Mehrere Angelegenheiten

  • Hallo, ich brauche mal ein paar Gedankenanstöße.

    Dem Antragteller wurde Beratungshilfe für einen Antrag auf Leistungen nach SGB II bewilligt.
    War kein 0-8-15 Antrag. Der Antrag beim Jobcenter wurde dann abgelehnt.
    Nun möchte der Antragsteller Beratungshilfe für das Widerspruchsverfahren.
    Ich war bisher immer davon ausgegangen, dass es sich hierbei noch um die gleiche Angelegenheit handelt.
    Der RA verweist auf §17 Nr. 1a RVG.
    Wie verfahrt ihr bei solchen Anträgen?


  • Aus Beratungshilfesicht ist es möglicherweise weiterhin dieselbe Angelegenheit.

    In gebührenrechtlicher Sicht ist es eine neue Angelegenheit.

    Die Definition der "Angelegenheit" aus dem Gebührenrecht entspricht nicht der durch Literatur und Rechtsprechung entwickelten drei Punkte für die Annahme derselben Angelegenheit, als da wären:

    - einheitlicher Auftrag
    - innerer, inhaltlicher Zusammenhang
    - Gleicher Rahmen/Gleichartigkeit des Verfahrens.

    Je nachdem, wie man den Begriff des "gleichen Rahmens" definiert, könnte auch aus beratungshilferechtlicher Sicht eine neue Angelegenheit vorliegen, da das Widerspruchsverfahren nicht das Antragsverfahren darstellt, mithin andere verfahrensrechtliche Vorschriften zu beachten sind.
    Allerdings handelt es sich weiterhin um Fragen, die für den Bezug der Leistungen nach dem SGB II beachtlich sind, so dass der (materiellrechtliche) Rahmen von Antrags- und Widerspruchsverfahren identisch ist.

    Meines Erachtens handelt es sich damit also beratungshilferechtlich um dieselbe Angelegenheit (kein neuer Schein).
    Gebührenrechtlich liegt unstreitig eine neue Angelegenheit vor, so dass der RA hier auf den bereits erteilten Schein erneut abrechnen kann.

    Wer "A" sagt, muss nicht auch "B" sagen. Er kann auch feststellen, dass "A" falsch war oder es auch noch "C" gibt.

    Wir Zauberer wissen über sowas Bescheid!

  • @ Atze: Das Jobcenter wollt den A-steller auf einen Rückübertragungsanspruch als verwertbares Vermögen verweisen.

    @ Patweazle: Danke, das hilft mir weiter.

  • Hallöchen, ich habe hier auch ein Problem mit der Anzahl der Angelegenheiten:

    Mein Antragsteller hat wegen fehlender Mitwirkung zu lang Kindergeld kassiert und daher Schulden bei der Familienkasse (21.000 €). Weil er die nicht zahlen kann, ist er zur Anwältin.
    Die hat dann einen Antrag auf Teilerlass gestellt, der abgelehnt wurde. Gegen die Ablehnung hat sie Einspruch eingelegt.

    Beratungshilfe will sie für das Einspruchsverfahren, nachdem ich darauf hingewiesen habe, dass es für Ratenvereinbarungen nichts gibt. (In dem Antrag stand ursprünglich, dass Beratungshilfe für eine Ratenvereinbarung beantragt wird.)
    Der Antrag wegen des Erlassantrags wäre eh verspätet. Der Einspruch liegt innerhalb der 4-Wochen-Frist.

    Ich habe zurückgewiesen, weil das für mich eine Angelegenheit ist und damit der .Antrag insgesamt verspätet ist. Nun hat die Anwältin Erinnerung eingelegt mit der Begründung, dass das gebührenrechtlich zwei Sachen sind. Da hat sie dummerweise recht. Aber im beratungshilferechtlichen Sinne? :gruebel:
    Außerdem seien rechtliche Probleme gegeben: Es sei zu prüfen, ob persönliche Unbilligkeitsgründe, Erlasswürdigkeit und Erlassbedürftigkeit vorliegen.

    Ich würde ja gern bei meiner Entscheidung bleiben (zumal ich mich auch ein wenig veräppelt fühle, weil die Anwältin offenbar die Angelegenheit meiner Beanstandung angepasst hat).
    Wie seht ihr das?

    geändert, weil heute etwas matschig im Kopf...

    Einmal editiert, zuletzt von Allizze (6. August 2019 um 16:35)

  • Hallöchen, ich habe hier auch ein Problem mit der Anzahl der Angelegenheiten:

    Mein Antragsteller hat wegen fehlender Mitwirkung zu lang Kindergeld kassiert und daher Schulden bei der Familienkasse (21.000 €). Weil er die nicht zahlen kann, ist er zur Anwältin. Die hat dann ein Ratenzahlungsgesuch gestellt, das abgelehnt wurde. Gegen die Ablehnung hat sie Einspruch eingelegt.

    Beratungshilfe will sie für das Einspruchsverfahren, nachdem ich darauf hingewiesen habe, dass es für Ratenvereinbarungen nichts gibt.
    (Der Antrag wegen der Raten wäre eh verspätet. Der Einspruch liegt innerhalb der 4-Wochen-Frist.)

    Ich habe zurückgewiesen, weil das für mich eine Angelegenheit ist. Nun hat sie Erinnerung eingelegt mit der Begründung, dass das gebührenrechtlich zwei Sachen sind. Da hat sie dummerweise recht. Aber im beratungshilferechtlichen Sinne? :gruebel: Außerdem seien rechtliche Probleme gegeben: Es sei zu prüfen, ob persönliche Unbilligkeitsgründe, Erlasswürdigkeit und Erlassbedürftigkeit vorliegen.

    Ich würde ja gern bei meiner Entscheidung bleiben (zumal ich mich auch ein wenig veräppelt fühle, weil die Anwältin offenbar die Angelegenheit meiner Beanstandung angepasst hat).
    Wie seht ihr das?

    Bei normalen Verhandlungen wegen Stundung/ Ratenvereinbarung bewillige ich keine Beratungshilfe.
    Wenn der Gegner eine Behörde ist, gibt es in aller Regel gesetzliche Vorgaben welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen. Deshalb bejahe ich das Vorliegen eines rechtlichen Problems.

    Ich verneine aber nur dann das Vorliegen von Mutwilligkeit, wenn es um ein Rechtsmittel gegen einen Bescheid geht. Für einen "Erstantrag" bewillige ich keine Beratungshilfe, weil es dabei ja keine Kostenerstattung durch die Behörde gibt.

    Also ich würde der erinnerung abhelfen. Du kannst aber auch einfach schauen, was der Richter daraus macht.

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

  • Bei normalen Verhandlungen wegen Stundung/ Ratenvereinbarung bewillige ich keine Beratungshilfe.
    Wenn der Gegner eine Behörde ist, gibt es in aller Regel gesetzliche Vorgaben welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen. Deshalb bejahe ich das Vorliegen eines rechtlichen Problems.

    Ich verneine aber nur dann das Vorliegen von Mutwilligkeit, wenn es um ein Rechtsmittel gegen einen Bescheid geht. Für einen "Erstantrag" bewillige ich keine Beratungshilfe, weil es dabei ja keine Kostenerstattung durch die Behörde gibt.

    Also ich würde der erinnerung abhelfen. Du kannst aber auch einfach schauen, was der Richter daraus macht.

    Ich bin nicht ganz sicher, ob ich dich richtig verstehe (liegt vielleicht auch an der Wärme hier) :oops:
    Für ein Ratengesuch gegenüber einer Behörde hättest du Beratungshilfe gegeben? Oder eben nicht, weil es zunächst mal kein Rechtbehelfsverfahren ist?

    An der Stelle muss ich mich übrigens korrigieren: Es war kein Ratengesuch, sondern ein Antrag auf Teilerlass. Ich ändere das im früheren Post.

    Also, die Anwältin hat einen Antrag auf Teilerlass gestellt. Dieser wurde abgelehnt, weil die Erlasswürdigkeit wegen der mangelnden Mitwirkung verneint wurde.
    Hiergegen richtet sich der Einspruch der Anwältin und für diesen möchte sie Beratungshilfe.

    Ich habe den Beratungshilfeantrag zurückgewiesen, weil für mich ein einheitlicher Auftrag, nämlich die Reduzierung der Forderung, vorliegt. Laut Anwältin sind das zwei Angelegenheiten, weil es im Gebührenrecht auch so ist. Meine Frage ist eben, ob das im Beratungshilferecht ähnlich zu sehen ist.

    Wenn es nur eine Angelegenheit ist, ist der Antrag zu spät gestellt, da ich dann auf den Zeitpunkt des Erlassantrags abstellen muss.
    Sind es zwei Angelegenheiten, wäre der Antrag bzgl. des Einspruchs rechtzeitig gestellt. Dann muss ich mich aber fragen, ob evtl. Mutwilligkeit vorliegt, da die Familienkasse die Erlasswürdigkeit verneint.
    Der Antragsteller bestreitet nicht, das Geld erhalten zu haben. Auch dass er seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen ist, ist unbestritten. Entsprechend wird sich an der Entscheidung auch nichts ändern. Ich darf zwar Erfolgsaussichten nicht prüfen, aber ein "verständiger Selbstzahler" würde an der Stelle wohl einsehen, dass er nicht mehr weit kommen wird.

  • Bei normalen Verhandlungen wegen Stundung/ Ratenvereinbarung bewillige ich keine Beratungshilfe. Wenn der Gegner eine Behörde ist, gibt es in aller Regel gesetzliche Vorgaben welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen. Deshalb bejahe ich das Vorliegen eines rechtlichen Problems. Ich verneine aber nur dann das Vorliegen von Mutwilligkeit, wenn es um ein Rechtsmittel gegen einen Bescheid geht. Für einen "Erstantrag" bewillige ich keine Beratungshilfe, weil es dabei ja keine Kostenerstattung durch die Behörde gibt. Also ich würde der erinnerung abhelfen. Du kannst aber auch einfach schauen, was der Richter daraus macht.

    Ich bin nicht ganz sicher, ob ich dich richtig verstehe (liegt vielleicht auch an der Wärme hier) :oops: Für ein Ratengesuch gegenüber einer Behörde hättest du Beratungshilfe gegeben? Oder eben nicht, weil es zunächst mal kein Rechtbehelfsverfahren ist? An der Stelle muss ich mich übrigens korrigieren: Es war kein Ratengesuch, sondern ein Antrag auf Teilerlass. Ich ändere das im früheren Post. Also, die Anwältin hat einen Antrag auf Teilerlass gestellt. Dieser wurde abgelehnt, weil die Erlasswürdigkeit wegen der mangelnden Mitwirkung verneint wurde. Hiergegen richtet sich der Einspruch der Anwältin und für diesen möchte sie Beratungshilfe. Ich habe den Beratungshilfeantrag zurückgewiesen, weil für mich ein einheitlicher Auftrag, nämlich die Reduzierung der Forderung, vorliegt. Laut Anwältin sind das zwei Angelegenheiten, weil es im Gebührenrecht auch so ist. Meine Frage ist eben, ob das im Beratungshilferecht ähnlich zu sehen ist. Wenn es nur eine Angelegenheit ist, ist der Antrag zu spät gestellt, da ich dann auf den Zeitpunkt des Erlassantrags abstellen muss. Sind es zwei Angelegenheiten, wäre der Antrag bzgl. des Einspruchs rechtzeitig gestellt. Dann muss ich mich aber fragen, ob evtl. Mutwilligkeit vorliegt, da die Familienkasse die Erlasswürdigkeit verneint. Der Antragsteller bestreitet nicht, das Geld erhalten zu haben. Auch dass er seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen ist, ist unbestritten. Entsprechend wird sich an der Entscheidung auch nichts ändern. Ich darf zwar Erfolgsaussichten nicht prüfen, aber ein "verständiger Selbstzahler" würde an der Stelle wohl einsehen, dass er nicht mehr weit kommen wird.

    Ob es um ein Ratengesuch oder um einen (Teil)erlass geht ist m.E. unerheblich.
    Für den Antrag auf Teilerlass würde ich keine BerH bewilligen, weil das m.E. mutwillig ist dafür schon eine RA zu beauftragen. Die Argumentation ist dieselbe, wie bei einem Antrag auf Bezug von Sozialleistungen.
    Für ein Rechtsbehelfsverfahren wegen eines ablehnenden Bescheids stehen die Prüfungspunkte "rechtliches Problem" und "Mutwilligkeit" einer Beratungshilfebewilligung nicht mehr im Weg.
    Bei dem Einspruch gegen den Bescheid gehts es ja gerade darum, ob die Auffassung der Familienkasse, dass Erlasswürdigkeit nicht vorliegen würde, richtig ist. Nachdem diese Frage wohl für einen Laien nicht ganz einfach selbst zu beantworten sein wird, wird ein vernünftiger Selbstzahler wohl die Dienste eines RAs in Anspruch nehmen.

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

  • Isoliert betrachtet sehe ich das ganz genauso:

    Antrag auf Raten oder Erlass - keine Beratungshilfe
    Einspruch gegen Ablehnungsbescheid (sofern nicht völlig abwegig) - Beratungshilfe

    Hier hat ja nun aber die Anwältin den Antrag auf Erlass gestellt, und diesen auch begründet. Neue Tatsachen werden beim Einspruch nicht vorgetragen, ein anderes Ergebnis wird es also ganz sicher nicht geben. Daher stellt sich mir die Frage der Mutwilligkeit. :gruebel:

    Meines Erachtens gibt es aber ein ganz anderes Problem:
    Die Anwältin hat nach Erhalt des Ablehnungsbescheids direkt Einspruch eingelegt und erst dann den Mandanten hierüber informiert.
    Ich sehe keine erneute Beauftragung nach dem Scheitern des Antrags, ich gehe also davon aus, dass der Auftrag lautete, "tu alles Notwendige, damit ich das nicht zahlen muss". Von daher nehme ich im beratungshilferechtlichen Sinne eine einzige Angelegenheit an. Und dann fand die erste Beratung zur Zeit des Erlassantrags statt, das war dummerweise 3 Monate vor dem BerH-Antrag.

    Meine Frage ist halt, ob ich da völlig daneben liege.

    Einmal editiert, zuletzt von Allizze (7. August 2019 um 10:44)

  • Schauen wir uns doch mal die Voraussetzungen für "dieselbe Angelegenheit" an:

    - einheitlicher Auftrag: Davon ist auszugehen. Gerade der letzte Post (RA legt RM ohne Rücksprache ein) spricht sehr dafür.

    - innerer, inhaltlicher Zusammenhang: Ganz klar, denn es geht beides Male um die Frage, ob und in welcher Höhe das Kindergeld zurückzuzahlen ist.

    - Gleichartigkeit des Verfahrens/gleicher (rechtlicher) Rahmen: Hier ist der Knackpunkt. Bei der "ersten Angelegenheit" wurde ein Antrag auf Teilerlass gestellt. Dieser Antrag wurde abgelehnt und es geht ins Rechtsmittelverfahren gegen die Ablehnung des Teilerlasses.
    Nun ist nicht jedes Rechtsmittelverfahren rechtlich komplett anders als das Verfahren über den zunächst gestellten Antrag. Das wäre der Punkt, der hier zu prüfen ist: Sind besondere (Spezial-) Vorschriften im Rechtsmittelverfahren zu beachten? Sind die rechtlichen Voraussetzungen bei Rechtsmittelverfahren und Antragsverfahren vergleichbar?

    In diesem Fall würde ich es bejahen. Denn der wesentliche Unterschied ist, dass der Rechtsbehelf innerhalb einer Frist eingelegt werden muss und der Tatsachenvortrag mit dem im Antragsverfahren über den Teilerlass unverändert bleibt. Der RA muss sich hierbei nicht einer komplett anderen Materie bedienen als vorher.

    Damit liegt meines Erachtens im beratungshilferechtlichen Sinne (anders als im Vergütungssinne) dieselbe Angelegenheit vor. Die BerH-Tätigkeit wurde bereits im Antragsverfahren entfaltet. Der Antrag wurde bereits zurückgewiesen, weil er nicht in der Frist des § 6 BerHG gestellt wurde.
    Ich sehe da aus diesem Grunde derzeit keinen Raum für eine Bewilligung zum Einspruchsverfahren.

    Wer "A" sagt, muss nicht auch "B" sagen. Er kann auch feststellen, dass "A" falsch war oder es auch noch "C" gibt.

    Wir Zauberer wissen über sowas Bescheid!

  • Danke, Bestätigung fühlt sich manchmal richtig gut an :D
    Deine Antwort liefert auf jeden Fall gutes Futter für meine Begründung.

    Allerdings habe ich heute noch vor dem ersten Kaffee zähneknirschend abgeholfen. Die Sache liegt aber noch bei mir und ich zögere, sie zur Geschäftsstelle zu geben.
    Ich kann leider schlecht einschätzen, wie mein Richter bei Nichtabhilfe entscheiden würde. Dummerweise ist er im Urlaub, ich kann ihn also nicht fragen. Bei den eher wackeligen Sachen besprechen wir unsere Ansichten meist vor meinem Beschluss (erspart reichlich Arbeit, wenn wir uns einig sind).

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