Seltene Konstellation aus der Praxis - Ich brauche mal eine Meinung

  • Ich wünsche euch einen schönen Guten Tag,

    ich bin gerade in der Ausbildung beim Land S-A zum Rechtspfleger. Ich befinde mich gerade im 1. Praxisabschnitt nach dem Grundstudium.

    Ich bin gerade bei einem Amtsgericht im Bereich Vollstreckung eingesetzt. Mit den meisten Fällen die ich bisher hatte bin ich gut klar gekommen, letzte Woche habe ich aber einen Fall auf den Tisch bekommen an dem ich seit dem viel überlegt habe und auch gesucht habe.

    Es geht um einen 50 Jährigen Beamten der Dienstunfähig ist und eine Pension bezieht. Er übt nebenbei eine Nebentätigkeit im Öffentlichen Dienst aus, die höher vergütet wird als seine Pension ist bzw. wird ein Teil darauf auf seine Pension angerechnet und diese entsprechend gekürzt. Der Gläubiger hat beantragt beide Einkommen zusammen zu rechnen und daraus den pfändbaren Teil zu entnehmen. Der Schuldner hat hingegen den Einwand gebracht das die Nebentätigkeit als Mehrarbeit angesehen sein sollte und entsprechend § 850a ZPO nur zur Hälfte als pfändbar anzurechnen sei.

    Ich habe dann den BGH Beschluss vom 26.06.2014 - IX ZB 87/13 gefunden in dem der Leitsatz ja sagt, dass Nebeneinkommen neben einer Rente wie Mehrarbeit zu behandeln ist. Darin geht es jedoch um einen knapp 70 Jährigen von dem ich man ja eigentlich nicht verlangen kann noch arbeiten zu gehen, was bei einem 50 Jährigen ja durchaus noch zumutbar ist.

    Nach weiterer Recherche bin ich dann auf ein Urteil des Amtsgerichts Heidelberg, vom 25.9.2014 – 55 IK 187/14 R gekommen in dem entschieden wurde, dass eine Erwerbsunfähigkeitsrente der Altersrente gleichgestellt ist.

    Ich habe auch die Kommentare schon hoch und runtergelesen doch leider nichts zu meinem Fall gefunden.

    Ich bin persönlich bin geneigt das höhere Einkommen voll anzurechnen und das geringere (die Pension) nur zur Hälfte anzurechnen und als Mehrarbeit anzuerkennen. Ich denke so könnte ich beide Seiten berücksichtigen.

    Ich wäre für eine Meinung von euch sehr dankbar. :confused:

    LG

  • Ich habe dann den BGH Beschluss vom 26.06.2014 - IX ZB 87/13 gefunden in dem der Leitsatz ja sagt, dass Nebeneinkommen neben einer Rente wie Mehrarbeit zu behandeln ist. Darin geht es jedoch um einen knapp 70 Jährigen von dem ich man ja eigentlich nicht verlangen kann noch arbeiten zu gehen, was bei einem 50 Jährigen ja durchaus noch zumutbar ist.

    Ich denke, Rente ist Rente. Da Unterschiede im Alter zu machen, ist wohl nicht ganz richtig.


  • ...
    Darin geht es jedoch um einen knapp 70 Jährigen von dem ich man ja eigentlich nicht verlangen kann noch arbeiten zu gehen, was bei einem 50 Jährigen ja durchaus noch zumutbar ist.

    ...

    Kommt es darauf überhaupt an?
    Und warum soll das bei einem Dienstunfähigen anders sein?

    Und arbeite an Deiner Interpunktion.

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Ich würde dem Antrag des Gläubigers entsprechen (§ 850 II, §850e Nr. 2 ZPO).

    Ein Fall von Mehrarbeit im Sinne des § 850a ZPO liegt nicht vor.

    Mag der Schuldner Erinnerung einlegen. Dann wird eventuell das LG, das über höhere Weisheit verfügt als wir beide, darüber entscheiden.

  • Ich würde zunächst die BGH-Entscheidung in Gänze lesen und "erwerbspflichtig" durch "dienstfähig" ersetzen.

    Stimme zu, weil der BGH gesagt hat, dass von dem Schuldner keine Erwerbstätigkeit mehr erwartet werden kann. Und ich sehe dabei keinen Unterschied, weil der Schuldner nicht mehr arbeiten gehen muss wenn er dienstunfähig ist.

  • Lieber Themenstarter:
    "Ich bin persönlich bin geneigt das höhere Einkommen voll anzurechnen und das geringere (die Pension) nur zur Hälfte anzurechnen und als Mehrarbeit anzuerkennen. Ich denke so könnte ich beide Seiten berücksichtigen. "

    Dies ist falsch, dagegen spricht das von dir erwähnte Urteil, Zitat:

    " Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, dem Schuldner die Sinnhaftigkeit einer überobligatorischen Tätigkeit wirtschaftlich erkennbar zu machen. Er soll motiviert werden, über seine eigentlichen Einnahmen hinaus zum eigenen und zum Wohle der Gläubiger Einkünfte zu erzielen. Ein Schuldner, der die Vergütung für die Mehrarbeit insgesamt an seine Gläubiger abgeben muss, hat keinen Anreiz, in seiner Freizeit oder während seines Ruhestandes zu arbeiten. Bei einer angemessenen Aufteilung der schuldnerischen Einnahmen aus einer überobligatorischen Tätigkeit zwischen Schuldner und Gläubiger haben beide Seiten etwas davon. Jedwede gewinnbringende Aktivität des Schuldners wird dadurch gefördert (vgl. Ahrens, ZInsO 2010, 2357). "


    Der Hinzuverdienst durch Mehrarbeit (sofern zutreffend) ist hier der durch die tatsächlich ausgeführte Tätigkeit erzielte , nicht die Pension.

    Ob die Entscheidung hier überhaupt anwendbar ist, vermag ich nicht zu sagen- dafür würde ich die gesamte Akte brauchen. Denn hier ist es eine Pension wegen Dienstunfähigkeit, die auch noch zusätzlich gekürzt wird - eben wegen der anderen Tätigkeit. Allein diese Kürzung würde es für mich schwer machen, hier den 1:1 Vergleich mit dem Urteil herzustellen und somit abwägen zu können inwieweit es sich hier um Mehrarbeit handelt.
    Denn die Mehrarbeit führt in diesem Fall eben nicht nur zu mehr Geld sondern aufgrund der Pensionskürzung auch zu weniger, nur die Differenz ist effektiv das Mehr für die geleistete Arbeit. Denn wenn er die Arbeit nicht ausführen würde, dann hätte er zwar die Einnahmen nicht mehr, aber dann auch wieder die ungekürzte Pension.


    Ich würde wahrscheinlich:
    1. Mir vorlegen lassen, wie hoch die Netto-Pension wäre wenn keine Mehrarbeit geleistet würde. z.B. 2000,00 €
    2. Dies mit den Einkünften aus jetziger gekürzter Netto-Pension und Netto-Gehalt vergleichen. z.B. 700 € gekürzte Pension und 1500 € Hinzuverdienst= 2200,00 €
    3. Die Differenz wäre dann in meinen Augen die Mehrarbeit- das tatsächliche Mehr-netto, welches durch die Arbeit entsteht. dann im Beispiel: tatsächlich erwirtschafteter Mehrverdienst: 200,00 €

    Und dann würde ich mir Gedanken machen, inwieweit ich diesen tatsächlichen Mehrverdienst freigebe.


    Das Urteil des AG Heidelberg ist hier nicht einschlägig, da dienstunfähig und erwerbsunfähig nicht miteinander vergleichbar sind. Denn der Dienstunfähige kann einen bestimmten Dienst nicht ausführen ist aber ggf. zu einer anderen Tätigkeit in der Lage - ggf. sogar in Vollzeit-. (hier der Fall) Beim Erwerbsunfähigen ist dieser nicht in der Lage überhaupt einer Tätigkeit für eine bestimmte Zeit nachzugehen.(bei voller EU- nicht in der Lage 3 Std täglich zu arbeiten)

  • An die Kürzung der Versorgungsbezüge habe ich gar nicht gedacht und deswegen würde ich mich Dir anschließen und den Teil des Arbeitseinkommens kürzen um den die Versorgungsbezüge gekürzt werden.

    Aber interessant wäre noch zu wissen, ob der Schuldner das Arbeitseinkommen von dem gleichen Drittschuldner erhält wie seine Versorgungsbezüge. Dann nämlich wäre ein Zusammenrechnungsbeschluss gar nicht erforderlich.

  • Möge mich bitte jemand von meiner Leitung schubsen, aber worin ist hier ein Fall von 850a ZPO zu sehen?

    Es spielt keine Rolle, ob die Mehrarbeit bei demselben oder bei einem anderen Arbeitgeber in der Form einer Nebentätigkeit außerhalb der üblichen Arbeitszeit erbracht wird.
    (BeckOK ZPO/Riedel ZPO § 850a Rn. 4-7, beck-online)

    Pension = keine Arbeit
    Job = Arbeit= keine MEHRARBEIT

    Ergo: zusammenrechnen und den pfandfreien Betrag bestimmen wie vom Gläubige beantragt

  • Ich knüpfe mal hier an, weil es thematisch passt und ich bei der Schlagwortsuche nirgendwo fündig wurde.

    In identischer Fallkonstellation wie o.g. BGH-Entscheidung stellt sich für mich die Frage, wie die praktische Ausführung erfolgt. Ausgehend von 500 EUR Arbeitseinkommen wird berechnet:

    1. Rente + Rente + 500 EUR = eigentlicher pfändbarer Betrag, nunmehr abzüglich des unfpändbaren hälftigen Einkommens? oder
    2. Rente + Rente + 500 EUR/2 = pfändbarer Betrag wie BAG, 17.04.2013 - 10 AZR 59/12 oder
    3. eideutige Festlegung des Vollstreckungsgerichts notwendig

    "Ändere die Welt, sie braucht es." Brecht

    K. Schiller: "Genossen, lasst die Tassen im Schrank"


    "Zu sagen, man müsste was sagen, ist gut. Abwägen ist gut, es wagen ist besser." Lothar Zenetti

  • nach nochmaligen Lesen/Überfliegen:

    Gesamtbetrag Rente + Rente + Einkommen
    abzüglich die in § 850e ZPO benannten Beträge (damit auch das halbe Einkommen) = bereinigtes Gesamteinkommen.

    Ermittlung des pfändbaren Betrages aus dem bereinigten Gesamteinkommen nach § 850c ZPO.

    sollte also tatsächlich der Variante 2 entsprechen....

  • Vielen Dank allen mithirnenden. Habe mich jetzt auch für 2. entschieden.

    :blumen:

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