Erhöhung Pfändungsfreibetrag aufgrund Fahrtkosten

  • Hallo zusammen!

    Bin leider aus den bisher gelesenen Themen nicht schlauer geworden...

    Insolvenzschuldner beantragt im Hauptverfahren die Erhöhung des unpfändbaren Betrages aufgrund hoher Fahrtkosten.

    Über die Berechnung will ich jetzt hier nicht diskutieren ;) Sagen wir mal, alle sind auf die nach ihrer Meinung richtige Weise auf 500 € gekommen.

    Erhöhe ich den unpfändbaren Betrag dann nun einfach um 500 € oder muss ich das vom Nettolohn abziehen und dann schauen wie hoch die Differenz zum regulär unpfändbaren Betrag wäre und setze die Erhöhung danach entsprechend fest (so der Vorschlag des Insolvenzverwalters)?

    Problem: Schuldner hat stark schwankendes Einkommen und ich weiß nicht, wie ich den Beschluss dann fassen soll ohne das jeden Monat individuell neu zu entscheiden.

    Wäre für eine schnelle, einfache Antwort (ohne Diskussion über Berechnung der Fahrtkosten an sich und Einbeziehung von steuerlicher Geltendmachung) sehr dankbar!

  • Ich rechne in solchen Fällen komplett den Bedarf des Schuldners aus. Also sozialhilferechtlicher Bedarf + Besserstellungszuschlag + Miete + Fahrtkosten + ggf Versicherungen. Und nur wenn das höher ist als sowieso unpfändbar setze ich überhaupt rauf.

  • Nur so hätte ich auch wieder das Problem, dass es eigentlich jeden Monat angepasst werden müsste
    :(

    wieso die Rechnung ist doch immer gleich


    Deine Berechnung (#2) halte ich nicht für zutreffend. Es geht hier ja um keine Pfändung nach § 850d ZPO, wo man einen konkreten pfändungsfreien Betrag festsetzen würde/müsste.

    Stattdessen findet die Tabelle nach § 850c ZPO Anwendung, wodurch sich bei schwankendem monatlichen Einkommen ein jeweils abweichender pfändungsfreier Betrag ergibt. Zu diesem müsste man die Fahrtkosten dann zusätzlich freigeben.

    Ergo, müsste der Schuldner jeden Monat einen neuen Antrag stellen, da ansonsten eine Berechnung des Betrages für den konkreten Monat nicht möglich ist.

  • Ich rechne in solchen Fällen komplett den Bedarf des Schuldners aus. Also sozialhilferechtlicher Bedarf + Besserstellungszuschlag + Miete + Fahrtkosten + ggf Versicherungen. Und nur wenn das höher ist als sowieso unpfändbar setze ich überhaupt rauf.


    Deine Berechnung (#2) halte ich nicht für zutreffend. .

    Schließe mich Frog an. Du vermischt hier unzulässigerweise § 850f Abs. 1 a) ZPO mit b).

  • M.E. ist lediglich festzustellen, welcher berufsbedingter Mehraufwand vorliegt, welcher nicht bereits durch den nach § 850c ZPO unpfändbaren betrag gedeckt ist.

    Abstraktes Beispiel: Fahrtkosten 300,00 EUR, Im Freibetrag nach § 850c ZPO enthaltener Fahrtkostenanteil: 160,00 EUR, Unterdeckung 140,00 EUR.

    Dann ist der dem Schuldner nach § 850c ZPO als unpfändbar zu verbleibende Betrag um 140,00 EUR zu erhöhen.

  • M.E. ist lediglich festzustellen, welcher berufsbedingter Mehraufwand vorliegt, welcher nicht bereits durch den nach § 850c ZPO unpfändbaren betrag gedeckt ist.

    Abstraktes Beispiel: Fahrtkosten 300,00 EUR, Im Freibetrag nach § 850c ZPO enthaltener Fahrtkostenanteil: 160,00 EUR, Unterdeckung 140,00 EUR.

    Dann ist der dem Schuldner nach § 850c ZPO als unpfändbar zu verbleibende Betrag um 140,00 EUR zu erhöhen.


    Wie kommst du darauf, dass im Freibetrag des § 850c ZPO bereits ein Fahrtkostenanteil erhalten wäre? :gruebel:

    Die Regelung gilt ja für die Pfändung jeglicher Einkommen, so auch z. B. bei Renten. Rentner haben aber normalerweise keine Aufwendungen mehr für die Fahrt zur Arbeit.

  • Vielen Dank für den Link. Bei entsprechender Zeit lese ich mir die Begründung mal durch.

    Dennoch stellt sich mir die Frage:

    Wie können in einem pfändungsfreien Betrag nach § 850c ZPO auch Kosten für die Fahrt zur Arbeit enthalten sein, wenn die Tabelle nicht nur für Arbeitstätige angewandt wird. Welchen Sinn hätte das z. B. beim Rentner? :gruebel:

  • So ist das mit Pauschalbeträgen......
    Sie enthält auch einen Wohnkostenanteil, obgleich die Mietkosten innerhalb von Deutschland sehr unterschiedlich sein können....

    und im Hotel Mama sogar vollständig entfallen....

  • BGH vom 12.12.2003, IXa ZB 226/03

    "Soweit der Gesetzgeber in den Gesetzgebungsmaterialien (Gesetzesbegründung zum Entwurf eines 7. Gesetzes zur Änderung der Pfändungsfreigrenzen, BT-Drucks. 14/6812, 9) offen gelegt hat, wie sich die für Arbeitseinkommen geltenden Pfändungsfreigrenzen ermitteln, handelt es sich um Kalkulationsgrundlagen, die im Gesetz selbst nur mit ihrem Endbetrag, nicht aber mit ihren Einzelposten Niederschlag gefunden haben."

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • BGH vom 12.12.2003, IXa ZB 226/03

    "Soweit der Gesetzgeber in den Gesetzgebungsmaterialien (Gesetzesbegründung zum Entwurf eines 7. Gesetzes zur Änderung der Pfändungsfreigrenzen, BT-Drucks. 14/6812, 9) offen gelegt hat, wie sich die für Arbeitseinkommen geltenden Pfändungsfreigrenzen ermitteln, handelt es sich um Kalkulationsgrundlagen, die im Gesetz selbst nur mit ihrem Endbetrag, nicht aber mit ihren Einzelposten Niederschlag gefunden haben."


    Mit anderen Worten, ich darf mir gar keine Gedanken machen, welcher Anteil an berufsbedingten Fahrtkosten im pfändungsfreien Betrag nach § 850c ZPO bereits enthalten ist? :gruebel:

    Mich würde übrigens interessieren, wie andere Kollegen diese Freigabeanträge "lösen". Dass der Schuldner jeden Monat einen neuen Antrag stellen müsste, wäre ja nun nicht gerade das Optimum. ;)

  • Ich rechne in solchen Fällen komplett den Bedarf des Schuldners aus. Also sozialhilferechtlicher Bedarf + Besserstellungszuschlag + Miete + Fahrtkosten + ggf Versicherungen. Und nur wenn das höher ist als sowieso unpfändbar setze ich überhaupt rauf.


    Deine Berechnung (#2) halte ich nicht für zutreffend. .

    Schließe mich Frog an. Du vermischt hier unzulässigerweise § 850f Abs. 1 a) ZPO mit b).

    Ich halte meine Art der Rechnung weiterhin für richtig. 850 f I b) sagt ich kann erhöhen, wenn besondere Bedürfnisse dies erfordern.

    Die besonderen Bedürfnisse weist mir der Schuldner z.Bsp. durch die außergewöhnlichen Fahrtkosten nach.
    Das diese Bedürfnisse auch eine Erhöhung 'erfordern' durch die erwähnte Berechnung.

    Dann entfallen auch die anderen aufgeworfenen Fragen.


  • Deine Berechnung führt aus meiner Sicht in gewissen Konstellationen zu einer doppelten Berücksichtigung der Fahrtkosten.

    Die Bedarfsberechnung des alleinstehenden Schuldners nach deinem Vorbild würde bei mir wie folgt aussehen:

    416,- € + 208,- € + 355,- € + 500,- € = 1.479,- € (mal ohne Versicherungen)

    Nach der Tabelle des § 850c ZPO wären bei folgenden Einkommen die genannten Beträge unpfändbar:

    a) 1.500,- € = unpfändbar 1.243,66 €

    b) 2.000,- € = unpfändbar 1.393,66 €

    c) 3.000,- € = unpfändbar 1.693,66 €


    Nach deiner Aussage würdest du also bei a) und b) den unpfändbaren Betrag auf jeweils 1.479,- € erhöhen, in Konstellation c) jedoch nicht.

    Der Schuldner im Fall c) hat zwar nach Tabelle fast 1.700,- € unpfändbar, muss jedoch davon vollständig seine Fahrtkosten von 500,- € tragen. Also bleiben ihm dann letztlich "nur" 1.200,- € für Lebensunterhalt und Miete und somit weniger als den Schuldnern a) und b) mit niedrigeren Einkommen,

    Deine Berechnung führt also letztlich dazu, dass die Schuldner mit niedrigerem Einkommen profitieren, die mit höheren Löhnen allerdings unangemessen benachteiligt werden.

  • M.E. ist lediglich festzustellen, welcher berufsbedingter Mehraufwand vorliegt, welcher nicht bereits durch den nach § 850c ZPO unpfändbaren betrag gedeckt ist.

    Abstraktes Beispiel: Fahrtkosten 300,00 EUR, Im Freibetrag nach § 850c ZPO enthaltener Fahrtkostenanteil: 160,00 EUR, Unterdeckung 140,00 EUR.

    Dann ist der dem Schuldner nach § 850c ZPO als unpfändbar zu verbleibende Betrag um 140,00 EUR zu erhöhen.

    Wie kommst Du auf 160,00 €? In der Tabelle waren damals 100,00 DM als Kalkulationsbetrag (s. Bt-Ds.) enthalten (entsprach 51,13 €) und das bei einem unpfändbaren Grundbetrag von 930,00 €. Heute liegt der unpfändbare Grundbetrag gut 25 % darüber, also hat sich auch dieser Kalkulationsbetrag rechnerisch auf knapp 65,00 € erhöht, wenn man die Erhöhungen auf alle Kalkulationsbeträge anwendet.

    Dass der sozialhilferechtliche Bedarf, der nur bei § 850f Abs. 1 a) ZPO eine Rolle spielt, nichts mit der Erhöhung bei besonderen Bedürfnissen des Schuldners aus persönlichen oder beruflichen Gründen zu tun hat wurde ja schon gesagt. Dem schließe ich mich auch an.

    Allerdings halte ich auch eine Erhöhung um die vollen Fahrtkosten (abzüglich der bereits berücksichtigten 65,00 €) nicht für richtig. Würde man das machen, würden die vollen Fahrtkosten zu Lasten der Gläubiger gehen. Hier sollte man § 850c Abs. 2 ZPO mit berücksichtigen. Von dem Mehreinkommen (über den Grundfreibeträgen) sind weitere Teile unpfändbar, je nach dem wie viele unterhaltsberechtigte Personen der Schuldner hat.

    Beispiel:

    Der verheiratete Schuldner hat ein Nettoeinkommen von 2.200,00 € und die nachgewiesenen Fahrtkosten belaufen sich auf 300,00 €. Abzüglich der 65,00 €, die bereits in dem Grundfreibetrag enthalten sind, bleiben noch 235,00 €.

    Bei einem Einkommen von 2.200,00 € wären bei einer unterhaltsberechtigten Person 319,75 € pfändbar. Würde man nun den unpfändbaren Betrag um 235,00 € erhöhen, verbliebe noch ein pfändbarer Betrag in Höhe von 84,75 €.

    Hätte der Schuldner nur 1.900,00 € (also ohne die Fahrtkosten), wären 169,75 €, also doppelt so viel. Der Schuldner würde sich also besser stehen, als wenn er ein um die Fahrtkosten vermindertes Einkommen hätte.

    Weil der Mehrbetrag (§ 850c Abs. 2 ZPO) bei einer unterhaltsberechtigten Person 5/10 (des Mehrbetrages) ausmacht, hielt ich es für gerechtfertigt, wenn der unpfändbare Betrag nur um diesen Anteil der Fahrtkosten erhöht würde.

    Im Gegensatz zu § 850f Abs. 1 a) ZPO, bei dem der unpfändbare Betrag genau festgesetzt werden muss oder sollte, ist eine Erhöhung nach § 850f Abs. 1 b) ZPO immer um einen Betrag zu erhöhen, der dann mit geändertem Einkommen bleibt und den unpfändbaren Gesamtbetrag erhöht oder vermindert.

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