Grundbuchfähigkeit werdende Wohnungseigentümergemeinschaft

  • Es soll aus bestimmten Gründen ein Grundstück an eine werdende Wohnungseigentümergemeinschaft veräußert werden. Es sei unterstellt, dass die Anforderungen an ordnungsgemäße Verwaltung vorliegen. In der Literatur wird ganz überwiegend vertreten, die werdende Gemeinschaft sei auch grundbuchfähig (Weber ZWE 2017, 68, 73; BeckOK-WEG, April 2018, § 10 Rn. 67 mwN). Habt Ihr hiermit Erfahrungen? Würdet Ihr eine Eintragung analog § 47 Abs. 2 GBO bevorzugen oder eher eine Eintragung so wie die endgültige Gemeinschaft? Welche Nachweise wären vorzulegen? Für Rückmeldungen wäre ich dankbar.
    Gruß Andydomingo

  • Erfahrungen habe ich keine.

    Die werdende Gemeinschaft wird zwar überwiegend als rechtsfähig angesehen; § 10 Abs. 6 WEG sei zeitlich vorverlagert anzuwenden (s. Falkner im beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand: 01.07.2018, § 10 WEG RN 76 mwN in Fußn. 169). Allerdings werden auch andere Ansichten vertreten (s. Fußnote 170) und eine Bestätigung der Rechtsfähigkeit durch den BGH steht noch aus.

    Auch wird der Nachweis der Besitzeinräumung wohl kaum in grundbuchmäßiger Form möglich sein.

    Schließlich entsteht die werdende WEG erst mit dem Abschluss mindestens eines wirksamen Kaufvertrages, der Eintragung einer Auflassungsvormerkung für den Erwerber sowie der Besitzübergabe an diesen (s. Weber, „Grundstückserwerb durch die teilrechtsfähige WEG – Überlegungen zur ultra-vires-Doktrin, Gestaltungshinweise“, ZWE 2017, 68/73 unter Zitat BGH DNotZ 2008, 930 Rn. 14; BayObLGZ 1990, 101 (102) in Fußnote 60)

    Dem § 10 WEG soll allerdings ein Absatz 9 angefügt werden.

    Die heute veröffentlichte Stellungnahme des DAV zum Diskussionsentwurf für ein „Gesetz für zukunftsfähiges Wohnen im Wohneigentum“
    https://anwaltverein.de/de/newsroom/sn-44-18-weg-reform
    führt dazu folgendes aus:

    1. Teil: Stellungnahme zum DiskE für ein Gesetz für zukunftsfähiges Wohnen im Wohneigentum

    A. § 10 Abs. 9 WEG-E Gemeinschaft der Wohnungseigentümer:

    Allgemeine Grundsätze

    „Dem § 10 wird folgender Absatz 9 angefügt:

    Die Absätze 1 bis 8 sowie die §§ 11, 13 bis 29 und die Vorschriften des III. Teils finden im Falle der Teilung nach § 8 auch auf die Erwerber von Wohnungseigentum Anwendung, die Wohnungseigentum unmittelbar vom aufteilenden Eigentümer erwerben, sobald sie mit diesem einen auf die Übereignung von Wohnungseigentum gerichteten Erwerbsvertrag geschlossen haben, ihr daraus folgender Übereignungsanspruch durch eine Auflassungsvormerkung gesichert ist und sie den Besitz am Sondereigentum des Vertragsobjektes durch Übergabe erlangt haben (werdende Wohnungseigentümer). Zum Erwerb des Besitzes genügt die Abnahme des Sondereigentums des Vertragsobjektes. Der aufteilende Eigentümer hat den Besitzübergang dem Verwalter unverzüglich unter Angabe einer ladungsfähigen Anschrift des werdenden Wohnungseigentümers anzuzeigen. Fehlt ein Verwalter, so besteht die Anzeigepflicht gegenüber den anderen werdenden Wohnungseigentümern.“

    Der Regelung wird – bis auf das Element der notwendigen Besitzeinräumung – zugestimmt. Eine frühzeitige Entstehung der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft bringt den nicht zu unterschätzenden Vorteil mit sich, dass im Fall der Insolvenz des Bauträgers ein Gemeinschaftsverhältnis entsteht. Daraus resultieren nach § 21 Abs. 3 und 4 WEG frühzeitig entsprechende Beschlusskompetenzen, so dass ein gemeinschaftliches Handeln der Erwerber zu einem Zeitpunkt ermöglicht werden kann, der mit dem identisch ist, in dem eine Pflicht- oder Vertragsverletzung des Bauträgers vorliegt.

    Wenn erst mit Besitzeinräumung der Entstehungstatbestand verwirklicht würde, könnte dies in allen Fällen, in denen vor diesem Zeitpunkt ein gemeinschaftlicher Handlungsbedarf der Erwerber bestehen sollte, zu enormen Abstimmungsschwierigkeiten führen. Eine gemeinschaftliche Handlungsfähigkeit wäre nur nach weiteren, ausschließlich schuldrechtlichen Vereinbarungen möglich. Dies dürfte insbesondere bei großen Gemeinschaften in der Praxis illusorisch sein.

    Der mit dem frühen Besitzübergang verbundene Nachteil einer Kostentragungspflicht des Erwerbers kann dadurch kompensiert werden, dass im Erwerbsvertrag eine Freistellung mit dem Bauträger vereinbart wird. Zudem könnte in der Gemeinschaftsordnung oder sogar aufgrund gesetzlicher Regelung festgelegt werden, dass die Kostentragungstragungspflicht erst ab Besitzübergang besteht. Zudem dürften die bis zum Besitzübergang anfallenden Kosten nicht so hoch sein, dass dies wesentlich in Gewicht fiele. Damit würden auch – absehbare – Streitigkeiten über den Zeitpunkt des Besitzübergangs vermieden.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Danke schon einmal. Der Besitzübergang lässt sich in der Tat nicht nachweisen. Möglicherweise lässt die Rspr hier Nachweiserleichterungen zu, ebenso wie das OLG München dies ja bzgl. der Ordnungsgemäßheit der Verwaltung bei der echten WEG getan hat.

    Vermutlich dürfte aber die Vormerkung möglich sein, da ja hier der Bewilligungsgrundsatz gilt. Während ich bei einer Auflassung die Existenz grds. formgerecht nachweisen muss, ist dies im Anwendungsbereich des § 19 GBO ja nicht der Fall - dort darf das GBA ja nur verweigern, wenn es sichere Kenntnis von Grundbuchunrichtigkeit hat (Legalitätsprinzip).

    Danke für den hilfreichen Hinweis auf diesen DiskE. Die angedachte Reform greift mE zu kurz - die grundbuchlichen Bestimmungen bzgl. des Verwalternachweises sollten auch reformiert werden.

  • Mit der Vormerkungsfähigkeit ist das so eine Sache.

    Zwar hat das GBA im Rahmen des formellen Konsensprinzips des § 19 GBO keine Nachforschungen nach der Rechtsfähigkeit des Vormerkungsberechtigten anzustellen; es genügt wenn er beteiligtenfähig sein kann und die in der Bewilligung zu seiner Bezeichnung gemachten Angaben der Wirklichkeit entsprechen können (s. Böttcher, Anm. zum nachgenannten KG-Beschluss in der ZfIR 2015, 898/899). Dennoch ist Voraussetzung der Eintragung die Rechtsfähigkeit des Berechtigten, denn nur wer rechtsfähig ist, kann überhaupt Rechte erwerben und in Folge dessen im Grundbuch eingetragen werden (KG, Beschluss vom 29.09.2015 - 1 W 10-12/15
    http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de/jportal/portal…hl=1#focuspoint
    Rz. 11 unter Zitat BGH, NJW 2009, 594, 595 - zur Grundbuchfähigkeit der teilrechtsfähigen Gesellschaft bürgerlichen Rechts). Daher muss nach dem Inhalt der Bewilligung die abstrakte Möglichkeit einer Rechtsfähigkeit des aus der Eintragung Begünstigten denkbar erscheinen (KG, Rz. 14 unter Zitat Böttcher, in: Meikel, GBO, 11. Aufl., § 19, Rdn. 165; Kössinger, a.a.O., § 19, Rdn. 74; Böhringer, a.a.O., 185).

    Wenn sich das Objekt, an dem die Wohnungseigentümergemeinschaft entstehen soll, noch in der Errichtungsphase befindet, dann kann es jedoch noch zu keinem Besitz am Sondereigentum durch Übergabe des Vertragsobjektes gekommen sein. Ist dies bekannt, müsste nach dem Legalitätsprinzip die Eintragung zugunsten der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft abgelehnt werden. Schließlich führt auch der DAV auf Seite 4 seiner o. a. Stellungnahme vom 07.09.2018 aus: „Der Regelung wird – bis auf das Element der notwendigen Besitzeinräumung – zugestimmt….Wenn erst mit Besitzeinräumung der Entstehungstatbestand verwirklicht würde, könnte dies in allen Fällen, in denen vor diesem Zeitpunkt ein gemeinschaftlicher Handlungsbedarf der Erwerber bestehen sollte, zu enormen Abstimmungsschwierigkeiten führen…“

    Auch ist die Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft bereichsmäßig beschränkt auf die Verwaltung des Gemeinschaftseigentums.

    Du führst aus „Es soll aus bestimmten Gründen ein Grundstück an eine werdende Wohnungseigentümergemeinschaft veräußert werden“. Das Grundstück würde dann zum Verbandsvermögen gehören (s. Elzer: Verfügungen über das Gemeinschaftseigentum, ZWE 2011, 16/18 unter 3 c).

    Soll es hingegen weiteres Gemeinschaftseigentum der Wohnungs- und Teileigentümer werden, dann ist weder ein Beschluss noch eine Vereinbarung nach § 10 Abs. 2 Satz 2 WEG, sondern nur eine Verfügung durch sämtliche Wohnungseigentümer tauglich, weil die sachenrechtliche Veränderung des Verwaltungsgegenstandes nicht mehr die Verwaltung desselbigen betrifft sondern die Verfügung außerhalb der Verwaltung anzusiedeln ist (Falkner im beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand 01.07.2018, § 10 WEG RN 448).

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