ZDF WISO vom 29.10.: 5 Jahresfrist für Anfechtung Zuschlag bei Zustellvertretung ?

  • Am Montag dem 29.10. wurde in ZDF WISO von einem Fall berichtet, wo für den Schuldner (wohl unberechtigt) ein Zustellvertreter bestellt wurde und deshalb der Zuschlag aufgehoben wurde, weil der Schuldner innerhalb von 5 Jahren Kenntnis erlangt hat und widersprochen hat. Kennt jemand diese 5 Jahresfrist und wo kann man nachlesen ? Im Beitrag
    wurde ausgeführt das die 5 Jahresfrist kaum jemandem bekannt sei und nur über mehrere Verweisungen zu finden sei, ich habe davon noch nichts gewusst.

  • Es handelt sich um eine außerordentliche Beschwerde (Nichtigkeits- oder Restitutionsbeschwerde). Einschlägig sind die §§ 569, 586 ZPO. Die Frist ergibt sich aus § 586 Absatz 2 Satz 2 ZPO.

    Siehe Stöber, Rn. 3 zu § 96 ZVG und LG Potsdam, Beschluss vom 11.03.2014 - 1 T 103/13.

  • Hab mir den Beitrag mal angesehen. Natürlich wie üblich im Fernsehen übertrieben, aber vergleichsweise dann noch ganz gut recherchiert.
    Aus meiner Sicht schon ein blöder Einzelfall, bei dem wohl einiges schief gelaufen ist.
    Was in dem Bericht völlig untergeht, ist die Tatsache, dass damals nur eine Wiese versteigert (und damit dem Schuldner wie sich jetzt rausgestellt hat unrechtmäßig weggenommen) wurde, jetzt aber ein mit einem Einfamilienhaus bebautes und dadurch ungleich wertvolleres Grundstück zurückgegeben werden soll. Haben die Ersteher nicht einen Anspruch auf ungerechtfertigte Bereicherung gegen den Alteigentümer?

    Und: Natürlich hätte das Gericht ermitteln können bzw. müssen, aber eine Formulierung wie "Es ist unverständlich, dass das Amtsgericht diese Unterlage, die sich als Blatt 32 in der Gerichtsakte befindet, nicht zum Anlass für Nachforschungen nach dem Aufenthaltsort des Schuldners genommen hat." ist dann doch etwas übertrieben.

    Bei Schuldnern, die sich ins Ausland verkrümeln, ohne sich um ihre Angelegenheit zu kümmern (ganz von ungefähr kam die Versteigerung nun ja wohl nicht), habe ich eher weniger Mitleid.

    Interessant bleibt aber die Frage, die im Beitrag mitschwingt, ohne konkret gestellt zu werden: Muss man nun als Versteigerungsgericht in den Fällen, in denen für den Schuldner ein Zustellungsvertreter bestellt ist, auf die mögliche Anfechtung aufgrund der oben genannten Vorschriften in den nächsten 5 Jahren hinweisen?

    Es stand alles in Büchern, die Alten lebten noch
    Wir haben nicht gelesen, nicht gesprochen, weggeschaut, uns verkrochen ...
    No!

  • Zitat

    Haben die Ersteher nicht einen Anspruch auf ungerechtfertigte Bereicherung gegen den Alteigentümer?

    Tja.

    In einem ähnlich gelagerten Fall hatte der BGH (Urt. v. 26.02.1964, V ZR 105/61) die Anwendbarkeit des Bereicherungsrechts verneint und außerdem einen "engen Verwendungsbegriff" vertreten. Allerdings wird auch die Auffassung vertreten, dass der Bau eines Hauses auf fremden Grund und Boden eine Verwendung i. S. d. §§ 994 ff. BGB sei ("weiter Verwendungsbegriff") und dann könnte sich ein Ersatzanspruch aus § 996 BGB ergeben.

  • Natürlich ohne Einzelheiten des Falls zu kennen, aber: wenn der Schuldner seinen Meldepflichten ordnungsgemäß nachgekommen wäre, hätte es eines Zustellvertreters nicht gebraucht. Jetzt die Ersteher aus dem Haus jagen zu können, ist schon echt stark. Manchmal finde ich Justiz auch komisch...

  • Im Bericht pochen die Ersteher auf den Schutz ihres Eigentums aus dem GG. Sie (und auch andere) vergessen aber, dass es zuvor das schützenswerte Eigentum des Schuldners war. Hier bestehen durchaus Pflichten des Versteigerungsgerichts. Das wird gerne mal außer Acht gelassen.

    Wenn dem Finanzamt die Adresse bekannt war, mag er zwar seinen Meldepflichten nicht nachgekommen zu sein, aber ganz versteckt hat er sich dann ja wohl doch nicht. Und selbst wenn, haben wir eben Ermittlungspflichten! Dieses Beispiel zeigt das doch recht schön, was passieren kann, wenn man etwas zu voreilig ist bei § 6 ZVG oder vergleichbar bei öffentlichen Zustellungen. Ich war da vor LG Potsdam schon recht streng und bin seit dem nicht kulanter.

    Und auch eine Adresse im Ausland kann man ja erst mal nutzen. Oft genug kommt auch dort Post an und mancherorts gibt es sogar ein Meldewesen (in Wikipedia gibt es da eine schöne Übersicht für Europa und zumindest noch USA).


    Aber Fehler passieren, es wurde eben übersehen. Dumm für alle Beteiligten, aber auch wir sind nur Menschen und haben mal einen schlechten Tag.

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • [QUOTE=Araya;1155365

    Aber Fehler passieren, es wurde eben übersehen. Dumm für alle Beteiligten, aber auch wir sind nur Menschen und haben mal einen schlechten Tag.[/QUOTE]

    Das stimmt. Dürfte aber den/die Rechtspfleger(in) in diesem Fall im Zweifel teuer zu stehen kommen, Stichwort Amtshaftung.

  • [QUOTE=Araya;1155365

    Aber Fehler passieren, es wurde eben übersehen. Dumm für alle Beteiligten, aber auch wir sind nur Menschen und haben mal einen schlechten Tag.[/QUOTE]

    Das stimmt. Dürfte aber den/die Rechtspfleger(in) in diesem Fall im Zweifel teuer zu stehen kommen, Stichwort Amtshaftung.

    Da muss aber eine die Haftung begründende "Schuld"form vorliegen.
    Und dann ist die Frage, ob der Staat wirklich mehrerer 100.000 Euro von seinem Beamten haben will. Der zahlt ja bis an sein Lebensende oder muss in die Insolvenz.

    Gab/gibt es nicht einen Schadensersatzprozess gegen den Zustellungsvertreter? Dann ist das Land und damit der Beamte uU fein raus.

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  • Zitat

    Gab/gibt es nicht einen Schadensersatzprozess gegen den Zustellungsvertreter?

    Ja. Den hatte aber der Schuldner gegen den Vertreter geführt.

    Man müsste das Recht schon ganz schön verbiegen, um dazu zu kommen, dass der Z-Vertreter auch für die der Ersteherin entstandenen Schäden haftet.

  • Interessant finde ich den Hinweis des Landgerichts, dass der Zustellungsvertreter bezgl. seiner Tätigkeit ja immerhin einen Vergütungsanspruch gegen den Vertretenen ( Schuldner ) hat.:wechlach:

    Ich frage mich nur, wie dieser Anspruch realisiert werden soll; in den meisten Fällen nämlich gar nicht, da der Vertretene i.d.R. nicht ermittelt wird oder kein Geld hat.
    Gegen den Gläubiger hat der ZU-Vertreter keinen Vergütungsanspruch.
    Für mich als Rpfl. stellt sich nun die Frage, wie ich an einen engagierten ZU-Vertreter kommen soll, der "auf Lau" arbeiten muss.
    Ich bitte um Vorschläge :gruebel:

  • Im Ernst:
    Wie handhabt Ihr die Suche nach ZU-Vertretern, wenn für Ihn damit echte Arbeit verbunden ist ?
    Schreibt ihr den Gläubiger an, ob er freiwillig auch die Vergütung übernimmt oder muss der ZU-Vertreter den Auftrag im Rahmen einer "Mischkalkulation" auch so übernehmen ?

  • Ich habe einen Zustellungsvertreter, der jeweils einen Festbetrag nimmt.
    Ich schreibe den Gläubiger an, ob er den Betrag übernimmt.
    Bisher war die Antwort immer "ja", schließlich will er ja, dass versteigert wird.

  • Ich lasse mir vom Gläubiger eine Kostenübernahme erklären. Das klappt in der Regel auch.

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
    Maxim Gorki



  • Zitat

    Wie handhabt Ihr die Suche nach ZU-Vertretern, wenn für Ihn damit echte Arbeit verbunden ist ?

    Es geht nicht nur um die "echte Arbeit", die der Zustellungsvertreter leisten muss, sondern um die völlig unkalkulierbaren Haftungsrisiken, die nicht versicherbar sind, weil Haftpflichtversicherungen für Zustellungsvertreter auf dem Markt nicht angeboten werden.
    Im Falle des LG Potsdam war der Verkehrswert des "zu Unrecht" versteigerten Grundstückes im Verfahren auf € 50.000,00 festgesetzt worden. Wer jetzt die Auffassung vertritt, dass dieser Betrag den von Z-Vertreter zu tragenden Risiken entspricht, sollte sich mal den letzten Satz des Urteils durchlesen.

  • also wir - ich und meine Kollegin - ermitteln so viel wie uns möglich ist selbst. Wenn wir nichts rausbekommen, dann haben wir einen Zustellungsvertreter an der Hand, der eine Festgebühr + Auslagen übernimmt. Der ist auch sehr engagiert und hat oft Anschriften herausgefunden, wo uns jegliche Ansatzpunkte fehlten. Die ominösen Entscheidungen aus Brandenburg kennt er, macht es aber trotzdem. Die Gläubiger haben bisher immer, gerade im Hinblick auf die eher geringen und gut einkalkulierbaren Kosten -, die Kostenübernahme erklärt. Auch Ämter und Behörde, die sich bei uns eher zurückhaltend mit der Übernahme von Auslagen geben, haben bisher anstandslos die Kostenübernahme erklärt. Eine Weigerung der Kostenübernahme hatte ich bisher nicht, so dass ich bisher nicht entscheiden musste, was ich sonst täte.

    Ich weiß, dass es hier sehr umstritten ist, wie viel man selbst ermitteln kann/soll/darf. Im Hinblick auf die Rechtsprechung aus Brandenburg und aus der Tatsache, dass der Ersteher quasi nichts von den unzureichenden/ausreichenden Ermittlungen/Erkenntnissen des Gerichts und Zustellungsvertreters weiß und keinen Einfluss darauf hat, halte ich es für mich persönlich als sehr wichtig, selbst zu ermitteln (insbesondere über Behörden/Ämter/Verfahrensbeteiligte usw.). Ich kann die andere Meinung verstehen und kann sie nachvollziehen, ich möchte damit aber keine Grundsatzdiskussion anführen.


  • ...
    Die ominösen Entscheidungen aus Brandenburg.
    ...

    Was ist daran denn ominös? Die waren mehr als richtig. Wir haben eben unsere Arbeit zu machen. Und wenn man mal einen Fehler macht (kann ja jedem passieren), ist es doch aber auch nicht schlimm, wenn man aufgehoben wird. (Damit meine ich natürlich nicht die anderen Folgen für alle Beteiligten!)

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    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)


  • Was ist daran denn ominös?

    Die Zuschlagsaufhebung in diesem Fall war schon deshalb nicht nur ominös, sondern schlichtweg falsch, weil es sich bei der fraglichen Anschrift nicht um diejenige des Schuldners handelte.

    Und Formulierungen wie:

    "Der vom Amtsgericht begangene schwere Verfahrensfehler ..."
    "... die im weiteren Verfahren begangenen zahlreichen Verstöße ..."
    "... nicht nachvollziehbar ..."

    lasse ich lieber unkommentiert.

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