Parteireisekosten und Semesterticket

  • Guten Morgen,

    ich muss einen KFA in einer Zivilsache machen und der Mandant ist selbst beim Gericht gewesen, Distanz ca. 58 km einfacher Weg.
    Der Mandant ist mit dem Zug gefahren, hat aber ein Semesterticket und musste daher keine extra Fahrkarte kaufen.
    Sehe ich das richtig, das ich nur seine Abwesenheit im KFA geltend machen kann und keine Fahrtkosten?

  • Ich hänge mich hier mal ran.

    Habe KfA gestellt und dort Fahrtkosten, Übernachtungskosten und Tagegeld beziffert.

    Mandant hat "privat" übernachtet. Ich habe für die Übernachtung die Übernachtungspauschale gemäß § 6 Abs. 1 JVEG i.V.m. § 6 Abs. 1 BRKG in Höhe von 20,00 Euro geltend gemacht unter Verweis auf den Beschluss des Bayerischen LSG vom 04.11.2014 - L 15 SF 198/14. Die Pauschale wurde komplett abgesetzt, da keine Kosten entstanden wären.

    Weiter komplett abgesetzt wurden die Tagegelder nach § 6 JVEG mit der Begründung, dass "nach § 91 Abs. 1 S 2 ZPO lediglich Reisekosten und Zeitversäumnis unter entsprechender Anwendung des JVEG ersatzpflichtig" wären. Weiter wurde ausgeführt, dass im Zöller ZPO, 31. Auflage, § 91 Rn. 13 diese bei den erstattungsfähigen Parteireisekosten ungenannt bleiben. :gruebel:

    Also hinsichtlich der Übernachtungskosten würde ich ja noch mitgehen, aber die Tagegelder sind m.E. definitiv erstattungsfähig.

    Oder sehe ich das wirklich falsch?

  • Also hinsichtlich der Übernachtungskosten würde ich ja noch mitgehen, aber die Tagegelder sind m.E. definitiv erstattungsfähig.


    Nein, siehst Du richtig. Übernachtungskosten gibt's nicht, wenn bei Freunden/Bekannten/Verwandten übernachtet wurde. Die Entscheidung halte ich (auch) für korrekt.

    Die Tagegelder sind aber zu erstatten. Schon hinsichtlich des Verdienstausfalls hat der BGH (Rpfleger 2009, 274) ausgeführt, daß dem Gesetzgeber die Verweisung ins JVEG nicht richtig gelungen ist:

    "Auch wenn in § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO nur die Zeitversäumnis genannt ist, steht dies einem Ersatz des Verdienstausfalls - wie nach § 2 ZSEG a.F. - nicht entgegen. Unabhängig davon, ob man den "Verdienstausfall" schon von dem Begriff "Zeitversäumnis" mit umfasst sieht, ist durch die Verweisung in § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO auch eine Entschädigung für den Verdienstausfall im Sinne des § 22 JVEG mit erfasst. Der Gesetzgeber hat bei der Neuregelung des Kostenrechts durch das Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts vom 5. Mai 2004 (BGBl. I 2004 S. 718) das ZSEG durch das JVEG ersetzt, dabei aber § 91 Abs. 1 ZPO nicht an die Neuregelung des JVEG angepasst. Es handelt sich daher um einen typischen Fehler der Gesetzgebung, bei der die Anpassung der Verweisungen nicht exakt erfolgt ist. Unter diesen Umständen ist nicht davon auszugehen, dass mit der Neuordnung des Kostenrechts eine von der bisherigen Regelung und Praxis abweichende Regelung für eine etwaige Entschädigung wegen eines Verdienstausfalls erfolgen sollte."

    Über § 91 Abs. 1 S. 2 ZPO ist die Partei also wie ein Zeuge nach dem JVEG zu entschädigen. § 19 Abs. 1 JVEG gibt insoweit den Grundsatz der Entschädigung eines Zeugen vor, wozu nach Nr. 2 auch die Aufwandsentschädigung (u. a. Tagegeld) gehört. Daher ist das Tagegeld grundsätzlich zu gewähren (vgl. z. B. LSG München, AGS 2014, 471, http://www.gesetze-bayern.de/Content/Docume…N-69322?hl=true und dort Orientierungssatz 2 und auch Ziff. 5; dasselbe auch hier: http://www.gesetze-bayern.de/Content/Docume…N-67298?hl=true und dort bei Ziff. 3.4).

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  • Der Mandant hatte für den Termin keine Kosten aufgrund des Tickets- keine notwendigen Kosten, keine Festsetzung.

    Das gilt aber nur im Hinblick auf Fahrtkosten. Zeitversäumnis hat er sehr wohl gehabt.

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

  • Bolleff: Vielen Dank für Deine Ausführungen.

    Habe Erinnerung eingelegt mit umfangreicher Begründung unter Verweis auf die Rechtsprechung - wurde zurückgewiesen. :heul:

  • "Die Verweisung des § 91 Abs. 1 S. 2 ZPO mag durchaus nicht sonderlich glücklich formuliert sein. Dennoch ist sie dem Wortlaut nach auf Zeitversäumnis, vom BGH als Verdienstausfall ausgelegt, und die Reisekosten begrenzt. Lediglich diese Kosten sind unter entsprechender Anwendung der Regelungen des JVEG zu berücksichtigen. Diese Ansicht wird mit anderen Worten so auch im Zöller zur genannten Fundstelle vertreten. Für Darüberhinausgehendes bedürfte es nach Ansicht des erkennenden Gerichts einer Novellierung des § 91 ZPO. Es wird an der Richtigkeit des Kostenfestsetzungsbeschlusses festgehalten und der Erinnerung nicht abgeholfen."

    Ich verstehe es nicht. Wieso sollte ein Zeuge, der nach dem JVEG entschädigt wird, besser gestellt sein als eine Partei im Rechtsstreit. Die Auslagenerstattung einer Partei erfolgt nach dem JVEG. Sollte dies durch 91 ZPO tatsächlich begrenzt sein?

  • "Diese Ansicht wird mit anderen Worten so auch im Zöller zur genannten Fundstelle vertreten."


    Das ist eine interessante Argumentation. Denn eingangs meinte das Gericht doch noch, daß das Tagegeld im Zöller nicht genannt wird. Aus dem "Nichtnennen" folgert es jetzt also quasi einen "Ausschluß". Auf die Idee, daß der Zöller in diesem Punkt evtl. nicht jeden einzelnen Entschädigungstatbestand erschöpfend aufzählt, kommt es nicht?

    Ich verstehe es nicht. Wieso sollte ein Zeuge, der nach dem JVEG entschädigt wird, besser gestellt sein als eine Partei im Rechtsstreit. Die Auslagenerstattung einer Partei erfolgt nach dem JVEG. Sollte dies durch 91 ZPO tatsächlich begrenzt sein?


    Brauchst Du auch nicht verstehen, weil die Entscheidung des Gerichtes weiterhin falsch bleibt. Das Tagegeld nach § 6 JVEG gehört grds. zu den erstattungsfähigen Kosten der Partei (Kostenfestsetzung/Hellstab, 23. Aufl., B 455).

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  • Klassische Einzelfallentscheidung würde ich sagen, die für die Zukunft nicht zu beachten ist. Das habe ich bei meinem OLG manchmal auch...
    Daher würde ich in Zukunft wieder so entscheiden und handeln.

  • Gibt es tatsächlich eine Entscheidung? Liesel hat doch nur aus der Nichtabhilfe zitiert. Besteht da eventuell noch Hoffnung auf die Erinnerungsentscheidung?

    Edit: DeliriumDriver war schneller...

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • Richter hat nunmehr der Erinnerung abgeholfen. :D

    Im Beschluss wurde ausgeführt, das der KfB für die I. und II. Instanz aufgehoben wird, soweit dort die geltend gemachten Tagegelder nach § 6 JVEG abgesetzt wurden.

    Ich würde nun noch einen Kostenantrag stellen, da der Beschluss keine KGE enthält. (?)

    Wird jetzt noch ein neuer KfB erlassen oder wie ist hier die weitere Verfahrensweise?

  • Richter hat nunmehr der Erinnerung abgeholfen. :D


    :blumen:

    Ich würde nun noch einen Kostenantrag stellen, da der Beschluss keine KGE enthält. (?)


    Richtig, einfach den Ergänzungsantrag i. S. v. § 321 ZPO stellen und die 2-wöchige Frist beachten (die aber nicht läuft, wenn der Abhilfebeschluß nur formlos mitgeteilt wurde, weil dann eine Frist gar nicht in Gang gesetzt wurde: OLG Koblenz, NJW 2014, 2053 = AGS 2014, 484).

    Wird jetzt noch ein neuer KfB erlassen oder wie ist hier die weitere Verfahrensweise?


    Erst muß der Richter die Kostenentscheidung zu Deinen Gunsten erlassen. Dann kannst Du einen KfA stellen. Denn das Erinnerungsverfahren ist nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG eine besondere gebührenrechtliche Angelegenheit. Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit richtet sich dann nach den beiden Erinnerungssummen (auch wenn sich die Erinnerungen gegen verschiedene KfB richten, bleibt es nach § 16 Nr. 10 RVG dennoch dieselbe gebührenrechtliche Angelegenheit, vgl. z. B. Gerold/Schmidt, RVG, 23. Aufl., § 16 Rn. 126), also nach einem Wert bis 500 €. Daraus kannst Du dann eine 0,5-VG Nr. 3500 VV + Auslagen berechnen und aufgrund der noch zu ergehenden Kostenentscheidung gegen den Gegner geltend machen bzw. gesondert festsetzen lassen.

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  • Wird jetzt noch ein neuer KfB erlassen oder wie ist hier die weitere Verfahrensweise?


    Erst muß der Richter die Kostenentscheidung zu Deinen Gunsten erlassen. Dann kannst Du einen KfA stellen. Denn das Erinnerungsverfahren ist nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG eine besondere gebührenrechtliche Angelegenheit. Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit richtet sich dann nach den beiden Erinnerungssummen (auch wenn sich die Erinnerungen gegen verschiedene KfB richten, bleibt es nach § 16 Nr. 10 RVG dennoch dieselbe gebührenrechtliche Angelegenheit, vgl. z. B. Gerold/Schmidt, RVG, 23. Aufl., § 16 Rn. 126), also nach einem Wert bis 500 €. Daraus kannst Du dann eine 0,5-VG Nr. 3500 VV + Auslagen berechnen und aufgrund der noch zu ergehenden Kostenentscheidung gegen den Gegner geltend machen bzw. gesondert festsetzen lassen.

    Mir ging es hier um den ursprünglichen KfB. Nachdem nunmehr noch die Tagegelder "anerkannt" wurden, wurde im ursprünglichen KfB ein zu hoher Betrag festgesetzt. Oder ist hier ein Rückfestsetzungsantrag zu stellen?

  • Mir ging es hier um den ursprünglichen KfB. Nachdem nunmehr noch die Tagegelder "anerkannt" wurden, wurde im ursprünglichen KfB ein zu hoher Betrag festgesetzt. Oder ist hier ein Rückfestsetzungsantrag zu stellen?


    Ne, der entscheidende Richter kann die aufgrund der Abhilfe jetzt zu ändernden KfB sofort gleich selbst "richtig" erlassen oder die entsprechende Anordnung dem/der Rpfleger/in übertragen (§ 11 Abs. 2 S. 8 RPflG i. V. m. § 572 Abs. 3 ZPO). Aufgrund der richterlichen Entscheidung werden also die beiden KfB ggf. neu erlassen.

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  • Danke Bolleff.

    Ich muss allerdings noch ergänzen, dass der Mandant den ursprünglichen KfB bereits komplett ausgeglichen hat auf Grund der sonst auflaufenden Zinsen, da der "Unterschiedsbetrag" nur ca. 40,00 Euro beträgt. Ehrlich gesagt, ging es uns (besser gesagt mir, da der Mandant die Entscheidung über eine Erinnerung mir überlassen hat) eigentlich nur ums Prinzip. :oops:

  • Danke Bolleff.

    Ich muss allerdings noch ergänzen, dass der Mandant den ursprünglichen KfB bereits komplett ausgeglichen hat auf Grund der sonst auflaufenden Zinsen, da der "Unterschiedsbetrag" nur ca. 40,00 Euro beträgt. Ehrlich gesagt, ging es uns (besser gesagt mir, da der Mandant die Entscheidung über eine Erinnerung mir überlassen hat) eigentlich nur ums Prinzip. :oops:


    Moment. Eingangs war die Rede davon, daß Du einen KfA gestellt hast. Ich ging davon aus, daß zugunsten eures Mandanten ein Betrag X (nur eben zu niedrig, weil das Tagegeld nicht festgesetzt wurde) festgesetzt wurde. Jetzt schreibst Du, daß der Mandant auf den KfB gezahlt hat. Also handelte es sich dann um eine Kostenausgleichung, nach der euer Mandant an den Gegner eigentlich weniger zu erstatten gehabt hätte, jetzt aber tatsächlich bereits mehr bezahlt hat? Dann kannst Du natürlich die Rückfestsetzung (§ 91 Abs. 4 ZPO) des jetzt zuviel gezahlten Betrages beantragen (vgl. z. B. SG Berlin, AGS 2017, 533, und dort Leitsätze Abs. 3 und auch Rn. 16 m.w.N.).

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