Testamentsauslegung

  • Hallo zusammen. In Niedersachsen dürfen die Rechtspfleger jetzt auch Erbscheine nach testamentarischer Erbfolge erteilen. Ich habe folgendes Problem: Mir liegt ein Testament vor in dem die Erblasserin ihren ersten Sohn auf den Pflichtteil gesetzt hat. Er soll allerdings das Haus bekommen. Dieses hat einen Wert von 2.200,00 €. Es handelt sich nur um ein Erbbaurecht. Die weiteren 3 Söhne sollen sich den übrigen Nachlass zu gleichen Teilen teilen. Als übriger Nachlass wurde von den Söhnen ein Wert von 500,00 € angegeben. Der Erbscheinsantrag beinhaltet die Erbeinsetzung der 3 Söhne zu je 1/3. Meiner Meinung nach, müsste gemessen an den Nachlasswerten, der erste Sohn als Alleinerbe eingesetzt werden, da er den größten Teil des Nachlasses erhalten soll. (Obwohl er nur auf den Pflichtteil gesetzt wurde) Wie seht ihr das?

  • ich denke, hier müsste man mal den konkreten wortlaut des testaments haben. nur nach den wertverhältnissen entgegen einem klaren wortlaut zu einer erbenstellung zu kommen, halte ich jedenfalls grundsätzlich für bedenklich.

  • M.E. ist auf den Erblasserwillen zur Zeit des Testiervorgangs abzustellen und dieser Wille ist zu ermitteln.

    War es damals vielleicht geringfügig anders, so dass die 3 Söhne, die als Erben eingesetzt worden sind, mehr erhalten hätten, als der Sohn, der als VN das Haus erhalten soll, aber ausdrücklich enterbt wurde?!?

    Wenn dem so ist, was m.E. nachlassgerichtlich zu ermitteln ist, hätte ich keine Probleme, nach Anhörung des enterbten Sohnes den Erbschein, wie beantragt zu erteilen, auch wenn das Ergebnis merkwürdig erscheint.

    Hupt der 4. Sohn bei Anhörung herum, ist das Verfahren ohnehin als streitiges Verfahren an den Nachlassrichter abzugeben.

    Mögen die 3 Kinder ggf. die Einrede der Vermächtnisüberschwerung (§ 1992 BGB) erheben...

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • Zitat von the bishop

    M.E. ist auf den Erblasserwillen zur Zeit des Testiervorgangs abzustellen und dieser Wille ist zu ermitteln.



    das ist wahrlich eine für alle testamente geeignete aussage. ihre hilfreiche wirkung für den einzelfall ist daher naturgemäß begrenzt.

  • @oL : In der Praxis wird zur Ermittlung der Erbquoten bei gegenständlicher Erbeinsetzung zumeist auf die Werte bei Erbfall und nicht auf die Werte bei Testiervorgang abgestellt. Dies kann bei Wertschwankungen und/oder Untergang der zugedachten Gegenstände teilweise zu ganz erstaunlichen Abweichungen vom ursprünglichen Erblasserwillen führen. Man kann natürlich einwenden, dass der Erblasser ja schließlich hätte neu testieren können. Würde man aber hier auf die Werte der Nachlassgegenstände abstellen, käme man zu einer Erbenstellung des ausdrücklich enterbten Sohnes, was augenscheinlich kaum vom Willen des Testators gedeckt ist.:gruebel:

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • Zitat von the bishop

    In der Praxis wird zur Ermittlung der Erbquoten bei gegenständlicher Erbeinsetzung zumeist auf die Werte bei Erbfall und nicht auf die Werte bei Testiervorgang abgestellt.

    was ich im Normalfall für fragwürdig halte und anders handhabe, denn sonst ist die Folge tatsächlich

    Zitat von the bishop

    Dies kann bei Wertschwankungen und/oder Untergang der zugedachten Gegenstände teilweise zu ganz erstaunlichen Abweichungen vom ursprünglichen Erblasserwillen führen.

    Zitat von the bishop

    Man kann natürlich einwenden, dass der Erblasser ja schließlich hätte neu testieren können.

    Mit dem Argument sind in zwei mir bekannten Fällen Notare baden gegangen, weil grundsätzlich nur vom Erblasserwillen zum Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung von Todes wegen auzugehen ist und er nicht verpflichtet ist, seine Verfügung auf Grund veränderter Vermögensverhältnisse zu ändern, wenn sein Wille gleich geblieben ist.

  • Im Regelfall halten sich die Erben ja untereinander an die Teilungsanordnung der zugewandten Gegenstände, so dass der Wille des Erblassers unabhängig von der zweiten Nachkommastelle :strecker der Erbquote letztendlich erfüllt wird.

    Es ist halt auch für die Richter schwierig, die Werte der zugewandten Gegenstände per Testamentserrichtung festzustellen und solange sich alle Miterben in Bezug auf die vorgeschlagenen Erbquoten gemäß Wertbogen einverstanden erklären, problematisiere ich das in Anbetracht der mir bekannten Rechtsauffassung der Abteilungsrichter auch nicht weiter ...;)

    Erst im Streitfall sind dann weitergehende Ermittlungen erforderlich. :gruebel:

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!