WEG-verdinglichte Vollmacht in Teilungserklärung

  • Ist die folgende Vollmacht in der Teilungserklärung mit dinglicher Wirkung möglich?:

    "Eine Änderung der Gemeinschaftsordnung ist mit einer 3/4-Mehrheit von allen durch die Veränderung betroffenen Wohnungseigentümern möglich, wenn ein sachlicher Grund für die Änderung vorliegt.... Jeder Wohnungseigentümer ist verpflichtet, zu solchen abändernden Vereinbarungen die zur Grundbucheintragung erforderliche Bewilligung zu erteilen. Die jeweiligen Wohnungseigentümer bevollmächtigen hiermit den jeweiligen Verwalter ... , sie bei der Abgabe der zur Grundbucheintragung notwendigen und zweckdienlichen Erklärungen und Anträge gegenüber Grundbuchamt und Notar zu vertreten. Diese Vollmacht gilt gegenüber dem Grundbuchamt unbeschränkt."

  • Dem (jeweiligen) Verwalter kann nur eingeschränkt Vollmacht erteilt werden, etwa wenn es um die Änderung des festgelegten Gebrauchs geht; s. hier:
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…229#post1146229

    Eine solche eingeschränkte Vollmacht (Ermächtigung) in der TE müsste dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz entsprechen, d.h. nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt sein (OLG München 34. Zivilsenat, Beschluss vom 11.11.2013, 34 Wx 335/13 unter Zitat Schneider in Riecke/Schmid § 7 Rn. 284; BGH, Urteil vom 20. Januar 2012, V ZR 125/11, Rz. 11 mwN
    http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechts…053&pos=0&anz=1

    Das ist vorliegend nicht der Fall.

    Auch verstehe ich den Sinn der Regelung noch nicht ganz:

    Dass die Änderung der Teilungserklärung bei Vorliegen eines sachlichen Grundes mit einer ¾ Mehrheit soll abgeändert werden können, kann als Öffnungsklausel dann vereinbart werden, wenn bestimmt wird, dass der einzelne Wohnungseigentümer dadurch nicht unbillig benachteiligt wird (s. Abramenko in Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, 5. Auflage 2017, § 10 RN 29 mwN in Fußn. 5 und Darstellung der Literatur in Fußnote 6). Diese ¾ Mehrheit wird im Beschlusswege erzielt. In § 10 Abs. 4 Satz 2 WEG hat der Gesetzgeber vorgesehen, dass Beschlüsse, die von einer Vereinbarung abweichen, nicht in das Grundbuch eingetragen werden müssen, um den Rechtsnachfolger zu binden. Das OLG München 34. Zivilsenat hält sie daher auch nicht für eintragungsfähig (Beschluss vom 13.11.2009, 34 Wx 100/09, unter Zitat Schöner/Stöber Grundbuchrecht 14. Aufl. Rn. 2887; Meikel/Morvilius GBO 10. Aufl. Einl C Rn. 182; Hügel/Kral GBO WEG Rn. 126; Palandt/Bassenge BGB 68. Aufl. § 10 Rn. 22; Kümmel in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten WEG 8. Aufl. § 10 Rn. 52; Demharter NZM 2006, 489/491; Schneider NotBZ 2008, 442/447 f.) und verweist dazu auf den gesetzgeberischen Willen in der Gesetzesbegründung in der BT-Drucks.16/887 S. 20. Wenn nun jeder Wohnungseigentümer verpflichtet sein soll, „zu solchen abändernden Vereinbarungen die zur Grundbucheintragung erforderliche Bewilligung zu erteilen“, dann bedeutet das ja letztlich entweder, dass eine Beschlussregelung zur Eintragung kommen soll, obgleich sie nicht eintragungsfähig ist, oder aber dass eine nur einstimmig mögliche Vereinbarung dadurch zur Eintragung gelangen soll, dass auch ein überstimmter Wohnungseigentümer dazu eine Vollmacht erteilen muss. Das kann ebensowenig sein, weil es keine mit ¾ Mehrheit zu treffenden Vereinbarungen gibt.

    Ansonsten müsste für eine in der Teilungserklärung enthaltene Vollmacht das Gleiche gelten, wie für eine im Kaufvertrag erteilte Vollmacht eines einzelnen Wohnungseigentümers: Eine solche Vollmacht ist grundsätzlich wirksam, wenn sie im Innenverhältnis konkreten Beschränkungen unterliegt. Eine geeignete Beschränkung ist zB die Unabänderbarkeit des Sondereigentums und der Sondernutzungsrechte des Vollmachtgebers und das Ausbleiben von zusätzlichen Verpflichtungen für diesen sowie eine zeitliche Befristung. (s. Commichau im Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 3 WEG RN 35 mwN). Auch derartige Einschränkungen, wie sie auch dem Beschluss des BayObLG vom 06.02.2003, 2Z BR 111/02 oder demjenigen des OLG München 34. Zivilsenat vom 07.11.2012, 34 Wx 208/12, zugrunde lagen, kann ich nicht erkennen.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Zur Frage der Prüfung der Gemeinschaftsordnung durch das GBA bleibt auf die Entscheidungen des OLG Hamm, Beschluss vom 21.12.2016, 15 W 590/15 und des KG, Beschluss vom 20.09.2016, 1 W 93/16, und die weiteren bei Böttcher, ZNotP 2018, 1 ff im Abschnitt II.3 genannten Entscheidungen hinzuweisen. Danach hat das GBA (nur) zu prüfen, ob eine in der Teilungserklärung enthaltene Vereinbarungsregelung gegen zwingende gesetzliche Vorschriften verstößt, s. dazu auch hier:
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…561#post1013561

    Das scheint mir allerdings bei der o. a. Vollmachtsregelung der Fall zu sein, weil durch sie in die Kompetenzverteilung eingegriffen wird.

    Wenn jeder Wohnungseigentümer verpflichtet sein soll, eine Vollmacht zur Abgabe einer Eintragungsbewilligung zu erteilen, obgleich dieser Verpflichtung nur eine Beschlussregelung mit ¾-Mehrheit zugrunde zu liegen braucht, dann bedeutet das einen Verstoß gegen in den Kernbereich fallende elementare Mitgliedschaftsrechte (BGH, Urt. v. 10.12.2010, V ZR 60/10) bzw. gegen unabänderliche Strukturprinzipien des Wohnungseigentumsrechts (OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 3.11.2014, 20 W 241/14).

    Eine „Mehrheitsvereinbarung“ kennt das Gesetz nicht (Falkner im beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand 01.07.2018, § 10 WEG RN 183). Liegt der Form nach ein Beschluss vor, so richten sich die rechtlichen Folgen nach dem Entscheidungsinstrument „Beschluss“, der jedoch keiner Grundbucheintragung bedarf (Falkner, § 10 WEG RN 134).

    Zwar ist im Rahmen der Gestaltungsfreiheit nach § 10 Abs. 2 S. 2 WEG den Wohnungseigentümern eine „Umqualifizierung“ dahingehend, dass die Angelegenheit durch die Öffnungsklausel zu einer Beschlussangelegenheit wird, möglich; das gilt jedoch nicht umgekehrt (Falkner, § 10 WEG RN 182). Beschlüsse sind jedoch nicht eintragungsfähig (Müller in BeckOK WEG, Timme, Stand 02.04.2018, § 10 RN 262, 263). Letztlich geht es bei der o .a. Regelung um die Eintragung eines Beschlusses; der Gesetzgeber hat solche Eintragungen jedoch generell ausschließen wollen. Daran ist der Rechtsanwender gebunden (Müller, § 10 WEG RN 163 unter Zitat Demharter FGPrax 2010, 18; Schöner MittBayNot 2010, 205; Schneider NotBZ 2008, 442 (446); Müller AnwZert MietR 20/2010 Anm. 1; ZMR 2011, 103).

    Also kann es auch keine Eintragungsfähigkeit dieser Regelung geben, weil sie gegen ein gesetzliches Verbot verstößt (§ 134 BGB).

    Besteht insoweit keine Eintragungsfähigkeit, kann die Eintragung insgesamt nicht vorgenommen werden (OLG Hamm, Beschluss vom 21. Dezember 2016, I-15 W 590/15 unter Zitat Demharter GBO, 30. Auflage, 2016, Anh. zu § 3 Rz. 25).

    Die erforderliche Inhaltsänderung kann allerdings nicht im Wege der Zwischenverfügung aufgegeben werden (BayObLG, Beschluss vom 11.09.1997, 2Z BR 120/97 = FGPrax 1998, 6; BayObLG, Beschluss vom 20.10.2004, 2Z BR 176/04; OLG München, Beschluss vom 24.09.2010, 34 Wx 115/10 = ZWE 2010, 463; BGH, Beschluss vom 17.11.2011, V ZB 58/11 (Rz. 5) = NJW 2012, 530 = MDR 2012, 87).

    Du kannst daher nur die Antragszurückweisung ankündigen, falls es bei der Regelung verbleiben soll.

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    Einmal editiert, zuletzt von Prinz (24. August 2018 um 14:38) aus folgendem Grund: Schreibversehen korrigiert

  • Zwei Anschlussfragen:

    Einmal zum Ausgangsfall:

    Ich gehe davon aus, dass die Vollmacht an den Verwalter auch nicht im Rahmen von § 27 Abs. 3 Nr. 7 WEG erteilt werden kann, weil die so eingeräumte Vertretungsmacht des Verwalters wegen der Teilrechtsfähigkeit der Gemeinschaft nur Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen im Rahmen der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums erfasst (OLG Hamm vom 21.12.2016 - vorstehend von Prinz zitiert), was hier nicht der Fall ist ?

    und zu einem Fall von mir:

    Könnte dem Verwalter in der Gemeinschaftsordnung eine Vollmacht nach § 27 Abs. 3 Nr. 7 WEG erteilt werden, den Kostenverteilungsschlüssel für gemeinschaftliche Lasten nach seinem Ermessen zu ändern und ebenfalls nach seinem Ermessen den Anteil eines Wohnungseigentümers an Kosten und Lasten selbständig zu erhöhen, wenn er die Zustimmung zur Nutzung des Wohnungseigentums für ein Gewerbe erteilt hat und dadurch höhere Kosten anfallen ?

  • Mit § 27 Absatz 3 Satz 1 Nr. 7 WEG wird die Vertretungsmacht des Verwalters erweitert. Die Gesetzesbegründung in der BT-Drs. 16/887, Seiten 69 ff. führt dazu aus (Hervorhebung durch mich): „In der neuen Nummer 7 des Satzes 1 wird den Wohnungseigentümern sodann die Beschlusskompetenz eingeräumt, dem Verwalter durch Stimmenmehrheit eine weitergehende Vertretungsmacht zu erteilen. Insoweit geht der Entwurf im Interesse der Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft bewusst über die Möglichkeiten des Absatzes 2 (neu) hinaus. Im Rahmen des Absatzes 2 sind die Wohnungseigentümer zwar ebenfalls befugt, durch Beschluss weitergehende Vertretungsbefugnisse einzuräumen. Indes bezieht sich diese Kompetenz nur auf die Geltendmachung von Forderungen. Nach § 27 Abs. 3 Nr. 7 WEG (neu) kann dagegen auch eine umfassendere Vertretungsmacht erteilt werden. Der Entwurf sieht vor, dass für eine solche Beschlussfassung stets die Stimmenmehrheit genügt. Dadurch wird zum Ausdruck gebracht, dass eine solche Vertretungsmacht mit dem Grundsatz der ordnungsmäßigen Verwaltung in Einklang steht und die Wohnungseigentümer eine Beschlusskompetenz haben“

    Und wenn diese umfassende Vertretungsmacht im Beschlusswege erteilt werden kann, dann kann sie auch im Vereinbarungswege erteilt werden. § 27 Absatz 3 Satz 1 Nr. 7 WEG lautet: „sonstige Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen vorzunehmen, soweit er hierzu durch Vereinbarung oder Beschluss der Wohnungseigentümer mit Stimmenmehrheit ermächtigt ist“. Allerdings können solche Vollmachten/Ermächtigungen nur das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander betreffen; s. https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…ll=1#post945762
    Auch darf die Vollmacht/Ermächtigung nicht dazu führen, dass in die sachenrechtlichen Strukturen eingegriffen wird, siehe obigen Link
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…229#post1146229
    In diesem Bezugsthread habe ich auch darauf hingewiesen, dass die Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer nach § 16 Absatz 3 WEG nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden kann. Eine solche Einschränkung würde ich in einer Vereinbarung sehen wollen, wonach der Verwalter den Kostenverteilungsschlüssel für gemeinschaftliche Lasten nach seinem Ermessen ändern und ebenfalls nach seinem Ermessen den Anteil eines Wohnungseigentümers an Kosten und Lasten selbständig erhöhen darf. Wie die Regelung in § 16 Absatz 5 WEG zeigt, ist die Änderung des Kostenverteilungsschlüssels Sache der Wohnungseigentümer.

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  • Hallo, ich häng mich hier mal an. Ich hab jetzt auch so eine Klausel, wie sie die Themenstarterin beschrieben hat.

    Gibt`s denn diesbezüglich neue Erkenntnisse bzw. hat jemand einen Antrag auf Eintragung WEG aus diesem Grund schon mal zurückgewiesen?

    Danke!

  • Hallo zusammen,
    ich habe auch eine solche Öffnungsklausel wie im Ausgangsbeitrag mit Vollmacht für den Verwalter in einer Gemeinschaftsordnung eines neu einzutragenden WEGs; die Klausel ist sehr allgemein gehalten, verkürzt gesagt: sachlicher Grund für Änderung, aber nicht unbillig.
    Gibt es neue Erkenntnisse zu solchen Klauseln nebst Vollmacht. Ich habe nichts so richtig gefunden in der Literatur und Rechtsprechung.
    Danke schonmal im Voraus.

  • Auch nach der Neufassung des WEG sind vertraglich vereinbarte Öffnungsklauseln zulässig. Sie werden allerdings durch die gesetzlichen Öffnungsklauseln (z. B. in § 9b Abs. 2, § 12 Abs. 4, § 16 Abs. 2, § 19 Abs. 1, § 20 Abs. 1, Abs. 2, § 21 Abs. 5, § 23 Abs. 1, Abs. 3, § 26 Abs. 1, § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1–3, § 29 Abs. 1 WEG) überlagert.

    Allerdings gibt es auch für die vertraglichen Öffnungsklauseln Grenzen (s. BeckOK WEG/Müller, § 10 RN 181 ff, zur Kernbereichslehre s. RN 184, 185 mwN; Lafontaine in jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 10 WEG, 1. Überarbeitung (Stand: 06.09.2021), § 10 RN 77: „Denn was selbst durch Vereinbarung nicht geregelt werden könnte, entzieht sich auch einer Regelung im Beschlusswege aufgrund einer Öffnungsklausel; ein gleichwohl gefasster Beschluss ist nichtig. Des Weiteren legitimiert eine Öffnungsklausel nicht dazu, Individualrechte der Wohnungseigentümer, die zu den unentziehbaren Mitgliedschaftsrechten gehören, zu beschränken, selbst wenn diese Rechte verzichtbar sind..“).

    Öffnungsklauseln können daher nach wie vor (zur früheren Rechtslage siehe Suilmann in Bärmann, Wohnungseigentumsgesetz, 14. Auflage 2018, § 10 RN 144) nur Angelegenheiten betreffen, die überhaupt einer Vereinbarung zugänglich sind. Was nicht vereinbart werden kann, kann auch nicht über eine Öffnungsklausel einer anderweitigen Bestimmung zugänglich gemacht werden (BeckOK WEG/Müller § 10 RN 186, Burgmair im Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2021, § 10 WEG RN 42 mwN in Fußnote 154).

    Inwieweit dem Verwalter Vollmacht erteilt werden kann, hängt von der konkreten Ausgestaltung der Vollmacht ab. Nach früherer Rechtslage war der Erweiterung der Befugnisse des Verwalters dort eine Grenze gesetzt, wo in die Kompetenzverteilung als Grundprinzip des Wohnungseigentumsrechtes eingegriffen wird (s. Commichau im Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 3 WEG RNern. 32 ff., OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 03.11.2014, 20 W 241/14)
    https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE190017746.
    mit Praxishinweis von Bub/Bernhard in der FD-MietR 2015, 368962
    https://beck-online.beck.de/Dokument?vpath…os=1&hlwords=on

    Das dürfte auch heute noch gelten (jurisPK/Lafontaine, § 10 RN 91 mwN). Insoweit gelten die gleichen Grundsätze, wie bei der Ermächtigung des teilenden Eigentümers (BeckOK WEG/Kral, § 8 WEG RN 56 mwN).

    Das WEMoG sieht allerdings ausdrücklich keine inhaltliche Überprüfung des zur Eintragung vorgesehenen Beschlusses durch das Grundbuchgericht vor (Schneider, „Neues im Sachen- sowie Grundbuchrecht und Aufgaben des Verwalters“, ZWE 2021, 237/243 unter cc) Prüfungskompetenz)
    https://beck-online.beck.de/Dokument?vpath…2021%252c%2B237

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