Auslegung Vor- und Nacherbschaft

  • Ich hätte gerne mal eure Meinung gewusst, um zu wissen, ob ich mit meiner Meinung tatsächlich alleine dastehe. Zumindest der Notar behauptet das.

    Folgendes Testament: "Wir setzen uns gegenseitig zu alleinigen und ausschließlichen Erben ein. Der überlebende ist in keiner Weise beschränkt und kann über das Vermögen frei verfügen, soweit nachfolgend nichts anderes bestimmt ist. Die wechselseitige Erbeinsetzung ist im Sinne einer Vor- und Nacherbschaft zu verstehen.
    Für den Fall des Todes des überlebenden Teils von uns bestimmen wir zum Nacherben die Kinder der Ehefrau. (...)"

    Verstorben ist der Ehemann, er ist kinderlos. Die Ehefrau hat zwei Kinder.

    Wie würde der Inhalt eures Erbscheins aussehen?

  • Die Ehefrau ist befreite Vorerbin, Nacherben die im Testament genannten Kinder. Das ist für mich eindeutig so gewollt von beiden Eheleuten, auch wenn bei Errichtung des Testamentes nicht vorhersehbar war, wer zuerst verstirbt. Was ist denn beantragt?

  • Die Ehefrau ist befreite Vorerbin, Nacherben die im Testament genannten Kinder. Das ist für mich eindeutig so gewollt von beiden Eheleuten, auch wenn bei Errichtung des Testamentes nicht vorhersehbar war, wer zuerst verstirbt. Was ist denn beantragt?


    Beantragt ist, der Ehefrau einen Erbschein zu erteilen, der sie als Alleinerbin ausweist.
    Ich vertrete jedoch die selbe Meinung wie du.

  • Es wäre für jeden Nacherben wohl auch noch eine Ersatznacherbfolge i. S. des § 2069 BGB zugunsten der Abkömmlinge des jeweiligen Nacherben zu berücksichtigen. Außerdem enthält das Testament wegen § 2102 Abs. 1 BGB wohl auch eine Schlusserbeneinsetzung seitens Ehefrau, wobei sich insoweit die Frage stellt, ob diese auch bindend ist, weil es sich um ihre eigenen Abkömmlinge handelt.

    Das das Tesament nicht das Gelbe vom Ei ist, braucht nicht besonders betont zu werden. Der Wortlaut deutet jedenfalls auf eine Vor- und Nacherbfolge hin.

  • Dann bin ich mit meiner Meinung ja doch nicht so alleine wie der Notar das behauptet hat.
    Er begründet seine Meinung übrigens damit, dass es dem Verstorbenen Ehemann nicht primär darum ging, sicherzustellen,
    dass das beiderseitige Vermögen an die Kinder geht. Es handelt sich bei den Kindern ja nicht um seine Kinder.
    Wäre die Ehefrau die zuerst Versterbende, dann würde er mir zustimmen, so jedoch nicht.

  • Hallo,

    meine Vorgängerin hat einen Erbschein erteilt. Mit 3 Erben. Nun ist beantragt, diesen einzuziehen, da eine Erbin nur Vorerbin sei.

    Formulierung Testament: "... Meine Nichte X soll mein Haus mit Grundstück und Inventar bekommen, es soll nicht veräußert werden, sondern im Familienbesitz bleiben."...

    Nach der Auslegung wären Nacherben die gesetzlichen Erben von X. Oder? Seht ihr hier eine Nacherbschaft? Der Anwalt von X ist der Ansicht, es sei höchstens als Auflage bzw. moralsche Verpflichtung zu verstehen. #

    Er zitiert OLG Hamm JMBL NRW 58,100 und DtNoZ 63,559. Kann diese leider im Internet nicht finden. Hat jemand die Entscheidung?

    Danke. :)

  • Die Entscheidungen habe ich leider auch nicht - aber einen entsprechenden Text im Testament hatte ich schon mehrfach und war bisher immer davon ausgegangen, dass es sich dabei nur um eine Auflage handelt. Wäre daher sehr interessiert zu erfahren, wie dein Verfahren ausgeht.

  • Genau. Damals haben die anderen beiden Erben dem Erbschein schriftlich im Anhörungsverfahren zugestimmt. Jetzt kam durch eben einen dieser Erben der Einziehungsantrag. Dabei ist er durch die evtl. Nacherbschaft auch nicht direkt beeinträchtigt.

  • Du hast oben bei den Fundstellen einen Buchstabendreher drin, es ist DNotZ 63, 559. Hat die Deine OLG-Bibliothek nicht?

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • mir würde es zu weit gehen darin eine Vor- und Nacherbschaft zu sehen. Es sind keine Nacherben direkt bestimmt und "im Familienbesitz" ist definitiv zu ungenau. Familie können auch die Eltern, Geschwister, Cousins etc. der Nichte sein oder die übrige Familie der Erblasserin - das Feld Familie ist weit. Denn dass es die Kinder von X sein sollen steht nirgends und ist meines Erachtens auch nicht so auszulegen.

    Ich würde es als Wunsch der Erblasser sehen und den Antrag auf Einziehung zurückweisen, da eine Unrichtigkeit meines Erachtens nicht besteht.

  • Hallo zusammen,
    mein handschriftliches gemeinschaftliches Testament ist ähnlich formuliert:
    "...Unsere Tochter M ist unsere alleinige Erbin und Nutznießerin. Sie soll dafür sorge, dass unser Besitz für unsere Enkel zu gleichen Teilen erhalten bleibt. ..."

    In diesem Fall würde ich tatsächlich von einer Vor- und Nacherbschaft ausgehen. Wie seht ihr das?
    Viele Grüße

  • Hier würde ich auch zu einer Vor- und Nacherbfolge tendieren, aber im Rahmen der Testamentsauslegung könnten auch andere Möglichkeiten vorstellbar sein - je nachdem, was im Erbscheinsverfahren vorgetragen/beantragt wird.

  • Vielen Dank schon mal.

    Der Erbscheinsantrag lautet auf Alleinerbschaft von Tochter M (die nach meiner Meinung die Vorerbin sein müsste). Der Erbscheinantrag wurde beim Notar aufgenommen....

  • Ich würde zwischenverfügen, dass der Wortlaut auf eine Vor- und Nacherbschaft hindeutet und dass entweder der Antrag abzuändern oder aber zu erläutern ist, weshalb diese Formulierung nicht als Vor- und Nacherbschaft zu werten ist, bzw. als was diese Formulierung zu werten ist.

    Vorsorglich würde ich auch noch in die NL-Akten des Erstverstorbenen gucken, sofern vorhanden, auch wenn die Chance gering ist, dort etwas zu finden; wenn ich bei einem solchen Testaments-Wortlaut einen ES-Antrag nach dem 1. Sterbefall aufnehme, nutze ich die Gelegenheit und befrage den Antragsteller nach dem gemeinschaftlichen Willen bei Testamentserrichtung zur Auslegung beim 2. Sterbefall (und mache eine Kopie davon auch zur Testamentsakte). Vielleicht hast du ja Glück ...

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