Herrenloses Grundstück: Ist die Absicht der Aneignung ein berechtigtes Interesse?

  • Hallo liebes Forum!

    Mir stellt sich hier ein Problem, dass sich ein wenig wie ein Henne-Ei-Problem ausnimmt.

    Für die Einsichtnahme in der Grundbuch braucht es ja bekanntlich ein berechtigtes Interesse oder aber die Genehmigung des / der Eigentümer. Bekanntlich ist ja nun ein reines Kaufinteresse definitiv kein berechtigtes Interesse.

    Nun gibt es ja herrenlose Grundstücke, bei denen auch der Fiskus auf sein Aneignungsrecht verzichtet hat. Ein solches Grundstück kann sich ja nun jeder aneignen, der eine entsprechende notarielle Erklärung beim Grundbuchamt einreicht.

    Nun möchte ja derjenige, der das zu tun beabsichtigt eventuell vorher mal wissen, welche Lasten und Beschränkungen im Grundbuch eingetragen sind, was man ja nachvollziehen kann.

    Wenn also jetzt jemand zu Euch kommt und sagt:

    Ich überlege mir, mir das Grundstück anzueignen, aber ich möchte vorher mal ins Grundbuch schauen, bzw. ich würde gerne mal wissen, ob vor mir bereits jemand anderen einen entsprechenden Antrag gestellt hat, weil dann würde ich mir gerne die Notarkosten sparen, gewährt Ihr dem denn Einsicht bzw. erteilt Ihr einen Auszug?

    Grüße
    T.

  • Die Einschränkung der Grundbucheinsicht ist eine Norm, deren Schutzzweck es ist, den Grundstückseigentümer vor unberechtigter Einsicht zu schützen , ggf. auch evtl. Rechteinhaber.

    Handelt es sich tatsächlich um ein herrenloses Grundstück, gibt es keine zu schützenden Grundstückseigentümer- es könnte jedoch zu schützende Rechteinhaber geben.

    Den Willen zur Aneignung würde ich als ausreichendes Interesse ansehen- auch dies jedoch nur, falls es sich wirklich um ein herrenloses Grundstück handelt.

    Ich würde den Antrag stellen, ggf. kannst du aus der Antwort darauf dann schon genug erfahren. (z.B. wird nicht gewährt, da keine Einwilligung des Eigentümers vorliegt= nicht herrenlos)

  • Kaufinteressenten haben ja dann ein berechtigtes Interesse zur Grundbucheinsicht, wenn sie sich in konkreten und ernsthaften Verhandlungen mit dem Eigentümer befinden.
    Wenn der Antragsteller jetzt bei einem herrenlosen Grundstück ein ernsthaftes Aneignugnsinteresse glaubhaft macht, hätte ich deshalb keine Bedenken die Grundbucheinsicht zu gewähren.

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

  • Kaufinteressenten haben ja dann ein berechtigtes Interesse zur Grundbucheinsicht, wenn sie sich in konkreten und ernsthaften Verhandlungen mit dem Eigentümer befinden.

    Es geht jetzt etwas von der Frage weg, aber:

    Der Eintritt in Verhandlungen (im Normalfall, d.h. Grundstück ist nicht herrenlos) setzt ja voraus, zu wissen, mit wem man denn verhandeln soll. Und dann steht ja nun auch meistens nichts im Wege, dass der Eigentümer einem eine Genehmigung erteilt.

    Zwei Fälle der in der Praxis aber durchaus häufiger vorkommt als man denkt ist:


    • Ich kaufe eine Wohnung in einem MFH; z.B. in einer Zwangsversteigerung. Das Haus steht leer. Eine WEG-Verwaltung ist nicht vorhanden. Ich würde nun z.B. gerne wissen, wer die Miteigentümer sind, entweder um eben eine WEG-Versammlung einzuberufen oder aber weil ich eventuell Interesse hätte, noch weitere Wohungen im Haus zu erwerben.
    • Ich sehe irgendwo ein offensichtlich aufgegebenes Haus das ich eventuell kaufen wollen würde. An wen wende ich mich, um in Verhandlungen einzutreten?

    Unterliege ich hier vielleicht einem Irrtum und drücke mich falsch aus, wenn ich nach "Grundbucheinsicht" frage? In den o.g. Fällen würde mir ja auch die einfache Auskunft reichen, wer der / die Eigentümer sind, im Idealfall verbunden mit einer Anschrift. D.h. anders gesagt, ich würde in dem Moment ja erstmal nichts aus Abteilung II und III sehen wollen, nicht mal die Historie von Abteilung I sondern eben nur den aktuellen Eigentümer. Ist das in gleicher Weise geschützt?

    Wenn der Antragsteller jetzt bei einem herrenlosen Grundstück ein ernsthaftes Aneignugnsinteresse glaubhaft macht, hätte ich deshalb keine Bedenken die Grundbucheinsicht zu gewähren.

    Nun ja, wie will man da die Ernsthaftigkeit glaubhaft machen, ausser mit der Aussage: Ja, ich würde, wenn im Grundbuch nicht Dinge stehen, die mich davon Abstand nehmen lassen. Aber Versuch macht klug; ich habe die Anträge mal abgeschickt. Ich werde berichten, was Eure Kollegen da so drauf geantwortet haben.

    Danke erstmal!

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    Zwei Fälle der in der Praxis aber durchaus häufiger vorkommt als man denkt ist:


    • Ich kaufe eine Wohnung in einem MFH; z.B. in einer Zwangsversteigerung. Das Haus steht leer. Eine WEG-Verwaltung ist nicht vorhanden. Ich würde nun z.B. gerne wissen, wer die Miteigentümer sind, entweder um eben eine WEG-Versammlung einzuberufen oder aber weil ich eventuell Interesse hätte, noch weitere Wohungen im Haus zu erwerben.
    • Ich sehe irgendwo ein offensichtlich aufgegebenes Haus das ich eventuell kaufen wollen würde. An wen wende ich mich, um in Verhandlungen einzutreten?

    Unterliege ich hier vielleicht einem Irrtum und drücke mich falsch aus, wenn ich nach "Grundbucheinsicht" frage? In den o.g. Fällen würde mir ja auch die einfache Auskunft reichen, wer der / die Eigentümer sind, im Idealfall verbunden mit einer Anschrift. D.h. anders gesagt, ich würde in dem Moment ja erstmal nichts aus Abteilung II und III sehen wollen, nicht mal die Historie von Abteilung I sondern eben nur den aktuellen Eigentümer. Ist das in gleicher Weise geschützt?

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    Danke erstmal!

    Kurz und schmerzhaft: Ja, § 12a Abs. 3 GBO.

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • Das ist ja ein immer wieder vorkommendes Thema.

    Ich denke es ist auch wichtig zu unterscheiden, ob es sich um eine konkrete Anfrage handelt (d.h. der Interessent kann Blattstelle, Flurstück oder zumindest die Adresse des Hauses angeben), oder um die sehr viel häufiger vorkommende Massenanfrage von Glücksrittern, nach dem Motto: bitte suchen Sie mir alle herrenlosen Grundstücke im Bezirk heraus. Hintergedanke ist dann meist die Eigentumsannahme, um dann mit den Gläubigern Verkaufsvereinbarungen zu schließen.

    Letzteres wird meines Wissens nach von fast allen Grundbuchämtern blockiert.

    Ich bin Weinkenner. Wenn ich Wein trinke, merke ich sofort: aah, Wein. (Han Twerker)

  • http://www.immobilien.niedersachsen.de/wir_ueber_uns/…ecke-68719.html

    hier findet der Themenstarter den Ansprechpartner und den Ablauf der Aneignung. Dieser sollte auch wissen, ob es ein herrenloses Grundstück ist, da es in seine Zuständigkeit fällt.

    Denke, dies gibt es so auch in anderen Bundesländern.

    PS: Es wäre schön, wenn aus dem Profil das Bundesland erkennbar ist- sonst gehst du das Risiko ein eine für dein Bundesland unpassende Antwort zu bekommen.

  • Mir wurde folgender Sachverhalt vorgetragen:

    Jemand hat vom Freistaat Bayern das Aneignungsrecht über eine herrenlose Immobilie erworben.

    Im notariellen Kaufvertrag über das Aneignungsrecht wurde vereinbart,
    dass die Kaufpreiszahlung und Eintragung im Grundbuch erst angeordnet wird,
    sobald das Negativzeugnis der Gemeinde über das Vorkaufsrecht vorliegt.

    Der Notar hat gegenüber der Gemeinde angegeben,
    dass es in Literatur und Rechtsprechung keine klare Stellungnahme dazu gibt,
    ob auch beim Verkauf eines Aneignungsrechtes ein Vorkaufsrecht der Gemeinde gemäß §24 BauGB besteht.
    Nach seinem Wortlaut gilt §24 BauGB nur für den Verkauf eines Grundstückes.
    Man könnte aber auch argumentieren, dass ein Aneignungsrecht dem Grundstück gleich steht.
    Um diese Diskussion nicht führen zu müssen,
    holt der Notar zu solchen Verträgen immer ein Vorkaufszeugnis der Gemeinde (§28 BauGB) ein.

    Diesen Hinweis hat die Gemeinde sehr ernst genommen und stellt daher,
    trotz Anfrage des Notars, kein Negativzeugnis aus.

    Jetzt meine Frage: Ist das Negativzeugnis für die Eintragung im Grundbuch notwendig? Oder kann das Notariat die Urkunde auch ohne Negativzeugnis mir zum Vollzug vorlegen?

  • Wärme das Thema nochmal auf: Ein Antragsteller möchte Grundbuchkopien aller Blätter + evtl. vorhandene Verzichtserklärungen des Landes bzgl. herrenloser Grundstücke.
    Er liefert auch gleich eine Anleitung mit, wie man diese in SolumSTAR findet. Dazu bekundet er generellen Aneignungswillen und er habe sich in der Vergangenheit schon Grundstücke angeeignet.

    Zitiert und beigefügt wird weiter ein von ihm erwirkter Beschluss des Thüringer OLG von 2019 (3 W 26/19; offfenbar nicht veröffentlicht). Recht auf Einsicht wird ihm darin zugesprochen, allerdings hatte er in diesem Verfahren konkrete Blattstellen benannt und nicht einen pauschalen Antrag gestellt.

    Das OLG zitiert Demharter GBO § 12 RNr. 7-9 und spricht von einem "ohne weiteres glaubhaften Vorbringen". Schützenswerte Interessen nicht vorhandener Eigentümer könnten nicht vorliegen. Das Aneignungsrecht des Fiskus steht nicht entgegen. Der Antragsteller könne ja beim Fiskus auf den Verzicht auf das Aneignungsrecht hinwirken.

    Hatte schon jemand diese Pauschalanträge? Irgendwelche Bedenken dagegen?

  • Na ja, dazu sagt er halt, dass das Führen einer Liste gar nicht erforderlich ist. Man könne ohne weiteres die Grundbücher, bei denen Herrenlosigkeit/Verzicht vermerkt ist, ausdrucken und versenden. Das ist so ein Streit um Begrifflichkeiten, ob damit jetzt eine Liste erstellt wird oder nicht. § 28 GBO muss ja der Antrag nicht erfüllen. Nach Wilsch RNr. 16 BeckOK GBO reichen "personen- oder grundstücksbezogene Angaben, die das Grundbuchamt in die Lage versetzen, das Einsichtsbegehren ohne eigene Ermittlungen zu erfüllen". Ist es nicht genauso zu bewerten, wie wenn ein Gläubiger unter Titelvorlage Einsicht in alle Grundbücher des Vollstreckungsschuldners beantragt?

    Hat das noch niemand ans OLG gegeben? Der stellt doch vermutlich in ganz Deutschland solche Anträge?
    Wenn nicht, mach ich es halt mal mit der "Begründung" von Wilsch im Hügel.

  • Am berechtigten Interesse kann es fehlen, wenn die Information auf einfacheren Weg beschafft werden kann (so Keller in KEHE, § 12 RdNr 3). Nachdem das Aneigungsrecht dem jeweiligem Land (bzw. dem entsprechenden staatlichen Liegenschaftsamt) zusteht, ist die Anfrage an das Land bzw. die zuständige Behörde (als Eigentümer bzw. Aneigungsberechtigten) zu stellen.


    Die Grundbuchämter sind meines Erachtens nicht verpflichtet, alle entsprechenden herrenlosen Grundstücke heraussuchen (auch wenn der Antragsteller eine Anleitung mitliefert). Das Thüringer OLG hat in dem Urteil die Einsicht auch nur in konkrete genannte Grundbuchblätter gewährt und nicht pauschal.

  • Wäre die Frage, ob das Bundesland einem Antragsteller wirklich eine Liste aller herrenlosen Grundstücke im ganzen Bundesland herausgibt. Und die nützt ihm aber auch nichts, weil er dann die Belastungen der einzelnen Grundstücke nicht kennt.
    Dann schickt er uns die Liste im Teil-Auszug zu und beantragt konkret Einsicht in die genannten Blattstellen. Dann sind wir wieder genau so weit. Die Suche bei SolumSTAR dürfte ja nur wenige Sekunden in Anspruch nehmen.

  • Ach man heute ist Forumstag, komme mir schon komisch vor so viele Fragen zu stellen.

    Ein Privatperson möchte aus einem bestimmten Grundbuch die Verzichtserklärung des Eigentümers und die Verzichtserklärung des Landes.

    Ok Verzichtserklärung des Landes liegt nicht vor.

    Aber warum braucht er die des alten Eigentümers?

    Er begründet schon mit Demharter § 12 7-9, dass er ein berechtigtes Interesse hat, da grundsätzlich ein Aneignungswille vorliegt uns er hier schon einige Grundstücke angeeignet hat. Er weist auf LG Stuttgart, das eine Ablehnung nur möglich ist wenn unbefugte Zwecke oder bloße Neugier vorliegen. Schließlich kommt er noch, dass kein Schutzwürdiges Interesse verletzt wird, da ja herrenlos.

    Er möchte ausdrücklich keine Auszug, sondern die Einsicht in die Grundakte durch Übersendung der Kopie.

    Ist dies zulässig? Mir ist nicht ersichtlich, warum er zur Aneignung die Verzichtserklärung des alten Eigentümers benötigt?

    Mir ist klar, dass das Sache der SE ist, aber diese ist noch nicht so lange dabei.

  • Er muß aus meiner Sicht nur wissen, daß der Eigentümer verzichtet hat. Das kann man ihm ja problemlos mitteilen, verbunden mit dem Hinweis, sich wegen dessen Verzicht an das Land zu wenden, da nicht vorliegend. Die Daten des früheren Eigentümers gehen ihn nichts an.

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • Stimme FED zu.

    Wenn er auch noch darauf hinweist, dass kein Schutzwürdiges Interesse verletzt werde, weil das Grundstück herrenlos ist, dann hat er auch keinen Anspruch darauf, den Namen des früheren Eigentümers durch die Verzichtserklärung zu bekommen. Bzw. wenn er die Verzichtserklärung will, ist das Schutzwürdiges Interesse des ehemaligen Eigentümers zu prüfen.

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