Verspäteter Räumungsschutzantrag, § 765 a ZPO

  • Hallo :)

    Ein Termin für die Räumung ist für nächste Woche Freitag angesetzt.

    Heute stellt die Schuldnerin einen Antrag nach § 765 a, der zwar offensichtlich verspätet ist, aber dem ja trotzdem zu entsprechen wäre, wenn die Gründe für den Antrag erst jetzt entstanden wären oder die Schuldnerin ohne ihr Verschulden an einer rechtzeitigen Antragstellung gehindert war.

    Sie trägt nun vor, dass sie den Antrag erst jetzt stellt, weil sie die ganze Zeit auf der Suche nach einer Wohnung war. Erst jetzt hat sie eine Zusage bekommen. Die Wohnung kann sie erst ab dem 01.02. beziehen. Die Gemeinde stelle ihr auch kein Wohnraum zur Verfügung wie sie heute erfahren habe. Naja jetzt will sie, dass die Räumung bis zum Februar eingestellt wird, weil sie sonst obdachlos wäre und sowieso Depressionen hat.

    An sich würde ich es zurückweisen wollen, weil ich die Voraussetzungen als nicht gegeben ansehe. Ich habe aber ein schlechtes Gefühl dabei sie in die Obdachlosigkeit zu schicken, auch wenn mir klar ist, dass sie die Situation selbst verschuldet hat (zugrunde liegender Titel ist auch ein Versäumnisurteil).

    Naja, das ist mein erster Antrag nach § 765 a und ich hab da noch kein richtiges Gespür für entwickelt. Wie sehen es die erfahrenen Rechtspfleger? :D

  • 765a ZPO "es sei denn, dass die Gründe, auf denen der Antrag beruht, erst nach diesem Zeitpunkt entstanden sind"

    Der Grund "neue Wohnung" ist ja wohl erst jetzt entstanden.
    Nachweise müssen natürlich vorhanden sein, der Gläubiger angehört werden, und der Aufschub ggfls von Zahlung der weiteren Miete abhängig gemacht werden.
    Aber ich würde eher zur Möglichkeit der Bewilligung tendieren.

  • Hm ja stimmt schon.. aber sie hätte sich doch schon die ganze Zeit um eine neue Wohnung kümmern können.
    Also sie hat nur eine mündliche Zusage, aber noch keinen Mietvertrag vorliegen..

  • Oh und es gibt zwei Schuldner gegen die die Räumung stattfinden soll. Die Einstellung beantragt hat aber nur die eine von zwei Schuldnerinnen.
    Ist das egal?

  • 765a ZPO "es sei denn, dass die Gründe, auf denen der Antrag beruht, erst nach diesem Zeitpunkt entstanden sind"

    Der Grund "neue Wohnung" ist ja wohl erst jetzt entstanden.
    Nachweise müssen natürlich vorhanden sein, der Gläubiger angehört werden, und der Aufschub ggfls von Zahlung der weiteren Miete abhängig gemacht werden.
    Aber ich würde eher zur Möglichkeit der Bewilligung tendieren.


    Die neue Wohnung bzw. die Zusage ist aus meiner Sicht kein Grund im Sinn der von dir zitierten Textstelle des § 765a ZPO.

    (Im Übrigen weiß man auch gar nicht, seit wann die Schuldnerin eine neue Wohnung gesucht hat. Wenn die Zusage für die neue Wohnung als Grund für die Versäumung der Frist des § 765a ZPO anerkannt wird, wäre es natürlich auch möglich, dass die Zusage vielleicht jetzt erst eingegangen ist, weil die Schuldnerin z. B. erst seit zwei Wochen gesucht hat. Bestraft ist dann der Schuldner, der bereits nach Erhalt des Räumungsurteils eine neue Bleibe gesucht und entsprechend zeitiger eine Zusage erhält.)

    Wenn ich die Begründung lese "weil sie sonst obdachlos wäre und sowieso Depressionen hat" hätte die Schuldnerin den Antrag ohnehin gestellt bzw. hat das nichts mit der neuen Wohnung zu tun. Im Gegenteil, ohne neue Wohnung wäre sie ggf. länger obdachlos. Und die Depression (als eventueller Grund für eine Einstellung) bestand sicher auch schon bei Zustellung der Räumungsankündigung.


  • (Im Übrigen weiß man auch gar nicht, seit wann die Schuldnerin eine neue Wohnung gesucht hat.

    Du sagst es, man weiß es nicht. Ja nach Gegend kann es schon an ein Wunder grenzen "schnell" eine neue Wohnung zu finden.
    So oder so, ohne neue Wohnung wäre der Antrag wohl aussichtslos, also konnte sie vorher keinen sinnvollen/aussichtsreichen Antrag stellen.
    Alles weitere kann man m.M. ggfls bei der Interessensabwägung berücksichtigen.

    Aber:
    "sie hat nur eine mündliche Zusage, aber noch keinen Mietvertrag " -> wäre mir zu wenig
    "Die Einstellung beantragt hat aber nur die eine von zwei Schuldnerinnen" -> na dann kann die andere ja geräumt werden.

  • Ich dachte, dass es einhellige (nicht nur überwiegende) Meinung sei, dass ein neuer Mietvertrag, der erst nach Ablauf der Frist geschlossen wird, ein Einstellungsgrund wäre. Was denn auch sonst??

    Wir leben in einem Rechtsstaat und Sozialstaat! Niemand wird aufgrund staatlichen Zwangs obdachlos!
    Falls das doch mal passieren sollte, ist es letztlich Schuld des Schuldners, da er sich offenbar nicht gekümmert hat (und damit eigentlich nicht aufgrund staatlichen Zwangs sondern aufgrund eigener Faulheit oder was auch immer). Schon in der Räumungsankündigung des GV wird auf die Kommunen hingewiesen. Man muss das halt auch mal lesen, was man bekommt und idealerweise sogar noch umsetzen. So einfach kann es sein.

    Wird der Schutzantrag zurückgewiesen, liegt es bei der Stadt, für die Unterbringung zu sorgen. Ob die das im Wege einer Wiedereinweisung, Obdachlosenunterkünfte oder Hotelzimmern machen, ist deren Entscheidung. Die werden aber nicht von Amtswegen tätig, Man muss sich als Schuldner schon dort melden.

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • "Ich habe aber ein schlechtes Gefühl dabei sie in die Obdachlosigkeit zu schicken" - das brauchst du nicht haben, die Ordnungsbehörde hat die Schuldnerin unterzubringen und tut das auch PUNKT.

    (notfalls sogar durch eine sogenannte Wiedereinweisung in die bisherige Wohnung (als letztes Mittel- man sollte wissen dass es das gibt, einfach mal googeln- ich hatte tatsächlich einmal einen Anruf der Stadt(ich unterstelle mal positiv, dass dieser Mitarbeiter neu war) : ich müsse bewilligen, da keine Wohnung zur Verfügung steht. Da war es gut darauf hinzuweisen und dann einen guten Tag zu wünschen und aufzulegen) ) - Obdachlosigkeit gibt es entsprechend nicht.


    Leider ist es auch an meinem Gericht bei den beteiligten Gemeinden so, dass die Schuldner erst einmal erzählt bekommen, dass es keine Wohnung für sie gibt- es wird ihnen dann sogar von dort empfohlen, bei uns erst mal Schutz zu beantragen. Klar, die haben auch keine zahllosen Unterkünfte und versuchen dieses Problem erst mal ohne eigene Arbeit zu erledigen. Die sind auch hoch belastet und den Ärger mit den Schuldnern bei Unterbringung in Unterkünften statt Wohnungen wollen die auch nicht haben. Aber durchgehen lasse ich das nicht.

    Also ruhig zurückweisen.


    Ein guter Rat fürs Rechtspflegerleben: Wenn du selbst denkst "Das kann doch so nicht richtig sein"- anfangen zu suchen, der Gesetzgeber hat dann (meistens) irgendwo tatsächlich genauso gedacht und eine Norm geschaffen. (Leider manchmal in Normen, an die man nicht denkt oder die man nicht kennt- ich kannte die Wiedereinweisungsmöglichkeit am Anfang auch nicht)


  • Leider ist es auch an meinem Gericht bei den beteiligten Gemeinden so, dass die Schuldner erst einmal erzählt bekommen, dass es keine Wohnung für sie gibt- es wird ihnen dann sogar von dort empfohlen, bei uns erst mal Schutz zu beantragen. Klar, die haben auch keine zahllosen Unterkünfte und versuchen dieses Problem erst mal ohne eigene Arbeit zu erledigen. Die sind auch hoch belastet und den Ärger mit den Schuldnern bei Unterbringung in Unterkünften statt Wohnungen wollen die auch nicht haben.

    ... und ein weiteres "Problem" sind die mit der Wiedereinweisung verbundenen Kosten, die man als Kommune nicht tragen muss, wenn das Gericht Vollstreckungsschutz gewährt. Das minimiert natürlich auch die Wiedereinweisungsmotivation.


  • Eine angeblich drohendeObdachlosigkeit stellt keinen Grund dar, der hier die Anwendung des § 765a ZPOzu Gunsten des Schuldners rechtfertigen würde. Oft lassen die Kommunen außer Acht, dass dem Gläubigerin nicht Aufgabender staatlichen Sozial- und/oder Obdachlosenfürsorge überbürdet werden dürfen (vgl. Hk-ZV/Bendtsen 1.Aufl. § 765a ZPO Rn. 40). Es ist vielmehr Aufgabe der Kommune und nicht derGläubigerin dem Schuldner eine anderweitige (Not)Unterkunft, also nichtzwingend eine Ersatzwohnung, zur Verfügung zu stellen. Dabei müssen vomSchuldner selbst bei gesundheitlicher Beeinträchtigung/Behinderung ggf. auchAbstriche im Hinblick auf Wohnkomfort und Infrastruktur in Anspruch genommenwerden, menschenunwürdig ist eine solche Unterbringung ineiner Notunterkunft im Übrigen nicht.

    Dieaktuelle Gesetzeslage begründet lediglich einen Anspruch des Schuldners darauf,dass ordnungsbehördlicherseits für seine den Umständen nach angemesseneanderweitige Unterbringung Sorge getragen werden muss. Auch wenn von der Behördeausführt wird, keine Obdachlosenunterkünfte zur Verfügung zu haben bzw. solchenicht selbst zu unterhalten, hat sie Obdachlosenunterkünfte gegebenenfalls beiDritten durch Anmietung von Pensionszimmern oder ähnlichem zu beschaffen, wobei von einerObdachlosenunterkunft im oben dargelegten Sinne, d.h. einer obdachmäßigenUnterbringung auszugehen ist. Rechtlich irrelevant ist dabei, ob es imGemeindegebiet freie Sozialwohnungen gibt bzw. wie sich der Wohnungsbestandinsgesamt darstellt.


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