Verlegung eines Bachlaufs - Grundbuchberichtigung bzw. Eintragung Eigentumsänderung

  • Hallo,

    ich bin jetzt seit ca. 2 Jahren bei einem Grundbuchamt in Württemberg tätig und bin noch nicht so "sattelfest" :gruebel:.

    Folgender Sachverhalt:
    Der Verlauf eines Baches wurde geändert.
    Eine Teilfläche des bisherigen Baches wurde zugeschüttet, nunmehr im Grundbuch gebucht und wird von der Gemeinde an Privateigentümer veräußert.
    Der neue teilweise Bachverlauf liegt nunmehr auf dem Grundstück (Flst. 11) einer Erbengemeinschaft und ist im Grundbuch als Freifläche gebucht.
    Ein Fortführungsnachweis liegt vor.

    Die Gemeinde beantragt nunmehr aufgrund einer Bescheinigung, welche sich auf den Fortführungsnachweis bezieht, ihre Eintragung als Eigentümerin
    des entsprechenden Flst. 11.


    Ich habe mir einen Kommentar zum Wassergesetz (BW) besorgt und werde nicht so recht schlau.

    Es findet ja wohl tatsächlich kraft Gesetzes ein Wechsel von Privat- in Öffentliches Eigentum statt.

    Der Antrag ist dann ein Berichtigungsantrag und aus der Bescheinigung in Verbindung mit dem FN ist ja auch klar, dass es sich nunmehr um ein Gewässer 2. Ordnung
    handelt.

    Aber kann ich tatsächlich die Erbengemeinschaft einfach so enteignen? Die müssten nach meinem Gefühl doch irgendwie mit einbezogen werden, in dem sie z.B. eine
    Zustimmung erteilen.

    Vielen Dank schon mal für Eure Meinungen.

  • Anders als Du verfüge ich über keinen Kommentar zum Wassergesetz BW vom 03.12.2013. Bei einer künstlichen Verlegung eines Gewässerbettes zweiter Ordnung müsste aber das Entstehen von öffentlichem Eigentum verfassungskonform sein. Das OLG Hamm führt dazu im Beschluss vom 04.06.1985, 15 W 393/84, zu § 5 des Landeswassergesetzes NRW aus:

    „Die restriktive Auslegung des § 5 LWG ist im Übrigen auch verfassungskonform. Hätte diese Bestimmung regelnde, rechtsverändernde Bedeutung, so würde dies bei der künstlichen Verlegung eines Gewässerbettes einen Eingriff in das Eigentum des davon nachteilig betroffenen Anliegers im Sinne eines Rechtsverlustes bedeuten. Eine Enteignung zum Wohle der Allgemeinheit ist jedoch nur durch ein Gesetz oder durch Verwaltungsakt aufgrund eines Gesetzes möglich, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt (vgl. Art. 14 Abs. 3 Sätze 1 bis 3 GG)…“

    § 5 Absatz 1 Satz 2 WG BW lässt aber doch eigentlich das Privateigentum anderer am Bett eines öffentlichen Gewässers unberührt.

    Was steht denn in der Bescheinigung, die die Gemeinde vorgelegt hat, und auf welche Bestimmungen gründet sie sich ?

    Vielleicht hilft auch die Dissertation von Julian Fridrich aus dem Jahr 2016: „Das öffentliche Eigentum an Gewässern nach dem baden-württembergischen Wasserrecht“ weiter. Eine Gliederung findet sich bei juris unter: https://www.juris.de/perma?d=WBLS201700133

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Hallo Prinz,

    vielen Dank für die Fundstelle. Ich werde mir die Entscheidung gleich mal besorgen.
    Das Landratsamt hat mir die Kommentierung zu § 5 Wassergesetz (BW) zukommen lassen.

    In der Bescheinigung wird keine Rechtsgrundlage erwähnt. Die Sachbearbeiterin, die 2015 die Bescheinigung erteilt hat, ist inzwischen
    pensioniert und die Justiziarin des Landratsamt hat telefonisch mitgeteilt, dass das so schon wohl richtig sei.

    Auf meine Frage, dass es doch irgendwelche Vorgänge/Verträge geben müssen, da ja nicht einfach der Bachverlauf auf ein "fremdes" Grundstück verlegt
    werden kann, wurde erklärt, dass es eigentlich ein Genehmigungsverfahren geben müsste, aber keinerlei Vorgänge auffindbar sind.

    Die Bescheinigung ist wie folgt gefasst:
    ".. Für die grundbuchrechtliche Änderung bittet die Gemeinde Bad Boll um die erforderliche Betätigung, dass es sich bei dem Flst. X um eine Wasserfläche handelt, welche in das Eigentum der Gemeinde Y übergegangen ist. Der VN X weist nun den tatsächlichen Verlauf des Teufelsklingenbachs nach. Aufgrund dieser Übereinstimmung bestätigt das LRA, dass die gesamte Fläche des Flurstücks X zum Teufelsklingenbach - bestehend aus dem Gewässerbett und den beidseitigen Ufer-/Böschungsbereichen - hinzugerechnet wird, mit der Folge, dass diese Fläche kraft Gesetzes ins Eigentum der Gemeinde Y übergegangen ist."

  • Ich kann der „Bestätigung“ des Landratsamts ebenfalls keine Bestimmung entnehmen, nach der „die gesamte Fläche des Flurstücks X zum Teufelsklingenbach - bestehend aus dem Gewässerbett und den beidseitigen Ufer-/Böschungsbereichen“ in das Eigentum der Gemeinde Bad B. übergegangen sein soll. Ich meine, dass dies aus einem Ersuchen um Grundbuchberichtigung hervorgehen muss.

    Da Dir eine Kommentierung zu § 5 des Wassergesetzes (BW) übersandt wurde, müsste sich das aus dieser Bestimmung ergeben. Was sagt denn die Kommentierung dazu ?

    Nach § 5 Absatz 1 Satz 1 WG steht das Bett eines Gewässers zweiter Ordnung innerhalb des Gemeindegebietes im öffentlichen Eigentum der Gemeinde.

    Ob es sich bei dem Teufelsklingenbach um ein Gewässer zweiter Ordnung handelt, lässt sich der Anlage 3 zum Wassergesetz vom 03.12.2013
    https://www.juris.de/perma?d=jlr-WasGBW2014pAnlage3
    nicht entnehmen, da dort nur die Gewässer zweiter Ordnung aufgelistet sind, für die die Ausnahme nach § 32 Absatz 2 WG greift, weil sie in der Unterhaltung des Landes stehen.

    Grundlage für die Erfassung abschnittsbezogener Gewässereigenschaften wie Gewässergüteklassen, lokale Gewässernamen und die Gewässerordnung dürfte daher das „Amtliche Digitale Wasserwirtschaftliches Gewässernetz (AWGN)“ sein; siehe
    https://www.lubw.baden-wuerttemberg.de/wasser/awgn
    Allerdings ist die Aufnahme in eine solche Kartei nicht konstitutiv hinsichtlich der Gewässereigenschaft. Die Gewässereigenschaft wird nicht durch einen besonderen Widmungsakt verliehen, sondern ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz, d. h. aus § 2 WHG i. V. m. den Begriffsbestimmungen in § 3 Nr. 1 bis 3 WHG (so das VG Karlsruhe 5. Kammer im Urteil vom 20.07.2017, 5 k 1936/15).

    Nach § 3 Abs. 2 WG BW sind öffentlichen Gewässer die natürlichen Wasserläufe, die künstlichen Wasserläufe, an deren Bett Privateigentum nicht nachweisbar ist oder 3 die nach bisher geltendem Recht öffentliche Gewässer waren sowie die natürlichen stehenden Gewässer, die einen ständig fließenden oberirdischen Zu- oder Ablauf haben (s. die Zusammenfassung der Dissertation mit dem Titel „Das öffentliche Eigentum an Gewässern nach dem baden-württembergischen Wasserrecht“ von Julian Fridrich durch die Juristische Fakultät der Universität Heidelberg unter
    https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/volltextserver…rich_Julian.pdf

    Die Zusammenfassung der Uni Heidelberg führt aus (Hervorhebung durch mich):

    „Nach § 5 Abs. 1 WG BW steht nur das Bett des Gewässer im öffentlichen Eigentum. Das darin fließende Wasser ist schon nach § 4 Abs. 2 WHG nicht eigentumsfähig. Das öffentliche Eigentum ist nicht Eigentum im Sinne des Art. 14 GG. Den Inhalt des öffentlichen Eigentums bestimmt § 6 WG BW. Nach § 6 Satz 2 WG BW kann über das öffentliche Eigentum durch Privatrechtsgeschäft nicht verfügt werden. Die im öffentlichen Eigentum stehenden Gewässer sind damit dem Privatrechtsverkehr entzogen. Eine Durchbrechung seiner rein öffentlich-rechtlichen Konzeption bestimmt das Landeswassergesetz in § 6 Satz 1 WG BW. Danach gelten für das öffentliche Eigentum des Landes und der Gemeinden am Bett eines öffentlichen Gewässers die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über das Grundeigentum nur, soweit nicht die aus der Zweckbestimmung der öffentlichen Gewässer und die aus dem Wasserrecht folgenden Beschränkungen entgegenstehen. Der Wortlaut der Vorschrift erweckt den Eindruck, dass bürgerliches Recht grundsätzlich anwendbar ist, soweit die Zweckbestimmung des Gewässers oder des Wasserrechts nicht entgegenstehen. Aus der Gesetzesbegründung geht jedoch hervor, dass die Vorschrift nur gesetzliche Regelungslücken schließen soll und bürgerliches Recht nur anwendbar ist, wenn das Wasserrecht selbst keine Regelungen enthält. Bürgerliches Recht ist damit also im Grundsatz ausgeschlossen…“

    Wenn also die Eigenschaft des Teufelsklingenbach als Gewässer zweiter Ordnung irgendwie belegt ist, dürfte sich das Privateigentum am Bett des Gewässers in öffentliches Eigentum umgewandelt haben.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Hallo Prinz,

    vielen Dank für die ausführlichen Erläuterungen.
    Es ergibt sich aus dem FN, dass es sich um ein Gewässer II. Ordnung handelt.

    Aufgrund der Dissertation von Julian Fridrich sowie den Ausführungen in der Entscheidung des OLG Hamm, bin ich der Meinung, dass ich
    dennoch nur aufgrund der Klassifizierung und der Bescheinigung des Landratsamt keinen Eigentumswechsel und damit eine Enteignung
    vornehmen kann.

    Bei der Einführung des Landeswassergesetzes im Jahr 1960 wurde geregelt, dass das öffentliche Eigentum nur für die öffentlichen und nicht für die privaten Gewässer gilt.
    Es ist daher durchaus möglich, dass es Privateigentum an Gewässern gibt.
    Lt. Kommentierung ist das Privateigentum am Bett öffentlicher Gewässer durch die öffentliche-rechtliche Zweckbindung beschränkt, behält jedoch einen Kern von Eigentümerbefugnissen; z.B. die
    Verfügungsbefugnis (Umkehrschluss aus § 6 Satz 2).

    Ich denke nicht, dass die Gemeinde, ohne jegliche Verträge mit den Grundstückseigentümern, aktiv einen Gewässerverlauf verlegen kann und dann dadurch die bisherigen Eigentümer
    ohne Entschädigung enteignet werden.

    Ich werde mal auf einer Auflassung bestehen; notfalls geht die Sache an unser OlG.

    Schönes Wochenende.

  • Gut. Dann kann ich zur Unterstützung Deiner Ansicht, eine Auflassung sei erforderlich, noch auf das Gutachten des DNotI, Dokumentnummer: 11401, letzte Aktualisierung: 20.06.2005
    https://www.google.com/search?q=K%C3%…chrome&ie=UTF-8
    (Titel: BGB § 925; GBO §§ 3 Abs. 2, 22; BayWG Art. 7, 9 Künstliche Uferveränderungen eines Gewässers und Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch; Notwendigkeit einer Auflassung) verweisen.

    Allerdings kann die Vorlage einer noch nicht abgegeben Auflassungserklärung nicht im Wege der Zwischenverfügung verlangt werden (OLG München 34. Zivilsenat, Beschluss vom 21.03.2017, 34 Wx 22/17 u.a.)

    Ebenfalls schönes Wochenende !

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

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