Berechtigtes Interesse Grundbucheinsicht zwecks Nachweis Unternehmereigenschaft?

  • Folgender Fall:

    A verklagt B, weil A behauptet, A sei Verbraucher im Sinne von § 13 BGB, und hieraus Rechte gegenüber B herleiten will (er behauptet, B sei Unternehmer gemäß § 14 BGB, und es liege daher ein Verbrauchervertrag vor). B hat Anhaltspunkte dafür, dass A lügt. B hält A für einen gewerblichen Grundstückshändler; B erinnert sich daran, dass A ihm gegenüber bei Beurkundung behauptet habe, er werde kurzfristig weitere Objekte veräußern. Im jetztigen Grundbuch des B gehörenden Objekts ist die gelöschte Grundschuld von A noch ersichtlich; dort waren Mithaftvermerke. B will die Grundbücher einsehen, bei denen die Mithaftvermerke bestehen.

    Der Grund ist, dass er zum Zweck der Rechtsverteidigung As Behauptung, dass A Verbraucher sei, widerlegen will. Wenn A diese weiteren Objekte tatsächlich als gewerblicher Grundstückshändler verkauft hätte (wofür die Fristen maßgeblich sind, die auch aus dem Grundbuch ersichtlich sind), wäre As Vortrag erschüttert und A im Bereich des Prozessbetruges.

    Die Frage ist, ob hier ein berechtigtes Interesse gemäß §§ 12, 133a GBO vorliegt. Meines Erachtens klingt es danach, wenn man die Auskunft darauf beschränkt, wann die Objekte von A angeschafft und veräußert worden sind. A ist prozessual ohnehin verpflichtet, diese Auskunft wahrheitsgemäß zu erteilen. B ist in diesem Fall eine Art prozessualer Auskunftsgläubiger von A. Wenn man auch bei anderen Gläubigern und sogar Maklern ein berechtigtes Interesse zwecks Anspruchdurchsetzung anerkennt, müsste das hier auch gelten.

    Der Fall ist aber naheliegenderweise noch nicht Gegenstand der Rechtsprechung gewesen. Für Einschätzungen wäre ich dankbar.

  • Grundbucheinsicht kann m.E. nicht gewährt werden, weil Informationen bereitgestellt werden sollen, die nicht zum eigentlichen Grundbuchinhalt gehören. Überdies ist das Grundbuch nicht dazu konzipiert, prozessuale Fragestellungen zu beantworten, sondern ein Spiegel dinglicher Rechte. In diesem Sinne auch OLG München BeckRS 2016, 18015, das in solchen Konstellationen "eine strenge Prüfung des berechtigten Interesses" fordert, um das informationelle Selbstbestimmungsrecht der dinglich Berechtigten zu wahren. In der Konstellation des OLG München sollte die Einsichtnahme auch nicht der Durchsetzung von Ansprüchen gegen aktuelle oder frühere Eigentümer dienen, sondern einen anderen Sachverhalt untermauern. Das OLG München führte insoweit aus: "Für die Gewinnung derartiger vom Zweck des Grundbuchs losgelöster Informationen ist das Einsichtsrecht in § 12 GBO nicht geschaffen." (OLG München aaO).

  • Grundbucheinsicht kann m.E. nicht gewährt werden, weil Informationen bereitgestellt werden sollen, die nicht zum eigentlichen Grundbuchinhalt gehören. Überdies ist das Grundbuch nicht dazu konzipiert, prozessuale Fragestellungen zu beantworten, sondern ein Spiegel dinglicher Rechte. In diesem Sinne auch OLG München BeckRS 2016, 18015, das in solchen Konstellationen "eine strenge Prüfung des berechtigten Interesses" fordert, um das informationelle Selbstbestimmungsrecht der dinglich Berechtigten zu wahren. In der Konstellation des OLG München sollte die Einsichtnahme auch nicht der Durchsetzung von Ansprüchen gegen aktuelle oder frühere Eigentümer dienen, sondern einen anderen Sachverhalt untermauern. Das OLG München führte insoweit aus: "Für die Gewinnung derartiger vom Zweck des Grundbuchs losgelöster Informationen ist das Einsichtsrecht in § 12 GBO nicht geschaffen." (OLG München aaO).

    Danke, das ist eine substantiierte Antwort. Dann sind aber auch die in der Rechtsprechung anerkannten Maklerfälle ausgeschlossen. Die Konstellation ist identisch:

    Der Makler will wissen, ob er einen Provisionsanspruch hat und ist hierfür auf die Kenntnis des Grundbuchstandes angewiesen (Schöner/Stöber, Rn. 525).
    Der hier Beteiligte will wissen, ob er einen Anspruch hat, nicht auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden.

    Wo ist strukturell der Unterschied?


  • Wo ist strukturell der Unterschied?

    Beim Makler geht es um konkrete Objekte, wobei der Makler hierzu und zu dem behaupteten Maklervertrag vortragen muss. Bei der Frage Verbraucher ja/nein geht es mehr in Richtung Ausforschung.

  • Wie Kai. Der Makler handelt in "eigener Sache", wenn er recherchieren möchte, ob seine Vermittlungstätigkeit zum Abschluss eines Kaufvertrags geführt hat. Damit ist der Bezug zur Immobilie hergestellt, sein Anspruch muss schlüssig dargelegt sein, beispielsweise durch Vorlage des Maklervertrags. Der Makler muss Einsicht nehmen, um seinen Anspruch weiterverfolgen zu können. Ganz anders dagegen der Antragsteller, der das Grundbuch dazu umfunktionieren möchte, Nachweise zu führen, für die das Grundbuch nicht konzipiert wurde. Ein Bezug zur Immobilie ist nicht gegeben. Darin liegt der "strukturelle" Unterschied (vgl. auch Kai). Auf die bereits aufgeführte Rspr. des OLG München darf ich nochmals verweisen.

  • Siehe dazu auch den Beschluss des OLG München vom 27.02.2019, 34 Wx 28/19
    http://www.gesetze-bayern.de/Content/Docume…-N-2463?hl=true
    Randziffern 14, 24, 27:

    „Der Regelungszweck der Norm bezieht sich dabei auf eine Einsicht wegen einer zu erwartenden Teilnahme am Rechtsverkehr im Zusammenhang mit im Grundbuch dokumentierten Rechtsverhältnissen …. Denn das Einsichtsrecht ist begrifflich mit dem materiellen Publizitätsgrundsatz des Grundbuchs verklammert (Böhringer Rpfleger 1987, 181/191); dies erfordert grundsätzlich - abgesehen von Sonderfällen wie dem des Einsichtsrechts der Presse (vgl. BVerfG NJW 2001, 503/504; BGH NJW-RR 2011, 1651) - ein hierauf bezogenes Interesse……. Auch der Vortrag, die Auskunft werde in einem Rechtsstreit benötigt, führt zu keinem anderen Ergebnis. So legt der Beteiligte nicht dar, dass er selbst ein Recht am Grundstück habe, eigene Ansprüche mit einem Recht am Grundstück in Zusammenhang stünden oder Ansprüche durch ein Recht am Grundstück im Grundbuch abgesichert werden sollen….…Wenn es …. in dem Zivilprozess auch auf Rechte an den Immobilien und daher auf die Einsicht in das Grundbuch ankommen sollte, kann Urkundenbeweis nach § 432 ZPO durch den Antrag angetreten werden, das Grundbuchamt um Mitteilung des Grundbuchauszugs zu ersuchen….“

    Auch beim Makler ist nicht generell die erweiterte Grundbucheinsicht gestattet (s. die Randziffern 19, 20 des Beschlusses des OLG Düsseldorf 3. Zivilsenat vom 06.01.2017, 3 Wx 270/16
    https://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/dues…s_20170106.html

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Der Standpunkt des OLG München ist restriktiv, liefert aber eine klare Lösung. Danke für den Hinweis!

    Eure Differenzierungen zu den Maklerfällen überzeugen mich aber gleichwohl nicht:

    Auch die Maklerfälle sind in Folge der OLG-Rechtsprechung gefährdet. Denn auch der Makler macht kein Recht an einem Grundstück im Sinne einer Unmittelbarkeit geltend. Und er kann ja auch Auskunftsansprüche gegen seine Präsumtivschuldner zivilprozessual geltend machen, "braucht" also auch nicht die Grundbucheinsicht.

    Auch der Anspruch des Maklers ist nicht auf den "Zweck des Grundbuchs" gemünzt - denn der Makler hat ja in der Regel schon einen Anspruch mit einem schuldrechtlich wirksamen Vertrag, Eigentumsumschreibung ist nicht Voraussetzung. Und "konkrete" Grundstücke kann der beklagte Unternehmer auch benennen, nämlich diejenigen, die in den Mithaftvermerken stehen.

    Der Makler forscht ja auch eventuell aus - er weiß ja im Zeitpunkt seiner Abfrage nicht, ob das Grundstück veräußert wurde oder nicht.
    Durch die Vorlage des Maklervertrages bringt der Makler ja nur zum Ausdruck, er habe möglicherweise einen Anspruch gegen entweder Verkäufer oder Käufer. Durch die Vorlage der Klageschrift bringt der beklagte Unternehmer zum Ausdruck, er habe möglicherweise einen Anspruch auf Klageabweisung gegen den möglicherweise betrügerischen Kläger.

    Besonders deutlich beim Makler wird dies, wenn er einen Anspruch gegen den Verkäufer geltend macht aus dem Maklervertrag. Sein Interesse lässt sich wie folgt formulieren: "Ich muss wissen, ob V nicht mehr im Grundbuch steht und nunmehr K. Wenn V nicht mehr drin steht und nunmehr K und dies auf Grund Auflassung geschehen ist, habe ich einen Anspruch gegen V."

    In meinem Fall: "Ich muss wissen, ob V das Grundstück X veräußert hat. Wenn dort nicht mehr V drinsteht und dies auf Grund Auflassung geschehen ist, habe ich einen Anspruch gegen V aus § 826 BGB".

    Kaum ein Unterschied. Der einzige Unterschied ist, dass der Makler das Grundstück X "in seinen Vertrag" einbezogen hat. Aber sein Vertrag ist per se eben nicht eigentumsbezogen, sondern schuldvertragsbezogen.

    Auch die Maklerfrage hat mit dem "Zweck des Grundbuchs" wenig zu tun: Er will sich nicht gegen den EIgentümer verteidigen oder Schadensersatzansprüche in Folge Nachbarrechts geltend machen etc.

    Beim Mieter ist das anders: Er muss den Eigentümer kennen, weil typischerweise nur der Eigentümer ihm rechtmäßigerweise Besitz verschaffen kann.


    Es ist verständlich, dass man die Grundbucheinsicht in Fällen wie meinem nicht gewähren will. Das Problem ist, dass überbordende Begründungen oder zu allgemeine Begründungen ("Zweck" der Grundbuchs) auch andere Fälle in Frage stellen.

    Beste Grüße!

  • Ich denke, dass der Vergleich hinkt. Der Makler hat ein berechtigtes Interesse daran, zu erfahren, ob der Kaufvertrag mit demjenigen zustande gekommen ist, den er vermittelt hat. Dieses Interesse bezieht sich auf ein ganz spezielles Objekt. Dazu wird nicht nur die Vorlage des schriftlichen Maklervertrages oder zumindest ein hinreichend schlüssiger Sachvortrag verlangt, sondern auch die Darlegung dazu, dass eine beträchtliche Wahrscheinlichkeit für die behauptete Entstehung eines Provisionsanspruchs besteht (s. OLG Stuttgart, Beschluss vom 28. 9. 2010 - 8 W 412/10 unter Zitat OLG Karlsruhe, NJW-RR 1996, 1043; OLG Dresden, FGPrax 2010, 66 = NJW-RR 2010, 1175; Beck-OK/Wilsch, aaO, Rn. 54).

    In Deinem Fall kann eine beträchtliche Wahrscheinlichkeit, dass B Unternehmer gemäß § 14 BGB ist, nicht dargelegt werden. Vielmehr soll sich dieser Umstand erst daraus ergeben, dass B mehrere Objekte veräußert haben könnte, wobei sich dies wiederum aus den Mithaftvermerken ergeben könnte. Mit der Gesamt-GS könnten allerdings auch die Objekte verschiedener Eigentümer belastet sein. Aber selbst, wenn davon ausgegangen wird, die Objekte stünden im selben Eigentum, müsste jedenfalls bei den Objekten, deren Mithaft bei dem an A veräußerten Objekt vermerkt war, davon ausgegangen werden, dass noch keine Eigentumsumschreibung erfolgt ist, da bis zur Eigentumsumschreibung der Veräußerer zur Lastenfreistellung verpflichtet gewesen wäre (§§ 433 Abs. 1 S. 2, 435 BGB). Wurde jedoch -wie spekuliert wird- in der Folgezeit das Eigentum bereits umgeschrieben, käme die Auskunft darüber im Grunde genommen einer Auskunft aus dem Eigentümerverzeichnis nach § 12a GBO gleich. Aus diesem könnte jedoch nur unter den engen Voraussetzung des § 12a Abs. 1 S. 3 GBO Auskunft verlangt werden.

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