Fürsorgepflicht des Gerichts zum Vorliegen der Antragsvoraussetzungen gem. § 300 InsO

  • Hallo in die Runde,

    ich habe eine praktische Frage zur vorzeitigen Erteilung der Restschuldbefreiung gem. § 300 InsO.

    Die Verkürzung erfolgt nach dem Wortlaut des §300 InsO Abs. 1 S.2 InsO nur auf Antrag des Schuldners. Eine Verfahrenseinleitung von Amts wegen ist nicht vorgesehen. Die Frage ist jetzt, ob eine Hinweispflicht des Gerichts (Fürsorgepflicht) angenommen werden kann, wenn sich die Verkürzungsvoraussetzungen eindeutig aus der Gerichtsakte ergeben. Konkret geht es um die vorzeitige RSB-Erteilung nach 5 Jahren aufgrund Kostenbegleichung.
    Aus der Gerichtsakte ist also eindeutig erkennbar, dass die Kosten des Insolvenzverfahrens gedeckt sind und die Kosten der Wohlverhaltensphase durch Rückstellungen gedeckt werden können.
    Wird aus einer evtl. bestehenden Fürsorgepflicht evtl. die Verpflichtung des Gerichts gefolgert, den Schuldner auf die Möglichkeit der vorzeitigen RSB-Erteilung nach 5 Jahren hinzuweisen?
    Wie ist bei Euch die Praxis?

    Ich bin über jede Hilfe dankbar.

    Liebe Grüße
    Manja

  • Ein allgemeiner Hinweis erfolgt bei uns mit Verfahrenseröffnung über das "Merkblatt über das Verfahren zur Restschuldbefreiung".

    Mir geht es aber um einen gesonderten Hinweis nach Vorliegen der Verkürzungsvoraussetzungen.

    2 Mal editiert, zuletzt von Manja (27. März 2018 um 15:39)

  • Wer oder was sollte dich daran hindern, dem Schuldner einen Hinweis auf die vorzeitige RSB zu geben?

    Göttingen bejaht eine Hinweispflicht,

    AG Göttingen, Urteil vom 20.01.2016 - 21 C 84/15, BeckRS 2016, 03424

    Die Entscheidung befasst sich aber doch mit einer Hinweispflicht der Schuldnerberatung. Außerdem ist der Rechtsstreit in einem Inso-Verfahren vor dem 01.07.2014 geführt worden. Ich kann nicht erkennen, dass die Entscheidung etwas mit dem Thread zu tun hat.

  • Ein Gericht hat auf sachdienliche Anträge hinzuwirken, ich habe also keine Bedenken einen Hinweis zu erteilen . Andersrum sehe ich aber auch keine Verpflichtung des Gerichts hinweisen zu müssen, da gesetzlich nicht vorgeschrieben

  • Mit dem Aufhebungsbeschluss übersende ich eine Kopie des Ausschüttungsberichts, aus dem der Schuldner die Begleichung der Gerichtskosten und die gebildete Rückstellung für die WP-Kosten ersehen kann. Den Schluss auf die damit eröffnete Möglichkeit für den Verkürzungsantrag muss er dann selber ziehen.

  • Wir geben (auch) kein Hinweis. Ich denke, damit öffnet an die Büchse der Pandorra. Wo soll man mit den Hinweisen anfangen, wo aufhören? Und wenn man es macht, muss man es konsequenterweise immer machen. Was ist, wenn man dann einen "vergißt". Ich würde es nicht machen.

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    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • Der Gläubiger..... Seine Quote wird evtl. kleiner.

    Der Ansatz ist unvollständig.



     Wenn es eine Hinweispflicht gibt, ist es unerheblich, dass die Gläubiger dadurch unter Umständen eine niedrigere Quote erhalten. Bei Verletzung der Hinweispflicht führt der Schuldner aber möglicherweise mehr ab als im Falle einer vorzeitigen Beendigung.



     Wird eine Hinweispflicht verneint, ist allerdings zu beachten, dass die Gläubiger durch einen Hinweis an den Schuldner geschädigt werden können. Der Schuldner hat aber umgekehrt kein schützenswertes Interesse daran, dass ihm aus freien Stücken mitgeteilt wird, dass er das Verfahren vorzeitig beenden kann.

    Ein Gericht hat auf sachdienliche Anträge hinzuwirken, ich habe also keine Bedenken einen Hinweis zu erteilen . Andersrum sehe ich aber auch keine Verpflichtung des Gerichts hinweisen zu müssen, da gesetzlich nicht vorgeschrieben

    Aus dem obigen Grund scheidet ein Hinweisrecht aus, weil die Auswirkung der Erteilung oder nicht Erteilung eines Hinweises keinen „Mittelweg“ zulassen. Unter Berücksichtigung der Petz-Entscheidung des BGH stellt sich außerdem die Frage, wieso für vorzeitige RSB etwas anderes als für Versagungsgründe gelten soll.



     Die Frage, ob überhaupt ein Antrag gestellt wird, fällt meines Erachtens nicht unter das Hinwirken auf sachdienliche Anträge. Außerdem wird der Schuldner durch die üblicherweise bei Eröffnung übersandten Informationsschriften hinreichend belehrt. Eine Fürsorgepflicht ist damit als erfüllt anzusehen. Wenn der Schuldner die Unterlagen nicht liest, ist das sein Problem.

  • ich stimme Breamter zu. Grundsätzlich sehe ich weder eine (konkrete) Hinweispflicht des Gerichts noch der Insolvenzverwalter. Wir geben mit der Verfahrensaufhebung nur einen allgemeinen Hinweis, dass sich über die evtl. auch verkürzte Möglichkeit der Erteilung der RSB jeder selber schlau machen kann.
    Sonderfall: nach Verfahrensaufhebung habe ich eine Vollbefriedigung aller Gläubiger nebst Kostendeckung etc.; da halte ich auch keinen gesonderten Antrag mehr für erforderlich, da der schon auf S. 1 oder so steht.

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • Aus dem obigen Grund scheidet ein Hinweisrecht aus, weil die Auswirkung der Erteilung oder nicht Erteilung eines Hinweises keinen „Mittelweg“ zulassen. Unter Berücksichtigung der Petz-Entscheidung des BGH stellt sich außerdem die Frage, wieso für vorzeitige RSB etwas anderes als für Versagungsgründe gelten soll.


    Weil man hier §292 II InsO heranziehen kann, der die Benachrichtigung von Gläubigern ausdrücklich vorsieht. Ein Pendant für den Schuldner fehlt, außer man befürwortet die Fairness wie auf englischen Rasenplätzen.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Wie ist bei Euch die Praxis?

    Ich bin über jede Hilfe dankbar.

    Liebe Grüße
    Manja

    Liebe Manja,

    der Schuldner hat zu Beginn des Verfahrens einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt, die ihm der Richter im Eröffnungsbeschluss regelmäßig ankündigt.

    Für den Fall, dass die gesetzlichen Voraussetzungen einer Verkürzung vorliegen, lege ich den bereits gestellten Antrag des Schuldners auf Erteilung sachgerecht als Antrag auf vorzeitige Erteilung der RSB aus.

    Das Erteilungsverfahren beginnt dann halt nach 3 oder 5 Jahren.

    Eine förmlichen Verkürzungsantrag des Schuldners fordere ich nicht. Die Hinweisplicht entfällt bei der Verfahrensweise.

    Gern geschehen.

    Einmal editiert, zuletzt von trauemer71 (28. März 2018 um 16:40)

  • Diese Handhabung ist gegen den gesetzeswortlaut, 300 S. 2 verlangt einen Antrag des Schuldners

  • Einspruch:
    neben den gesetzlichen Voraussetzungen, die eine "Möglichkeit" der "vorzeitigen" RSB ermöglichen, gilt zunächst einmal "pacta sunt servanda" !. Der Schuldner kann eine vorzeitige Erlangung der Rechtswohltat der RSB erreichen, dies ist ihm aber nicht aufzudrängen bzw. a priori zu unterstellen. Er darf auch später oder garnicht vorzeitig beantragen...... Dies untersteht der Disposition des Schuldners und nicht etwa einer rechtsberatenden oder so wie vorgeschlagen gegen die Gläubigerinteressen ohne besonderen Willen des Schuldners aufgedrängten Entschuldung. Dies ist nicht mehr 139 ZPO, sondern amtswegigte Entmündigung des Schuldners unter Verstoß gegen die Gläubigerinteressen.

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  • Ich gebe dem Schuldner auch keinen Hinweis, dass die Voraussetzungen zur vorzeitigen Erteilung vorliegen, außer die Gläubiger sind zu 100 % befriedigt. Dies ergibt sich schon aus der Neutralitätsverpflichtung ggü. allen Beteiligten. Sonst müsste man ja auch den Gläubigern mitteilen, wenn eine Versagung der Restschuldbefreiung in Betracht komme.

    Bei Aufhebung des Verfahrens weise ich den Schuldner nochmal auf das bei Eröffnung übersandte Merkblatt hin, da steht drin wann er die Restschuldbefreiung erteilt bekommen kann.

  • Im Rahmen der Fürsorgepflicht des Insolvenzgerichts nach § 4 Abs. 2 S. 1 InsO erteile ich dem Schuldner den Hinweis, wenn die Voraussetzung für die vorzeitige Erteilung der RSB vorliegen.


    Du meinst wohl den § 4a Abs.2 S.1 InsO.

    Gleiches kann man auch in einem Aufsatz in der Insbüro 7/2015 S. 280nachlesen. Hier wird eine Fürsorgeplicht des Gerichts bei Eindeutigkeit bejaht.

  • Diese Handhabung ist gegen den gesetzeswortlaut, 300 S. 2 verlangt einen Antrag des Schuldners

    Wie ich oben bereits schrieb liegt dieser doch bereits mit dem Eröffnungsantrag vor.

  • Mit dem Aufhebungsbeschluss übersende ich eine Kopie des Ausschüttungsberichts, aus dem der Schuldner die Begleichung der Gerichtskosten und die gebildete Rückstellung für die WP-Kosten ersehen kann. Den Schluss auf die damit eröffnete Möglichkeit für den Verkürzungsantrag muss er dann selber ziehen.

    Das scheint mir die beste Lösung zu sein.
    Nach der Intension des Gesetzgebers sollte der Schuldner mindestens die Höhe der Gerichtskosten wissen.
    Die Fürsorgepflicht dürfte mit der Übersendung der Gerichtskostenrechnung und einem zweiten Merkblatt nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens erfüllt sein.

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