Nachlasspflegschaft wegen Hinterlegung anordnen?

  • Guten Tag,
    Folgender Fall, ich hoffe ihr könnt mir helfen:


    Alle bekannten Erben der 1. und 2. Erbordnung haben die Erbschaft aufgrund Überschuldung ausgeschlagen. Es ist bekannt, dass ein Haushaltskredit über 21.000 Euro offen ist. Die Akte ist hier bereits weggelegt.

    Nun teilt mir die Hinterlegungsstelle eines anderen Amtsgerichts mit, dass die S-Bank einen Betrag in Höhe von 9.000 Euro hinterlegt hat. Ich soll prüfen, ob ich Nachlasspflegschaft einrichte.

    Was würdet ihr machen?
    Gruß Döner

  • Nach meiner Auffassung würde ich hier keine Nachlasspflegschaft einrichten.
    §1960 BGB (Sicherungspflegschaft) greift nicht, da der Nachlass durch die Hinterlegung ausreichend gesichert ist.
    §1961 BGB (Prozesspflegschaft) greift ebenfalls nicht, da kein Gläubiger ein entsprechenden Antrag gestellt hat um seine Forderung geltend zu machen.

    ~ Montag ist auch nur ein Tag ~

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  • §1960 BGB (Sicherungspflegschaft) greift nicht, da der Nachlass durch die Hinterlegung ausreichend gesichert ist.

    Das kann man so oder so sehen. Was hat denn der Verstorbene sonst noch hinterlassen?

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Und sonst hat er auf der Straße gelebt?

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  • Das sehe ich so nicht!

    Im Gegenteil!

    Das ist ein ganz klarer Fall für eine Pflegschaft nach § 1960 BGB.

    9000 Euro!!!

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Das sehe ich so nicht!

    Im Gegenteil!

    Das ist ein ganz klarer Fall für eine Pflegschaft nach § 1960 BGB.

    9000 Euro!!!

    Und was soll der NLP machen?

    Übrigens wurde die 1. EA durch die Kinder von einem anderen Amtsgericht aufgenommen. Zu den Lebensumständen des Erblassers wurde nichts bekannt. Die Eltern und Geschwister des Erblassers gaben an, keinen Kontakt zu haben. Etwaige Vermieteranfragen zum Verfahren gibt es nicht. Er wohnte in einer Wohnung, ich vermute einfach mal, er wohnte bei jemandem. Da gibt's dann auch nix zu regeln aus Sicht des Gerichts.

  • Auf gut Deutsch weiss keiner was, aber irgendwie wird's schon alles gut sein. Schuldhaftes Augenschliessen und durch.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Auf gut Deutsch weiss keiner was, aber irgendwie wird's schon alles gut sein. Schuldhaftes Augenschliessen und durch.

    Was heisst denn hier schuldhaft?

    Wenn mir als Gericht kein Sicherungsbedürfnis bekannt wird, fange ich doch nicht selbständig an, eins auf Staatskosten zu suchen!

  • Wieso auf Staatskosten- es sind doch 9000 EUR für Kosten da!
    Ich gebe in vergleichbaren Fällen zumindest dem bekannten Gläubiger eine Nachricht von der Hinterlegung;
    aber 9000 EUR lass ich nicht liegen.

  • Die damalige Entscheidung, keine Pflegschaft anzuordnen, kann man noch nachvollziehen.

    Nicht aber, wenn ein anderes Gericht einem jetzt sagt, dass 9.000 Tacken hinterlegt werden sollen und man schon von dort "sanft" darauf hingewiesen wird, zu "prüfen", ob nicht eine Pflegschaft angeordnet wird.

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    2 Mal editiert, zuletzt von TL (25. September 2018 um 21:16)

  • Die damalige Entscheidung, keine Pflegschaft anzuordnen, kann man noch nachvollziehen.

    Sie ist nicht nur "noch nachvollziehbar", sie ist schlicht richtig. Einen Nachlasspfleger einzusetzen, damit der herausfindet, ob seine Bestellung überhaupt begründet war, ist nicht zu rechtfertigen.

    Nicht aber, wenn ein anderes Gericht einem jetzt sagt, dass 9.000 Tacken hinterlegt werden sollen und man schon von dort "sanft" darauf hingewiesen wird, zu "prüfen", ob nicht eine Pflegschaft angeordnet wird.

    Was genau sollte denn ein NLP jetzt tun? Im Hinblick auf die den Aktivnachlass bereits vor Abzug der Kosten einer Pflegschaft deutlich übersteigenden Schulden wird kein von ihm ermittelter Erbe die Erbschaft annehmen. Soll er also nur die Funktion haben, so lange zu ermitteln, bis das Geld aufgebraucht ist?

  • Echt jetzt?

    Wie oft werde ich leider viel viel zu spät (manchmal über 1 Jahr nach dem Erbfall) zum Pfleger bestellt, weil dann eben doch noch ein Gläubiger (endlich) den Antrag stellt, obwohl das NLG schon längst von Amts wegen eine Pflegschaft hätte anordnen können.

    Was der NLP dann machen soll? Das ist doch Tagesgeschäft!

    Er soll sich mal anschauen, wer denn die Wohnung aufgelöst hat, welche Aktiva und Passiva zum Todestag vorhanden waren. Ob gg. Dritte mit Vollmachten z.B. über Konten bei anderen Banken verfügt haben. Was mit einem evtl. vorhandenen PKW geschehen ist. Welche Verträge laufen bzw. beendet werden müssen. Ob Versicherungsverträge mit entsprechenden Leistungen abgerufen werden können und so weiter und so fort. Das Übliche eben.

    Und wenn man dann ein Nachlassverzeichnis gemacht hat, dann könnte man bei 9.000 Euro entweder eine Nachlassinsolvenz beantragen (sofern der Nachlass denn wirklich überschuldet ist - was man derzeit nicht weiß!), oder aber man erstattet wenigstens die vorrangigen Bestattungskosten und dann dürfte ggf. nach der Vergütung des NLP kein Nachlass mehr vorhanden sein.

    Solche Fälle habe ich x-fach und das ist selten ein Problem. Weder für den Pfleger, noch für das Gericht. Aber natürlich kann man auch einfach alles laufen lassen. Irgendwie wird sich alles schon regeln. Ob das dann einem Rechtsstaat entspricht, ist aber ein andere Frage.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Echt jetzt?

    Ja, echt.

    Wie oft werde ich leider viel viel zu spät (manchmal über 1 Jahr nach dem Erbfall) zum Pfleger bestellt, weil dann eben doch noch ein Gläubiger (endlich) den Antrag stellt, obwohl das NLG schon längst von Amts wegen eine Pflegschaft hätte anordnen können.

    Können kann man immer. Aber hatte das Gericht auch einen objektiven Grund?

    Was der NLP dann machen soll? Das ist doch Tagesgeschäft!

    Er soll sich mal anschauen, wer denn die Wohnung aufgelöst hat, welche Aktiva und Passiva zum Todestag vorhanden waren. Ob gg. Dritte mit Vollmachten z.B. über Konten bei anderen Banken verfügt haben. Was mit einem evtl. vorhandenen PKW geschehen ist. Welche Verträge laufen bzw. beendet werden müssen. Ob Versicherungsverträge mit entsprechenden Leistungen abgerufen werden können und so weiter und so fort. Das Übliche eben.

    1960 setzt sicherungsbedürftigen Nachlass voraus. Solange es nicht den geringsten Hinweis gibt, dass solcher existiert, ist die bloße Tatsache, dass man es nicht absolut ausschließen kann (und das kann man nie), kein Anordnungsgrund.

    Und wenn man dann ein Nachlassverzeichnis gemacht hat, dann könnte man bei 9.000 Euro entweder eine Nachlassinsolvenz beantragen (sofern der Nachlass denn wirklich überschuldet ist - was man derzeit nicht weiß!), oder aber man erstattet wenigstens die vorrangigen Bestattungskosten und dann dürfte ggf. nach der Vergütung des NLP kein Nachlass mehr vorhanden sein.

    Nach den bisherigen Informationen ist von Überschuldung auszugehen. Einfach mal anzunehmen, dass sich schon irgendwo 12.000,- € anfinden werden, verbietet sich. Und das klingt jetzt genau nach dem, was ich oben schon schrieb: Den Nachlass sichern, indem man ihn aufbraucht.

    Solche Fälle habe ich x-fach und das ist selten ein Problem. Weder für den Pfleger, noch für das Gericht. Aber natürlich kann man auch einfach alles laufen lassen. Irgendwie wird sich alles schon regeln. Ob das dann einem Rechtsstaat entspricht, ist aber ein andere Frage.

    Es soll also nicht dem Rechtsstaat entsprechen, wenn sich das Gericht ans Gesetz hält? Zweifel sind da eher im umgekehrten Fall angebracht, wenn ohne Anhaltspunkte, dass die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, für fast jeden Sterbefall eine Pflegschaft angeordnet wird.

    Du hast mich vor Jahren davon überzeugt, dass ich früher zu restriktiv mit der Anordnung von Nachlasspflegschaften gewesen bin. Jetzt habe ich aber den Eindruck, dass zu weit in die Gegenrichtung gerückt bist.

  • S.H.

    Ich gebe zu, dass ich in letzter Zeit stark dazu tendiere, Pflegschaften lieber zu früh, als zu spät anzuorden. Und ich bitte dich um Entschuldigung, wenn ich (wahrscheinlich wirklich :) hier eine inzwischen etwas extremere Possition eingenommen habe. Ich erlebe es aber leider mehr und mehr zu oft, dass die Gerichte sich handfest gegen Nachlasspflegschaften wehren und alle möglichen und unmöglichen Argumente vorbringen, eine Pflegschaft zu vermeiden. Dann, wenn es überhaupt nicht mehr anders geht, ordnen sie dann doch die Pflegschaft an. Und der liebe Nachlasspfleger soll es dann retten? Wie oft stehe ich nach Monaten vor einem inzwischen leeren Konto, weil die Miete schlicht noch ewig per Dauerauftrag überwiesen wurde. Sowas kann man in dem Fall hier übrigens auch noch nicht ausschließen. Ich vermute fast, dass es so ist.

    Ich bin (wie gesagt) bezüglich des zunächst bekannten Ausgangssachverhaltes absolut der Meinung, dass man hier alleine wegen der Ausschlagungen der nächsten Angehörigen natürlich noch keine Pflegschaft anordnen muss. Das ist ganz klar eine Ermessensfrage, die ich auch in diese Richtung für mich beantworten würde. Aber können wir uns vielleicht darauf einigen, dass spätestens dann, wenn ein anderes Gericht einem schreibt, dass eine Bank Monate nach dem Erbfall nich zig Tausend Euro rumliegen hat, eine Neubewertung der Sachlage zu erfolgen hat?

    Nichts anderes wollte der Threadstarter, wenn er fragt: "Was würdet ihr machen?"

    Jetzt habe ich da noch eine Frage an den Threadstarter:
    Wenn die ausschlagenden Angehörigen keine Ahnung vom Erblasser haben, woher hat dann das Gericht die Info, dass ein Kredit über 21.000 Euro vorhanden sein soll? Wer hat das dem Gericht gesagt? Hat das Gericht mal geprüft, ob der Erblasser ggf. Eigentümer der Wohnung war?

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  • Aber können wir uns vielleicht darauf einigen, dass spätestens dann, wenn ein anderes Gericht einem schreibt, dass eine Bank Monate nach dem Erbfall nich zig Tausend Euro rumliegen hat, eine Neubewertung der Sachlage zu erfolgen hat?

    Da müssen wir uns nicht einmal einigen, der Meinung bin ich auch. Ich finde aber auch jetzt nicht, dass das Ergebnis der Neubewertung unbedingt eine NLP ist. Mit der Argumentation, dass Sicherung des Nachlasses auch bedeutet, die Erben über dessen Existenz zu informieren (wofür sie erst zu ermitteln sind) kann ich konform gehen. Aber für mich setzt das voraus, dass auch ein positiver Nachlass vorhanden ist, da andernfalls die Ermittelten keinen Nutzen davon haben, dass sie gefunden wurden, sondern nur den Ärger, jetzt auch ausschlagen zu müssen.
    Wenn also eine NLP nicht den Erben dient, kommt nur eine 1961er Pflegschaft in Frage Und dafür fehlt es an einem Antrag.

    Denkbar wäre vielleicht, das Fiskuserbrecht festzustellen und die bekannten Gläubiger zu informieren.

  • Schön, wenn wir uns darauf einigen können, dass wir dem Grunde nach gleicher Meinung sind, aber eben manchmal doch anders entscheiden würden :)

    Dast macht frei denkende und selbständig handelnde Menschen aus. Und das finde ich gut!

    :)

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  • Jetzt habe ich da noch eine Frage an den Threadstarter:
    Wenn die ausschlagenden Angehörigen keine Ahnung vom Erblasser haben, woher hat dann das Gericht die Info, dass ein Kredit über 21.000 Euro vorhanden sein soll? Wer hat das dem Gericht gesagt? Hat das Gericht mal geprüft, ob der Erblasser ggf. Eigentümer der Wohnung war?

    Die konkrete Überschuldungssumme ergibt sich aus einer Gläubigeranfrage von easy c****t.
    Das Geld von der S-Bank ist die Santan*** Bank und rührt vermutlich aus einem Risikovertrag der als Sicherheit der Autofinanzierung diente, der Finanzierungsvertrag liegt vor. In der Hinterlegung steht nix, woher das Geld von Santan*** konkret stammt.

    Ich habe aber herausgefunden, dass der Erblasser zur Untermiete gewohnt hat. Grundbesitz ist nicht vorhanden. Der Sterbefall ist inzwischen 1 Jahr her.

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