Anfechtung der Annahme der Erbschaft

  • Der Sohn der Erblasserin erfährt 5 Wochen 6 Tage nach Tod seiner Mutter ( Kenntnis vom Tod am Todestag), dass er innerhalb von 6 Wochen formgerecht ausschlagen müsste. Von den Ausschlagungsfrist wusste er bis zu diesem Zeitpunkt ( glaubhaft vorgetragen)nicht. Er schlägt nicht innerhalb von 6 Wochen nach dem Todestag aus, erscheint aber eine Woche später und möchte die Annahme wegen Unkenntnis von Ausschlagungsfrist/ form anfechten.
    Kann er noch anfechten, obwohl er Kenntnis von Form/ Frist während der Ausschlagungsfrist erlangt hat? Ein ES-Antrag des Ehegatten ist angekündigt.

    Vielen lieben Dank für die Hilfe.

  • Weshalb will er ausdchlagen? Überschuldung? Oder nur, um den Ehegatten zum Alleinerben zu machen (was meist nicht funktioniert)?

    Ansonsten geht m.E. eine Anfechtung wohl nicht, da er Kenntnis vom Erball, seinem Erbrecht und von der Frist sowie vom Ablauf der Frist hatte. Wo soll der Grund für die Anfechtung liegen? Letztendlich hat er die Frist einfach versemmelt.

    Dennoch sollte der Fristbeginn nochmals geprüft werden.

  • Meine Überlegungen:

    Beginn der Ausschlagungsfrist: Todestag, da ab dem Tag Kenntnis von Anfall und Grund der Berufung bestand, denn Verwandtschaftsverhältnisse waren klar. Ferner war klar, das keine gewillkürte Erbfolge eintritt.

    Da innerhalb der Ausschlagungsfrist keine Ausschlagung erfolgt ist, ist der Erbe Erbe geworden.

    Die Erbenstellung könnte durch Anfechtung beseitigt werden. Fraglich was der Anfechtungsgrund sein soll.

    Versäumnis der Ausschlagungsfrist wegen Unkenntnis der Ausschlagungsfrist? Dieser Grund greift m.E. nicht, da ja Kenntnis von der Ausschlagungsfrist erlangt wurde während die Ausschlagungsfrist noch lief. Es hat daher die Möglichkeit bestanden in Kenntnis der Ausschlagungsfrist diese einzuhalten. Dass dafür nur 1 Tag Zeit bestand ist unbeachtlich.


    Ist doch genauso wie folgender, praktischer Fall:

    Erbe weiß seit Tag x, dass er Erbe geworden ist. Eine Woche nach Tag x bekommt der Erbe vom Gericht die Nachricht, dass er Erbe geworden ist und wird bzgl. Dauer und Beginn der Ausschlagungsfrist belehrt. Dann hat der Erbe doch auch nur noch 5 Wochen Zeit für die Ausschlagung und nicht 6. Verpasst er die Frist kann mit dem Grund Unkenntnis der Frist nicht anfechten, denn er hatte ja Kenntnis.

    Rechtlich macht es keinen Unterschied, ob zur Enthaltung der Frist noch 1 Tag Zeit bleibt oder 5 Wochen.


    Oder habe ich einen Denkfehler? Wenn ja, wäre ich dankbar für eine Erleuchtung.

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

    Einmal editiert, zuletzt von Ernst P. (16. August 2018 um 21:59)

  • In der Literatur habe ich zu dieser Fragestellung leider nichts gefunden.

    Es soll wegen Überschuldung ausgeschlagen werden. Der Ehegatte will aus anderen Gründen wohl die Erbschaft annehmen.

    Im Keidel wird zu §1944. Rn 1 z.B. ausgeführt, dass die Ausschlagungsfrist dem Erben die Gelegenheit geben soll, sich über den Bestand des Nachlasses zu informieren und sich über die Annahme/ Ausschlagung schlüssig zu werden.
    Das kann er im vorliegenden Fall wohl kaum....und wenn er einen Tag später von der Ausschlagungsfrist erfahren hätte, hätte er 6 Wochen Zeit gehabt.....irgendwie unbefriedigend..???

  • Der Anfechtende hat die Ausschlagungsfrist versäumt. Ein Anfechtungsgrund ist die Unkenntnis von Form und Frist der Ausschlagung. Die Anfechtungsfrist beginnt mit der Kenntnis des Anfechtungsgrundes. Ob dieser Zeitpunkt innerhalb oder außerhalb der Ausschlagungsfrist liegt, ist m.E. egal (habe auch dazu nichts gefunden). Ein Kausalität kann man m.E. auch herstellen, da er bei rechtzeitiger Kenntnis mehr (also die gesetzlich vorgesehene) Zeit zur Überlegung gehabt hätte und damit rechtzeitig zum Entschluss der Ausschlagung gekommen wäre.
    Ansonsten kommt man wie schon oben angemerkt zu völlig abstrusen Ergebnissen (Kenntnis: eine Stunde vor Ablauf Ausschlagungsfrist=Pech gehabt, 2 Stunden später=6 Wochen Anfechtungsfrist.... - als böser Mensch könnte man so Erben um die Anfechtungsmöglichkeit bringen, wenn man sie kurz vor Ablauf anruft und über die Rechtslage aufklärt...)

  • Aber: was ist der Anfechtungsgrund? Unkenntnis von der Ausschlagungsfrist? Er hat doch Kenntnis von der Ausschlagungsfrist noch während der Ausschlagungsfrist erhalten. Mir fällt kein Grund ein, der eine Anfechtung rechtfertigen könnte.

  • Das die Anfechtungsfrist innerhalb der Ausschlagungsfrist beginnen soll, siehe Astaroth, erscheint mir nicht richtig.
    Eine Anfechtung kann doch erst nach Annahme der Erbschaft erfolgen.

    Wenn der Ausschlagende noch eine realistische Chance hatte, fristgerecht auszuschlagen, sehe ich die Frist als versäumt an. Hier hatte er einen Tag Zeit.

    Hatte er keine realistische Möglichkeit fristgerecht auszuschlagen, wie im aufgeführte Beispiel von der Kenntnis eine Stunde vor Ablauf der Frist, hätte ich den Fall über den Gedanken des § 206 BGB gelöst. Das setzt dann allerdings voraus, dass er direkt am nächsten Tag, nach Behebung des Hindernisses, erscheint und nicht erst eine Woche später.

  • Meine Überlegungen:

    Beginn der Ausschlagungsfrist: Todestag, da ab dem Tag Kenntnis von Anfall und Grund der Berufung bestand, denn Verwandtschaftsverhältnisse waren klar. Ferner war klar, das keine gewillkürte Erbfolge eintritt.

    ....


    Woher nimmst du die Gewissheit, dass (für den Sohn) klar war, dass keine gewillkürte Erbfolge eintritt? :gruebel:

  • Meine Überlegungen:

    Beginn der Ausschlagungsfrist: Todestag, da ab dem Tag Kenntnis von Anfall und Grund der Berufung bestand, denn Verwandtschaftsverhältnisse waren klar. Ferner war klar, das keine gewillkürte Erbfolge eintritt.

    ....


    Woher nimmst du die Gewissheit, dass (für den Sohn) klar war, dass keine gewillkürte Erbfolge eintritt? :gruebel:

    Weil ich ohne Kenntnis vom Vorhandensein einer Verfügung von Todes wegen von der gesetzlichen Erbfolge als Regelfall ausgehen muss.

    Ansonsten würde in keinem Fall mit gesetzlicher Erbfolge die Ausschlagungsfrist zu laufen beginnen. Denn ich weis ja nie, ob es nicht doch ein Testament gibt.


  • Wie gesagt, meine ich aus Sicht des Sohnes, der ausschlagen möchte. Dieser könnte § 1944 Abs. 2 BGB hinsichtlich des Fristbeginns zu seinen Gunsten auslegen (wollen):

    aa) Als gesetzlicher Erbe muss er das Familienverhältnis kennen, das ihn beruft, und wissen, dass keine Verfügung von Todes wegen die gesetzliche Erbfolge ausschließt und dass keine vorrangigen gesetzlichen Erben vorhanden sind (Zweibrücken NJW-RR 2006, 1594, 1595; Düsseldorf ZEV 2016, 699 Rn 15; Gothe MittRhNotK 1998, 194, 200; BeckOGK/Heinemann Rn 31f; Walter ZEV 2008, 319, 321; Pal/Weidlich Rn 4).
    (J. Schmidt in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 1944 BGB, Rn. 6)

    Kenntnis des Familienverhältnisses ist natürlich unproblematisch. Die Feststellung des zweiten Punktes "wissen, dass keine Verfügung von Todes wegen die gesetzliche Erbfolge ausschließt" fällt schon schwieriger aus.

  • Ich sehe da keine Schwierigkeit. Die gesetzliche Erbfolge ist nach dem Gesetz die Regel, die gewillkürte die Ausnahme. Wenn also keine positive (!) Kenntnis von einer letztwilligen Verfügung besteht, bzw. kein begründeter (!) Verdacht, dass eine solche vorliegen könnte, muss zB der überlebende Ehepartner oder ein Kind des Erblassers immer davon ausgehen, dass er/es zum Erbe berufen ist. Liegt keine der beiden o. g. Ausnahmen vor, beginnt die Ausschlsgungsfrist für diese Personen mit Kenntnis von Tod des Erblassers.

    Und es steht mE nirgens im Gesetz, dass dem Erben ab Kenntnis der Ausschlagungsfrist noch die vollen 6 Wochen der Frist verbleiben müssen.

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

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