Reisekosten: RA-Kanzlei mit mehreren Niederlassungen

  • Hallo zusammen!

    Es geht um die Kostenfestsetzung in einer Landwirtschaftssache. Speziell wird mal wieder wegen der Erstattung von Reisekosten gestritten.

    Kläger und Beklagter haben ihren Wohnsitz jeweils im Gerichtsbezirk. Der Beklagte beauftragte einen Rechtsanwalt am dritten Ort, der nun auch in seinem Kostenfestsetzungsantrag entsprechend die Reisekosten aufgeführt hat.
    Die Kanzlei des Beklagtenvertreters besteht an mehreren Standorten. Der Beklagtenvertreter ist dabei an einem Standort außerhalb des Gerichtsbezirks ansässig. Die Kanzlei hat aber auch eine Filiale am Standort des Prozessgerichts.
    Der Klägervertreter führt nun aus, dass gar keine (auch nicht fiktive) Reisekosten erstattungsfähig sind, da die Kanzlei auch eine Filiale am Prozessgericht hat.

    Hier wird unterschieden, ob es sich dabei um eine Zweigniederlassung oder einen eigenen Standort handelt: https://www.juris.de/perma?d=SBLU000105118. Je nach dem seien Reisekosten erstattungsfähig oder nicht.


    Die erste Frage: Auf welchen Gerichtsbezirk ist abzustellen? Auf den Amtsgerichtsbezirk oder den Gerichtsbezirk der Landwirtschaftssachen? Das Landwirtschaftsgericht ist hier für den ganzen Landgerichtsbezirk zuständig.

    Meine Vorgängerin hat ihm die fiktiven Reisekosten für die weiteste Entfernung innerhalb des Amtsgerichtsbezirks gewährt. Ich tendiere eher dazu, ihm die weiteste Entfernung innerhalb des Landgerichtbezirks zuzusprechen.

    Die zweite Frage: Woran erkenne ich, ob es sich um eine Zweigniederlassung oder um einen eigenen Standort der Rechtsanwaltskanzlei handelt? Davon hängt ja ab, ob fiktive Reisekosten zu erstatten sind oder nicht.

    Ich hoffe, ich habe es so weit verständlich beschrieben und bin für jede Anregung dankbar.

    VG

  • Es ist immer auf den "Gerichtsbezirks" des mit dem Verfahren befassten Gerichts abzustellen. Wenn also dein Amtsgerichts als Landwirtschaftsgericht für alle Amtsgerichtsbezike deines LG-Bezirks zuständig ist, dann ist der LG-Bezirk des maßgebliche Bezirk.

    Ob es sich um eine Zweigniederlassung oder einen eigenen Standort der Kanzlei handelt müsste eigentlich aus dem Briefkopf hervor gehen.

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

  • Ob es sich um eine Zweigniederlassung oder einen eigenen Standort der Kanzlei handelt müsste eigentlich aus dem Briefkopf hervor gehen.


    ich bin ja eigentlich kein Freund der "Briefkopfpublizität", aber wenn die Kanzlei entsprechend dort vermerkt "Standorte A, B und C" und das Gericht ist nun mal A-Stadt dann fallen nicht einmal Fahrtkosten an, denn diese setzen gem. Vorbem. 7 (2) ein Überschreiten der Gemeindegrenze voraus. Selbst wenn der jeweilige Anwalt aus dem Standort B zum Verfahren kommt, ist nun mal die Kanzlei mandatiert...

    Zweigniederlassung ist eher ein Feld für die Registerrechtler, hier wäre die Kanzlei (z.B. PartG) auch in das Register am Standort X eingetragen....

  • Vielen Dank schon mal für eure Antworten!

    Damit hat sich die erste Frage schon mal geklärt. :)


    Nochmal zur zweiten Frage:
    Die Kanzlei ist eine Patnerschaft mbH
    Auf dem Briefkopf steht:

    Kanzlei A
    RA 1
    RA 2
    RA 3

    Kanzlei B
    RA 4
    RA 5
    RA 6

    Kanzlei C
    RA 7
    RA 8
    usw.

    Eintragung im Partnerschaftsregister liegt nur eine vor, und zwar am Amtsgericht des Hauptstandorts.
    Also liegen hier keine Zweigniederlassungen vor und das sind folglich eigene Standorte?

    Hier habe ich eine Kommentarstelle zur Sozietät gefunden:

    Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, 23. Aufl. 2017, RVG VV 7003 Rn. 126. Demnach kann bei einer Sozietät der Rechtsanwalt aus dem 3. Ort Reisekosten geltend machen, obwohl die Sozietät auch einen Standort am Prozessort hat.

    Allerdings ist eine Partnerschaft ja keine Sozietät, oder doch?
    HILFE :o

  • Die Kanzlei ist eine Patnerschaft mbH


    Vermutlich meinst Du Partnerschaft mbB? Eine PartG mit dem Zusatz "mbH" wäre nämlich nicht zulässig (Lieder/Hoffmann, NJW 2015, 897, 899), weil dieser Rechtsformzusatz sonst über die tatsächlich bestehende Haftung der Partner für sonstige Forderungen (außerhalb etwaiger Berufsfehler) täuschen würde.


    Eine Zweigstelle ist dadurch gekennzeichnet, daß ein RA neben seiner Kanzlei eine weitere lokale Anlaufstelle unterhält, an der er seine anwaltliche Tätigkeit kontinuierlich und erreichbar ausübt (Kleine/Cosack, BRAO, 5. Aufl., § 28 Rn. 10). Das BVerwG (NJW 2017, 3542) hat dazu mal festgestellt:

    "Zwar umfasst der Begriff der Kanzlei neben der Hauptstelle auch etwaige an anderen Orten betriebene Zweigstellen (...). Bei der Niederlassung, die die hier in Rede stehende, in Form einer Partnerschaft ( § 1 Abs. 1 PartGG) organisierte Rechtsanwaltsgesellschaft in Leipzig unterhält, handelt es sich aber nicht um eine Zweigstelle, sondern um eine selbstständige Rechtsanwaltskanzlei. Das folgt zwingend aus den gesetzlichen Rahmenbedingungen, von denen die Ausübung eines freien Berufs in einer Partnerschaft abhängt (§ 1 Abs. 3 PartGG). Zu diesen Voraussetzungen gehört bei einem Rechtsanwalt, dass er eine Kanzlei im Bezirk der Rechtsanwaltskammer unterhält, deren Mitglied er ist (§ 27 Abs. 1 BRAO). Wie von der Beigeladenen dargelegt, ist der von ihr beauftragte Rechtsanwalt Mitglied der Rechtsanwaltskammer Köln mit Kanzleisitz in Bonn, während das Leipziger Büro der Partnerschaftsgesellschaft die Kanzlei derjenigen Rechtsanwälte ist, die der Rechtsanwaltskammer Sachsen angehören."

    Der von Dir verlinkte Beitrag von N. Schneider in NJW-Spezial 2018, 91, weist insoweit auf die (auch vom BVerwG) zitierte Rspr. des OLG Koblenz (NJW-RR 2015, 1408) und OLG Dresden (NJW 2011, 869) hin, wonach im Falle der Zweigstellen keine Geschäftsreise i. S. d. Vorb. 7 Abs. 2 VV RVG (und damit kein Anfall anwaltlicher Reisekosten) vorliege (N. Schneider weist aber darauf hin, daß diese Rspr. allerdings der Rspr. zur Ortsverschiedenheit von Wohn- und Kanzleisitz des RA widerspricht). Dagegen steht dann die von Dir an der zitierten Fundstelle in der Kommentierung auch genannte Rspr. des BGH (NJW 2008, 2122), wobei es dort um die Reisekosten des am Sitz der Partei ansässigen RA der überörtlichen Sozietät ging, der zum auswärtigen Prozeßgericht (wo die Sozietät ebenfalls eine Kanzlei unterhielt) reiste. Dein Fall ist dagegen ja anders gelagert, weil der Wohn- mit dem Prozeßort zusammenfällt. Jedenfalls begründete der BGH die Erstattungsfähigkeit (Rn. 16 f):

    "Wenn eine Partei eine an ihrem Wohnsitz ansässige überörtliche Sozietät mit ihrer anwaltlichen Vertretung beauftragt, wird das Mandat regelmäßig ein am Wohnsitz der Partei niedergelassener Sozius bearbeiten. Auch hier wird für die Partei trotz der überregionalen Ausrichtung der Kanzlei die räumliche Nähe im Vordergrund stehen. Zwischen dem sachbearbeitenden Anwalt und der Partei besteht infolge von persönlichen Beratungsgesprächen, der außergerichtlichen bzw. gerichtlichen Wahrnehmung des Mandats und der damit verbundenen besonderen Akten- und Sachkenntnis des Anwalts ein besonderes Vertrauensverhältnis.

    Dieses Verhältnis ist mit demjenigen zu den am Sitz des Prozessgerichts niedergelassenen Sozien - mit denen ein formales Mandatsverhältnis, aber kein persönliches Vertrauensverhältnis besteht - nicht vergleichbar. Zwar will sich der Rechtsuchende mit der Mandatierung einer überörtlichen Sozietät gerade die Vorteile zu Nutze machen, die ihm eine solche Sozietät bietet. Ihm wird aber bekannt sein, dass innerhalb der Sozietät grundsätzlich nur einer der Anwälte allein oder zumindest federführend eine Sache bearbeitet. Ein Mandant wird darauf sogar Wert legen, weil er nicht alle Anwälte, sondern nur einen aufsuchen und informieren will, den er persönlich kennt, der ihn vor Gericht vertritt und mit dem er seine Angelegenheiten besprechen kann. Auf das, was das Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Anwalt begründet und festigt, will er bei der Beauftragung einer Sozietät gerade nicht verzichten. Vielmehr will er nur insofern besser stehen, als er die Gewissheit hat, dass hinter „seinem“ Anwalt die Sozietät mit ihren Vorteilen in Bezug auf Organisation und Arbeitsteilung steht. Der Mandant weiß, dass bei Verhinderung „seines“ Anwalts stets für Vertretung gesorgt ist. Wenn seine Sache von einem der Sozien bearbeitet wird, der noch über keine große Erfahrung verfügt, rechnet er vielfach damit, dass dieser erforderlichenfalls, insbesondere in Spezialfragen, bei den anderen Sozietätsmitgliedern Rat einholen wird. Denn die gemeinsame Nutzung der Berufserfahrung und die Pflege des Gedankenaustauschs gehört zum Zweck der Sozietät (BGHZ 56, 355, 360)."


    Wenn also nach dieser Begründung (so auch das o. g. BVerwG) die Erstattungsfähigkeit der Reisekosten des RA der überörtlichen Sozietät an das besondere Vertrauensverhältnis der Partei zu ihrem RA der Sozietät an ihrem Wohnsitz anknüpft, dann könnte man für Deinen Fall (Wohnort = Prozeßgericht) auch argumentieren, daß allein die Wahrnehmung des RA am hiesigen Wohnsitz = Prozeßort den wohlverstandenen Interessen der Partei dient und demnach die Anreise eines auswärtigen RA der überörtlichen Sozietät nicht notwendig war. Immerhin sieht das im Rahmen der PKH-Beiordnung der BGH (NJW 2009, 440, Rn. 10 - zitiert nach juris) so für die überörtliche Sozietät und der "Gefahr" für die Staatskasse, sollte ein auswärtiger RA der Sozietät anreisen.

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  • Eintragung im Partnerschaftsregister liegt nur eine vor, und zwar am Amtsgericht des Hauptstandorts.
    Also liegen hier keine Zweigniederlassungen vor und das sind folglich eigene Standorte?


    Zweigniederlassungen haben seit einigen Jahren keine eigenen Registereintragungen mehr am Ort der Zweigniederlassung. Diese müssten bei der Eintragung am Hauptstandort aus einem Registerauszug ergeben.

    „Gebildet ist, wer weiß, wo er findet, was er nicht weiß.“ (Georg Simmel)

  • Ich habe der Erinnerung nun abgeholfen, da dem Rechtsanwalt die fiktiven Reisekosten für die weiteste Entfernung innerhalb des Landgerichtsbezirks (und nicht wie festgesetzt innerhalb des Amtsgerichtsbezirks) zustehen.
    Den Einwand der Gegenseite, dass die PmbB auch am Gerichtsort einen Partner hat und deshalb keine fiktiven Reisekosten zu erstatten seien, habe ich mit Verweis auf die Entscheidung

    BVerwG, Beschluss vom 04. Juli 2017 – 9 KSt 4/17

    zurückgewiesen.

    Bin gespannt, ob dagegen eine Erinnerung kommt.

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