Vor-oder nachverstorben

  • Guten Tag liebe Mitstreiter,
    ich soll einen Erbschein erteilen und bin mir etwas unsicher. Mein Erblasser ist im Zeitraum vom 19.06.2013 bis 04.12.2018 verstorben (war in den Alpen verschollen und man hat ihn jetzt gefunden). Er war kinderlos und ledig. Erbberechtigt wären seine Eltern. Der Erblasservater lebt noch. Die Erblassermutter ist am 20.12.2017 verstorben. Ich hatte so etwas noch nie. Ist dann die Mutter vorverstorben??? Kann mir jemand helfen und schreiben, wo ich ggf. nachlesen kann.
    Vielen Dank

  • § 11 VerschG äußert ja nur eine Vermutung.

    Der gesunde Menschenverstand (ja ich weiß, der wird viel zu oft angerufen) könnte die Vermutung widerlegen, dass er nach seinem Verschwinden noch 3 1/2 Jahre in den Alpen herumgelaufen ist, bevor er verstorben ist.

  • Es sollte kein Hindernis darstellen, festzustellen oder feststellen zu lassen, dass der Aufgefundene schon länger als ein Jahr tot war.


    Hätte sich nicht schon als Ergebnis der Obduktion ein kürzerer Zeitraum für den möglichen Todestag ergeben müssen? :gruebel:

    Ich weiß nicht wo er gefunden wurde. Und ich weiß auch nicht wie gut eine Gletscherspalte kühlt. :gruebel:

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

  • Es sollte kein Hindernis darstellen, festzustellen oder feststellen zu lassen, dass der Aufgefundene schon länger als ein Jahr tot war.


    Hätte sich nicht schon als Ergebnis der Obduktion ein kürzerer Zeitraum für den möglichen Todestag ergeben müssen? :gruebel:

    Ich weiß nicht wo er gefunden wurde. Und ich weiß auch nicht wie gut eine Gletscherspalte kühlt. :gruebel:

    Nun, bei unserem Freund Ötzi aus den Alpen war es ca. 5.250 Jahre ausreichend kühl.

    Hat eigentlich schon jemand dessen Erbschein beantragt ..... :D

    Ich bin Weinkenner. Wenn ich Wein trinke, merke ich sofort: aah, Wein. (Han Twerker)

  • Es sollte kein Hindernis darstellen, festzustellen oder feststellen zu lassen, dass der Aufgefundene schon länger als ein Jahr tot war.

    Derartige Abweichungen vom fiktiv angenommenen Todeszeitpunkt kann m. W. das Nachlassgericht im Erbscheinsverfahren selbständig würdigen.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Zitat

    Derartige Abweichungen vom fiktiv angenommenen Todeszeitpunkt kann m. W. das Nachlassgericht im Erbscheinsverfahren selbständig würdigen.

    Ach ja? Wie denn? Ich hatte einen ähnlichen Fall, bei dem die mütterliche Linie einen in der (niederländischen) SU angegebenen Zeitraum von ca. 4 Wochen von mir abgeändert haben wollte, weil dann die väterliche Linie rausgefallen wäre.
    Die niederländische Behörde hat die Urkunde nicht abgeändert, der Leichnam war verbrannt. Das ES Verfahren ist ein Urkundsverfahren und ich kann m.E. nicht einfach irgendeinen Zeitpunkt nach gesundem Menschenverstand annehmen und Erbfolgen ändern ohne ordentliche Urkunde. Also ist der Tod mE mit dem angegebenen Endzeitpunkt anzunehmen, weil er vorher vielleicht noch gelebt hat.
    Der Erbe wollte von mir eine neue Obduktion (von mir persönlich durchzuführen versteht sich). Da war ich schon fast froh, dass keine Leiche mehr da war.

  • Es geht nicht darum, dass das Nachlassgericht eine Urkunde abändert, sondern wie es den Inhalt der Urkunde würdigt bzw. ob andere Unterlagen und Erkenntnisse ebenso einen Einfluss auf die Entscheidung des Gerichts haben.

    Im Erbscheinsverfahren kann nach § 54 III PStG der Inhalt der Urkunde bzw. das über § 11 VerschG fingierte Vorversterben auch durch Freibeweis (!) widerlegt werden. Das Gericht muss sogar von Amts wegen die Tatsachen und Beweise würdigen (§§ 26, 29 FamFG) und ermitteln. Das Verfahren ist desweg gerade kein Urkundenprozess im Sinne der ZPO mit Strengbeweis, sondern mit Freibeweis.

    Vgl. MüKo/BGB § 2368 Rn. 6.

    https://www.bundesanzeiger-verlag.de/xaver/btrecht/…__1549519215210

    http://www.rechtslexikon.net/d/freibeweis/freibeweis.htm

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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    8 Mal editiert, zuletzt von TL (7. Februar 2019 um 07:01)

  • Guten Tag liebe Mitstreiter,
    ich soll einen Erbschein erteilen und bin mir etwas unsicher. Mein Erblasser ist im Zeitraum vom 19.06.2013 bis 04.12.2018 verstorben (war in den Alpen verschollen und man hat ihn jetzt gefunden). Er war kinderlos und ledig. Erbberechtigt wären seine Eltern. Der Erblasservater lebt noch. Die Erblassermutter ist am 20.12.2017 verstorben. Ich hatte so etwas noch nie. Ist dann die Mutter vorverstorben??? Kann mir jemand helfen und schreiben, wo ich ggf. nachlesen kann.
    Vielen Dank

    Zunächst eine pragmatische Frage : Wie lautet der vorliegende Erbscheinsantrag?

    Dann noch zwei weitere Fragen : Handelt es sich bei den infragekommenden Erben um ein gesundes, zusammenhaltendes Familiensystem und ändert sich durch das Vorversterben der Mutter des Erblassers etwas Wesentliches ?

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • Im Erbscheinsverfahren kann nach § 54 III PStG der Inhalt der Urkunde bzw. das über § 11 VerschG fingierte Vorversterben auch durch Freibeweis (!) widerlegt werden. Das Gericht muss sogar von Amts wegen die Tatsachen und Beweise würdigen (§§ 26, 29 FamFG) und ermitteln. Das Verfahren ist desweg gerade kein Urkundenprozess im Sinne der ZPO mit Strengbeweis, sondern mit Freibeweis.

    Nein, 54 III PStG sagt nur, dass eine unrichtige Urkunde durch einen anderen urkundlichen NACHWEIS widerlegt werden kann.

    54 III lautet: 1Der Nachweis der Unrichtigkeit der beurkundeten Tatsachen ist zulässig. 2Der Nachweis der Unrichtigkeit einer Personenstandsurkunde kann auch durch Vorlage einer beglaubigten Abschrift aus dem entsprechenden Personenstandsregister geführt werden

    Der Nachweis der gesetzliche Erbfolge erfolgt durch Urkunden. Freibeweis nur, wenn keine Urkunde vorgelegt werden können oder auch, um die Vermutung des § 11 VerschG zu widerlegen. Liegt aber eine Urkunde mit Sterbezeitraum vor, benötige ich eine andere Urkunde zum Nachweis der Unrichtigkeit (steht in Satz 2des 5 4 III)

  • Der Nachweis der gesetzliche Erbfolge erfolgt durch Urkunden. Freibeweis nur, wenn keine Urkunde vorgelegt werden können oder auch, um die Vermutung des § 11 VerschG zu widerlegen. Liegt aber eine Urkunde mit Sterbezeitraum vor, benötige ich eine andere Urkunde zum Nachweis der Unrichtigkeit (steht in Satz 2des 5 4 III)


    Nein, das steht da nicht. Da steht, dass der Nachweis "auch" durch durch Vorlage einer beglaubigten Abschrift aus dem entsprechenden Personenstandsregister geführt werden kann (weil möglicherweise die Frist, innerhab derer man noch eine neue Personenstandsurkunde bekommen kann, abgelaufen ist), aber nicht, dass er "nur" durch eine andere Urkunde geführt werden kann.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • In § 54 PStG steht nichts darüber, wie der Nachweis der Unrichtigkeit der beurkundeten Tatsache zu führen ist. Satz 2 sagt nur, dass der Nachweis der Unrichtigkeit einer PSt-Urkunde auch durch begl. Abschrift aus dem PSt-Register geführt werden kann.

    Dummerweise ist der Eintrag im Sterberegister "zwischen 2013 und 2018" nicht einmal falsch, irgendwann in diesem Zeitraum ist er zweifellos gestorben. Wenn man den Eintrag präzisieren will, wäre wohl § 47 Abs. 2 Nr. 2 PStG der richtige Weg.

    Aber ist es wirklich nötig das Sterberegister zu ändern?

    Nach § 352 FamFG hat der Antragsteller "den Zeitpunkt des Todes" anzugeben und möglichst durch Urkunde nachzuweisen. Sind Urkunden nicht zu beschaffen, genügen andere Beweismittel. Eine Urkunde, die einen genauen Todeszeitpunkt angibt, ist nicht beschaffbar, es gibt nur eine Urkunde mit einem sehr ungenauen Todeszeitraum, die im Ausgangsfall für den Zweck des Erbnachweises unbrauchbar ist.

    Also sind m.E. andere Beweismittel zulässig, die die Vermutung des § 11 VerschG erschüttern können. Seien es Zeugenaussagen über den Zustand der Leiche oder Allgemeinwissen über die Überlebenschancen eines vermissten Bergwanderers in den Alpen.

  • Mit dem Hinweis auf § 54 III PStG habe ich lediglich sagen wollen, dass prinzipiell auch eine Personenstandsurkunde unrichtig sein kann und deren Abänderung möglich ist.

    Das hat aber nichts damit zu tun (und ich widerhole mich gerne), dass man im Erbscheinsverfahren eine Urkunde ändern lassen muss oder kann. Es geht einzig darum (und das hatte ich doch hoffentlich deutlich dargelegt), dass im Erbscheinsverfahren auch außerhalb von Urkunden der Freibeweis möglich ist und das Gericht nicht an die Urkunden gebunden ist, wenn dessen eigene Ermittlungen einen anderen Schluss zulassen.

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  • Vielen Dank noch einmal für die Beiträge. Ich wollte nur mitteilen, wie ich entschieden habe. Gemäß Palandt, 76. Auflage, § 1923 Rdnr. 5 darf man nicht einfach vom gleichzeitigen Versterben ausgehen. Insoweit hatte ich die zuständige Polizei und die Staatsanwaltschaft angeschrieben. Beide bestätigten mir bzgl. der Ermittlungen, dass der Verschollene nach seiner Bergwanderung von niemanden wieder gesehen worden ist und beide Behörden von einem Versterben kurz danach ausgehen. Insoweit habe ich ein nachversterben der Erblassermutter festgesellt. Niemand hat sich beschwert.

  • :daumenrau
    Danke! Es ist schön, ab und zu mal zu erfahren, wie die Sachen ausgegangen sind.

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