Nachlasspflegschaft -Wohin mit Patientenakten ?-

  • Hallo Kollegen,
    ich brauche mal Eure Ideen zum folgenden Sachverhalt.
    Wir führen hier drei Nachlasspflegschaften, bei denen es u.a. um die Aufbewahrung von Patientenakten geht. Zum Nachlasspfleger wurde ein hiesiger Rechtsanwalt bestellt.


    Im Einzelnen sind Nachlässe von einem Psychotherapeuten und zwei Allgemeinmediziner betroffen.

    Hinsichtlich aller Nachlassvorgänge wurde ein Erbausschlagungsverfahren geführt. Erben konnten nicht ermittelt werden. Praxisnachfolger gibt es ebenfalls nicht.
    Es ist sehr geringer Nachlass, ca. 900,00 € bzw. gar kein Nachlass wegen Überschuldung vorhanden.


    Die Ärztekammer und die Psyhotherapeutenkammer teilten mit, das sie die Patientenakten nicht aufbewahren werden, weil u.a. ein Nachlasspfleger bestellt wurde, der sich darum kümmert bzw. die Akten somit nicht herrenlos sind. Die Nachlasspflegschaften stehen vor der Aufhebung, weil die Nachlässe bis auf die Patientenakten abgewickelt sind.


    Da es sich um keine Aktivnachlässe handelt, können keine Gebühren für eine gesonderte Aufbewahrung/Einlagerung der Patientenakten bezahlt werden. Sie müssen für die Patienten auch immer zugänglich sein. Über öffentliche Aufrufe konnten wir auch schon Patientenakten an Patienten aushändigen.

    Wir haben hier schon überlegt, ob wir dem Nachlasspfleger einen Obelus (von den ca. 900,00 €) zahlen damit dieser die Akten in seinen Büroräumen weiter aufbewahrt. (Es ist für alle 3 Verfahren der selbe Rechtsanwalt) Aber die Aufbewahrung der Patientenakten kann bis zu 30 Jahre dauern. Der Rechtsanwalt steht kurz vor seiner Pensionierung...

    An Fiskuserbrecht haben wir auch schon gedacht.

    Aber bevor wir dies anpacken, möchten wir gerne erfahren, ob einer von Euch Erfahrung mit der Aufbewahrung von Patientenakten aus Nachlässen hat. Gibt es noch eine Möglichkeit, an die wir nicht gedacht haben ?

    Danke schon mal im Voraus !


  • Ich würde der Ärztekammer klar machen, dass die Pflegschaft demnächst aufgehoben wird und die Akten dann herrenlos sind. Es ist ja auch so, dass man in Zukunft (z.B. für Gutachten bei Betriebskrankheiten etc.) immer wieder mal Akten brauchen wird. Selbst bei bekannten Erben wäre dann auch noch die Frage zu klären, ob so hochsensible Daten tatsächlich in die Hände von Erben gehören. Ich glaube nicht!

    Die Ärztekammer muss also meines Erachten handeln. Anders geht das nicht.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Erfahrungen habe ich mit dem geschilderten Problem nicht, so etwas kam in meinem Bereich noch nicht vor.

    Mich würde interessieren, wie die Ärztekammer verfährt, wenn

    a) eine Arztpraxis geschlossen wird, ohne dass ein Praxisnachfolger vorhanden ist
    b) Erben vorhanden wären, die keine Ärzte sind?

    Hast du schon mal im InsO-Bereich gesucht? Ich könnte mir vorstellen, dass InsO-Verwalter gelegentlich vor ähnlichen Problemen stehen.

  • Es gibt eine Regelung für diesen Fall- dass die Ärztkammer natürlich nicht die Akten nimmt, solange sie glaubt, es nicht zu müssen weil sich der NL-Pfleger kümmert, sollte klar sein.
    Da muss du schon klar machen: NL-Pflegschaft wird aufgehoben, die Akten müssen woanders hin. Sonst reagiert da keiner. (bzw. der NL-Pfleger muss dies gegenüber der Ärztekammer geltend machen- ist nicht deine Baustelle)

    Solange ein Erbe da ist (oder NL-Pfleger) hat der dieser die Akten zu verwalten, erst danach die Ärztekammer.

    Liest du hier:

    https://www.datenschutzzentrum.de/medizin/arztpr…nverwahrung.htm

    (etwas älter- wird sich jedoch m.E. nicht geändert haben)


    Hilft es ?

    5 Mal editiert, zuletzt von Insulaner (4. April 2018 um 09:03) aus folgendem Grund: siehe Link, Regelung gefunden

  • Wir haben auch schon überlegt, ob wir die Ärzte- bzw. Psychotherapeutenkammer durch gerichtliche Anordnung zur Aufbewahrung der Patientenakten verpflichten können. Also, Nachlasspflegschaften aufheben. Patientenakten werden herrenlos und dann ab damit zu den zuständigen Kammern.
    Aber wir wollen nicht sehenden Auges so verfahren.

    Wenn ein Arzt seine Praxis ohne Nachfolger aufgibt, hat der ausscheidende Arzt für die Aufbewahrung Sorge zu tragen. Ebenso ein Erbe eines Arztes. Wenn Patientenakten in eine Insolvenzmasse fallen, wird Geld für eine entsprechende Aufbewahrung einkalkuliert.

  • Danke Insulaner. Die Web-Seite haben wir auch schon entdeckt. Hatten auch schon versucht, telefonischen Kontakt herzustellen. Hatte nur nicht geklappt. Die Kammern scheinen aber in jedem Bundesland verschieden zu handeln. Für MV haben wir so eine Handlungsweise wie in Schleswig Holstein nicht gefunden.

  • Man stelle sich einmal vor, der Arzt wird von seinem Neffen in Australien beerbt oder von einer vielköpfigen Erbengemeinschaft.

    Die Idee, dass der Nicht-Arzt als Erbe die Aufbewahrung und Auskunftserteilung zu erbringen hat als vertragliche Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag (in den er natürlich nicht eintritt) halte ich für absurd.

  • Sofern keine anderen Bestimmungen aufgefunden werden Ärztekammer zur beabsichtigten Aufhebung der Pflegschaft anhören und diese bitten daher die Akten in Verwahrung zu nehmen.

    Falls diese dies nicht tut, aus eurer Sicht unbegründet:

    Aufhebungsbeschluss: "wird die Nachlasspflegschaft aufgehoben, da ein zu sichernder Nachlass nicht mehr vorhanden ist, lediglich Patientenakten sind noch vorhanden. Nach Ansicht des Gerichtes sind diese mangels Erben herrenlos und von der Ärztekammer in Obhut zu nehmen". Da die Ärztekammer durch den Beschluss beschwert wird, ist dieser selbiger zuzustellen. Dann habt Ihr eine Entscheidung bzw. bekommt danach eine übers RM auch für die anderen Akten.


    Oder zu dumme Idee?

  • Das zuständige Gesundheitsministerium haben wir selbstverständlich auch schon kontaktiert, um eine Lösung zu erbitten. Aber dies hat die geschilderte Vorgehensweise der Kammern unterstützt.

  • noch mal eine Grundlage für meine Idee: Heilberufsgesetz M-V, (findet Ihr hier: http://www.aek-mv.de/default.aspx?pid=20090604080811469)

    § 4

    Aufgaben

    (1) Aufgaben der Kammern sind:


    14. zur Wahrung der Interessen des Gemeinwohls und unter Beachtung der Rechte der Patienten die Patientenakten ihrer niedergelassenen Kammermitglieder für die Dauer der Aufbewahrungspflicht in Obhut zu nehmen und den Patienten Einsicht zu gestatten, sofern die Aufbewahrung und die Gestattung der Einsichtnahme nicht durch die niedergelassenen Kammermitglieder oder auf andere Weise gewährleistet ist. Die Kammern können ein Kammermitglied mit der Erfüllung dieser Aufgabe betrauen.


    entsprechend: Es wird gebeten die Pflicht zur Inobhutnahme wahrzunehmen, da mit Aufhebung der Nachlasspflegschaft die Aufbewahrung auf andere Weise nicht mehr gewährleistet ist. Auch kann die Aufbewahrung und Gestattung der Einsichtnahme wohl kaum zur Aufgabe eines NL-Verwalters gemacht werden,der die datenschutzrechtlichen Bestimmungen für Patientenakten kaum kennt.

  • Das Heilberufsgesetz M-V diente uns im bisherigen Schriftwechsel mit den Kammern und dem Ministerium auch schon als Argumentationsstütze. Deine vorgeschlagene Verfahrensweise gefällt uns wirklich gut, Insulaner. Wir sind auch erstaunt, dass wohl kaum Praxiserfahrung mit Patientenakten vorhanden sind.

  • Ich weiß nicht, wie es bei Ärzten ist. Aber wenn ein Anwalt stirbt, dürfen die Erben die Akten nicht bekommen. Da steht die Berufsverschwiegenheit entgegen. Sollte das bei Ärzten anders sein können?

    Auch ein Nachlasspfleger sollte keinen Zugang zu vertraulichen Patientenakten erhalten. Wenn ich betroffen wäre, würde ich das ganze mal zur Prüfung an die Staatsanwaltschaft geben.

  • Es geht um die entscheidende Person bei der Kammer, der es offensichtlich gleichgültig ist, was mit den Akten geschieht!

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  • Ich habe letzte Woche in einer von den drei Sachen einen rechtsmittelfähigen Beschluss erlassen und die Inobhutnahme und ordnungsgemäße Aufbewahrung der Patientenakten am Nachlass des Allgemeinmediziners A durch die Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern angeordnet. Vor Beschlusserlass hatte ich die Ärztekammer bereits angehört. Beschluss habe ich zugestellt und jetzt mal abwarten. Versuche daran zu denken, Euch auf dem Laufenden zu halten.

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