, bis diese sich kümmern (können). In dieser Zeit muss das Nachlassgericht das erforderliche veranlassen.

  • Da muss man je nach Einzelfall entscheiden.

    Das ist eine völlig zutreffende Aussage. So sehe ich das auch.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, 4. Auflage, Rd-Nr. 68 ff., III. Voraussetzungen der Prozesspflegschaft (§ 1961 BGB):

    - Nur auf Antrag eines Gläubigers
    - Kein Ermessen des Nachlassgerichts
    - Kein Fürsorgebedürfnis (aber Rechtschutzbedürfnis)
    - Erbe ist bekannt, hat aber die Erbschaft noch nicht angenommen oder Erbe ist unbekannt oder es ist ungewiss, ob der Erbe die Erbschaft angenommen hat

    Schulz, Handbuch der Nachlasspflegschaft, 2. Auflage, Rd-Nr. 21 ff., II. Prozesspflegschaft, § 1961 BGB:

    ... Rechtsverfolgung durch einen Nachlassgläubiger ... kommt es auf dessen Kenntnisstand an.

    Ist dem Nachlassgläubiger lediglich die Anschrift des Erben unbekannt, der die Erbschaft angenommen hat, kommt eine Nachlasspflegschaft nicht in Betracht.

    Kann der Nachlassgläubiger ohne einen Nachlasspfleger seine Rechte nicht verfolgen, kann davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen zur Bestellung eines Nachlasspflegers im Übrigen vorliegen.

    Jochum/Pohl, Nachlasspflegschaft, 5. Auflage, Rd-Nr. 19 ff., 2. Prozesspflegschaft:

    ... so muss das Nachlassgericht die Nachlasspflegschaft anordnen und hat entgegen § 1960 BGB keinen Ermessensspielraum.

    ... Mussvorschrift. Das Nachlassgericht hat in den Fällen des § 1960 Absatz 1 einen Nachlasspfleger zu bestellen, ... nur dann zulässig ist, wenn die Erben unbekannt sind.

    Mehr Fundstellen, die für die Pflicht zur Anordnung einer Nachlasspflegschaft auf Antrag eines Gläubigers sprechen, habe ich leider nicht finden können.

  • Schulz, Handbuch der Nachlasspflegschaft, 2. Auflage, Rd-Nr. 21 ff., II. Prozesspflegschaft, § 1961 BGB: ...

    Kann der Nachlassgläubiger ohne einen Nachlasspfleger seine Rechte nicht verfolgen, kann davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen zur Bestellung eines Nachlasspflegers im Übrigen vorliegen.

    Diesen Satz bitte ganz dick hervorheben. Es gibt leider immer noch eine vielzahl von Rechtspflegern, die der Meinung sind, nur wegen einem läpischen Gläubigerinteresse muss man nicht tätig werden.

    Vielen Dank dem Handbuch und Dir Yarra, der nochmaligen Verdeutlichung.

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  • Schulz, Handbuch der Nachlasspflegschaft, 2. Auflage, Rd-Nr. 21 ff., II. Prozesspflegschaft, § 1961 BGB: ...

    Kann der Nachlassgläubiger ohne einen Nachlasspfleger seine Rechte nicht verfolgen, kann davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen zur Bestellung eines Nachlasspflegers im Übrigen vorliegen.

    Diesen Satz bitte ganz dick hervorheben. Es gibt leider immer noch eine vielzahl von Rechtspflegern, die der Meinung sind, nur wegen einem läpischen Gläubigerinteresse muss man nicht tätig werden.

    Vielen Dank dem Handbuch und Dir Yarra, der nochmaligen Verdeutlichung.


    Im Kontrast dazu steht allerdings der vorherige Satz der Kommentierung:

    "Ist dem Nachlassgläubiger lediglich die Anschrift des Erben unbekannt, der die Erbschaft angenommen hat, kommt eine Nachlasspflegschaft nicht in Betracht."

    Letztlich hieße dass, wenn dem Nachlassgläubiger bekannt ist, dass Alleinerbe seine (verstorbenen) Schuldners Max Meier wurde, ihm aber dessen Anschrift fehlt, eine Nachlasspflegschaft nicht anzuordnen ist. :gruebel:

  • Das hängt damit zusammen, dass man stets unterscheiden muss, ob der Erben unbekannt ist oder der Erbe unbekannten Aufenthaltes ist. Das ist ein wesentlicher Unterschied.

    Bei unbekanntem Erben kann eine Nachlasspflegschaft angeordnet werden.

    Bei einem Erben unbekannten Aufenthalts kommt lediglich eine Abwesenheitspflegschaft nach § 1911 BGB für den an sich bekannten aber eben unbekannt abwesenden Erben in Betracht.

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  • Im Kontrast dazu steht allerdings der vorherige Satz der Kommentierung:

    "Ist dem Nachlassgläubiger lediglich die Anschrift des Erben unbekannt, der die Erbschaft angenommen hat, kommt eine Nachlasspflegschaft nicht in Betracht."

    Letztlich hieße dass, wenn dem Nachlassgläubiger bekannt ist, dass Alleinerbe seine (verstorbenen) Schuldners Max Meier wurde, ihm aber dessen Anschrift fehlt, eine Nachlasspflegschaft nicht anzuordnen ist. :gruebel:

    Das stimmt für den Erben, der nach Annahme der Erbschaft unbekannt verzogen ist. Dann kommt (und so hat es hoffentlich auch TL gemeint) nur Abwesenheitspflegschaft in Frage.

    Für den Vielleicht-Erben, dessen Aufenthalt beim Erbfall schon nicht bekannt war und für den mangels Kenntnis die Ausschlagungsfrist noch nicht angelaufen ist, kann man sehr wohl NP anordnen, wegen § 1960 BGB " ... oder wenn ungewiss ist, ob er die Erbschaft angenommen hat."

    Das sind doch die typischen Fälle, wo man weiß (oder erzählt bekommt) dass es ein Kind gibt, das seit 20 Jahren keinen Kontakt mehr zum Erblasser hatte oder einen Neffen in Litauen oder die alte Mutter in Griechenland noch leben soll oder ... - und es sehr ungewiss ist, ob irgend jemand diese Erbschaft annehmen wird.

  • Du ordnest nach Antrag also sofort Nachlasspflegschaft an, ohne Anhörung der Beteiligten gem. Par. 7 und Par. 23 FamFG ?

  • carlson: Meine Stellungnahme war insoweit eindeutig als dass man nur zwischen "Erbe ist unbekannt" (= es fehlt an der Annahme der Erbschaft) und "Erbe ist bekannt" (Erbschaft ist angenommen) differenzieren muss.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Aufgrund der zutreffenden Ausführungen von TL halte ich den letzten Satz der zitierten Kommentierung für mindestens missverständlich.

    Dieser erweckt nämlich den Eindruck, dass man auch bei bekanntem Erben (mit dem man jedoch mangels Adresse nicht in Kontakt treten kann) die Voraussetzungen für die Bestellung eines Nachlasspflegers vorlägen.

  • Erbe unbekannt oder ungewiss, ob der Erbe die Erbschaft angenommen hat: Nachlasspflegschaft

    Erbe bekannt (Gewissheit, dass der Erbe die Erbschaft angenommen hat) und Aufenthaltsort unbekannt: Abwesenheitspflegschaft.

  • ...und über all dem steht m.E. allein schon der Sicherungsgedanke aus § 1960 Abs. 1 BGB, soweit es sich bei dem Gläubiger um einen Vermieter handelt. Wenn ich die Voraussetzungen des § 1961 BGB in diesem konkreten Fall bejahe, wieso sollte ich dann schon nicht von Amts wegen - mit größerem Aufgabenkreis - Nachlasspflegschaft anordnen können?! Oder sind wir schon zum Hellseher auferstanden und können in die Wohnungen vorher reinschauen und das Vorhandensein eines sicherungsbedürftigen Nachlasses immer ausschließen? Ich verstehe daher die Diskussionen um § 1961 BGB in Bezug auf einen Vermieter ehrlich gesagt nicht so ganz.

  • ...und über all dem steht m.E. allein schon der Sicherungsgedanke aus § 1960 Abs. 1 BGB, soweit es sich bei dem Gläubiger um einen Vermieter handelt. Wenn ich die Voraussetzungen des § 1961 BGB in diesem konkreten Fall bejahe, wieso sollte ich dann schon nicht von Amts wegen - mit größerem Aufgabenkreis - Nachlasspflegschaft anordnen können?! Oder sind wir schon zum Hellseher auferstanden und können in die Wohnungen vorher reinschauen und das Vorhandensein eines sicherungsbedürftigen Nachlasses immer ausschließen? Ich verstehe daher die Diskussionen um § 1961 BGB in Bezug auf einen Vermieter ehrlich gesagt nicht so ganz.


    Auch wenn der Vermieter der Gläubiger ist, muss man - wie in den Beiträgen 32 und 37 zutreffend erwähnt - trotzdem konkret prüfen, ob der Erbe tatsächlich unbekannt oder nur unbekannten Aufenthaltes ist.

  • ...was ohnehin Voraussetzung des § 1960 Abs. 1 BGB ist, um überhaupt als NachlassG tätig zu werden. Wenn aber bereits die Kriterien nach § 1960 Abs. 1 BGB erfüllt sind, dann brauche ich m.E. erst recht nicht mehr über das mögliche Rechtsschutzinteresse eines Gläubigers zur Anordnung einer Nachlasspflegschaft nach § 1961 BGB nachdenken. Fakt ist in solchen Fällen - Ich habe einen Erblasser, dessen Erben sind unbekannt und ein Sicherungsbedürfnis am vorhandenen Nachlass, weil ich nicht weiß, ob Vermögensgegenstände sich in der Wohnung befinden. Dass ich daneben zugleich das Mietverhältnis zum Vermieter abwickeln kann, ist dann eben ein schöner Nebeneffekt.

    Ich kann jedenfalls aus Erfahrung sagen, dass min. bei 1 von 5 solcher Pflegschaften ein so vermögender Nachlass in der Wohnung des Erblassers vorhanden war, dass ich schon im Nachhinein gedacht habe, wie gut es doch ist ein solchen Ablaufplan zu haben. Und in den anderen 4 Pflegschaften war dies in der Regel ebenso keine vergebene Liebesmühen, als ich die Folgeverfahren (Ausschlagung, Anfechtung etc.) damit relativ schnell beenden konnte und ein "sauberer" Abschluss in der Feststellung eines (nicht mehr vorhandenen) Sicherungsbedürfnisses des Nachlasses erfolgen konnte.

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