Steuerklassenwechsel während Lohnpfändung

  • Guten Morgen.

    Ich war vor Jahren Vollstreckungsrechtspfleger und bin nun als Beistand des Jugendamtes für die Geltendmachung von Kindesunterhaltsansprüchen zuständig.

    Der Unterhaltsschuldner hat während einer laufenden Lohnpfändung seine neue Partnerin geheiratet und ist dadurch von Steuerklasse I nach Steuerklasse IV gewechselt. Anschließend ist er dann auf Antrag in die Steuerklasse V gewechselt. Nunmehr möchte ich Antrag nach § 850h Abs. 2 ZPO analog stellen, damit die Drittschuldnerin bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens fiktiv die Steuerklasse IV zu Grunde legt.

    Meine Fragen zu dem Sachverhalt:

    - Kann ich auch beantragen die Steuerklasse I fiktiv zu Grunde zu legen?
    - Muss ich für das Kind Prozesskostenhilfe beantragen? Bewilligt wurde bisher nur für den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss.
    - Kann mir jemand ein Musterantrag zur Verfügung stellen?

    Vielen Dank :)

  • der Wechsel in IV hatte ja den Sachgrund der Heirat und erfolgt automatisch.

    Der spätere Wechsel in V ist nach der Pfändung vom Schuldner herbeigeführt worden. Soweit hierfür kein sachlicher Grund erkennbar ist, dürfte des Antrag begründet sein.

    Den Tenor deines Antrags hast du ja bereits selbst formuliert.

    BGH, Beschluss vom 4. Oktober 2005 - VII ZB 26/05

  • für das Verfahren entstehen keine gesonderten Gerichtskosten.
    Außerdem ist das Verfahren ein Annex zum Pfändungsverfahren, für das PKH bewilligt wurde.
    M.E. ist kein gesonderter PKH-Antrag erforderlich.

    M.E. sollte hinsichtlich der Steuerklassen der substantiierte Sachvortrag ausreichen sein.
    Sofern du deinen Erkenntnisgewinn hinsichtlich des Steuerklassenwechsel aus Gehaltsabrechnungen gezogen hast, kannst du diese zur Glaubhaftmachung deines Antrags beifügen.
    Hinsichtlich eines eventuell rechtfertigenden Grundes für die Steuerklassenwahl ist der Schuldner darlegungspflichtig.

  • Ich habe einen Formulierungsvorschlag unter https://www.iww.de/ve/archiv/ve-p…usfaelle-f35182 gefunden. Die Quelle ist zwar aus 03/2000, aber inhaltlich vermisse ich nichts weiter. Eine schriftliche Drittschuldnererklärung als Beweis habe ich jedoch nicht. Was ist mit der Prozesskostenhilfe für das Kind?

    Und nicht vergessen, den dort genannten TIPP anzuwenden und wegen des eigenen Einkommens der Ehefrau zusätzlich deren Nichtberücksichtigung nach § 850 c IV ZPO zu beantragen.

    2 Mal editiert, zuletzt von ZVR (26. November 2018 um 14:56) aus folgendem Grund: Schreibversehen berichtigt

  • Guten Morgen.

    Meinen Beitrag möchte ich nochmals aufleben lassen, nachdem ich eine Zwischenverfügung erhalten habe. Ich soll angeben, inwiefern der Lohnsteuerklassenwechsel ohne sachlichen Grund erfolgt sei. Aus einem Gespräch mit dem Schuldner weiß ich nur, dass dieser nicht will das seine Ehefrau indirekt für seine Unterhaltsschulden aufkommen muss. Einen sachlichen Grund sehe ich in dieser Aussage nicht. Ein Lohnsteuerklassenwechsel soll darüber hinaus ein Verstoß gegen § 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO sein. Ansonsten weiß ich nicht wie ich den Antrag noch bestärken kann und soll.

    WinterM sagte "Hinsichtlich eines eventuell rechtfertigenden Grundes für die Steuerklassenwahl ist der Schuldner darlegungspflichtig." Gibt es für diese Aussage eine Rechtsgrundlage?

    Ferner soll ich die Gehaltsabrechnungen des Schuldners und die der Ehefrau vor und nach der Pfändung vorlegen. Das Einkommen der Ehefrau ist mir nicht bekannt. Wie ich an die Abrechnungen der Ehefrau kommen soll ist mir auch ein Rätsel.

  • meine Aussage folgt aus der zitierten BGH-Entscheidung.
    Änderung nach Pfändung -> Vermutung: ohne sachlichen Grund.
    Also obliegt es dem Schuldner die Vermutung zu entkräften.

    Im Übrigen erscheint es seltsam, dir die Beibringung von Unterlagen aufzugeben, an welche du objektiv nicht drankommen kannst (Verdienstbescheinigung Ehefrau...)

  • Der Beitrag stammt vom November - das Jahr ist rum. Lohnsteuererstattungsanspruch gepfändet? Gibt ne tüchtige Erstattung - aufgrund der Heirat und des angeblich unzutreffenden Steuerklassenwechsel gibt es eine hohe Erstattung. Es gibt Jugendämter, die haben doch tatsächlich schon übersehen Ihre Pfändung beim Finanzamt einzureichen !

  • Verheiratete können wählen zwischen den Steuerklassenkombinationen
    · IV / IV oder
    · III / V oder
    · IV-Faktor / IV-Faktor (das sog. Faktorverfahren).

    Bei Heirat nach 2012 erhalten im ELStAM-Verfahren derzeit in allen Fällen beide Ehepartner automatisch die Steuerklasse IV, selbst wenn ein Ehepartner gar keinen Arbeitslohn bezieht. Wer die Steuerklassenkombination III / V haben will, muss dies beim Finanzamt extra beantragen.
    Dem Schuldner wird durch den PFÜB verboten, über die gepfändete Forderung zu verfügen (§ 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Gegen dieses Verfügungsverbot verstößt ein Antrag beim Finanzamt auf Änderung in eine andere Lohnsteuerklasse auch deshalb, weil sie missbräuchlich ist und den Pfändungsgläubiger benachteiligt.
    Nach erfolgter Pfändung kann zu einem Antrag auf klarstellenden Beschluss die Anhörung des Schuldners beantragt werden. Das Anhörungsverbot des § 834 ZPO gilt für dieses Verfahren nicht.

    Ist die Forderung bereits beschlagnahmt, ist der Zweck erreicht und der Schuldner zu hören
    (Musielak/Becker, § 832 Rn. 2; Münch Komm/ZPO-Smid, § 834 Rn. 2; a. A. BGH, NJW 1983, 1859 = SchlHA 1983, 127 =
    FamRZ 1983, 578 = DB 1983, 1357 = JurBüro 1983, 1029 = MDR 1983, 739).

    Nach wirksamer Pfändung schließt die Regelung eine Anhörung ebenfalls nicht aus (Musielak/Becker, § 834 Rn. 4; Münzberg, Rpfleger 1982, 329 zu OLG Düsseldorf, Rpfleger 1982, 192).

    Verlangt der Gläubiger die Anhörung des Schuldners, muss das Gericht sie also durchführen, da dann der bezweckte Schutzzweck wegfällt (LG Braunschweig, Rpfleger 1981, 489 m. Anm. Hornung; LG Mannheim, JurBüro 1984, 299; OLG Olden-
    burg, JurBüro 1983, 467; OLG Celle, MDR 1972, 958; Hk-ZPO-Kemper § 834 Rn. 4, Gottwald/Mock, Zwangsvollstreckung, ZPO § 834 ).

  • Dem Antrag wurde nun endlich stattgegeben. :daumenrau

    Nunmehr ergibt sich jedoch eine neue Fragestellung. Der pfandfreie Betrag im PfÜB wurde damals auf 800,00 € festgesetzt. Tatsächlich würde dem Schuldner nun weniger verbleiben aufgrund der Anordnung den Schuldner nach Steuerklasse IV zu berücksichtigen. Der pfandfreie Betrag kann doch nur bei der "fiktiven" Berechnung Anwendung finden, oder? Andernfalls wäre die Anordnung im Ergebnis ins Leere gelaufen.

  • Dem Antrag wurde nun endlich stattgegeben. :daumenrau

    Nunmehr ergibt sich jedoch eine neue Fragestellung. Der pfandfreie Betrag im PfÜB wurde damals auf 800,00 € festgesetzt. Tatsächlich würde dem Schuldner nun weniger verbleiben aufgrund der Anordnung den Schuldner nach Steuerklasse IV zu berücksichtigen. Der pfandfreie Betrag kann doch nur bei der "fiktiven" Berechnung Anwendung finden, oder? Andernfalls wäre die Anordnung im Ergebnis ins Leere gelaufen.

    Ich verstehe das Problem nicht.
    Vereinfacht dargestellt:
    Zunächst wird vom Drittschuldner das netto-Arbeiteinkommen ermittelt (§ 850e Nr. 1 ZPO).
    Hier greift die Anordnung, dass der Schuldner mit der Steuerklasse IV zu berücksichtigen ist. Vom Bruttoarbeitseinkommen werden also Sozialabgaben und die Steuern der Steuerklasse IV in Abzug gebracht.
    Nun ergibt sich ein Betrag nach Abzug von (fiktiven) Steuern und Sozialabgaben. Dieser Betrag ist in Höhe von 800,00 € unpfändbar und im Übrigen pfändbar.

    Ergänzung: Ja, dem Schuldner wird weniger verbleiben. Er musste aber auch nicht die schlechtere Steuerklasse wählen, was er ja nachträglich rückgängig machen kann.

  • Die Fragestellung ergab sich bei der Drittschuldnerin und zusammengefasst kommen wir zu dem gleichen Ergebnis. Danke :)

  • Ich muss das Thema nochmal aufgreifen:


    Ich habe einen entsprechenden Antrag direkt mit Antrag auf Erlass des PÜ's:

    Es wird des Weiteren angeordnet, dass:

    Der Schulnder, sollte er ohne sachlichen Grund eine für den Gläubiger ungünstige Steuerklasse gewählt haben, sich bei der Berechnung des pfändbaren Betrags so behandeln lassen muss, als wäre er nach der für den Gläubiger günstigeren Steuerklasse zu besteuern.


    Kann man das so als pauschale Anordnung im PÜ direkt erlassen?

  • BGH, Beschluss vom 4. Oktober 2005 - VII ZB 26/05 so ab Rn. 12


    In diesem Fall wäre vom Gl. vorzutragen und gegenüber dem Gericht glaubhaft zu machen, dass der Schuldner in gläubigerbenachteiligender Absicht eine schlechtere Steuerklasse gewählt hat.


    "Sollte und für den Fall das" ist da kein zielführendes Vorbringen und die beantragte Anordnung ist auch für die Tonne, weil gar nicht erkennbar wäre, wer denn zu beurteilen hätte, dass "der Schuldner ohne sachlichen Grund eine für den Gläubiger ungünstige Steuerklasse gewählt habe".

    Soll sich da etwa der Drittschuldner Gedanken drüber machen

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