Aufgrund von Ersuchen nach § 82a GBO Nachlasspflegschaft einrichten?

  • Ausgangslage:

    Erblasserin E ist 2017 verstorben.

    Die Erblasserin E hat:

    Sohn S
    Tochter T
    Mutter M
    Schwester Sch
    und
    Bruder B

    E, M, Sch und B sind Miteigentümer von Grundbesitz.

    Nach E ist gesetzliche Erbfolge eingetreten.

    T hat ausgeschlagen und dabei angegeben, keinen Kontakt zu S zu haben. Es sei nur bekannt, dass dieser ins Vereinigte Königreich (UK) verzogen sei. Das hiesige Einwohnermeldeamt hat mir den Umzug nach UK bestätigt. Eine Wegzugsadresse in UK ist nicht bekannt.

    Nach § 1953 Abs. 3 S.1 BGB muss ich S vom Erbanfall nicht benachrichtigen. Aber selbst wenn ich wollte, könnte ich es nicht, da ich nicht wüsste, wo ich in UK anfangen soll zu suchen.

    Ich habe dem hiesigen Grundbuchamt daher mitgeteilt, dass S Erbe geworden sein könnte.

    Ein Sicherungsbedürfnis nach § 1960 BGB sehe ich aufgrund der drei anderen vorhandenen (noch lebenden) Miteigentümern nicht.

    Ein Antrag nach § 1961 BGB liegt nicht vor, wobei unser OLG auch mal die Ansicht vertreten hat, dass der Anspruch auf Erbauseinandersetzung kein Anspruch im Sinne von § 1961 BGB ist.

    Jetzt stellt das Grundbuchamt ein Ersuchen nach § 82a GBO. Und nun?

    Ist es nicht Aufgabe des Grundbuchamtes die Anschrift von S selbst versuchen zu ermitteln?
    Kommt eine Pflegschaft für unbekannte Beteiligte in Frage?
    Muss ich im Rahmen der Bearbeitung des Ersuchens einen Nachlasspfleger bestellen der die Erben ermittelt? Wenn ja, muss die Landeskasse die Ermittlungen bezahlen, da der Grundbesitz nicht verwertbar sein dürfte?

    Ich habe mich jetzt zunächst an M, Sch und B gewandt mit der Bitte, ob diese mir die aktuelle Anschrift von S nennen können. Meine Hoffnung ist gering, das dabei was rauskommt.

    Ggf. könnte ich auch die Kollegin vom GBA fragen, ob sie das Ersuchen zurücknimmt unter dem Hinweis, das dem GBA ein Ermessen zusteht das Berichtigungsverfahren zu betreiben.

    Falls M, Sch oder B einen Antrag nach § 1961 BGB stellen würden, würde das die Sache auch nicht besser machen.

    Für ein Aufgebot mit anschließender Feststellung des Fiskuserbrechts liegen m. E. die Voraussetzungen nicht vor.

    Hat jemand sonst noch eine Idee, ob ich noch was als Nachlassgericht tun kann/muss?

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

    Einmal editiert, zuletzt von Ernst P. (5. Dezember 2018 um 08:39)

  • So wie ich das sehe, ist das Ersuchen des GBA mit der Mitteilung der Einschätzung des Nachlassgerichts erledigt.
    "Erbe der 1. Ordnung dürfte geworden sein... z. Zt. unbekannten Aufenthalts in England. Ermittlung sind abgeschlossen, das Ersuchen ist erledigt." Das GBA ist wieder dran. Dass die kaum eine Berichtigung mit den kärglichen Mitteln des Zwangsgeldes erreichen können, ist mir auch klar. Aber manchmal ist das Leben halt so...

    Mal angenommen, der lebt in England immer noch und Du findest seine Anschrift und schickst ihm einen aufklärenden Brief und der meldet sich nicht. Weder mit Ausschlagung noch mit Erbscheinsantrag. Und dann? Kannste die Akte auch bloß weglegen. Du kannst ja als Nachlassgericht niemanden "zwingen", sich zum Erbe zu erklären. Es sei denn, es findet jemand ein Sicherungsbedürfnis und teilt Dir das mit oder hat eine Forderung und will klagen (z. B. einer der Miteigentümer, weil er die öffentl. Grundstücklasten trägt...). Dann haste wegen Unkenntnis der Annahme der Erbschalft UND Klage sicherlich einen Grund für eine Pflegschaft. Aber "nur" zum Zwecke der Berichtigung hast Du aus meiner Sicht nichts weiter zu veranlassen.

    Dieses Schreiben wurde maschinell erstellt und ist ohne Unterschrift gültig.
    Mit freundlichen Grüßen
    Ihre Justizbehörde

  • Mangels Sicherungsbedürfnis würde ich das nicht. Für den UK Erben mag im Zweifel eine Abwesenheitspflegschaft eingerichtet werden.

    So auch hier.

    Dieses Schreiben wurde maschinell erstellt und ist ohne Unterschrift gültig.
    Mit freundlichen Grüßen
    Ihre Justizbehörde

  • Nach § 82a GBO soll das Nachlassgericht die Erben ermitteln.

    Da laut Sachverhalt überhaupt nicht gesagt ist, ob der Sohn den Erbfall überhaupt erlebt hat, kann man meiner Meinung nach nicht
    an das Grundbuchamt schreiben, dass dieser wohl Erbe geworden ist. Er könnte auch vorverstorben sein.
    Aus demselben Grund scheidet für mich auch eine Abwesenheitspflegschaft aus.

    Also müsste das Nachlassgericht gem.§ 26 FamFG von Amts wegen ermitteln.
    Mangels weiterer Anhaltspunkte hätte ich hier daher einen Nachlasspfleger eingesetzt. Bei Grundbesitz sehe ich eigentlich generell ein Sicherungsbedürfnis.
    Macht man gar nichts, verlagert man das Problem nur auf einen späteren Zeitpunkt. Dann wird es meist noch aufwändiger.

  • Sehe ich wie Kiki.
    Das Nachlassgericht muss ermitteln, auf welchem Wege auch immer, um einen Erben benennen zu können, der dann ggf. auch nach § 82a GBO von Amts wegen als Erbe/Eigentümer ins Grundbuch eingetragen werden kann.

  • Nachlasspflegschaft weil ungewiss ist, ob der Sohn die Erbschaft angenommen hat und deswegen die Erbfolge ungewiss ist.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

    Einmal editiert, zuletzt von TL (6. Dezember 2018 um 18:57)

  • Eine quotale Teilnachlasspflegschaft kommt nur in Betracht, wenn die ausschlagende Tochter T Abkömmlinge hat, die nicht ausgeschlagen haben. Denn wenn sie keine Abkömmlinge hat oder diese ebenfalls ausgeschlagen haben (gesamte Stämme), wäre Sohn S zum gesetzlichen Alleinerben berufen.

    Also ganz oder gar nichts.

    Im Übrigen kann für den Sohn nach Sachlage die Ausschlagungsfrist noch nicht begonnen haben. Gleichwohl ist hier nicht nur die Erbschaftsannahme ungewiss, sondern darüber hinaus auch, ob er den Erbfall erlebt hat (und, falls nicht, ob er Abkömmlinge hinterlassen hat). Damit sind die Erben insgesamt im Rechtssinne unbekannt. Ob eine Nachlasspflegschaft (ohne quotale Beschränkung) anzuordnen ist, entscheidet sich demnach alleine nach der Bejahung oder Verneinung eines Fürsorgebedürfnisses.

  • Zunächst danke ich für die vielen bisherigen durchaus unterschiedlichen Rückmeldungen.

    Nur zur Klarstellung: Mir ist durchaus bewusst, dass S nicht zwingend Erbe geworden ist. Vielmehr könnte er Erbe geworden sein. Nur dies (und nicht mehr) habe ich dem GBA mitgeteilt. Aus Sicht des GBA ist das ein rechtliches Nullum.

    Ferner ist mir bewusst, dass S vorverstorben sein könnte oder er könnte noch ausschlagen oder ... Sollte einer dieser Fälle vorliegen, könnte er wiederum selbst Kinder haben oder auch nicht.
    Insoweit stimme ich zu, dass der Erbe unbekannt ist im Sinne von § 1960 BGB.

    Cromwell: T hat übrigens ein minderjähriges Kind, für das ebenfalls wirksam ausgeschlagen wurde. Weitere Kinder hat und erwartet sie nach Aktenlage nicht. Wenn S als Erbe in Betracht kommt, dann nach Aktenlage nur als Alleinerbe.

    @ TL: Insoweit bin ich bei Mata, Kiki und Cromwell, dass man zu einer, nennen wir sie mal "Komplett-Nachlasspflegschaft" kommt, wenn man ein Sicherungsbedürfnis bejaht. Oder meintest du mit Teilnachlasspflegschaft etwa eine Pflegschaft mit eingeschränktem Aufgabenkreis (zB nur Erbenermittlung)? Wohl nicht, oder?

    Da ein Antrag und Anspruch nach § 1961 BGB nicht vorliegt, dürfte es, siehe Cromwell, letztlich darauf ankommen, ob man ein Sicherungsbedürfnis bejaht oder nicht. Ich denke, man kann ein solches mit guten Argumenten bejahen oder auch verneinen.

    Oder wird irgendwo überzeugend vertreten, dass das Ersuchen des Grundbuchamtes das Sicherungsbedürfnis nach § 1960 BGB oder den Anspruch nach § 1961 BGB ersetzt?

    Ich werde zunächst die Antwort der Beteiligten abwarten, ob sie Angaben zur Anschrift von S machen können.

    Aber spinnen wir den Fall jetzt schon mal weiter:

    Nehmen wir an ich bestelle einen Nachlasspfleger und der Nachlass besteht hinsichtlich der Aktiva nur aus dem Anteil des E am Grundbesitz. Soll dann der Nachlasspfleger tatsächlich versuchen S bzw. dessen Anschrift zu ermitteln? Wenn ja, wie soll er das anstellen, wenn ein Ansatzpunkt in UK nicht gegeben ist? Und nehmen wir ferner an es ergäbe sich eine Spur: soll der Nachlasspfleger die Kosten für die Erbenermittlung vorschießen und bekommt den Zeitansatz nebst seiner Auslagen dann aus der Landeskasse ersetzt, da der Grundbesitz nicht einsetzbar ist? Und das alles nur, weil das GBA sein Berichtigungsverfahren durchführen will? Das erscheint mir derzeit etwas überzogen.

    Oder würde der Nachlasspfleger die Erben nicht ermitteln, sondern das Grundbuch nur auf die "unbekannten Erben nach E" berichtigen lassen und die Nachlasspflegschaft wird dann wieder aufgehoben?

    Oder sollte der Nachlasspfleger mit den drei Miteigentümern Kontakt aufnehmen, um diese zu fragen, ob sie sich (ggf. am Verkaufserlös) auseinandersetzen wollen?

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

    Einmal editiert, zuletzt von Ernst P. (6. Dezember 2018 um 09:50)

  • Sorry, ich hatte das falsch gelesen. Natürlich keine Teilnachlasspflegschaft sondern ganz normale Pflegschaft.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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