Entwicklung der Eingangszahlen - Konzentration nach § 1 Abs. 2 ZVG sinnvoll?

  • Hallo zusammen,

    wie haben sich denn an Euren Gerichten die Zahlen der Neuanträge in den letzten Jahren entwickelt?

    An meinem Gericht, einem mittleren hessischen Präsidialgericht, sind diese seit zehn Jahren kontinuierlich rückläufig. So haben sich die Neueingänge in Zwangsversteigerungssachen seit 2009 von damals 291 auf 73 in 2018 reduziert. Die Zahl der Neueingänge in Zwangsverwaltungssachen ist in demselben Zeitraum von 184 auf 7 zurückgegangen. Bereits seit 2014 sind nicht mehr als jährlich höchstens 16 neue Zwangsverwaltungsverfahren anhängig geworden. Langfristig ist zu beobachten, dass es im zehnjährigen Rhythmus 1998/1999 und 2008/2009 eine Eingangsspitze zu verzeichnen gab. Diese blieb 2018 aus und ist auch 2019 nicht zu erwarten. Im Hinblick auf die gegenwärtige mittelfristige Zinspolitik und die Situation am Immobilienmarkt ist auch in den nächsten Jahren nicht mit signifikanten Zuwächsen in den Eingangszahlen sondern eher mit stagnierenden oder gar weiter rückläufigen Zahlen zu rechnen. Es bearbeiten derzeit zwei Kollegen mit nur noch jeweils einem 30%-igen Arbeitskraftanteil Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungssachen.

    Wie sieht es bei Euch aus?

    Meines Erachtens wäre eine Konzentration nach § 1 Abs. 2 ZVG sinnvoll.

  • Zur Info. Die Eingangszahlen sind im freien Fall.
    Für 2018 sind keine Steigerungen zu erwarten.


    Versteigerungen:

    2007 82.870
    2008 80.190
    2009 76.046
    2010 68.723
    2011 62.690
    2012 57.013
    2013 51.650
    2014 48.380
    2015 42.670
    2016 38.568
    2017 33.647

    Verwaltungen:

    2003 38.458 Verfahren
    2004 38.273 Verfahren
    2005 38.532 Verfahren
    2006 33.536 Verfahren
    2007 29.263 Verfahren
    2008 27.115 Verfahren
    2009 26.496 Verfahren
    2010 21.402 Verfahren
    2011 18.317 Verfahren
    2012 16.120 Verfahren
    2013 12.995 Verfahren
    2014 10.618 Verfahren
    2015 7.662 Verfahren
    2016 6.042 Verfahren
    2017 4.612 Verfahren

    [FONT=&amp]Quelle: [/FONT][FONT=&amp]Statistisches Bundesamt (Destatis)[/FONT]

    2 Mal editiert, zuletzt von wohoj (28. Januar 2019 um 14:16) aus folgendem Grund: Kleines Graphikproblem behoben

  • Hier in Sachsen sind die ZVG-Gerichte konzentriert auf 6 Standorte. Eine weitere Konzentration scheint mir nicht sachgerecht - die Lebensverhältnisse und namentlich der Immobilienmarkt sind in Dresden gänzlich verschieden von denen in der Oberlausitz.
    Die Eingangszahlen stagnieren hier auf niedrigem Niveau. Wie lange das so weitergeht, wagt hier keiner zu prognostizieren.

  • Freier Fall trifft es (fast!) genau!

    Je nach Region wird sich auch eine Änderung der Zinspolitik nicht bzw deutlich verzögert auswirken, ich denke da an Ballungsräume wie München und Frankfurt/Main. Wenn dann noch gute Beschäftigungsverhältnisse dazu kommen, wird sich das kaum bemerkbar machen.

    Für München und Rhein/Main sehe ich die nächsten 10 Jahre keine Besserung. :(

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Als Betroffener auf Maklerseite würde ich bei den Versteigerungen nicht einen freien Fall befürchten. Es wurde und wird zwar stetig weniger, aber es wird immer einen Bodensatz an Versteigerungen geben, dafür sorgen Ehescheidungen, Krankheiten und Tod. Diese 3 Dinge sind nicht klein zu kriegen und mein subjektiver Eindruck ist, dass im Moment die Fälle von ZVs aufgrund von Rosenkriegen (damit meine ich nicht Teilungsversteigerungen, sondern Vollstreckungsversteigerungen weil die sich trennenden Partner nicht mehr die Finanzierungsraten bezahlen) die früher häufigen Fälle von ZVs aufgrund von Arbeitslosigkeit ablösen. Letzteres ist beim derzeitigen Arbeitsmarkt quasi auf null gesunken.

    Der freie Fall bei den Zwangsverwaltung ist aber auf jeden Fall Realität und er wird sich nach meiner Meinung bis nahe an die Nulllinie fortsetzen. Ursache dafür ist zum einen das Verhalten der Zwangsverwalter, die viel lieber Häuser renovieren möchten, anstatt die Mieten einzuziehen aber auch die sehr positive Entwicklung am Gewerbeimmobilienmarkt.

    Insofern habe ich auch überhaupt nicht verstanden, weshalb sich irgendwelche Experten mit der Reform des ZVG bzgl. der Versteigerung beschäftigen, die Zwangsverwaltung zu reformieren halte ich für viel sinnvoller, sonst wird sie langsam einen siechenden Tod sterben.

    Ich bin Weinkenner. Wenn ich Wein trinke, merke ich sofort: aah, Wein. (Han Twerker)

  • Der freie Fall bei den Zwangsverwaltung ist aber auf jeden Fall Realität und er wird sich nach meiner Meinung bis nahe an die Nulllinie fortsetzen. Ursache dafür ist zum einen das Verhalten der Zwangsverwalter, die viel lieber Häuser renovieren möchten, anstatt die Mieten einzuziehen aber auch die sehr positive Entwicklung am Gewerbeimmobilienmarkt.

    Freier Fall: Das bezog sich hauptsächlich auf die Verwaltung.
    Entwicklung gegen null: befürchte ich auch.
    Für die ZfIR habe ich geschrieben: [FONT=&quot]Bei den Zwangsverwaltungen ist festzustellen, dass dieses Rechtsinstitut in der Bedeutungslosigkeit zu versinken droht.[/FONT]
    Die Ursache: Häuser renovieren, sehe ich für mich jedenfalls nicht!
    Gibt es für diese Aussage belastbares Material?

  • Insofern habe ich auch überhaupt nicht verstanden, weshalb sich irgendwelche Experten mit der Reform des ZVG bzgl. der Versteigerung beschäftigen, die Zwangsverwaltung zu reformieren halte ich für viel sinnvoller, sonst wird sie langsam einen siechenden Tod sterben.

    Welche Vorschläge für die Zwangsverwaltung bieten Sie an?

  • Bei uns kennen wir auch keine Zwangsverwalter, die lieber Häuser renovieren, anstatt zu vermieten.
    Außerdem müsste dann ja ein Gläubiger in Vorlage treten. Die teilen dem Zwangsverwalter dann schon mit, was sie von dessen Plänen halten!

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  •  Das Problem bei den Zwangsverwaltungen sehe ich eher in der immer weiter ausgeuferten Haftung des Zwangsverwalters (und indirekt des Gläubigers) gegenüber Mietern, Ersteher, Finanzamt ... Insoweit gibt es sehr wohl Reformvorschläge.

  • Lieber Bukowski,

    leider fehlt noch die Begründung zu Ihrer Aussage, dass die Zwangsverwalter gerne Häuser renovieren würden. Da gibt es ja eine interessante Entscheidung ("interessant" im Sinne von Alfred Biolek, wenn ihm ein Essen nicht so mundete): [FONT=&quot]LG Koblenz B.v. 26.9.2017 – 2 T 602/17[/FONT] -[FONT=&quot]ZfIR 2017,848 (m. Anm. Weis)[/FONT] .
    Dazu habe ich mich ausnahmsweise öffentlich noch nicht ausgelassen. Aber nur so viel, diese Traute hätte ich nicht gehabt. Mit dem betroffenen Kollegen hatte ich mich etwas ausgetauscht. Aber wenn der Gläubiger den Vorschuss bezahlt, na denn.

    Zu Dir liebe(r) 15. Meridian,

    es ist nicht nur die Haftung, die uns Zwangsverwaltern Kummer macht. Die verschärfte Haftung dürfte eher ein Argument für die Gläubiger sein.

    Demnächst wird zu lesen sein, was ich an weiteren Gründen sehe:

    [FONT=&quot]-Derzeit ein extrem niedriges Zinsniveau - viele Grundstücke werden freihändig verkauft
    -massiver rechtlicher Abbau der Gläubigerrechte mit gleichzeitigem, falsch verstandenem Mieterschutz, -Stichwort Kaution, Nebenkostenabrechnung für Zeiten vor der Beschlagnahme,[/FONT]
     -Verlust von Gläubigerwissen durch Abbau der Rechtsabteilungen und Forderungsverkauf,

     -überzogene Gebäudestandards, Stichwort: Messeinrichtungen, Rauchwarnmelder, Legionellen. Viele Objekte sind sanierungsreif. Für Gläubiger macht es wenig Sinn, womöglich ein Objekt kurz vor der Veräußerung mittels Vorschüsse noch aufzuhübschen,

     -Eingriff der Fachgerichte in das Rangsystem, Stichwort Einkommenssteuer für Erträgnisse,

    -Kurze Verfahrensdauer: Dauerte eine Versteigerung bei uns vor ca. 15-20 Jahren gut und gerne 2-3 Jahre, jetzt nicht einmal mehr ein Jahr. Bis da es zum Verteilungstermin kommt, ist die Hütte schon zugeschlagen,

    -und die Vergütung der Zwangsverwalter, dazu halte ich den Text noch zurück


  • Meines Erachtens wäre eine Konzentration nach § 1 Abs. 2 ZVG sinnvoll.


    Ich weiß ja nicht genau, wie sehr bei euch schon konzentriert ist, aber für BW halte ich - bis auf wenige Ausnahmen - eine weitere Konzentration (aktuell 47/108) für grundsätzlich wenig hilfreich. Eine gewisse Nähe zum Objekt ist durchaus sinnvoll.


    Aus diesen Gründen ist die Zwangsverwaltung tot, da hilft auch keine Reform mehr. Aber warum auch sollte sie künstlich wiederbelebt werden?

    Es stand alles in Büchern, die Alten lebten noch
    Wir haben nicht gelesen, nicht gesprochen, weggeschaut, uns verkrochen ...
    No!

  • In Hessen gab es nach meinem Wissen, anders als bei Inso und Register, noch gar keine Konzentration. Jedes AG macht ZVG.

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    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Ich finde, dass sich auch die Zwangsversteigerungszahlen im freien Fall befinden. Im letzten Jahr hatten wir 60 K-Sachen und immerhin 8 Zwangsverwaltungen. Und wir sind das größte AG im Land. Ich würde auch eine Konzentration nach § 1 II ZVG befürworten. Nicht, dass ich das den Kollegen an den kleineren Gerichten nicht zutrauen würde. Ganz im Gegenteil. Aber die Routine und Erfahrung stellt sich eben erst mit einer gewissen Anzahl von Verfahren ein.

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
    Maxim Gorki



  • Was auch nicht vergessen werden darf bei dem Thema: Ausbildung der Anwärter! Mit nur noch einem Bodensatz von Verfahren wird das zunehmend schwierig bis unmöglich. Ich bin aber dennoch gegen eine Konzentration. Die Justiz sollte sich nicht aus der Fläche zurückziehen.

  • Zwangsversteigerungen haben jetzt nichts mit einer Grundversorgung der Bürger zu tun. Die Insolvenzverfahren und Register (einschließlich VR, wo doch ab und zu Publikum kommt) wurden in Hessen ja auch gebündelt.
    Die Publikumsfrequentierung ist auch nicht vergleichbar mit BerH oder Nachlass, insbesondere nachdem auch schon eine ganze Weile die Gutachten kostenlos im Internet abrufbar sind.

    Und für Versteigerungstermine kann man schon mal einen Weg auf sich nehmen. Wenn man, je nach Objekt, mehrere 1.000, 10.000 oder gar 100.000 Euro ausgeben will, sollte das an einem Urlaubstag und Fahr- und Parkhauskosten nicht scheitern.

    Terminroutine ist nicht zu unterschätzen. Ich merke das ja selbst, wenn mal ein paar Wochen nichts war. Und ein Anwärter sollte einen Termin abgehalten haben. Das ist auch nicht überall machbar (der eine Termin, der anberaumt war, wird aufgehoben...).

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  • Ich bin aber dennoch gegen eine Konzentration. Die Justiz sollte sich nicht aus der Fläche zurückziehen.

    Zwangsversteigerungen haben jetzt nichts mit einer Grundversorgung der Bürger zu tun.

    Ich hatte hubisohns Befürchtung so verstanden, dass eine – weitere – Konzentration dazu führt, dass irgendwann so wenig Arbeit bei den einzelnen Amtsgerichten bleibt, dass Standorte geschlossen/zusammengelegt werden. Dass sich also nicht nur die Zwangsversteigerung, sondern letztlich die gesamte Justiz aus der Fläche zurückzieht. Solches haben wir in Sachsen und kurz darauf in Mecklenburg-Vorpommern in den letzten 6 Jahren erlebt. (Auf die Baden-Württemberger Besonderheiten mit Grundbuchamts- und Notariatsreform will ich jetzt nicht eingehen.)

  • Wir haben zu der Frage der Konzentration berichten müssen und sind als Kleingericht mit sinkenden Zahlen aus verschiedenen Gründen dagegen.
    Wenn ich nun bei der Grundbuchbearbeitung sehe, welche unglaublichen Summen derzeit ständig finanziert werden, habe ich keine Sorge, dass die Zahlen auch wieder steigen werden. Daher ist von Schnellschüssen, die dann nie mehr rückgängig gemacht werden, abzuraten.

  • Wir haben zu der Frage der Konzentration berichten müssen und sind als Kleingericht mit sinkenden Zahlen aus verschiedenen Gründen dagegen.
    Wenn ich nun bei der Grundbuchbearbeitung sehe, welche unglaublichen Summen derzeit ständig finanziert werden, habe ich keine Sorge, dass die Zahlen auch wieder steigen werden. Daher ist von Schnellschüssen, die dann nie mehr rückgängig gemacht werden, abzuraten.


    In anderen Bundesländern hat sich die Konzentration allerdings seit Jahrzehnten bewährt. Aus meiner Sicht spricht die an Kleingerichten ggf. fehlende Routine bei nur sehr selten eingehenden Anträgen schon dafür.

    (Unabhängig davon, wie funktioniert das an den Kleingerichten mit ZVG-Terminen überhaupt räumlich? :gruebel: Wenn ich da an hiesige kleinere Gerichte denke, wäre dafür wohl überhaupt kein Platz. Die Verhandlungssääle sind mit Straf-, Zivil- und Familiensachen gut ausgelastet...)

  • Wir haben jedenfalls genügend Platz und verhältnismäßig mehr Möglichkeiten, als bei dem in Betracht kommenden
    größeren Gericht. Hier kommen die Beteiligten wohl auch eher vorbei und fragen nach.
    Es nimmt schon mal die Spannung aus dem Verfahren, wenn der Schuldner weiß, dass man ihm bei Gericht nichts
    Böses will oder wenn man Probleme vorab klären kann. Auch gelingt es hin und wieder Lösungen im Interesse aller Beteiligten zu finden, durch
    die dann doch das Verfahren ohne Versteigerung beendet werden kann. Das sind doch dann auch die Gründe, aus denen man gerne zur Arbeit geht (wenn auch nicht immer).
    Dazu dient aber vor allem ein persönliches Gespräch und kein hektisches Eintippen in elektronische Medien.
    Natürlich kann hier keiner mit den Kenntnissen und Erfahrungen unserer ZVG-Päpste (ist nicht bös gemeint, die sind nett und helfen)
    in der Landeshauptstadt mithalten.
    Jedenfalls spricht auch die von der Politik gerne angesprochene Bürgernähe dafür, die kleineren Gericht nicht völlig ausbluten zu lassen um dann überrascht festzustellen, dass das ganze keinen Sinn hat und die Kleingerichte ganz weg müssen.

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