Neue Auslegung nach Einziehung des Erbscheins

  • Hallo,

    der Verstorbene hat folgendes Testament gemacht:

    "Ich setze meine Tochter X und deren Ehemann Y zu meinen alleinigen Erben ein. Sollte einer der beiden Elternteile ableben, so tritt an ihre Stelle die Tochter Z"

    Damals wurde folgender Erbschein erteilt:
    Erben sind X und Y zu je 1/2.
    Y ist jedoch nur nichtbefreiter Vorerbe. Nacherbfolge ist angeordnet. Nacherbe ist Z. Die Nacherbfolge tritt mit dem Tod des Vorerben ein.

    Ich hätte den Erbschein anhand des Wortlaut des Testaments nie so erteilt. Jetzt ist Y verstorben. Der Erbschein muss eingezogen werden. Ein neuer Erbschein soll erteilt werden. Kann man sich nun (nach mehr als 30 Jahren) auf den Standpunkt stellen, dass man das Testament anders auslegen würde und keinne Erbschein für X und Z zu je 1/2 erteilen würde?
    Meiner Meinung nach wäre es falsch, den Erbschein so zu erteilen, nur weil das Testament damals so ausgelegt wurde, wenn ich anderer Meinung bin.
    Was sagt ihr dazu?

  • Nachträglich kannst du da nix mehr machen,

    du schreibst ja richtig, es ist Auslegungssache und der Erbschein wurde damals so erteilt. Er ist nicht unrichtig erteilt. Daher kann man diesen nicht aufgrund anderer Auslegung einziehen.
    (auch wenn ich der gleichen Meinung bin und nie zu dieser Auslegung gekommen wäre)

  • Das Problem ist ja, dass ich auf jeden Fall einziehen muss, da der "Vorerbe" ja verstorben ist. Ich würde ihn also nicht aufgrund unrichtiger Auslegung einziehen, sondern wegen Eintritt der Nacherbfolge. Aber danach soll ja dann ein neuer Erbschein erteilt werden. Und um den geht es mir jetzt eigentlich primär. Dürfte ich jetzt meiner Auslegung folgen oder muss ich mich der damaligen anpassen?

  • Das Problem ist ja, dass ich auf jeden Fall einziehen muss, da der "Vorerbe" ja verstorben ist. Ich würde ihn also nicht aufgrund unrichtiger Auslegung einziehen, sondern wegen Eintritt der Nacherbfolge. Aber danach soll ja dann ein neuer Erbschein erteilt werden. Und um den geht es mir jetzt eigentlich primär. Dürfte ich jetzt meiner Auslegung folgen oder muss ich mich der damaligen anpassen?

    Du entscheidest jetzt über den neuen Erbscheinsantrag. M.E. Bist du an die Aussage über die Nacherben im eingezogenen Erbschein nicht gebunden.

  • Ich sehe auch mehrere Auslegungsmöglichkeiten, würde jetzt momentan aber dazu tendieren X und Y als Miterben zu je 1/2 im Erbschein auszuweisen. Ich würde die Bestimmung über den Eintritt von Z als Ersatzerbfolge, nicht als Nacherbfolge auslegen und würde mich wahrscheinlich auf das Wort "sollte" stützen, das m.E. eine gewisse Ungewissheit sugeriert, die es nur hinsichtlich des vorversterbens gibt.
    Tatsächlich könnte ich aber auch mit der Anordnung von Vor- und Nacherbfolge leben, wenn sich diese Auslegung nach Anhörung der Beteiligten bestätigt. Womit ich dann aber ein Problem habe, ist die Beschränkung der Vor- und Nacherbfolge auf Y, weil ich hierfür überhaupt keine Andeutung im Testament finde.

  • Die Tochter möchte den Erbscheinsantrag bei mir stellen. Ich kann ihr also die verschiedenen Auslegungsmöglichkeiten erläutern. Die Tochter möchte den Erbschein so ausgestellt haben, wie man ihr das damals beim Nachlassgericht erklärt hat. Aber das ist eben nicht meine Ansicht..

  • Sagt der damalige Erbscheinsantrag denn gar nichts dazu, wie man zu diesem Ergebnis kommen konnte? Oder ist der schon ausgesondert?

    Der Antrag ist leider schon ausgesondert. Die Akte gibt also nichts über die Auslegung des Testaments her.

  • Ich sehe auch mehrere Auslegungsmöglichkeiten, würde jetzt momentan aber dazu tendieren X und Y als Miterben zu je 1/2 im Erbschein auszuweisen. Ich würde die Bestimmung über den Eintritt von Z als Ersatzerbfolge, nicht als Nacherbfolge auslegen und würde mich wahrscheinlich auf das Wort "sollte" stützen, das m.E. eine gewisse Ungewissheit sugeriert, die es nur hinsichtlich des vorversterbens gibt.
    Tatsächlich könnte ich aber auch mit der Anordnung von Vor- und Nacherbfolge leben, wenn sich diese Auslegung nach Anhörung der Beteiligten bestätigt. Womit ich dann aber ein Problem habe, ist die Beschränkung der Vor- und Nacherbfolge auf Y, weil ich hierfür überhaupt keine Andeutung im Testament finde.

    Für die Anordnung der Vor- oder Nacherbfolge sehe ich hier keinen Anhaltspunkt. Eher ist gemeint worden, dass die Z für jeden der beiden Erben X und Y zur Ersatzerbin mit dem jeweiligen Miteigentumsanteil von je 1/2 geworden ist. Eine Bestimmung der Erbquoten wurde hier ja anscheinend nicht erteilt. Verfahrensrechtlich kommt es an den [noch zu stellenden] Erbscheinsantrag an, und nicht was "'damals' vom NLG erzählt" wurde.

    Für eine Einziehung sehe ich wie #2 ebenfalls keinen Raum, Y wird doch aufgrund eigenen Erbrechts von dessen Erben (wohl auch Z) beerbt, sofern nichts anderes angeordnet.??

  • Ich sehe auch mehrere Auslegungsmöglichkeiten, würde jetzt momentan aber dazu tendieren X und Y als Miterben zu je 1/2 im Erbschein auszuweisen. Ich würde die Bestimmung über den Eintritt von Z als Ersatzerbfolge, nicht als Nacherbfolge auslegen und würde mich wahrscheinlich auf das Wort "sollte" stützen, das m.E. eine gewisse Ungewissheit sugeriert, die es nur hinsichtlich des vorversterbens gibt.
    Tatsächlich könnte ich aber auch mit der Anordnung von Vor- und Nacherbfolge leben, wenn sich diese Auslegung nach Anhörung der Beteiligten bestätigt. Womit ich dann aber ein Problem habe, ist die Beschränkung der Vor- und Nacherbfolge auf Y, weil ich hierfür überhaupt keine Andeutung im Testament finde.

    Für die Anordnung der Vor- oder Nacherbfolge sehe ich hier keinen Anhaltspunkt. Eher ist gemeint worden, dass die Z für jeden der beiden Erben X und Y zur Ersatzerbin mit dem jeweiligen Miteigentumsanteil von je 1/2 geworden ist. Eine Bestimmung der Erbquoten wurde hier ja anscheinend nicht erteilt. Verfahrensrechtlich kommt es an den [noch zu stellenden] Erbscheinsantrag an, und nicht was "'damals' vom NLG erzählt" wurde.

    Für eine Einziehung sehe ich wie #2 ebenfalls keinen Raum, Y wird doch aufgrund eigenen Erbrechts von dessen Erben (wohl auch Z) beerbt, sofern nichts anderes angeordnet.??

    Mal angenommen, unabhängig von meinem Fall hier, es wird ein Erbschein ausgestellt, wie ich ihn oben geschrieben habe (X und Y Erben zu je 1/2. Nacherbfolge ist angeordnet. Nacherbfolge tritt mit Tod ein). Wenn der Nacherbfall eintritt, wird hier immer der Erbschein eingezogen (es gilt ja keine Nacherbfolge mehr) und ein neuer Erbschein auf den Nacherben erteilt. Macht ihr das anders? Oder wieso sollte ich in meinem Fall nicht einziehen?

  • Für eine Einziehung sehe ich wie #2 ebenfalls keinen Raum, Y wird doch aufgrund eigenen Erbrechts von dessen Erben (wohl auch Z) beerbt, sofern nichts anderes angeordnet.??

    Mal angenommen, unabhängig von meinem Fall hier, es wird ein Erbschein ausgestellt, wie ich ihn oben geschrieben habe (X und Y Erben zu je 1/2. Nacherbfolge ist angeordnet. Nacherbfolge tritt mit Tod ein). Wenn der Nacherbfall eintritt, wird hier immer der Erbschein eingezogen (es gilt ja keine Nacherbfolge mehr) und ein neuer Erbschein auf den Nacherben erteilt. Macht ihr das anders? Oder wieso sollte ich in meinem Fall nicht einziehen?

    Doch, bei Eintritt des Nacherbfalls ist der Vorerbschein als unrichtig einzuziehen.
    Natürlich hat Y auch eigene Erben. Aber es geht ja bei der Nacherbfolge immernoch um die Erbfolge nach dem Erstverstorbenen, also der, dessen Testament so unklar ausgelegt wurde.

    Oder, um aus Goethes "Faust", Teil I, Zeile 2667 zu zitieren: "Nein!"

  • Die vorliegende Diskussion ist mir ein wenig schleierhaft.

    Wenn sich eine Auslegung später als unrichtig erweist, kann der Erbschein eingezogen werden. Die Frage, ob er wegen des Eintritts einer Nacherbfolge, die es vielleicht gar nicht gibt, einzuziehen ist, stellt sich daher gar nicht.

    Und wieder einmal sieht man: Wer Nachlassakten teilweise ausscheidet, ist selbst schuld, weil dann ggf. die Entscheidungsgrundlagen "verschwinden". Daher habe ich die Nachlassakten immer unangetastet gelassen. Ich hatte kürzlich erst einen Fall aus dem Jahr 1977. Die Nachlassakten waren nach wie vor vollständig, man konnte sehen, wo der Hund der Auslegung begraben lag und der Erbschein wurde - auch hier wegen anderer Auslegung - eingezogen.

    Noch kurz zur Nacherbfolge, unterstellt sie läge vor: Ich könnte mir vorstellen, dass man das Testament damals in Sinne einer Vorerbenstellung des Y ausgelegt hat, weil Y "nur" der Schwiegersohn des Erblassers ist und man annahm, dass sichergestellt werden soll, dass der Nachlass später in jedem Fall auf den Enkel übergeht. Wenn sowohl X als auch Y nur Vorerben sind, ist der Erbschein sowieso falsch. Denn dann handelt es sich um zwei Nacherbfolgen, für jeden Hälfteerbteil eine eigene, die auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten, nämlich mit dem Ableben des jeweiligen Vorerben eintreten.

  • Die vorliegende Diskussion ist mir ein wenig schleierhaft.

    Wenn sich eine Auslegung später als unrichtig erweist, kann der Erbschein eingezogen werden. Die Frage, ob er wegen des Eintritts einer Nacherbfolge, die es vielleicht gar nicht gibt, einzuziehen ist, stellt sich daher gar nicht.

    Und wieder einmal sieht man: Wer Nachlassakten teilweise ausscheidet, ist selbst schuld, weil dann ggf. die Entscheidungsgrundlagen "verschwinden". Daher habe ich die Nachlassakten immer unangetastet gelassen. Ich hatte kürzlich erst einen Fall aus dem Jahr 1977. Die Nachlassakten waren nach wie vor vollständig, man konnte sehen, wo der Hund der Auslegung begraben lag und der Erbschein wurde - auch hier wegen anderer Auslegung - eingezogen.

    ....


    Da gerichtliche Entscheidungen auch nicht wegen Jahrzehnte später ergangener abweichender (obergerichtlicher) Rechtsprechung abgeändert werden, kann ich eine Einziehung eines Erbscheins wegen einer abweichenden Rechtsansicht des jetzigen Entscheiders nicht wirklich nachvollziehen.

  • Zunächst ziehe ich ja nicht aufgrund einer abweichenden Rechtsansicht ein, sondern weil ich sowieso einziehen muss, da der "Nacherbfall" eingetreten ist.
    Erst bei der Erteilung des neuen Erbscheins kommt es ja auf die abweichende Rechtsansicht an.

  • Da gerichtliche Entscheidungen auch nicht wegen Jahrzehnte später ergangener abweichender (obergerichtlicher) Rechtsprechung abgeändert werden, kann ich eine Einziehung eines Erbscheins wegen einer abweichenden Rechtsansicht des jetzigen Entscheiders nicht wirklich nachvollziehen.

    Der Erbschein erwächst aber anders als andere gerichtliche Entscheidungen nicht in Rechtskraft. Daher ist die Einziehung m.E. zulässig (und ggf. auch geboten).
    Der Gesetzgeber hat sich m.E. bewusst dafür entschieden, dass der Erbschein nicht rechtskräftig werden kann, sondern theoretisch jederzeit eingezogen werden könnte (sofern er unrichtig ist).

  • Ich hatte kürzlich erst einen Fall aus dem Jahr 1977. Die Nachlassakten waren nach wie vor vollständig, man konnte sehen, wo der Hund der Auslegung begraben lag und der Erbschein wurde - auch hier wegen anderer Auslegung - eingezogen.

    Ist dies nach über 30 Jahren noch möglich oder steht dem 2082 BGB entgegen? Danke

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