Erneute Antragstellung - Mutwilligkeit ja/nein bei ADHS

  • Angelegenheit:
    Widerspruchsverfahren gegen SGB II Bescheid aufgrund fehlerhafter Anrechnung KdUH und Einkommenberechnung (Steuerberaterkosten)

    Antragsteller hat dazu bereits2015 Beratungshilfe erhalten. Daher habe ich Ende 2017 BerH aufgrund derselbenAngelegenheit iSd Mutwilligkeit zurückgewiesen. Jetzt legt der Antwalt Erinnerungmit 2 Begründungen ein:

    1.

    Der Antragsteller ist aufgrundseiner Erkrankung (Erwachsenen ADHS mit depressiver Störungen) nicht in derLage seine Angelegenheiten selbst zu regeln und entsprechende Erklärungen ggüdem Jobcenter abzugeben. Beigelegt ist ein ärztliches Attest, aus dem sich dieErkrankungen entnehmen lassen aber auch dass der Antragsteller selbständigerFliesenleger ist sowie dass er große Probleme hat, Termine wahrzunehmen,Schriftverkehr mit Ämtern zu führen und die Büroarbeit für seine Selbständigkeitzu führen.

    2.
    Vom Antragsteller kann nicht erwartetwerden, dass es mögliche Änderungen der Rechtsprechung in der Angelegenheitgegeben hat und allein nur um dies zu prüfen, wäre schon Beratungshilfe zubewilligen gewesen.

    Zu 1.
    Generell müssen bei derBeurteilung der Mutwilligkeit ja auch die Kenntnisse und Fähigkeiten desAntragstellers berücksichtigt werden. Jedoch sehe ich vorliegend nicht, warumer trotz seiner Anlassstörungen nicht in der Lage sein soll, die zuvor bereitserworbenen Kenntnisse durch die 2015 stattgefundene Beratung zu nutzen.Es steht in dem Attest nichts von einer Intelligenzminderung. ADHS heißt ja nicht gleich geminderte Intelligenz.
    Auch sehe ich hier eher einProblem der allgemeinen Lebenshilfe. Dafür steht BerH meines Erachtensgrundsätzlich nicht zu Verfügung.

    Zu 2.
    Bei dem Argument müsste ich ja immer für eine gleiche Angelegenheit neu BerH geben, denn auch in anderenRechtsgebieten kann sich ja die Rechtsprechung ändern. Zudem passen die Jobcenterdie Arbeitsweisen sehr schnell an, wenn eine obergerichtliche Entscheidungergangen ist.

    Ich tendiere dazu der Erinnerung nicht abzuhelfen. Oder bin ich in der vorliegendenSache zu streng?

  • > 1. Der Antragsteller ist aufgrund seiner Erkrankung (Erwachsenen ADHS mit depressiver Störungen) nicht in der Lage seine Angelegenheiten selbst zu regeln und entsprechende Erklärungen ggü dem Jobcenter abzugeben.

    Wenn dem so wäre, wäre das ein Fall für eine Betreuung.

  • Jemand, der in der Lage ist, berufstätig zu sein, kann sicherlich auch selber bei der Behörde vorsprechen und mitteilen, welche Kosten bei ihm berücsichtigt werden solle ( der Antragsteller kann doch auch lesen und schreiben )

  • Zu 2.
    Die Argumentation des RAs ist durchaus nachvollziehbar. Je mehr Zeit vergeht, desto mehr Änderungen der Rechtslage treten in der Regel ein.
    Außerdem vergisst man immer mehr, je länger ein Sachverhalt zurück ist. Auch ist es dann immer unwahrscheinlich das entsprechende Unterlagen noch aufgehoben werden und nicht schon weggeworfen wurden.

    Bei der Prüfung der Mutwilligkeit würde ich die Zeit seit der Bewilligung wegen einem Sachverhalt und das ADHS mitberücksichtigen.

    Wenn man sich für eine Bewilligung entscheidet, sind dann bei der Vergütung bei der Prüfung der Notwendigkeit der Vertretung höhere Maßstäbe zu berücksichtigen.

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

  • zu #5
    das ist mir bewusst und wird auch gemacht, hilft dem Antragsteller aber akut nicht weiter, falls die Inanspruchnahme der wiederholten Antragstellung vorliegend aufgrund der Erkrankung nicht als mutwillig einzustufen ist...

    bis die Betreuung eingerichtet ist und ein Betreuer bestellt ist, ist die Widerspuchsfrist lange abgelaufen. Selbst wenn erst Widerspruch eingelegt wird und Begründung später erfolgt, dürfte ein Betreuer zu spät kommen.

  • Aaalso: in deinem Fall ist nur die Nichtabhilfe konsequent. Die Argumente sind an den Haaren herbeigezogen.

    (Weise doch den RA mal testweise auf die Betreuung hin, und ruckzuck wird ein Schreiben kommen in dem steht dass das Antragsteller fit genug ist um ohne Betreuer klarzukommen ;))

    Andererseits beziehe ich mich bei Fällen von wiederholten Anträgen immer auf die Zweijahresfrist aus § 15 V RVG (ja, analog) und hätte gar nicht wegen Mutwilligkeit in deinem Sinne zurückgewiesen. In zwei Jahren kann eben rechtlich und persönlich tatsächlich so viel passiert sein, dass eine erneute Prüfung nötig wird. Hätte ich also 2015 bewilligt, hätte ich auch 2017 bewilligt. Da ich die Einzelheiten des SV nicht kenne, natürlich rein hypothetisch.

  • Verständnisfrage: Geht es um den Bescheid aus 2015 oder um den aktuellen ALG II Bescheid in dem die identischen rechtlichen Fragestellungen wie 2015 aufgeworfen werden?

    Es geht um einen anderen Bescheid als 2015, aber mit der gleichen Problemstellung. Selbst die Widersprüche des RA sind 100% identisch, also nix mit geänderter Rechtslage.

  • Ich würde der Erinnerung abhelfen und Beratungshilfe bewilligen. Woher soll denn der Ast wissen, ob es eine Änderung der Rechtslage gab? Ein vernünftiger Selbstzahler würde sich nach 2 Jahren wohl auch darüber beraten lassen.

    Ich würde aber nur die Vergütung für die Beratung festsetzen. Eine Notwendigkeit der Vertretung kann ich nicht erkennen.

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

  • Ich würde der Erinnerung abhelfen und Beratungshilfe bewilligen. Woher soll denn der Ast wissen, ob es eine Änderung der Rechtslage gab? Ein vernünftiger Selbstzahler würde sich nach 2 Jahren wohl auch darüber beraten lassen.

    Ich würde aber nur die Vergütung für die Beratung festsetzen. Eine Notwendigkeit der Vertretung kann ich nicht erkennen.


    :daumenrau

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