Nachtbriefkasten und Jahreswechsel

  • Hallo zusammen.

    Bin auf folgendes Problem gestoßen:
    Im Rahmen der Beratungshilfe war ein Rechtsanwalt im Jahre 2015 in einer größeren Zahl von Verfahren tätig. Sein Vergütungsanspruch wäre also mit Jahresende 2018 verjährt.
    Ich habe -nachdem die drei Jahre alten Akten aus dem Archiv ausgegraben wurden- jetzt den Stapel Vergütungsanträge mit dem Eingangsstempel 02.Januar 2018 auf den Tisch bekommen.
    Anscheinend eine klare Sache. Der 31.12.2018 ist kein gesetzlicher Feiertag. Der Vergütungsanspruch ist verjährt.

    Aber: der Anwalt erklärt glaubhaft, dass er die Anträge Silvester, Montag , 31.12.2018, in den Briefkasten geworfen habe.
    In dem Nachtbriefkasten gibt es nur eine Trennklappe. Alles, was über dieser Klappe lag, wurde mit 02.01.2019 gestempelt. Eine technische Differenzierung war und ist nicht möglich.
    Ich muss dem Anwalt glauben; etwas anderes kann ich nicht beweisen.

    Ist dieses Problem schon mal aufgetreten?
    Wie lässt sich das Problem beheben?

    Viele Grüße
    buntschuh

  • Wenn er das anwaltlich so versichert, dann wirst du ihm das wohl so glauben müssen.

    Dieses Problem dürfte sich nur technisch lösen lassen (Briefkasten mit mehreren Klappen).

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

  • Bei uns ist (ich glaube im Wechsel) immer ein Wachtmeister für die Leerung zuständig. Dafür muss er natürlich in seiner Freizeit extra zum Gericht fahren. Ich weiß gar nicht, ob es dafür irgendwelche Zulagen o. ä. gibt.

    Die einfachste Lösung ist aber aus meiner Sicht-wie bereits oben erwähnt- ein vernünftiger Briefkasten. Ist aber (gerade bei kleineren Gerichten) wohl eine Kostenfrage.

    Man muss das Unmögliche so lange anschauen, bis es eine leichte Angelegenheit wird.
    Das Wunder ist eine Frage des Trainings!
    (Albert Einstein)

  • Vielen Dank.
    Werde also die Vergütungen auszahlen.
    Meine Geschäftsleiterin ahnte bereits, dass nur eine technische Lösung in Frage kommt. Ich habe noch nie von einem Nachtbriefkasten mit mehreren Klappen gehört, aber es klingt sehr teuer.
    buntschuh

  • Ob es Briefkästen mir mehreren Klappen tatsächlich gibt weiß ich nicht. Es wäre aber zumindest ein Ansatz dein Problem zu lösen.

    Ein andere Ansatz ist das, was Maya schildert.

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

  • Ob es Briefkästen mir mehreren Klappen tatsächlich gibt weiß ich nicht. Es wäre aber zumindest ein Ansatz dein Problem zu lösen.

    Ein andere Ansatz ist das, was Maya schildert.

    Unsere Wachtmeister werden sich bedanken.
    Und es wohnt keiner von ihnen in der Stadt, in der unser Gericht steht.

  • In dem Nachtbriefkasten gibt es nur eine Trennklappe. Alles, was über dieser Klappe lag, wurde mit 02.01.2019 gestempelt.


    Tja, wenn es sich um mehrere Tage handelt, die in Betracht kommen (weil nach der letzten Leerung am 31.12.2018 die Klappe erst am 1.1.2019, 24:00 Uhr Mitternacht, umspringt), ist die einzig mögliche Lösung m.E. die, alles was vor der Klappe liegt, auf den ersten - und nicht auf den letzten - möglichen Tag des Einwurfs zu stempeln.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Ob es Briefkästen mir mehreren Klappen tatsächlich gibt weiß ich nicht. Es wäre aber zumindest ein Ansatz dein Problem zu lösen.

    Ein andere Ansatz ist das, was Maya schildert.

    Unsere Wachtmeister werden sich bedanken.
    Und es wohnt keiner von ihnen in der Stadt, in der unser Gericht steht.

    Es muss ja nicht zwingend ein Wachtmeister sein, der den Briefkasten leert und die Klappe zurückstellt.

    In der Sache hätte ich genauso entschieden. Wenn das Gericht dem Bürger/Antragsteller keine Möglichkeit bietet, den rechtzeitigen Zugang
    zu dokumentieren, kann nicht zu seinen Ungunsten entschieden werden.
    Wundert mich nur, dass das Problem zum ersten Mal auftaucht.

    Wir taumeln durch die Straßen, so als wären wir jung und schön.

  • In dem Nachtbriefkasten gibt es nur eine Trennklappe. Alles, was über dieser Klappe lag, wurde mit 02.01.2019 gestempelt.


    Tja, wenn es sich um mehrere Tage handelt, die in Betracht kommen (weil nach der letzten Leerung am 31.12.2018 die Klappe erst am 1.1.2019, 24:00 Uhr Mitternacht, umspringt), ist die einzig mögliche Lösung m.E. die, alles was vor der Klappe liegt, auf den ersten - und nicht auf den letzten - möglichen Tag des Einwurfs zu stempeln.

    Das sehe ich genau so.

    Da hier § 55 RVG und § 104 ZPO maßgeblich sind, genügt es m.E., den Einwurf vor dem 01.01.2019 glaubhaft zu machen.
    Für andere Sachen hat unser stellv. DirAG festgestellt:
    "Der Eingangsstempel(2.1.19) entfaltet Beweiskraft. „Der auf einem Schriftsatz aufgebrachteEingangsstempel des Gerichts erbringt als öffentliche Urkunde im Sinne des §418 I ZPO Beweis dafür, dass ein in den Nachtbriefkasten des Gerichtseingeworfener Schriftsatz erst an dem im Stempel angegebenen Tag beimBerufungsgericht eingegangen ist. Hiergegen ist jedoch gem. § 418 II ZPO der imWege des Freibeweises zu führende Gegenbeweis zulässig, der die volleÜberzeugung des Gerichts von dem rechtzeitigen Eingang des Schriftsatzeserfordert“ (BGH in NJW 2017, 2285, beck-online). "

    Dann wären Zeugen erforderlich, die Silvester mit der Beobachtung unseres Briefkastens verbracht haben. Brrr.

  • Warum sollte die Versicherung des Anwalts denn kein geeignter Beweis sein um die Beweiskraft des Eingangstempels zuwiderlegen?

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

  • Die Beweiskraft des Eingangsstempels ist in der hier vorliegenden Fallkonstellation doch schon dadurch erschüttert, dass aus in der Sphäre des Gerichts liegenden Gründen auch Eingänge mit dem Datum "02.01.2019" gestempelt wurden, deren tatsächlicher Eingang wegen der Funktionalität des Briefkastens nicht mehr feststellbar ist.

    Es handelt sich hierbei meiner Meinung nach um ein Problem, das darauf beruht, dass der 24.12. - den betrifft es zumindest hinsichtlich des Eingangs von Rechtsmittelschriften - und der 31.12. keine gesetzlichen Feiertage sind, aber an diesen Tagen im öffentlichen Dienst arbeitsfrei ist. Die letzte Leerung am Freitag, 28.12.2018, bewirkt daher, dass nur noch getrennt werden kann zwischen den Eingängen nach der letzten Leerung bis 28.12.2018, 24:00 Uhr, und den Eingängen ab 29.12.2018, 0:00 Uhr, bis zur nächsten Leerung am 02.01.2019.

    Die eindeutige Identifizierung der Eingänge vom 31.12. ist nur dadurch möglich, dass an diesem Tag eine Leerung stattfindet.

  • Ich bin etwas überrascht. Ich glaubte seit Jahrzehnten, in so Fällen würde vorsorglich einfach der frühest denkbare Stempel gesetzt - und gut ist.

    Der 31.12.1979 war ein Montag. Wir waren im Januar 1980 mit der Schulklasse zu Besuch beim Amtsgericht, Strafsachen anschauen. Bei einem Rundgang wurde uns vorher von einem Beamten, den unser Lehrer mit „Herr Gerichtsdiener“ ansprach, der Nachtbriefkasten erklärt. Unser Mitschüler Ralf, der überall Skandal und Schiebung witterte, brachte im frechen, triumphierenden Ton, mit dem er seine kritische Freude an der Entdeckung des Fehlers im System ausdrückte, wie mit der Pistole geschossen die Frage auf:
    - Na! Und wenn Silvester wie dieses Mal auf einen Montag fällt?! Na, was dann?!
    - Du Schlaumeier, sagte da ruhig der Gerichtsdiener mit einem Schmunzeln, dann stempeln wir alles sicherheitshalber auf den 31.
    Unser Lehrer mischte sich ein:
    - Ralf, das haben wir doch durchgenommen. Das ist der Grundsatz „In dubio pro reo.“

    DESIRE IS THE HURDLE TO SALVATION AND TIES ONE TO SAMSARA

  • Bei uns gibt es eine entsprechende Leerung des Nachtbriefkastens um gerade dieses Problem nicht entstehen zu lassen.

    Den betreffenden Wachtmeister wird die Zeit (inkl. Fahrzeit) gutgeschrieben, da die ordnungsgemäße Leerung zu den Aufgaben des WM zählt.

    Gruß Grottenolm

    Don't turn your back, don't look away and don't blink! Dr. Who

  • In dem Nachtbriefkasten gibt es nur eine Trennklappe. Alles, was über dieser Klappe lag, wurde mit 02.01.2019 gestempelt.


    Tja, wenn es sich um mehrere Tage handelt, die in Betracht kommen (weil nach der letzten Leerung am 31.12.2018 die Klappe erst am 1.1.2019, 24:00 Uhr Mitternacht, umspringt), ist die einzig mögliche Lösung m.E. die, alles was vor der Klappe liegt, auf den ersten - und nicht auf den letzten - möglichen Tag des Einwurfs zu stempeln.

    Das sehe ich genau so.

    Da hier § 55 RVG und § 104 ZPO maßgeblich sind, genügt es m.E., den Einwurf vor dem 01.01.2019 glaubhaft zu machen.
    Für andere Sachen hat unser stellv. DirAG festgestellt:
    "Der Eingangsstempel(2.1.19) entfaltet Beweiskraft. „Der auf einem Schriftsatz aufgebrachteEingangsstempel des Gerichts erbringt als öffentliche Urkunde im Sinne des §418 I ZPO Beweis dafür, dass ein in den Nachtbriefkasten des Gerichtseingeworfener Schriftsatz erst an dem im Stempel angegebenen Tag beimBerufungsgericht eingegangen ist. Hiergegen ist jedoch gem. § 418 II ZPO der imWege des Freibeweises zu führende Gegenbeweis zulässig, der die volleÜberzeugung des Gerichts von dem rechtzeitigen Eingang des Schriftsatzeserfordert“ (BGH in NJW 2017, 2285, beck-online). "

    Dann wären Zeugen erforderlich, die Silvester mit der Beobachtung unseres Briefkastens verbracht haben. Brrr.


    Diese Auslegung "für andere Sachen" stets den 2.1. zu stempeln, ist für mich in keinster Weise nachvollziehbar. :(

    Es kann nicht zum Nachteil für die Parteien gereichen, wenn das Gericht weder über einen geeigneten Nachtbriefkasten verfügt und auch nicht für dadurch an sich nötige Zwischenleerungen sorgt.


  • - Du Schlaumeier, sagte da ruhig der Gerichtsdiener mit einem Schmunzeln, dann stempeln wir alles sicherheitshalber auf den 31.
    Unser Lehrer mischte sich ein:
    - Ralf, das haben wir doch durchgenommen. Das ist der Grundsatz „In dubio pro reo.“

    Das war der magische Moment, als ich beschlossen habe, Jura zu studieren :D.

    @ Frog:
    Ich halte es darüber hinaus auch für bedenklich, wenn ich, der ich auf die Funktionsweise des "Nachtbriefkastens" vertrauen darf, dann im Nachhinein den rechtzeitigen Einwurf meiner Schriftsätze beweisen muss. Was ist, wenn der Beweis mir nicht gelingt.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Hier sagt der Eingangsstempel dann "in der Zeit von ... bis ..." eingegangen.

    Die Beweiskraft des Eingangsstempels kann m.E. auch im vorliegenden Fall nicht darüber hinausgehen. Die anwaltliche Versicherung, dass am 31.12.2018 eingeworfen wurde, würde mir regelmäßig als Beweis des rechtzeitigen Eingangs ausreichen. Der Eingangsstempel kann dies im vorliegenden Fall nicht widerlegen.

  • Hier sagt der Eingangsstempel dann "in der Zeit von ... bis ..." eingegangen.

    Das halte ich auch für die beste Lösung. Sonst kommt man wieder in Erklärungsnot, wenn der Schriftsatz vom 31.12.2018 laut Posteingangsstempel am 29.12.2018 bei Gericht eingegangen ist.

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

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