Vollstreckbarerklärung ausl. Titel

  • Hallo,

    irgendwie stehe ich hier gerade völlig auf dem Schlauch:

    Eine tschechische Mutter hat zwei tschechische Titel zur Unterhaltsvollstreckung für ihre beiden Kinder.
    Der Vater ist Tscheche, wohnt aber in Deutschland.

    Nunmehr wird beantragt, für die Titel eine Bescheinigung nach Art. 53 zu erteilen.
    Die Sache wird dem Richter vorgelegt und er macht einen Beschluss nach Artikel 32 ff. der EG Veordnung Nr. 44/2001, dass die Titel für vollstreckbar erklärt werden.
    Die Akte ging zum Kostenbeamten und liegt jetzt bei mir.

    Ich wühle mich gerade durch die Infos vom AG Warendorf und die Kommentierung zur ZPO, aber so richtig finde ich nichts:

    Es handelt sich um Titel aus dem EU-Ausland, die noch nicht für vollstreckbar erklärt wurden.
    Müssen diese nicht im Ursprungsland für vollstreckbar erklärt werden? Wieso sind wir dafür zuständig? Und wieso der richterliche Beschluss?

  • Es handelt sich um Schuldtitel aus Tschechien.
    Diese bedürfen ggfs. der Vollstreckbarklärung durch das deutsche Gericht.
    Um welche Art von Unterhaltstiteln handelt es sich denn?
    Wann wurden diese erlassen (Datum der Unterhaltstitel)?

  • 1.
    In Unterhaltssachen findet die Brüssel Ia-Verordnung (EU-Verordnung Nr. 1215/2012) keine Anwendung;
    stattdessen gilt die Europäische Unterhaltsverordnung (EU-Verordnung Nr. 4/2009 (EuUnthVO)).
    Da Tschechien an das Haager Protokoll 2007 gebunden ist, kann aus dem tschechischen Unterhaltstitel unmittelbar in Deutschland vollstreckt werden;
    benötigt wird u. a. ein Auszug aus dem Unterhaltstitel (Formblatt I EuUnthVO) und eine Ausfertigung des tschechischen Unterhaltstitels.
    Weitere Einzelheiten kannst Du der Info aus dem Justizportal NRW entnehmen:
    https://www.justiz.nrw/BS/rechtimausl…/3/euunthvo.pdf

    2.
    In Altfällen (Verfahrenseinleitung vor dem 18.06.2011 bzw. Errichtung des Vergleichs vor dem 18.06.2011) findet in Unterhaltssachen die EU-Verordnung Nr. 44/2001 (Brüssel I-Verordnung) keine Anwendung, sondern stattdessen die Europäische Unterhaltsverordnung (EU-Verordnung Nr. 4/2009 (EuUnthVO).
    Aus einem tschechischen Unterhaltstitel, der nicht als Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen bestätigt worden ist, kann noch nicht unmittelbar in Deutschland vollstreckt werden.
    Die Gläubigerpartei benötigt für die Zwangsvollstreckung in Deutschland die Vollstreckbarerklärung des Amtsgerichts - Familiengericht -;
    der tschechische Unterhaltstitel muss in Deutschland für vollstreckbar erklärt werden.
    Für das Vollstreckbarerklärungsverfahren in Deutschland benötigt de Gläubigerpartei einen Auszug aus dem Unterhaltstitel (Formblatt II EuUnthVO) und eine Ausfertigung des Unterhaltstitels.
    Weiter Einzelheiten kannst Du der Info aus dem Justizportal NRW entnehmen:
    https://www.justiz.nrw/BS/rechtimausl…euunthvo-ex.pdf


    PS:
    Informationen zur Unterhaltsvollstreckung im Justizportal NRW:https://www.justiz.nrw/BS/rechtimausl…/uv/3/index.php

    Einmal editiert, zuletzt von rolli (3. Juli 2018 um 14:34)

  • Lieber Rolli,

    ich danke dir sehr für deine Expertise auf dem Gebiet der Auslandssachen. Du hast mir sehr weitergeholfen. :)

    Die Titel stammen beide aus dem Jahr 2010, sind somit Altfälle.
    Zuständig ist der Vorsitzende Richter am Landgericht, das erklärt auch den richterlichen Beschluss.

    Wenn ich die Infos zur Unterhaltsvollstreckung richtig verstehe, benötige ich eine Ausfertigung des Titels (liegt vor) und das Formblatt VI (muss ich nachprüfen, nur auf tschechisch).
    Nach § 9 AVAG ist allerdings die Serviceeinheit am LG zuständig.

    Das heißt, ich bin als Rechtspfleger unzuständig und die Klauselerteilung erfolgt durch die SE? Oder ist damit der Kostenbeamte gemeint?

  • 1.
    Die Vollstreckbarerklärung erfolgt durch das Amtsgericht - Familiengericht -.
    Das Landgericht ist nicht zuständig.
    Das Vollstreckungsausführungsgesetz (AVAG) findet keine Anwendung, sondern stattdessen das Auslandsunterhaltsgesetz (AUG).

    Nach § 53 AUG ist die Serviceeinheit des Amtsgerichts - Familiengericht - für die Erteilung der Vollstreckungsklausel zu der Vollstreckbarerklärung und für die Erteilung der Bescheinigung, dass aus dem tschechischen Unterhaltstitel die Zwangsvollstreckung in Deutschland uneingeschränkt stattfinden darf, zuständig.

    2.
    Der Auszug (Formblatt II EuUnthVO) des tschechischen Gerichts wird lediglich für die richterliche Vollstreckbarerklärung des Amtsgerichts - Familiengericht - benötigt.

    Einmal editiert, zuletzt von rolli (3. Juli 2018 um 14:55)

  • Ah, falscher Link.
    Zuständigkeit AG Familiengericht weil Altfall, ansonsten LG.

    Nochmals danke. :)

    (Vielleicht für mich zur Kenntnis - wenn es ein neuerer Fall gewesen wäre, dann Zuständigkeit SE am LG?)

  • In Unterhaltssachen erfolgt die Vollstreckbarerklärung durch das Amtsgericht - Familiengericht -,
    s. Auslandsunterhaltsgesetz (AUG).
    In Zivilsachen erfolgt die Vollstreckbarerklärung dagegen durch das Landgericht,
    s. Vollstreckungsausführungsgesetz (AVAG).

    PS:
    Aus aktuellen Schuldtiteln aus dem EU-Ausland kann sowohl in Unterhaltssachen als auch in Zivilsachen dagegen unmittelbar in Deutschland volltreckt werden (keine Vollstreckbarerklärung erforderlich).

  • Es tut mir wirklich leid, aber ich hab es immer noch nicht allumfassend verstanden.

    1. In aktuellen Fällen ab dem 18.06.2011 kann unmittelbar vollstreckt werden, insofern kein Klauselerteilungsverfahren notwendig.

    2. In Altfällen gilt das AUG für die Klauselerteilung in Unterhaltsachen.

    Nun steht aber im Kommentar zu den Übergangsvorschriften im AUG bzw. direkt in Artikel § 77:

    Die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Unterhaltstitels richtet sich für die am 18. Juni 2011 bereits eingeleiteten Verfahren nach dem Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz in der Fassung vom 3. Dezember 2009 (BGBl. I S. 3830) im Anwendungsbereich

    1.der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. L 12 vom 16.1.2001, S. 1),

    (...)

    I. Rechtslage für am 18.6.2011 bereits eingeleitete Verfahren (Abs. 1 und 2)

    Es bleibt bei der alten Rechtslage (AVAG oder AUG 1986). Es kommt für das Datum weder auf den Zeitpunkt des Titelerlasses, noch auf das Datum des Antrags, sondern auf den Eingang des Antrags bei Gericht an. Wurde fälschlicherweise nach dem 18.6.2011 ein Verfahren nach der Brüssel I-VO eingeleitet, kann die fehlende Zuständigkeit nicht im Beschwerdeverfahren gerügt werden, das Beschwerdegericht entscheidet aber nach Maßgabe der EuUntVO.

    AUG § 77 Übergangsvorschriften Caroline Meller-Hannich Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung
    3. Auflage 2015 , Rn. 1


    Das vorliegende Verfahren wurde ja nun vor 2011 eingeleitet. Wieso findet dennoch das AUG Anwendung?

    Hierzu:

    Vollstreckung nach der EuGVVO (Restfälle)

    142

    Nur noch vorübergehend wird die EuGVVO für Restfälle, deren Vollstreckbarkeit noch nicht nach der EuUnthVO/AUG (Art. 75 EuUnthVO/§ 77 AUG) möglich ist, bedeutsam für Anerkennung und Vollstreckung bleiben. Dies betrifft jene Vollstreckungsverfahren, die vor dem 18.11.2011 eingeleitet worden sind.

    143

    Nachdem das AUG 2011 hierzu keine Regelungen enthält (vgl. § 1 AUG 2011), bleibt es insoweit zur Durchführung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens bei der nationalen Zuständigkeitsregelung im AVAG (§ 1 Abs. 2 Nr. 1). Örtlich zuständig ist somit das Landgericht am allgemeinen Gerichtsstand des Schuldners (§§ 1 Abs. 1 Nr. 2a, 3 Abs. 1 und 3 AVAG), hilfsweise das Landgericht, in dessen Bezirk die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll. Über den Antrag entscheidet der Vorsitzende einer Zivilkammer (§ 3 Abs. 3 AVAG).

    Also doch LG und AVAG?


    Sorry für die Fragerei, aber ich möchte es wirklich gern verstehen.

  • 1.
    Nach §§ 77 AUG, 3, 34 AVAG, 1 Ziffer 2 a) AVAG a.F. erfolgte die Vollstreckbarerklärung der tschechischen Unterhaltstitel aus 2010 durch das Landgericht, sofern das Vollstreckbarerklärungsverfahren bereits vor dem 19.06.2011 bei dem Landgericht eingeleitet worden ist.
    Rechtsgrundlage für die Vollstreckbarerklärung des Landgerichts sind in diesen Fällen das Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz (AVAG) und die Brüssel I-Verordnung (EU-Verodnung Nr. 44/2001) s. auch Art. 75 II b) EuUnthVO.

    2.
    Im vorliegenden Fall wurde jedoch das Vollstreckbarerklärungsverfahren erst nach dem 19.06.2011 in Deutschland eingeleitet (2018).
    Für die Vollstreckbarerklärung der tschechischen Unterhaltstitel aus 2010 ist daher das Amtsgericht - Familiengericht - zuständig, § 35 I, II AUG.
    Rechtsgrundlage für die Vollstreckbarerklärung des Amtsgerichts - Familiengericht - sind das Auslandsunterhaltsgesetz (AUG) und die EU-Verordnung Nr. 4/2009 (Europäische Unterhaltsverordnung (EuUnthVO), § 1 I Ziffer 1 a) AUG, Art. 75 II b EuUnhVO.

    3 Mal editiert, zuletzt von rolli (5. Dezember 2018 um 00:17)

  • Das Familiengericht weigert sich, den Fall zu übernehmen mit der Begründung, es sei unzuständig, da ja bereits ein Beschluss vorliegt.
    Unser Richter sagt ebenfalls, das Verfahren sei durch den Beschluss nach 32 ff. der EG-VO Nr. 44/2011 erledigt.


    Ich hatte den Richter gebeten, sich an das Familiengericht zu wenden (vielleicht hören sie mehr auf ihn als auf mich), aber jetzt verweist er nur auf den ergangenen Beschluss.
    Wie gehe ich jetzt am besten weiter vor?

  • Spontane Idee: Verweisungsbeschluß ans FamG fertigen und dann den Zuständigkeitsstreit durch das Obergericht entscheiden lassen?

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • Die Idee finde ich prima und habe mit dem (Verweisungs-)Beschluss angefangen. :)

    Dabei stellt sich mir aber noch folgende Frage: Ein Beschluss ist ja bereits ergangen, nur m. E eben ein falscher. Sowohl Familiengericht als auch Richter berufen sich darauf, dass durch diesen Beschluss das Verfahren beendet sei.

    Ausweislich der Akte wurde der Beschluss nie zugestellt.

    Entfaltet der richterliche Beschluss nach Artikel 32 ff. der EG Veordnung Nr. 44/2001 trotzdem Wirkung?

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