Insolvenz und Vermögensabschöpfung

  • Hallo!

    Bei folgendem Fall erhoffe ich mir Hilfe:

    Urteil bzgl. 2 Verurteilter ist von November, im Dezember wurde bzgl. 1 Verurteilten das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Einziehung des Wertes des Erlangten wurde angeordnet. Den Betrag haben beide VU gesamtschuldnerisch erlangt. Hinsichtlich des Betrages bestehen Geschädigte.

    Wie ist das jetzt mit der Insolvenzanmeldung? Dass ich die entstandenen Gerichtskosten für das Strafverfahren anmelden muss, ist ja eigentlich klar. Wie verhält es sich mit der Vermögensabschöpfung? Inwiefern spielen die vorhandenen Geschädigten eine Rolle?

    Das Urteil wurde bisher nicht eingeleitet.

    Vielen lieben Dank im Voraus!

  • In Bezug auf das Vermögen des Schädigers, dessen Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, kommt wohl § 111i StPO zur Anwendung.

    Und wenn Geschädigte(Plural) bestehen, müsste wohl die STA einen Insolvenzantrag über das Vermögen des weiteren Schädigers einleiten bzw. einen solchen prüfen, § 111i II+III StPO.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • In der Vermögensabschöpfung kann die Forderung nicht beim Insolvenzverwalter angemeldet werden, da es sich um eine nachrangige Insolvenzforderung i. S. d. § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO handelt. Eine solche Forderung kann nur dann zur Insolvenztabelle angemeldet werden, wenn die Aufforderung dazu vom Insolvenzgericht kommt, § 174 Abs. 3 InsO.

    Das Gericht wird hierzu nur dann auffordern, wenn es eine 100% - Quote gibt und noch etwas "übrig" ist.

    In der Vermögensabschöpfung muss immer unterschieden werden zwischen der Vollstreckung des staatlichen Anspruchs (§ 459g Abs. 2 StPO) und der Durchführung des Auskehrungsverfahrens gem. §§ 459h Abs. 2 S. 1, 459k StPO (läuft in der Vollstreckung parallel zueinander).

    Im Hinblick auf die Vollstreckung des staatlichen Anspruchs nach § 459g Abs. 2 StPO gilt: Wenn der Staat zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine begründete Forderung hatte, fällt er als Insolvenzgläubiger (§§ 38, 39 InsO) unter das Vollstreckungsverbot nach § 89 Abs. 1 InsO. Die begründete Forderung entsteht mit der Tat des Täters. Nicht erst mit der Rechtskraft des Urteils. Mit Rechtskraft bekommt der Staat seine Forderung lediglich tituliert.

    Sofern bei dir das Vollstreckungsverbot greift, darfst du also nicht weiter versuchen, deine Forderung im Wege der ZV beizutreiben. Freiwillige Ratenzahlungen des VU darfst du annehmen, wenn es sich um den unpfändbaren Teil des Vermögens handelt, denn der wiederum ist nicht Insolvenzmasse, vgl. § 36 InsO.
    Solltest du bereits vor Insolvenzeröffnung ein wirksames Pfändungspfandrecht an Gegenständen der Insolvenzmasse erwirkt haben (außerhalb der Rückschlagsperre des § 88 InsO), entsteht nach der InsO ein absonderungsberechtigtes Pfandrecht gem. § 50 InsO.
    ABER: Da es sich hier um ein Verfahren mit Verletzten handelt, gilt die Spezialvorschrift aus der StPO: § 111i Abs. 1 S. 1 StPO (über die Verweisung in § 459h Abs. 2 S. 2 StPO): Das Pfändungspfandrecht erlischt und das Gesicherte steht dem Insolvenzverwalter zum Zwecke seines Insolvenzverfahrens zur Verfügung. Die Verletzten aus dem Strafverfahren können nun, wie jeder andere Gläubiger, ihre jeweilige Forderung zur Tabelle anmelden.
    Die Vollstreckungsbehörde hat hier nichts zu veranlassen.
    Sie stellt in einer völlig anderen Konstellation einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§§ 459h Abs. 2 S. 2, 111i Abs. 2 S. 1 StPO). Siehe unten zum 2. Verurteilten

    Für dich ist wichtig: Du wartest ab, bis das Insolvenzverfahren aufgehoben ist und die Restschuldbefreiung erteilt wurde. Während der Wohlverhaltensperiode sind Zwangsvollstreckungsmaßnahmen für Insolvenzgläubiger weiterhin untersagt (§ 294 InsO). Deine Forderung (Einziehung des Wertes von Taterträgen) ist von der Restschuldbefreiung ausgeschlossen (§ 302 Nr. 2 InsO). Deshalb darfst du danach weitervollstrecken. Aber Vorsicht: Es muss in Erfahrung gebracht werden, ob die Verletzten aus deinem Strafverfahren etwas erhalten haben aus der Insolvenzmasse. Denn das würde den Tatbestand des § 459g Abs. 4 StPO erfüllen, da der Anspruch des jeweiligen Verletzten, in Höhe seiner erhaltenen Quote, gegen den VU erloschen ist. Vollstrecken darfst du dann nur noch den Differenzbetrag (nach ergangenem Gerichtsbeschluss).
    Solltest du erfolgreich sein mit der Vollstreckung, kann der Verletzte in Höhe seines Restanspruchs unter Vorlage eines Vollstreckungstitels Auskehrung an sich verlangen, § 459m Abs. 2 Alt. 1 StPO. Eine Frist für den Verletzten sieht das Gesetz an dieser Stelle nicht vor.

    Nun gibt es ja in deinem Fall einen weiteren Verurteilten, über dessen Vermögen wohl kein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Gegen diesen leitest du die Vollstreckung ein: Zahlungsaufforderung, Mahnung, Vermögensermittlung, Zwangsvollstreckung. Zudem musst du eine Verletztenmitteilung an die Geschädigten machen, § 459i StPO. Diese Mitteilung setzt eine Frist in Lauf (6 Monate). Sind 6 Monate verstrichen, machst du einen "Kassensturz": Es wird geprüft, wieviel Geld vollstreckt werden konnte und in welcher Höhe die Verletzten gem. § 459k Abs. 1 StPO angemeldet haben. 3 Varianten sind möglich:
    1.) Deckungsfall (du hast so viel, wie verlangt wird), dann Auskehrung an Verletzte nach § 459k Abs. 2 StPO.
    2.) Mangelfall (du hast weniger, als verlangt wird) mit mindestens 3000 EUR gesichertem Vermögen, dann wird gem. §§ 459h Abs. 2 S. 2, 111i Abs. 2 S. 1 StPO ein Insolvenzantrag durch dich gestellt.
    3.) Du hast nach 6 Monaten weniger als 3000 EUR (entweder weil deine Einziehungsforderung schon gar nicht so hoch ist oder weil die Vollstreckung nicht sehr erfolgreich war), dann gelten §§ 459h Abs. 2 S. 2, 111i Abs. 2 S. 2 StPO: Absehen von einem Insolvenzantrag, da dieser mangels Masse (unter 3000 EUR) abgewiesen würde. Die Folge wäre dann: Ab dem Absehen läuft eine 2 Jahres-Frist, binnen dieser die Verletzten Geld von dir bekommen können; allerdings nur unter Vorlage eines Titels und nach Priorität (§ 459m Abs. 1 S. 4 StPO).
    Sofern du genug Geld hast, um ein Insoverfahren eröffnen zu lassen, gelten die obigen Ausführungen zum weiteren Ablauf.

    Dass die beiden VUs als Gesamtschuldner haften spielt zunächst keine Rolle. Die Vollstreckungsbehörde geht immer gegen beide vor. Wichtig ist dabei nur, dass der Betrag nicht doppelt vollstreckt wird.

  • Ich würde gern noch etwas zum Insolvenzantrag sagen:

    3.000,00 EUR mögen für die Frage, ob eine Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse erfolgt, ein guter Richtwert sein. Allerdings ist es aufgrund der Struktur der Gerichtkosten und der Vergütung des Insolvenzverwalters (Abhängigkeit von der erzielten Insolvenzmasse mit Mindestbeträgen von 180,00 € bzw. 800,00 / 1.000,00 € zzgl. Auslagen und Steuern) nicht so, dass 3.000,00 € für eine Verfahrenseröffnung zwingend vorhanden sein müssen oder das Vorhandensein von diesen automatisch zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens führt.

    Denn:

    1. Der Verurteilte könnte Deinen Antrag zum Anlass nehmen, zwecks Erzielung der Restschuldbefreiung von nicht deliktischen Forderungen einen eigenen Antrag zu stellen. Da in diesem Fall die Verfahrenskosten gestundet würden, würde das Verfahren auch bei einem Betrag von 0,00 EUR eröffnet.
    2. Ein Sachverständiger, den das Insolvenzgericht einsetzt, kann weiteres Vermögen ermitteln. Hierzu zählen insbesondere Ansprüche aus §§ 129 ff. InsO, die erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen und den Gläubigern daher vorher nicht zur Verfügung stehen.
    3. Der Sachverständige muss umfasst und langwierig ermitteln. Das Sachverständigengutachten wird derart teuer, dass das danach vorhandene Barvermögen nicht mehr ausreicht, alle weiteren Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken. Es kommt zur Abweisung mangels Masse.

    Ich würde daher raten, stets Insolvenzantrag zu stellen. Der vom Gericht eingesetzte Sachverständige wird bei der Beantwortung der Frage, ob eine verfahrenskostendeckende Masse vorhanden ist, vielleicht noch auf Vermögen stoßen, welches Du nicht ermitteln kannst oder aber Dir gar nicht zur Verfügung steht (s.o.)

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Ich vertrete das anders. Grundsätzlich mag es zwar möglich sein, so vorzugehen im Wege der InsO; es passt allerdings nicht zum gesetzgeberischen Gedanken im Hinblick auf das Auskehrungsverfahren denn:

    § 111i Abs. 2 S. 2 StPO sagt, dass abzusehen ist, wenn der Eröffnung des Insolvenzantrages begründete Zweifel entgegenstehen. Der Insolvenzverwalter mag zwar Dinge realisieren, die die StA/das Gericht nicht kann (Anfechtung), aber einen Antrag nach § 14 InsO muss der RPfl dennoch stellen. Er muss also darlegen, dass ein Insolvenzgrund (mind. Zahlungsunfähigkeit) und eine fällige Forderung (des Staates! nicht des Verletzten) vorliegen. Bei ersterem muss er die Forderung (aus Arrest/Einziehungsanordnung) dem gesicherten Vermögen genüberstellen. Kann er das nicht, muss im Zweifel (nochmals durchsucht werden). Das heißt also: Ein Antrag ins Blaue hinein ist nicht zulässig. Würde Abweisung mangels Masse drohen (nach dem vom RPfl ermittelten Ist-Stand), muss vom InsO-Antrag abgesehen werden
    (siehe auch: Bt-Drucks. 18/11640, S. 86 +87).

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