Akteneinsicht für Gutachter

  • Ich möchte anfragen, ob und inwieweit ich als Gutachter im Laufe des Verfahrens in die Akte Einsicht nehmen darf.

    Hintergrund: Ich habe ein Gutachten erstellt. Der ermittelte Wert wurde vom Gläubiger beanstandet, mit der Bitte an das Gericht, einen bestimmten Wert festzusetzen. Daraufhin habe ich ausführlich Stellung genommen und im Ergebnis die Beanstandung als unbegründet zurückgewiesen. Nach einiger Zeit ist mir nun zu Ohren gekommen, dass der Wert abweichend von dem von mir ausgewiesenen Verkehrswert festgesetzt wurde (bzw. noch festgesetzt werden soll), nämlich in der Höhe, wie vom Gläubiger gewünscht und 3x so hoch, wie von mir ermittelt.

    Dies und noch weitere Umstände, die ich hier nicht näher darlegen möchte, lassen vermuten, dass es wohl nicht ganz mit rechten Dingen zugegangen sein könnte. Jedenfalls ist mir derartiges in meiner fast 20jährigen Tätigkeit für ZV-Gerichte noch nicht begegnet. Bevor ich jedoch Alarm schlage, würde ich gern mal die Akte einsehen, um genaueren Aufschluss zum Vorgang zu erhalten. Unter anderem würde mich interessieren, was mit meiner Stellungnahme passiert ist (ob diese überhaupt noch an die Beteiligten versandt wurde).

  • LG Berlin, Beschl. v. 14.12.2005 - 81 T 1056/05, Rpfleger 2006, 274 = ZInsO 2011, 1175.

    Die Einsicht in die Zwangsversteigerungsakten ist nach § 42 ZVG jedem gestattet. Das Gesetz lässt eine Beschränkung auf Bietinteressenten oder einen Ausschluss bestimmter Personen nicht zu. Auf ein Rechtsschutzinteresse des Petenten kommt es nicht an. Über die bloße Einsicht in die Akte hinaus ist es dem Antragsteller auch zu gestatten, sich im Zuge dieser Akteneinsicht selbst eine Ablichtung des Verkehrswertgutachtens anzufertigen.

  • Aus der Stellung des § 42 ZVG in den Vorschriften zur Terminsbestimmung folgt nach zutreffender Ansicht, dass das Einsichtsrecht erst ab Terminsbestimmung und nur bis zum Versteigerungstermin besteht. Davor und danach bedarf es des rechtlichen Interesses, das glaubhaft zu machen ist.

  • Nur mal interessehalber: was passiert mit einem bereits rechtskräftig festgesetzten Verkehrswert, wenn sich noch vor dem Termin herausstellt, dass dieser falsch ist (z.B. das zugrunde liegende Gutachten grob falsch ist) oder der Wert augenscheinlich manipuliert wurde? Was macht der zuständige Rechtspfleger (der das Verfahren vielleicht gerade erst übernommen hat), wenn er Kenntnis von verdächtigen Vorgängen erlangt?

  • Bezieht sich §42 ZVG eigentlich nur auf das Gutachten oder auf die vollständige Akte? Meines Wissens nach lässt das betreffende Gericht nur Einsicht in das Gutachten und das Grundbuch zu, nicht aber in die sonstigen Schriftsätze u.ä.

  • Nach einiger Zeit ist mir nun zu Ohren gekommen, dass der Wert abweichend von dem von mir ausgewiesenen Verkehrswert festgesetzt wurde (bzw. noch festgesetzt werden soll), nämlich in der Höhe, wie vom Gläubiger gewünscht und 3x so hoch, wie von mir ermittelt.

    Das Gericht ist an das Gutachten nicht gebunden (§ 286 ZPO), siehe Stöber, ZVG, Rn. 7.8 zu § 74a ZVG.

  • Die Schriftsätze der Parteien, die zur Feststellung des VKW beigetragen haben, unterliegen m.E. nicht der erweiterten AE des § 42. Lediglich Anmeldungen, GB und Bewilligungsurkunden sowie Abschätzungen (sprich GA) gehören dazu. § 42 wird den Themenstarter somit nicht weiterbringen. Evtl. hilft ja mal ein persönliches Gespräch mit dem Kollegen...

  • Mit Verlaub, aber


    Dies und noch weitere Umstände, die ich hier nicht näher darlegen möchte, lassen vermuten, dass es wohl nicht ganz mit rechten Dingen zugegangen sein könnte.

    Nicht daß ich es gutheiße, wenn etwas derartiges passiert, aber inwieweit interessiert Dich dies als Bewertungsachverständiger?

    Zitat


    Jedenfalls ist mir derartiges in meiner fast 20jährigen Tätigkeit für ZV-Gerichte noch nicht begegnet.

    Einmal ist immer das erste Mal. Wenn mir begründete Einwendungen gegen die vorgelegte Bewertung vorgetragen werden und ich selbst weiterrechnen kann, dann setze ich den Wert auch einmal abweichend fest.

    Zitat


    Bevor ich jedoch Alarm schlage, ...

    ... und das soll bitte wie aussehen?

    Zitat


    Unter anderem würde mich interessieren, was mit meiner Stellungnahme passiert ist (ob diese überhaupt noch an die Beteiligten versandt wurde).

    Wäre das denn wertrelevant?

  • Mit Verlaub, aber

    Nicht daß ich es gutheiße, wenn etwas derartiges passiert, aber inwieweit interessiert Dich dies als Bewertungsachverständiger?

    Die Frage ist natürlich berechtigt. Nur ist das Verfahren schon durch 5 Hände gegangen und damit auch zu einer Frage meiner beruflichen Reputation und dem Ansehen geworden. Zumal noch ein weiterer Sachverständiger in der Sache drin hängt, dessen Rolle mich schon interessiert. Im Übrigen interessieren mich schon auch die Verlautbarungen gegenüber dem Gläubiger.

    Zitat
    Zitat

    Wenn mir begründete Einwendungen gegen die vorgelegte Bewertung vorgetragen werden und ich selbst weiterrechnen kann, dann setze ich den Wert auch einmal abweichend fest.

    Wenn es um das kleine 1x1 geht, ist das sicher gerechtfertigt. Ein solcher Fall liegt allerdings nicht vor. Vielmehr wurden nach meinen bisherigen Erkenntnissen absichtlich Tatsachen geschaffen und der Wert konstruiert. Ich behaupte, dass diese konstruierte Grundlage durch einen gebildeten Menschen ohne Weiteres durchschaubar ist, zumal durch mich ausführlich auf die Probleme hingewiesen wurde. Mehr kann ich hier nicht dazu sagen.

    Zitat

    ... und das soll bitte wie aussehen?

    Weiß ich auch noch nicht. Hängt halt von den noch fehlenden Informationen ab.

    [quote]
    Wäre das denn wertrelevant?

    Sicher. Weil dort ausführlich dargestellt wurde, warum der nachfolgend festgesetzte Wert falsch ist.

  • A) Wenn du schon seit 20 Jahren Gutachten erstellst, wird sich ein "Fehlgriff" nicht auswirken.

    B) Wenn du mich so betiteln würdest, bräuchte ich allerdings kein Gespräch mehr.

    C) Offensichtlich geht hier die Meinung auseinander. Letztlich kann es dir aber egal sein. Der Wert wird vom Gericht festgesetzt für das Verfahren. Du bist nur Gehilfe für das Gutachten, ein Beschwerderecht oä hast du nicht (völlig zu recht, zumal es auch nicht um dein befinden geht, ob du recht hattest oder nicht). Einzig für deine berufliche (Weiter-)Bildung könnte das von Interesse sein, um zukünftig Fehler zu vermeiden.

    Das ein zweiter Gutachter genommen wird, kann auch schlicht zur Entspannung beitragen und sagt nicht zwingend etwas über Qualitäten aus.

    Außerdem könnte es ja gerade anders rum sein, dass bei dir etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen ist. Woher soll das Gericht das wissen?

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • [quote='mm62','Akteneinsicht für Gutachter'] Das Gericht ist an das Gutachten nicht gebunden (§ 286 ZPO), siehe Stöber, ZVG, Rn. 7.8 zu § 74a ZVG.

    Schon klar. Wenn offensichtliche Fehler vorliegen, ist dies sicher gerechtfertigt. Allerdings dürfte dies mit Blick auf das Haftungsrisiko wohl nicht zu häufig vorkommen, gerade bei komplizierteren Sachverhalten. Letzteres ist aber hier gar nicht der Fall.

    Beispiel: Es liegen 10 recht aktuelle Vergleichskaufpreise vor, der Durchschnitt (bereinigt um bekannte Unterschiede der Objekte) liegt beim Wert X. Darunter ein Wert 3X (deutlicher Ausreißer, Merkmale des Objekts zudem nicht bekannt). Festgesetzter Wert 3X+Y.:eek:. Wie gesagt, ich habe auf diese Tatsache ausdrücklich hingewiesen.

    Muss denn der Rechtspfleger in dem Fall des Abweichens nicht wenigstens seine Beweggründe dokumentieren?


  • A) Wenn du schon seit 20 Jahren Gutachten erstellst, wird sich ein "Fehlgriff" nicht auswirken.

    Die Anzahl der ZVV ist hier um ca. 70% zurückgegangen. Zudem gibt es eine erhebliche Fluktuation in der ZV-Abteilung.

    Zitat


    B) Wenn du mich so betiteln würdest, bräuchte ich allerdings kein Gespräch mehr.

    Den Einwurf verstehe ich jetzt nicht. Ist das etwa abwertend zu verstehen? Ok., ich hätte auch von Wertermittlungslaien sprechen können.

    Zitat

    C) Offensichtlich geht hier die Meinung auseinander. Letztlich kann es dir aber egal sein. Der Wert wird vom Gericht festgesetzt für das Verfahren. Du bist nur Gehilfe für das Gutachten, ein Beschwerderecht oä hast du nicht (völlig zu recht, zumal es auch nicht um dein befinden geht, ob du recht hattest oder nicht). Einzig für deine berufliche (Weiter-)Bildung könnte das von Interesse sein, um zukünftig Fehler zu vermeiden.

    Das ein zweiter Gutachter genommen wird, kann auch schlicht zur Entspannung beitragen und sagt nicht zwingend etwas über Qualitäten aus.

    Außerdem könnte es ja gerade anders rum sein, dass bei dir etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen ist. Woher soll das Gericht das wissen?

    Ich kann und werde den Fall hier nicht weiter ausbreiten. Der hat auch noch mehr Facetten. Es geht mir gar nicht darum, irgend jemand Schwierigkeiten zu machen. Ich möchte den Vorgang nur mal verstehen. Vielleicht kann man ja was draus lernen. Aber ich muss schon eingestehen, dass mein Gerechtigkeitsempfinden tangiert ist, wenn der begründete Verdacht besteht, dass der Zweitgutachter augenscheinlich mit dem Ziel ausgewählt wurde, ein bestimmtes Ergebnis herbeizuführen. M.E. ist das Manipulation.

  • Mit "durch einen gebildeten Menschen ohne Weiteres durchschaubar" hast du ja gerade in Abrede gestellt, dass der/die Betroffene ausreichend intelligent ist. Und da du das auf die Wertfestsetzung beziehst, ist damit der /die Kollege/in gemeint.

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Nach einiger Zeit ist mir nun zu Ohren gekommen, dass der Wert abweichend von dem von mir ausgewiesenen Verkehrswert festgesetzt wurde (bzw. noch festgesetzt werden soll), nämlich in der Höhe, wie vom Gläubiger gewünscht und 3x so hoch, wie von mir ermittelt.

    Das Gericht ist an das Gutachten nicht gebunden (§ 286 ZPO), siehe Stöber, ZVG, Rn. 7.8 zu § 74a ZVG.

    Es mag zwar persönlich gesehen ärgerlich sein, wenn der festgesetzte Wert deutlich vom Gutachten abweicht, letztlich kann es dem Gutachter egal sein, was die Beteiligten aus dem Gutachten machen. Er hat jedenfalls kein Rechtsmittel gegen den Beschluss

  • Na klar!
    Es sei denn, er holt ein weiteres Gutachten ein und schließt sich bei Festsetzung den überzeugenderen Feststellungen dieser Wertermittlung an.:teufel:

    Wer bezahlt eigentlich ein Zweitgutachten?

    Mir wurde vorgehalten, ich hätte mit meiner wegen der Art der Begründung der Einwendungen (mit komplettem Fremdgutachten für andere Sache) ausführlich ausgefallen Stellungnahme unnötig Kosten zulasten der Beteiligten produziert. Deshalb wolle man die Rechnung nicht zahlen, ohnehin sei der Aufwand für eine Stellungnahme bereits mit der Gutachtenvergütung abgegolten. Eine sachlich-argumentative Entgegnung daraufhin ist leider erfolglos geblieben. Erst nach Verweis auf die Möglichkeit eines Festsetzungsantrags und dessen in Anbetracht einschlägiger Rechtsprechung absehbaren Resultats wurde die Vergütung doch noch angewiesen.

  • Es mag zwar persönlich gesehen ärgerlich sein, wenn der festgesetzte Wert deutlich vom Gutachten abweicht, letztlich kann es dem Gutachter egal sein, was die Beteiligten aus dem Gutachten machen. Er hat jedenfalls kein Rechtsmittel gegen den Beschluss

    Richtig. Das Problem ist jedoch, dass die mir bisher vorliegenden Informationen (die ich hier nicht vollständig aufzählen kann) ziemlich klar auf Manipulation und Fehlverhalten hindeuten. Aus verschiedenen Gründen, die man tlw. auch altruistisch nennen mag, bin ich nicht bereit, das ohne Weiteres hinzunehmen. Allerdings könnte es sein, dass es (in den Akten) noch Fakten gibt, die alles in anderem Licht erscheinen lassen. Wenngleich mir die Phantasie dafür fehlt, mir vorstellen zu können, wie diese Fakten aussehen könnten.

  • Es kommt hier lediglich auf die Beteiligten an: Wenn denen der Verkehrswert falsch festgesetzt erscheint, können sie ja Beschwerde einlegen und dann erfolgt Prüfung durch die nächste Instanz.

    Du überschätzt vielleicht deine Rolle: Du bist lediglich ein Gehilfe des Gerichts.

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